Vriemeensen
Vriemeensen ist eine wüst gefallene Siedlung bei Meensen im südlichen Niedersachsen, die etwa zwischen dem 9. und 14. Jahrhundert bestanden hat. Die Wüstungsstelle liegt rund 1,3 km südlich von Meensen in Südhanglage auf einer heutigen Ackerfläche.
Ausgrabungen
In den Jahren 1994 und 1995 sowie 1998 und 1999 nahm die archäologische Denkmalpflege des Landkreises Göttingen an der Wüstungsstelle Ausgrabungen vor. Es erfolgten vier Kampagnen unter Leitung des Prähistorikers Klaus Grote. Die Grabungen waren äußerst fundreich, da auf der rund 1600 m³ großen Grabungsfläche rund 34.000 Funde geborgen und fast 200 Befunde festgestellt wurden. Der Schwerpunkt der Ausgrabungen lag auf den Massivbauten in Form eines Wohnturms, der Kirche und einem Steingebäude. Die Gebäudefundamente und Teile des aufgehenden Mauerwerks waren im Boden erhalten geblieben.
Wohnturm
Der freigelegte Wohnturm hat die Ausmaße von fast 10 × 12 Meter. Das Fundament hat im unteren Bereich eine Mächtigkeit von rund 2 Meter und ist im Bereich des Aufgehenden noch 1,5 Meter stark. Der Turm verfügte über mehrere Nebengebäude wie Grubenhäuser, Pfostenbauten und Schwellbalkenbauten. Im Umfeld konnten keine Reste von Befestigungsanlagen, wie Wälle oder Gräben, festgestellt werden. Zu den Fundstücken gehörten Ofenkacheln und Gefäßreste. Ein besonderer Fund war ein Panzerhandschuh, wie er in der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts üblich wurde. Die Fundstücke weisen auf ein adeliges Wohnmilieu hin.
Beim Turm handelte es sich um einen repräsentativen Wohnbau mit nachgeordneter Wehrfunktion. Mit seinen Nebengebäuden wird er als Adelshof der Herren von Meeensen angesehen, der den Eindruck eines größeren bäuerlichen Gehöftes machte. Der Turm stammt aus der ersten Hälfte des 12. Jahrhunderts und wurde im zweiten Drittel des 14. Jahrhunderts abgebrochen.
Kirche
Der romanische Kirchenbau war 21 Meter lang und 8 Meter breit. Er bestand aus einem Langhaus mit Chor und Apsis sowie einem Kirchturm im Westen. Der Bau wurde vermutlich im 12. Jahrhundert angelegt und erhielt im 13. Jahrhundert einen Anbau an der nördlichen Seite, der als Grablege für die Herren von Meensen gedient haben könnte. Bauliche Übereinstimmungen bestehen zur St. Johannis Kirche in Meensen. Der Abbruch wird im 14. Jahrhundert angenommen. Zu den Fundstücken gehörten Reste von Hohlpfannen des Typs Mönch und Nonne.
Steinbau
Es wurde ein Doppelgebäude freigelegt, das aus einem 12 × 8 Meter großen Vorderhaus in Fachwerk- sowie Pfostenbauweise und einem 10 × 7 Meter großen, unterkellerten Hinterhaus in Steinbauweise bestand. Das Gebäudefundament in einer Stärke von 0,9 bis 1,4 Meter ließ auf zwei Obergeschosse schließen. Vergleichbare Profanbauten wurden bisher kaum im ländlichen Bereich, sondern eher im städtischen Umfeld, wie in Braunschweig, Höxter und der Stadtwüstung Nienover ausgegraben. Zu den Fundstücken gehörte ein Teil eines romanischen Leuchters aus Buntmetall aus der Zeit um das Jahr 1200, was auf eine sozial gehobene Nutzerschicht hinweist.
Deutung
Vriemeensen gehört zu einer Reihe von Kleinadelssitzen in Südniedersachsen. Die Siedlung lag in der Nähe eines Abzweigs des Hellweges. Sie dürfte zwischen dem 9. und 14. Jahrhundert bestanden haben. Ihre Ausdehnung wird auf 500 × 150 Meter geschätzt. Für das Wüstfallen kommen mehrere Ursachen infrage, wie eine Verkarstung des Bachlaufes innerhalb der Siedlung oder eine wirtschaftliche Schwächung aufgrund der Anlage eines Vorwerks des Klosters Lippoldsberg in der Nähe.
Der Denkmalpfleger Stefan Hesse wurde im Jahre 2005 für die Erforschung der Wüstung Vriemeensen mit dem Eduard-Anthes-Preis ausgezeichnet.
Literatur
- Stefan Hesse: Ausgrabungen an der romanischen Wüstungskirche in Vriemeensen bei Meensen, Ldkr. Göttingen in: Göttinger Jahrbuch 44, 1996
- Stefan Hesse: Die mittelalterliche Siedlung Vriemeensen im Rahmen der südniedersächsischen Wüstungsforschung unter besonderer Berücksichtigung der Problematik von Kleinadelssitzen, Göttingen, 2000, Dissertation (Online, pdf, 3,8 MB)
Weblinks
- Fotos von den Ausgrabungen
- Skizze der ausgegrabenen Kirche Wüstungskirche von Vriemeensen
- Luftbild eines Ackers mit Bewuchsmerkmalen von einem Steingebäude
Koordinaten: 51° 25′ 50″ N, 9° 45′ 34″ O