Tempera
Mit Tempera werden Farben bezeichnet, deren Farbmittel mit einem Bindemittel aus einer Wasser-Öl-Emulsion gebunden werden. Als wässrigen Anteil der Emulsion enthalten Temperafarben auch Leime.
Echte Temperafarben sind als fertige Tubefarben selten im Handel, da sie sehr leicht verderben und nur unter starkem Einsatz von Konservierungsmitteln begrenzt haltbar gemacht werden können (das gilt besonders für Kaseintempera). Im Normalfall stellt man sich deshalb die Farben aus Pigmenten und der Emulsion selbst her.
Leimgebundene Farben ohne Ölanteil werden auch fälschlich als "Tempera" bezeichnet, der korrekte Begriff für diese Farben ist jedoch "Gouache", von italienisch guazzo, "Wasserpfütze".
Temperaarten
Tempera wird nach der Art des wässrigen Emulsionsanteils unterschieden in zum Beispiel Kasein-, Ei-, Stärke- oder (Wachs-) Seifentempera. In der Kunst wird und wurde überwiegend die Ei- beziehungsweise Kaseintempera benutzt.
Als ölige Phase kommen trocknende Öle (Lein-, Walnuss- und Sonnenblumenöl), deren Standöle, die aus diesen hergestellten Lacke, Alkydharzlösungen, Harzlösungen, Terpentine und Wachs zum Einsatz. Weitere Zuschlagstoffe, die allerdings wegen ihrer maltechnischen Eigenschaften hoch umstritten sind, sind zum Beispiel Honig und Seife, um die Emulgierbarkeit zu erhöhen.
Eine grundsätzliche Unterscheidung ist die zwischen fetter und magerer Tempera. Alle Temperaarten können entweder fett oder mager angerieben werden. Bei fetter Tempera überwiegt Öl in der Bindemittelemulsion, das heißt, winzige wässrige Leimkügelchen schwimmen im Öl. Bei der mageren Tempera schwimmen Ölkügelchen in wässrigen Leim. Nach dem Verdunsten des Wassers der Emulsion bleibt bei fetter Tempera ein Ölfilm mit Löchern an den Stellen zurück, an denen das Wasser war. Bei magerer Tempera verbleiben kleine Ölkügelchen auf dem Bildträger. Malmittel für fette Tempera ist deshalb auch Öl, für magere Tempera Wasser.
Temperafarben trocknen im Vergleich zu Ölfarben relativ rasch, dies aber nur in dem Sinne, dass die Farben zwar nach dem raschen Verdunsten des Wassers zum Teil wieder überarbeitet werden können, aber wie Ölfarben erst langsam abbinden müssen. Das nach dem Verdunsten des Wassers zurückgebliebene Öl muss oxidieren, um die Pigmente binden zu können. Das geschieht schneller als bei Ölfarben, da die Oberfläche des Ölnetzes beziehungsweise der Ölkügelchen größer ist als bei dem geschlossenen Ölfilm der Ölfarben.
Magere Tempera ist deshalb nach dem Verdunsten des Wassers trocken und weiter überarbeitbar, fette verhält sich dagegen eher wie Ölfarben, bleibt also länger "nass".
Vorteile
Der größte technische Vorteil der Temperamalerei ist die Alterungsbeständigkeit und die schnelle Trocknung. Risse, die bei Ölfarben zwangsläufig auftreten, sind bei Temperamalerei selten. Der Grund für die Rissbildung bei Ölfarben liegt in der Ausdehnung des Öls, wenn dieses oxidiert. Bei Temperafarben bleibt diese Volumenzunahme des Öls folgenlos, das oxidierte Öl dehnt sich in die Hohlräume aus, die das verdunstete Wasser zurückgelassen hat.
Nachteile
Die Temperamalerei ist schwieriger als Ölmalerei und verlangt vom Maler größeres technisches Wissen und auch malerische Erfahrung. Bei Eitempera erfolgt der Farbauftrag durch "Stricheln" und in mehreren Schichten. Das ist zeit- und arbeitsaufwendig, sanfte unmerkliche Farbübergänge sind schwer zu erzielen. Ölfarben erlauben dagegen, die Farben ineinander zu vertreiben und dadurch sanftere Übergänge zu schaffen.
Ein weiterer Nachteil ist die optische Veränderung der Farben beim Malen. Während die Ölfarben beim Malen fast genau so aussehen wie im getrockneten Zustand ändert sich die Tempera stärker. Nach dem Verdunsten des Wassers wirken die Farben kräftiger, magere Tempera erscheint pudrig, pastellig und ändert sich beim Firnissen stark (ähnlich wie Pastellkreiden). Diese Änderungen hängen stark von der Art der verwendeten Tempera ab, fette verhält sich anders als magere, Kaseintempera anders als Eitempera. Eitemperabilder wurden zum Beispiel der Sonne ausgesetzt, damit die Eigenfarbe des Eigelbs ausbleicht. Das erforderte Erfahrung des Malers, er konnte nicht einfach malen, was er sah. Das Problem tritt übrigens auch bei Acrylfarben auf, das Acrylbindemittel ist trübe mit einem Stich ins Bläuliche, erst mit dem Trocknen wird es klar. Acryl- und Temperafarben wirken deshalb nach dem Trocknen viel "sauberer".
Außerdem gilt für viele Tempera-Arten, dass die Farbe spröde ist, das heißt, die Farben sind nur sehr bedingt auf flexiblen Bildträgern wie Leinwänden zu nutzen. Bei Kasein- beziehungsweise Quarktempera können zusätzlich hohe Oberflächenspannungen entstehen, die zum Beispiel ausreichen, Bildträger (zum Beispiel aus Holz) zu verziehen.
Ein weiterer Nachteil ist die geringe Haltbarkeit der fertigen Emulsion. Die Farben verderben sehr rasch und müssen deshalb kurz vor der Verarbeitung angerieben und können kaum gelagert werden. (Im 16. Jahrhundert gab es keine Kühlschränke und wenige Konservierungsmittel)
Historisches
Die Temperamalerei hat im europäischen Mittelalter die in der Antike und Spätantike noch übliche Enkaustik (Heißwachsmalerei) weitgehend abgelöst. Die oben erwähnten Nachteile, zusammen mit dem Umstand, dass sich mit Ölfarben sehr einfach weiche Farbübergänge erzielen lassen, aber auch ähnliche Wirkungen wie mit Tempera zu erzielen sind, führten dazu, dass die Ölmalerei die Tempera in den Hintergrund drängte -- außer in der traditionellen Ikonenmalerei, in der Eitempera bis heute die bevorzugte Technik blieb. Gleichzeitig ersetzten Leinwände als große, leichte und nicht zu Rissen neigende, aber für die Temperamalerei wegen ihrer Flexibilität eher schlecht geeignete Bildträger die vorher üblichen Holztafeln. Die Verdrängung der Temperamalerei durch Ölmalerei fand ab dem 15. Jahrhundert statt und begann im niederländischen Raum. Bekannte Maler, die von Temperamalei zur Ölmalerei umstiegen und beide Techniken gemischt und parallel einsetzten sind zum Beispiel die Gebrüder van Eyck.
Literaturhinweise
- Max Doerner, Malmaterial und seine Verwendung im Bilde, Hrsg. Thomas Hoppe
- Kurt Wehlte, Werkstoffe und Techniken der Malerei
- Kurt Wehlte, Temperamalerei, Einführung in Werkstoffe und Malweisen, 1982