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Oswald Spengler

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Oswald Arnold Gottfried Spengler (* 29. Mai 1880 in Blankenburg, Harz; † 8. Mai 1936 in München) war ein deutscher Geschichtsphilosoph und Kulturhistoriker.

Leben

1904 schloß Spengler seine Studien der Naturwissenschaften und Philosophie in München, Berlin und Halle mit einer Dissertation über Heraklit ab. Dabei wurde sein Denken - neben dem Pietismus und den Franckeschen Stiftungen seiner Jugend und den Naturwissenschaften seines Studiums - geprägt vom Darwinismus Ernst Haeckels, der fiktionalen Philosophie Hans Vaihingers (Philosophie des Als Ob), vor allem aber der Kulturkritik Friedrich Nietzsches mit den Stichworten Dekadenz und Wille zur Macht - ganz abgesehen von seiner Verehrung, die er lebenslang Goethe als seinem Gipfel der abendländischen Kultur entgegenbrachte.

Von 1908 bis 1911 arbeitete er als Gymnasiallehrer in Hamburg. Dann erlaubte ihm eine Erbschaft, den Schuldienst zu quittieren und als freier Schriftsteller in München zu leben. Persönliche Freunde waren die Industriellen Paul Reusch und Albert Vögler, die ihn auch finanzierten. Zahlreiche seiner Entwürfe und Fragmente wurden bisher nicht veröffentlicht. 1919 lehnte er eine ihm angetragene Professur in Göttingen ab - ebenso im Jahr 1933 in Leipzig. Im selben Jahr wurde er zwar in den Senat der "Deutschen Akademie" gewählt, durfte aber im Rundfunk nicht mehr erwähnt werden. Seine politische Haltung war stets national-konservativ; ab 1933 trat Ernüchterung über NS-Gedankengut und -Praxis ein. Er starb zurückgezogen und vereinsamt mit knapp 56 Jahren in München.

Oswald Spengler wurde auf dem Münchner Nordfriedhof beigesetzt.

Zu Spenglers Schriften

Hauptthema aller seiner Arbeiten ist seine morphologische Sicht der Welt als Geschichte, die er in seinen dichterischen Werken verarbeitet, und die in seinem philosophischen Hauptwerk als monumental ausgearbeitete Theorie fokussiert wird. Zentrale Thesen bei Spengler sind die Unfähigkeit seiner Zeit, kreativ zu wirken, die daraus folgende Verpflichtung des Bewahrens der von früheren Generationen geschaffenen Kultur, die Bewährung angesichts der politischen Herausforderungen in Zeiten des Verfalls, bei dem der "Blick über die Kulturen hin" den Weg weisen soll. Erkenntnistheoretisch berief er sich dabei auf Goethe.

Entsprechend dieser Sicht stammen von ihm Tragödien zur Wende von der Kultur zur Zivilisation, ein Zivilisationsroman, und der geschichtsphilosophische Solitär Der Untergang des Abendlandes. Umrisse einer Morphologie der Weltgeschichte, der in zwei Bänden erschien, 1918 der erste Band in Wien, 1922 der zweite Band in München.

Das Werk wurde, von den Zeitumständen begünstigt, sehr erfolgreich; bei zeitgenössischen Intellektuellen lässt sich fast immer voraussetzen, dass sie es gelesen haben. Mit den 8 Kulturmonaden (Kernstück seiner Philosophie), die je binnen 1000 Jahren aufblühen, reifen und welken "wie die Blumen auf dem Felde", konnte er auf positivistisch arbeitende Historiker kaum Eindruck machen, weil seine vergleichende Modellierung der Kulturen einen völlig neuen Ansatz einbrachte. Als Darstellung der Geschichte galt sie den meisten Historikern als unwissenschaftlich.

Spengler selbst bezeichnete sein Hauptwerk als "Metaphysik". Das hinderte den britischen Historiker Arnold J. Toynbee nicht, ihn zeitlebens zu bewundern. Noch bei Franz Borkenau findet sich eine Spengler sehr ernst nehmende grundsätzliche Auseinandersetzung. Auch in weiten Teilen der Bildungsschicht, besonders in Deutschland und Österreich (Egon Friedell, Robert Musil, Gottfried Benn u.a.), wurde der neue Blick auf die Weltgeschichte ernst genommen. Robert Musil bekannte am Ende einer vernichtenden Kritik, andere hätten nur deshalb nicht so viele Fehler gemacht, weil sie nicht die beide Ufer berührende Spannweite besäßen, um so viele (Fehler) darauf unterzubringen. Karl Popper hat die Schrift "Das Elend des Historizismus" gegen Spengler (und Marx) geschrieben, gegen die Annahme, es gäbe unabänderliche historische Gesetzmäßigkeiten. Der Sozialist Georg Lukács kritisierte das Werk als eine Position auf der Linie "Von Nietzsche zu Hitler". Tatsächlich kennzeichnet Spenglers Geschichtsphilosophie ein schwer entwirrbares Knäuel aus Nationalismus, Militarismus, Biologismus und ethischem Relativismus.

Spenglers politische Position, die sein gesamtes Werk durchzieht, ist die eines Preußentums vor dem Hintergrund der selbstzerstörerischen Kriege Europas, mit seinem Heimatstaat als Modell für die Zukunft. Er steht für Pflicht, Ordnung und Gerechtigkeit, die Ideale einer deutschen Kultur, im Gegensatz zu Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit als Idealen einer westlichen Zivilisation - mit dem auch für ihn positiv besetzten Wort Kultur (vertreten durch Goethe) im Gegensatz zu dem für ihn negativ besetzten Wort Zivilisation, das er mit Dekadenz gleichsetzt; er präferiert gegenüber dem Marxismus und dem liberalen Parlamentarismus einen Deutschen Sozialismus, der für ihn die Synthese von Gemeinwirtschaft und Monarchie oder Konservativismus und Sozialismus darstellt. Zu seiner Streitschrift Preußentum und Sozialismus, die im November 1919 als Reaktion auf den Versailler Vertrag und die Weimarer Verfassung erschien, und in der er diese Positionen ausführt, schrieb er 1932 übertreibend, aber für ihn und seinen politischen Standpunkt charakteristisch: "Von diesem Buche hat die nationale Bewegung ihren Ausgang genommen" (Politische Schriften, 1932, Seite VII).

Zur Überwindung des gehassten westlichen Liberalismus und des Versailler Vertrags strebte Spengler vor allem ein Bündnis mit Russland /der Sowjetunion an, insoweit gehörte er zum Umfeld der konservativen Revolution der 20er Jahre. Deutschland sollte seinem Wesen nach illiberal und antidemokratisch werden: "Ich habe bis jetzt von Rußland geschwiegen; mit Absicht, denn hier trennen sich nicht zwei Völker, sondern zwei Welten. Die Russen sind überhaupt kein Volk wie das deutsche und englische, sie enthalten die Möglichkeiten vieler Völker der Zukunft in sich, wie die Germanen der Karolingerzeit. Das Russentum ist das Versprechen einer kommenden Kultur, während die Abendschatten über dem Westen länger und länger werden. Die Scheidung zwischen dem russischen und abendländischen Geist kann nicht scharf genug vollzogen werden. Mag der seelische und also der religiöse, politische, wirtschaftliche Gegensatz zwischen Engländern, Deutschen, Amerikanern, Franzosen noch so tief sein, im Vergleich zum Russentum rücken sie sofort zu einer geschlossenen Welt zusammen."

Die heroisch-nihilistische Haltung, die Spengler für Kulturen (wie die des Abendlandes) beschrieb, die sich ihrem Ende näherten, konnte für junge Leser das Motiv hergeben, sich an Krieg und Nationalsozialismus wie an Abenteuern zu beteiligen: Der rechtsintellektuelle Armin Mohler, der auch für die ZEIT und die konservative Wochenzeitung Junge Freiheit schrieb, erinnerte sich, auf Grund der Spengler-Lektüre aus der Schweizer-Armee desertiert zu sein, um als 20-jähriger in die deutsche Waffen-SS einzutreten.[1]

Zur Bedeutung und Kritik heute

Wie en vogue die Kulturphänomenologie Spenglers auch heute - insbesondere nach dem 11. September - in der Populärwissenschaft sind, zeigt die Rezeption von Samuel P. Huntingtons Werk »Der Kampf der Kulturen« und Bassam Tibis »Krieg der Zivilisationen«. Gazi Çağlar weist ihnen in „Der Mythos vom Krieg der Zivilisationen“ nach, dass beide zyklischen Geschichtsphilosophien anhängen und in direkter Nachfolge Oswald Spenglers stehen. [2] - obwohl geschichtszyklische Überlegungen schon seit Polybios oder Giambattista Vico als Alternative zum Geschichtsbild des Fortschritts bekannt sind. So bekannte sich der ehemalige US-Außenminister Henry Kissinger in einem Interview mit der Tageszeitung Die Welt zu Spengler als seinem Lehrmeister in Fragen des Schicksals von Nationen [3].

Werke

Schriften

  • Der metaphysische Grundgedanke der heraklitischen Philosophie (1904)
  • Der Untergang des Abendlandes. Umrisse einer Morphologie der Weltgeschichte (Band 1, Wien 1918, Band 2, München 1922).
  • Preußentum und Sozialismus (1920)
  • Neubau des Deutschen Reiches (1924)
  • Politische Pflichten der deutschen Jugend (1924)
  • Der Mensch und die Technik. Beitrag zu einer Philosophie des Lebens (München 1931)
  • Politische Schriften (1932)
  • Jahre der Entscheidung (1933)

Ausgaben

  • H. Kornhardt (Hg.): Reden und Aufsätze (1951)
  • A. M. Koktanek u.a. (Hg.): Briefe. 1913 - 1936 (1963)
  • A. M. Koktanek u.a. (Hg.): Urfragen. Fragmente aus dem Nachlass (1965)
  • A. M. Koktanek u.a. (Hg.): Frühzeit der Weltgeschichte. Fragmente aus dem Nachlass (1966)

Literatur

  • M. Schröter: Metaphysik des Untergangs. Eine kulturkritische Studie über Oswald Spengler (1949)
  • A. M. Koktanek (Hg.): Spengler-Studien (1965)
  • A. M. Koktanek: Oswald Spengler in seiner Zeit (1968)
  • W. Struve: Elites against democracy. Leadership ideals in bourgeois political thought in Germany 1830-1933 (Princeton, New Jersey, 1973)
  • D. Felken: Oswald Spengler. Konservativer Denker zwischen Kaiserreich und Diktatur (1988)
  • A. Demandt und J. Farrenkopf (Hg.): Der Fall Spengler (1994)
  • F. Boteman: Oswald Spengler und sein Untergang des Abendlandes (2000)
  • Gerd Koenen: Der Russland-Komplex. Die Deutschen und der Osten 1900-1945. (2005)

Siehe auch