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Bergführermuseum

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Das Bergführermuseum in St. Niklaus im Schweizer Kanton Wallis ist weltweit einzigartig und entführt seine Besucherinnen und Besucher in die Zeit der Zaniglaser Alpen- und Bergführerpioniere, die insbesondere über die ersten zwei Generationen hinweg in der ersten Reihe standen und weltweit das Bergführerwesen in den verschiedensten Bereichen massgeblich prägten.

Das historische Gebäude: Der Meierturm von St. Niklaus (Zaniglas)

Bergführermuseum im historischen Meierturm in St. Niklaus Dorf Der Meierturm war Amts- und Wohnsitz des Meiers. 700 nach Christi Geburt entstand der Grossgrundbesitz mit genau festgelegten Rechten und Pflichten. Dafür wurde der Meier vom Bischof von Sitten als Verwalter eingesetzt.

Ende des 13. Jahrhunderts wurde der heute noch existierende Meierturm in St. Niklaus Dorf erstellt, der damals noch drei Stockwerke hatte und von einem Pyramidendach geschützt wurde. Anhand eingehender archäologischer Analysen, die 1986–1987 durchgeführt wurden, konnte das genaue Alter bestimmt werden. Die dendrochronologische Untersuchung am Mittelträger der Kellerdecke ergab die Jahreszahl 1273. Der alte Steinturm ist zweifellos das älteste noch erhaltene Gebäude im Nikolaital, vermutlich der ganzen Region.

Um 1690 wurde der typische Wehrturm mit fünf Geschossen und mit einer neuen Treppe versehen, welche heute noch bestehen. Das Pyramidendach wurde dabei in ein Satteldach umgebaut. Nach dem Untergang der Walliser Zendendemokratie Ende des 18. Jahrhunderts ging der Turm in Privatbesitz über und diente ausschliesslich Wohnzwecken.

1971 wurde der Turm durch die Gemeinde St. Niklaus erworben. 1974 wurde der Meierturm unter den staatlich geschützten Denkmälern eingereiht. In den Jahren 1986–1996 konnte der Meierturm mit der Unterstützung des Staates, der Gemeinde, der Stiftung Pro Nikolai und der Scintilla AG vollständig renoviert werden. Im November 1996 wurden die Räumlichkeiten wieder der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Zur Heimattagung am 10. Juni 2000 wurde das Werk schliesslich mit der Einweihung des ersten Bergführermuseums vollendet.

Geschichte: Das Projekt Zaniglaser Bergführerwesen

Am Forschungsinstitut für Freizeit und Tourismus der Universität Bern wurde am 25. Mai 1992 die Arbeit Tourismus in der Gemeinde St. Niklaus - Rückblick, Gegenwartsanalyse und Grundlagen für ein zukunftsorientiertes Tourismuskonzept eingereicht. Ziel und Zweck der Untersuchung war u. a.:

  • Die grosse touristische Vergangenheit von St. Niklaus festzuhalten, da sie nirgendwo in einer vollständigen, schriftlichen Form vorzufinden und praktisch in Vergessenheit geraten ist,
  • Bewahrung des alten Kulturgutes und dessen Weitergabe in ihrer ursprünglichen Form an die Nachwelt,
  • Bestandsaufnahme der heutigen touristischen Situation, um die Grundlage für ein Tourismuskonzept für St. Niklaus zu schaffen.

Das Fazit des Konzepts zeigt auf, dass das Tourismusangebot der Gemeinde St. Niklaus im Vergleich zu Zermatt, Saas Fee und Grächen neben der natürlichen landschaftlichen Attraktivität über wenige Ansätze zu einer wirksamen Profilierung verfügt. Einen grossen Trumpf aber, den die Gemeinde St. Niklaus noch in den Händen hält, ist jener seiner grossen alpinen Vergangenheit. Die Gemeinde St. Niklaus hat in der Entwicklung des Alpinismus grosse Pionierarbeit geleistet, was aber nirgends in irgendeiner Form ihre angemessene Beachtung fand.

Auf der Grundlage dieses Konzepts wurde das Projekt Zaniglaser Bergführerwesen ausgelöst. Das Ziel des Projekts war es, dem allgemeinen Vergessen über die grosse alpine Vergangenheit der Gemeinde St. Niklaus Einhalt zu bieten und dem heutigen Tourismus in St. Niklaus durch Impulse Unterstützung zu leisten. Schwergewichtig umfasste das Projekt folgende Teilprojekte:

  • Berge: Beruf, Berufung, Schicksal (Buch),
  • Bergführerdenkmal und
  • Bergführermuseum.

Das Buch Berge: Beruf, Berufung, Schicksal diente bei den beiden erfolgreich realisierten Projekten des Bergführerdenkmals und des Bergführermuseums als fachliche Grundlage.

Das steinerne, über drei Meter hohe Bergführerdenkmal, das sich auf dem Kirchplatz von St. Niklaus Dorf befindet, konnte am 4. Juni 1995 eingeweiht werden. Auf Bronzetafeln sind die Namen aller verstorbenen Zaniglaser Bergführer mit Geburts- und Todesdatum aufgeführt, die periodisch nachgeführt werden.

Am 10. Juni 2000 konnte dann das weltweit erste Bergführermuseum in St. Niklaus Dorf der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden, das auf den insgesamt fünf Etagen des Meierturms erfolgreich etabliert werden konnte.

Räume des Bergführermuseums

Das gestalterische Grundkonzept des Bergführermuseums präsentiert einerseits auf allen Stockwerken bzw. in allen Lokalitäten inklusive Stiegenhaus die Leistungen der Bergführerpioniere mit den Utensilien von heute und gestern und lässt andererseits die Räume multifunktional nutzen, wobei

  • im Burgerkeller auch Gäste aus nah und fern empfangen werden,
  • in der Burgerstube viele kleinere Veranstaltungen und Versammlungen stattfinden.
  • Zudem nutzen die Ortsgruppe St. Niklaus der Sektion Monte Rosa des Schweizer Alpen-Clubs und der Richter den ersten Stock,
  • die Stiftung Pro Nikolai den dritten Stock.

Der Meierturm, der vom Keller über die vier Stockwerke Räume mit verschiedenen Funktionen aufweist, wird mit dieser einmaligen Museumsgestaltung zusammengehalten.

Das Bergführermuseum im historischen Meierturm in St. Niklaus Dorf zeigt insbesondere die Biografien der grossen Bergführerfamilien der Lochmatter, Knubel, Pollinger, Imboden usw. und illustriert herausragende Beispiele von Erstbegehungen dieser Pioniere in der Schweiz (Viereselsgrat der Dent Blanche, Südwand des Täschhorns, Lauperroute am Eiger usw.) sowie im Ausland (Erstbesteigung des Elbrus, Aiguilles von Chamonix usw.).

Burgerkeller (Untergeschoss)

  • Die Pfarrei St. Niklaus: Der St. Niklauser Pfarrer Josef Tantignoni war 1853 Erstbesteiger des Brunegghorns
  • Die Gemeinde St. Niklaus: Der Bergführer Josef Imboden war von 1901 bis 1904 Gemeindepräsident
  • Der Meierturm

Burgerstube (Parterre)

  • Anhand zweier Tafeln zum Thema Kunst und Alpinismus wird die Verbindung der St. Niklauser Bergführer zu zeitgenössischen Malern gezeigt (Edward Whymper, Edward Theodore Compton, Albert und François Gos sowie Arthur Hiltmann)
  • Zudem sind hier auch Bergführerbücher der St. Niklauser Bergführer und weitergehende alpine Literatur zu finden

Erster Stock

  • Entwicklung Bergführerberuf im Wallis
  • Bergführervereine
  • Winteralpinismus

Zweiter Stock

  • Lebensgrosse Figuren zeigen aus drei Epochen Kleidung und Ausrüstung der Bergführer.
  • Wichtige alpine Objekte der Bergführer sind in Vitrinen präsentiert. Diese Vitrinen in der Form von verschiedenen Bergkristallen wurden speziell für das Bergführermuseum entworfen und hergestellt.
  • Hierzu kann der Besucher auch eine Auswahl der schönsten Mineralienfunde des Nikolaitales bewundern. Die Mineralien umfassen hauptsächlich Granat, Vesuvian, Diopsid, Epidot und Quarz, daneben ungewohntere Arten wie Perowskit, Natrolith, Edelserpentin und Klinochlor.
  • Ein dreidimensionales Modell des Weisshorns wurde speziell im Massstab 1:625 für das Bergführermuseum gefertigt. Das Weisshorn wird als einer der schönsten Berge des Nikolaitals angesehen und ist besonders beliebt bei den Alpinisten.
  • Auf zwei Computerstationen kann man sich per Mausklick durch ein umfangreiches Multimediaprogramm klicken, das speziell für das Bergführermuseum entwickelt wurde. Ein besonderer Leckerbissen stellt der 3D-Geländeteil dar. In einem interaktiven, virtuellen Landschaftsmodell bewegt man sich frei zwischen den Bergen des Nikolaitals oder man wählt eines der vorgeschlagenen Panoramen. Verknüpft mit der Liste der Erstbesteigungen gelangt man zu den ortsrelevanten Informationen. Dieser Programmteil ist ein Novum und konnte nur in der Zusammenarbeit mit Spezialisten der ETH-Zürich und dem Bundesamt für Landestopographie erstellt werden.

Dritter Stock

  • Wie die St. Niklauser Bergführer leben und wohnten

Literatur

  • Christian Imboden: Berge: Beruf, Berufung, Schicksal. Rotten Verlag, Visp 2013, ISBN 3-907624-48-3.
  • Claudia Imboden: Kunst und Alpinismus: Ein erhabener Aufstieg zum eroberten Berg, Universität Basel, 2000
  • Truffer & Rovina: Dar Turu va Zaniglas (Dokumentation der Renovationsarbeiten des Meierturms von St. Niklaus (1986–1996)), St. Niklaus, 1996
  • Christian Imboden: Tourismus in der Gemeinde St. Niklaus: Rückblick, Gegenwartsanalyse und Grundlagen für ein zukunftsgerichtetes Tourismuskonzept, Universität Bern, 1992

Quellen

  • Die Alpen, Zeitschrift des Schweizer Alpen-Clubs, November 2014, Seite 66: Berge: Beruf, Berufung, Schicksal: Viele noch nie veröffentlichte Fotos und unbekannte Fakten machen das Werk lesenswert
  • Newsletter Schweizer Bergführerverband, 4 / 2013, Seite 2: BERGE: Beruf, Berufung, Schicksal: Das Buch von Christian Imboden schildert die St. Niklauser Bergführer als Wegbereiter des internationalen Alpinismus. SBV-Ehrenmitglied alt Ständerat Daniel Lauber aus Zermatt hat das Vorwort geschrieben
  • Walliser Bote, 13. Juli 2013, Seite 3: Über zwei Generationen hinweg prägten die St. Niklauser Bergführer weltweit den Anfang des Alpinismus in den verschiedensten Bereichen
  • Walliser Bote, 12. Juli 2013, Seite 3: Bergsteigerpioniere werden im Buch gewürdigt. Ganze Epoche geprägt
  • Die Alpen, Zeitschrift des Schweizer Alpen-Clubs, 7 / 2000: Erstes Bergführermuseum in St. Niklaus
  • Newsletter Alpine Club, 3 / 2000, Seite 5: MUSEUM OF ALPINE GUIDES IN ST NIKLAUS. A museum dedicated to alpine guides was opened in St Niklaus on 10th June 2000. The museum celebrates the achievements of guides from the Imboden, Knubel, Lochmatter and Pollinger families, all of whom came from St Niklaus
  • Rhone Zeitung RZ, 14.4.2000, Seite 15: Ein Konzept von 1992 sah vor, diese Tradition mit einem Denkmal, einem Museum und einem Buch wieder aufleben zu lassen
  • Valais - Wallis / Monatszeitschrift, März 1996: Drei "Zaniglaser" bei der Erstbesteigung des Aconcagua
  • Basler Zeitung, 2. Juni 1995: Die grosse Tradition der "Zaniglaser" Bergführer
  • Walliser Bote, 2. Juni 1995, Seite 8: Bergführer aus St. Niklaus haben eine wichtige Rolle in der Entwicklung des Alpinismus und speziell des Bergführerwesens gespielt. Zaniglaser (Anmerkung: St. Niklauser) Bergführer leisteten im In- und Ausland Pionierarbeit
  • Neue Zürcher Zeitung, 12.1.1995, Seite 61: Obwohl die Bergführer aus St. Niklaus ein wichtiges Kapitel des Alpinismus geschrieben haben, ist ihre Geschichte in neuerer Zeit mehr oder weniger in Vergessenheit geraten
  • Die Alpen, Zeitschrift des Schweizer Alpen-Clubs, 1 / 1995, Seite 105 ff.: Die Anfänge des Tourismus in den Alpen / Les débuts du tourisme dans les Alpes
  • Die Seilschaft, Zeitschrift der Sektion Monte Rosa des Schweizer Alpen-Clubs, 3 / 1995, Seite 8: Auf dem grösseren, über 3 Meter hohen Stein wurden die gegen hundert Namen der Bergführer aus St. Niklaus mit Geburts- und Todesjahr aufgelistet. Den grossen Bergführerpionieren Josef Marie Lochmatter, Peter Knubel, Alois Pollinger, Josef Imboden und Peter Sarbach wurde auf dem kleineren Stein unter dem Emblem des SBV der ihnen gebührende Platz zugewiesen
  • Die Seilschaft, Zeitschrift der Sektion Monte Rosa des Schweizer Alpen-Clubs, 6 / 1995, Seite 9: Aufgrund der Initiative des Präsidenten des Vereins Zaniglaser Bergführerwesens und dank der tatkräftigen Unterstützung seiner Mitglieder sowie vieler grosszügiger Gönner konnte am Pfingstsonntag, dem 4. Juni 1995, das Bergführerdenkmal zu Ehren der Zaniglaser Bergführer in St. Niklaus Dorf eingeweiht werden
  • 13 ETOILES, Septembre 1994: Les guides de montagne de Saint-Nicolas

Koordinaten: 46° 10′ 32,4″ N, 7° 48′ 6,2″ O; CH1903: 628039 / 113864