Wahlkampf
Als Wahlkampf wird im engeren Sinne das direkte Werben von Parteien oder Kandidaten um Stimmen kurz vor einer Wahl bezeichnet. Im weiteren Sinne lässt sich der größte Teil des Verhaltens von Parteien oder Kandidaten vor einer Wahl dem Wahlkampf zurechnen. In Bundesstaaten wie Deutschland spricht man von Dauerwahlkampf, wenn sehr häufig in einem der Bundesländer Wahlen stattfinden und dadurch die Sachpolitik gelähmt wird.
Funktion
Der Wahlkampf erfüllt hauptsächliche zwei Funktionen. Zum einen soll er die Unterstützer einer Partei noch einmal motivieren, zum anderen soll er dazu dienen, die noch unentschlossenen Wähler zur Stimmabgabe zu bewegen. Da die traditionelle Bindung an Parteien abnimmt, gewinnt der Wahlkampf zunehmend an Bedeutung.
Formen
- Informationsstände
- Persönliche Ansprache der Bürger durch den Kandidaten ("Klinkenputzen"), vor allem bei Bürgermeisterwahlkämpfen
- Flugblätter
- Diskussionsveranstaltungen
- Plakate
- Werbespots in Fernsehen und Hörfunk. In Deutschland sind sowohl die privaten als auch die öffentlich-rechtlichen Rundfunksender zur Ausstrahlung verpflichtet.
- Internetwahlkampf
- Subtile Einflussnahme hinter den Kulissen durch den Spin Doctor.
Wahlkampf im Internet
Internetwahlkampf bezeichnet die Durchführung oder Begleitung von Wahlkampagnen unter Ausnutzung der besonderen Möglichkeiten des Internets. Dies umfasst die Ansprache von Wählern, Freiwilligen, Spendern und Multiplikatoren, beispielsweise über E-Mail-Newsletter, Websites oder Blogs.Vorlage:Ref
Internetwahlkampf kann im Kommunikationsmix einer Wahlkampagne bestimmte Aufgaben besser leisten als andere. Der Selbstselektionsprozess im Internet macht es beispielsweise sehr schwer, Wähler zu erreichen, die an Politik nicht interessiert sind. Während nämlich diese Wähler z.B. einem 30-Sekunden-Fernsehspot nicht ausweichen würden, müssten sie im Internet gezielt die Informationsangebote der Kampagne aufsuchen oder den Newsletter abonnieren. Wahlkampf im Internet muss sich also an denjenigen Zielgruppen orientieren, die sich im Internet besonders gut erreichen lassen:
- Der durchschnittliche Nutzer von Politikerwebsites ist männlich, gebildet und jünger als 50 Jahre. Er hat ein vergleichsweise hohes Einkommen, ist internetaffin und zieht die Freiheit der Sicherheit und Gleichheit vor. Sein Interesse an Politik ist groß und er schätzt sich als politisch sehr kompetent ein. So hat er eine Neigung zu einer bestimmten Partei entwickelt und verbringt einen vergleichsweise hohen Anteil seiner gesamten Onlinezeit mit politischen Aktivitäten.Vorlage:Ref
Das Internet erleichtert es, die politische Basis in den Wahlkampf mit einzubeziehen. Manche Kampagnen verfolgen statt des traditionellen Top-down-Ansatzes der Kampagnenführung sogar einen ausgeprägten Bottom-up-Ansatz. Besonders ausgeprägt war dies bei der Kampagne des demokratischen Präsidentschaftskandidaten Howard Dean in den Vorwahlen 2003/2004. Ähnlich wie bei einer Graswurzelbewegung wurde die Dean-Kampagne von der politischen Basis inhaltlich mitgestaltet und gesteuert und außerdem vornehmlich durch viele kleine Einzelspenden finanziert. Die Dean-Kampagne stand über ihren Kampagnen-Blog stets im intensiven Dialog mit der politischen Basis und ging auf Ideen aus den Nutzerkommentaren ein. Im Zuge dieser Kampagne wurde der Begriff Open Source erstmals auch im Kampagnenkontext eingeführt.Vorlage:Ref
Howard Dean gelang es über das Internet eine große Zahl von freiwilligen Helfern zu mobilisieren und in einem Vierteljahr die Rekordsumme von 15 Mio. US$ an Spenden einzunehmen.Vorlage:Ref Die Kampagne von Howard Dean wurde zum Vorbild für den modernen Internetwahlkampf. Während der Internetwahlkampf in den USA bereits eine große Bedeutung erlangt hat, wurde sein Potenzial in Deutschland auch im Bundestagswahlkampf 2005 noch nicht voll ausgeschöpft.
Arten von Wahlkampfbotschaften
Personenbezogene Botschaften
Personenbezogenen Wahlkampfbotschaften stellen auf das Spitzenpersonal der Partei und besonders den zukünftigen Amsträger ab. Die Fokussierung auf eine Person reduziert die Komplexität von Sachfragen und institutionellen Entscheidungen auf eine Person. Der Politikwissenschaftler Werner Wolf formulierte es 1980 als Der Spitzenkandidat verkörpert im Wahlkampf die Programme, Ziele und Anliegen seiner Partei. Er macht die Politik für den Bürger begreiflich. In Deutschland ist dies besonders auffällig an der Rolle, die der Kanzlerkandidat im Wahlkampf einnimmt, ähnliche Prozesse lassen sich aber auch bei den Spitzenkandidaten kleinerer Parteien oder den Kandidaten für ein Ministerpräsidentenamt beobachten.
Themenbezogene Botschaften
Die themenbezogenen Wahlkampfbotschaften stellen besonders auf die Politikfelder ab, mit der eine Partei oder ein Kandidat versucht sich positiv zu positionieren. Die Felder werden nach den Gesichtspunkten ausgewählt, ob diese in der Wählerschaft als besonders problematisch oder besonders wichtig aufgefasst werden und ob Kandidat oder Partei darin in der Bevölkerung eine besonders hohe Kompetenzzuschreibung genießt. Wird ein Thema in der Bevölkerung als wichtig aufgefasst, kommt es für die Parteien besonders darauf an, dieses Thema so zu deuten, dass es wie ein Thema wirkt, in dem die Partei als besonders kompetent gilt. Ein klassischen Beispiel aus der Bundespolitik wäre die Arbeitslosigkeitsproblematik, die von Schwarz/Gelb als wirtschaftspolitisches Thema gedeutet würde, von der SPD primär aber als sozialpolitisches Thema, da die Parteien hier als besonders kompetent galten. Erst im Bundestagswahlkampf 1998 gelang es der SPD das Thema als wirtschaftspolitisches Thema aufzufassen und trotzdem die Wahl zu gewinnen.
Parteibezogene Botschaften
Parteibezogene Wahlkampfbotschaften beziehen sich auf die Partei als ganzes und das Image, das diese im Wahlkampf von sich zu formen versuchen. Für die Parteien kommt es zum einen darauf an, als besonders kompetent zu gelten, zum anderen findet hier eine wichtige ideologische Positionierung statt. Bekannt sind hier in der Bundesrepublik beispielsweise die Freiheit statt Sozialismus-Kampagne der CDU zu Zeiten Adenauers, die Sicher in die Zukunft-Kampagne der CDU bei der Bundestagswahl 1994, bei der es ihr auch gelang mit Hilfe der Roten Socken die SPD in eine imaginäre Linksfront zu rücken, oder die Wir-sind-bereit-Kampagne der SPD bei der Bundestagswahl 1998, be<neologisch, kompetent und pragmatisch zu präsentieren. Nach dem Modell vom Medianwähler tendieren Parteien im Wahlkampf zur Mitte der Gesellschaft.
Entwicklung
In den letzten Jahren wird eine Veränderung der Wahlkampfführung beobachtet. Während der traditionelle Wahlkampf, besonders in Deutschland, von einfachen Parteimitgliedern betrieben wurde und sich auf die Werbung vor Ort konzentrierte, nimmt die Bedeutung der Medien zu. Gleichzeitig wird konstatiert, dass der Wahlkampf sich immer mehr professionalisiert, das heißt von professionellen Werbeagenturen betreut wird und sich in Form der Personalisierung auf einzelne Spitzenkandidaten beschränkt. Als exemplarische Beispiele werden der Wahlkampf von Bill Clinton 1992 oder der von Tony Blair 1997 genannt. In Deutschland wurde der von der Wahlkampfzentrale KAMPA betreute Wahlkampf der SPD vor der Bundestagswahl 1998 als bedeutender Wechsel in der Wahlkampfführung bezeichnet. Inwieweit diese Tendenzen wirklich stattfinden und inwieweit sie das Wahlverhalten ändern, ist in der politikwissenschaftlichen Literatur hoch umstritten.
Wahlkampfkostenerstattung
Die Wahlkampfkostenerstattung ist ein wichtiger Teil der staatlichen Parteienfinanzierung. Um in diese aufgenommen zu werden müssen bei einer bundesweiten Wahl 0,5% oder 1% der Stimmen bei Landtagswahlen durch eine Partei erreicht werden. Wo keine staatliche Finanzierung existiert, müssen Parteien für einen wirksamen Wahlkampf sehr hohe Spendensummen erreichen, z.B. in den USA.
Siehe auch
Meinungsumfrage, Meinungsforschung, Image, Spin Doctor, Public Relations, Guidomobil, TV-Duell
Literatur
- Knieper, Thomas / Müller Marion G. (Hrsg.): Visuelle Wahlkampfkommunikation. Köln: Herbert von Halem, 2004
- Neuwerth, Lars: Strategisches Handeln in Wahlkampfsituationen. Der Bundestagswahlkampf 1998. Hamburg: Verlag Dr. Kovac, 2000 (ISBN 383004702)
- Noelle-Neumann/Kepplinger/Donsbach: Kampa. Meinungsklima und Medienwirkung im Bundestagswahlkampf 1998. Alber Reihe Kommunikation, Freiburg/München 2000 ISBN 3-495-47981-3
- Wolf, Werner: Der Wahlkampf. Theorie und Praxis. 1980; Gütersloh.
- Dagger, Steffen et.al.: Politikberatung in Deutschland - Praxis und Perspektiven, VS-Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden 2004, ISBN 3531144642
- Balzer, Axel/Geilich, Marvin/Rafat, Shamim: / Politik als Marke - Politikvermittlung zwischen Kommunikation und INszenierung, Lit-Verlag, Münster 2005, ISBN 3-8258-8146-6
- Bergmann, Knut: Der Bundestagswahlkampf 1998. Vorgeschichte, Strategien, Ergebnis, Wiesbaden 2002, ISBN 3531137581
Fachzeitschriften
- Public Affairs Manager. Zeitschrift des Deutschen Instituts für Public Affairs. http://www.publicaffairsmanager.de
- politik & kommunikation. http://www.politik-kommunikation.de
- Campaigns & Elections. http://www.campaignline.com (USA)
Weiterführende Links
- politik-digital, Informationen über aktuelle Wahlkämpfe
- wahlkampf24, Wahlkampfportal der Initiative iDemokratie.de
- IPDI, Publikationen des IPDI zum Wahlkampf im Internet (englisch)