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Laplace-Transformation

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Die Laplace-Transformation (nach Pierre-Simon Laplace) ist eine Integraltransformation, die eine gegebene kausale Funktion f(t) vom reellen Zeitbereich (t = Zeit) in eine Funktion F(s) im komplexen Spektralbereich (Bildbereich) überführt.

Die Laplace-Transformation und deren Inversion sind ausgesprochen wirkungsvolle Verfahren zur Lösung vieler Problemstellungen der mathematischen Physik und der theoretischen Elektrotechnik, welche mathematisch durch lineare Anfangs- und Randwertprobleme beschrieben werden. Die Laplace-Transformation gehört zur Klasse der Funktionaltransformationen, spezieller zu den Integraltransformationen, und kann als Modifizierung der Fourier-Transformation aufgefasst werden. Die Laplace-Transformation bildet reellwertige Originalfunktionen auf komplexwertige Bildfunktionen ab. Die wichtigste Eigenschaft der Laplace-Transformation besteht nun darin, dass der Differentiation und Integration im reellen Originalbereich einfache algebraische Operationen im Bidbereich entsprechen.Bei vielen Anfangs- und Randwertproblemen spielt der Zeitbereich die Rolle des reellen Originalbereiches und der Frequenzbereich oder Spektralbereich diejenige des komplexen Bildbereiches.

Der Einsatz der Laplace-Transformation bietet die beiden folgenden Vorteile: Die Algebraisierung bewirkt, dass:

• gewöhnliche Differentialgleichungen im Originalbereich auf algebraische Gleichungen im Bildbereich,

• partielle Differentialgleichungen mit n unabhängigen Variablen im Originalbereich auf partielle (bzw. gewöhnliche) Differentialgleichungen mit n-l unabhängigen Variablen im Bildbereich,

• und Integralgleichungen vom Faltungstyp im Original bereich auf algebraische Gleichungen im Bildbereich

abgebildet werden. Die Lösungen der transformierten Probleme lassen sich im Bildbereich wesentlich einfacher erarbeiten als im Originalbereich.

Die Untersuchung der Bildfunktion liefert häufig wesentlich bessere physikalische Einbicke in das Verhalten linearer Systeme bei Anregung durch Kausalfunktionen gegenüber Studien im Zeitbereich. Vor allem das Resonanzverhalten physikalischer Systeme kann im Frequenzbereich einfacher beschrieben werden.


Formale Definition

Die formale Definition für die Laplace-Transformation lautet:

Die Funktion F(s) wird auch Laplace-Transformierte der Funktion f(t) genannt. Kausal bedeutet in diesem Zusammenhang, dass für Zeiten verschwindet.

Für den Fall entsteht der Sonderfall der einseitigen Fourier-Transformation:


Existenz

Gibt es reelle Konstanten M1 ,M2, s0, und T ,so dass die reelle Zeitfunktion f(t) den Ungleichungen

und

    für    

genügt, so existiert das Laplace-Integral in der Konvergenzhalbebene .

Beispiele von Funktionen, deren Laplace-Integral existiert: siehe Korrespondenztabellen 3 und 4

Beispiele von Funktionen, deren Laplace-Integral nicht existiert:

Die Funktion erfüllt die erste Bedingung nicht und besitzt daher keine Laplace-Transformierte.

Die Funktion erfüllt die zweite Bedingung nicht, ist somit nicht von exponentieller Ordnung und besitzt daher ebenfalls keine Laplace-Transformierte.


Laplace-Rücktransformation

Eine universelle Methode zur Ermittlung der Zeitfunktion f(t) zu einer gegebenen Spektralfunktion F(s) stellt das Lösen des Bromwich-Integrals dar. f(t) ist hierbei gegeben durch

Da hier über eine komplexe Variable integriert wird, muss die Rücktransformation mit den Methoden der Funktionentheorie gelöst werden. In der Praxis verwendet man daher häufig Korrespondenztabellen, mit denen diese Aufgabe leichter gelöst werden kann. Hierbei wird ausgenutzt, dass viele Anwendungen der Laplace-Transformation auf gebrochen-rationale Spektralfunktionen führen, die sich (beispielsweise durch Partialbruchzerlegung) in Terme niedriger Ordnung umformen lassen, die sich in den Tabellen wiederfinden.

Schließlich ist in einigen Fällen (gebrochen-rationale Funktion mit nur einfachen Polstellen) auch die Rücktransformation mit dem Residuensatz (auch: Heavisidescher Entwicklungssatz) möglich. Nach diesem ergibt sich die Laplace-Rücktransformierte zu

wobei für die die Polstellen einzusetzen sind. Z ist das Zählerpolynom der gebrochen-rationalen Funktion, die Ableitung des Nennerpolynoms nach s. Die Vorgehensweise entspricht hierbei der bei der Verwendung von Korrespondenztabellen, mit dem Unterschied, dass man die Spektralfunktion grundsätzlich in Terme erster Ordnung zerlegt und aufhört, sobald man einen der tabellierten Ausdrücke erreicht hat. Nachteilig ist, dass man trigonometrische Funktionen grundsätzlich über den Umweg der Euler-Darstellung erhält, also auch im Zeitbereich mit komplexen Größen umgehen muß.


Laplace-Transformation zur Lösung von Differentialgleichungen

Die Laplace-Transformation eignet sich aufgrund ihres Differentiationssatzes unter anderem dazu, Differentialgleichungen zu lösen. Dazu transformiert man die Differentialgleichung in den Spektralbereich, löst die so erhaltene algebraische Gleichung und transformiert die Lösung in den Zeitbereich zurück. An dieser Stelle sei noch einmal darauf hingewiesen, dass das gewonnene Ergebnis ausschließlich Aussagen für den Zeitraum ab t = 0 liefert, da die Laplace-Transformierte durch die Integration ab t = 0 bestimmt wird.

Besonderen Wert hat hier die Laplace-Transformation bei Differentialgleichungssystemen: Da Ableitungen im Bildbereich als Produkt aus Originalfunktion und Laplace-Faktor s entstehen, werden Differentialgleichungssysteme zu einfacheren algebraischen („normalen“) Gleichungssystemen.

Besonders effizient ist das Lösen von linearen Anfangswertproblemen mit Hilfe der Laplace-Transformation. Das lineare Differentialgleichungssystem zerfällt dann in ein lineares Gleichungssystem. Im Allgemeinen ist jedoch die Rücktransformation meist kompliziert.

Bei zeitdiskreten Systemen führt die Laplace-Transformation zur Z-Transformation.


Wichtige Eigenschaften der Laplace Transformation

Linearitätssatz

Verschiebungssatz

Ähnlichkeitssatz

Dämpfungssatz

Multiplikationssatz

Divisionssatz

Differentiationssatz

Integrationssatz

wobei T die Periode der Funktion p(t) darstellt.

Grenzwertsätze


Der erste Grenzwertsatz gilt nur, wenn F(s) keine Singularitäten in der Halbebene Re[s] > 0 besitzt.

Eindeutigkeit der Laplace-Transformation

Wenn für zwei Zeitfunktionen f(t) und g(t) die Voraussetzungen gelten:

  • und sind stückweise stetig
  • und sind von exponentieller Ordnung für und
  • die Laplace-Transformierten und existieren und besitzen überlappende Konvergenzbereiche in der s-Ebene
  • im Konvergenzbereich

dann ist überall dort, wo und stetig sind.

Vergleiche: Eindeutigkeitssatz von Lerch

Siehe auch: Fourier-Transformation, Faltung



Analytische Eigenschaften

Analytizität

Die Laplace-Transformierte ist infolge der Existenz ihrer Ableitungen nach der komplexen Frequenz s im Bildbereich

im Innern der Konvergenzhalbebene beliebig oft komplex differenzierbar, dh: analytisch (regulär, holomorph). Somit gelten für F(s) die Prinzipien der Funktionentheorie. Die Funktion F(s) ist in die linke Halbebene analytisch fortsetzbar. Mit Ausnahme isolierter Singularitäten und Verzweigungsschnitte ist diese analytische Fortsetzung in der ganzen komplexen Bildebene analytisch.

Konjugierte Symmetrie

Eine weiter wichtige Eigenschaft der Laplace-Transformierten reeller Zeitfunktionen ist die die konjugierte Symmetrie im komplexen Bildbereich

oder separiert in Real- und Imaginärteil

wobei der Überstrich die komplex konjugierte Grösse kennzeichnet. Aufgrund dieser Eigenschaft genügt es, die Bildfunktion in der oberen Halbebene zu studieren.

Endliche Laplace-Transformation

Die Laplace-Transformation bildet eine endliche Zeitfunktion

für

auf eine ganze Funktion ab. Dies bedeutet, dass die Bildfunktion

in der ganzen komplexen Frequenzebene analytisch ist und daselbst keine Singularitäten besitzt.

Korrespondenztabellen

Korrespondenztabelle 1: Allgemeine Eigenschaften

Id
Allgemeine Eigenschaft
bzw. Operation
Originalfunktion
Bildfunktion
1 Linearität
2 Ähnlichkeitssatz
3 Dämpfung im Originalbereich
4 Sinus-Multiplikation
5 Cosinus-Multiplikation
6
7
8 Verschiebung im Originalbereich
9 Periodische Funktion
10 Endliche Laplace-Transformation

ganze Funktion

11 Rationale Funktion
Nullstellen von


Korrespondenztabelle 2: Ableitungen und Integrale

Id
Operation Originalfunktion
Bildfunktion
12 1. Ableitung im Originalbereich
13 2. Ableitung im Originalbereich
14 Ableitung im Originalbereich
15 1. Ableitung im Bildbereich
16 2. Ableitung im Bildbereich
17 Ableitung im Bildbereich
18 Integration im Originalbereich
19 Integration im Bildbereich
20 Faltung im Originalbereich
Multiplikation im Bildbereich
21 Multiplikation im Originalbereich
Faltung im Bildbereich


Korrespondenztabelle 3: Elementare Funktionen

Id
Funktionsname
Originalfunktion
Bildfunktion
Konvergenz-
bereich
22 Dirac’sche Deltafunktion
Einheitspuls




23 Heaviside’sche Sprungfunktion
Einheitspuls
24 Exponentialfunktion
25 n-te Potenz
26 Potenzreihe
27 Gedämpfte Potenzialfunktion
28
29 n-te Wurzel
30 Sinus
31 Cosinus
32 Sinus hyperbolicus
33 Cosinus hyperbolicus
34 Logarithmus naturalis


Korrespondenztabelle 4: Spezielle Funktionen der Mathematischen Physik

Id
Funktionsname
Originalfunktion
Bildfunktion
Konvergenz-
bereich
30 Bessel-Funktion
erster Art
der Ordnung 0
31 Modifizierte Bessel-Funktion
erster Art
der Ordnung 0
32 Bessel-Funktion
erster Art
der Ordnung n

33 Modifizierte Bessel-Funktion
erster Art
der Ordnung n

34 Laguerre-Polynome
der Ordnung n


Literatur

  • O. Föllinger, M. Kluwe, Laplace-, Fourier- und z-Transformation, Hüthig, September 2003, ISBN 3778529110
  • G. Doetsch, Einführung und Anwendung der Laplace-Transformation, (Lehrbücher und Monographien aus dem Gebiete der exakten Wissenschaften, Mathematische Reihe, Bd. 24) 3. Auflage, Birkäuser Verlag, Basel und Stuttgart, 1976, ISBN 3-7643-0784-6
  • Murray R. Spiegel, Laplace-Transformation, Theorie und Anwendung, Schaum's Outline, McGraw-Hill Book Company GMBH, 1977, ISBN 0-07-09201-3
  • H.J. Dirschmid, Mathematische Grundlagen der Elektrotechnik, Vieweg, Braunschweig, 1987, pp. 774-806, ISBN 3-528-13034-2
  • W.E. Boyce / R.C. DiPrima, Gewöhnliche Differentialgleichungen, Spektrum Akademischer Verlag, Heidelberg Berlin Oxford, 1995, Kap. 6 Die Laplace-Transformation, pp. 349-400, ISBN 3-86025-151-1