Anschlag in Suruç 2015
Beim Anschlag in Suruç kam es am 20. Juli 2015 in der türkischen Stadt Suruç, etwa 10 km entfernt von der syrischen Grenze, zu einem Selbstmordattentat. Dabei starben 32 hauptsächlich junge Menschen und mehr als 100 wurden verletzt.
Hintergrund
Suruç liegt in der Provinz Sanliurfa und wird mehrheitlich von Kurden bewohnt. Im Bezirk Suruç befindet sich eines der größten Flüchtlingslager für syrische Menschen, die vor dem Krieg in Syrien flohen. In dem im Januar 2015 eröffneten Camp lebten zum Zeitpunkt des Anschlages 35.000 Flüchtlinge.[1]
Das Amara-Kulturzentrum wird von der kurdischen Stadtverwaltung betrieben. Im September 2014 war das Zentrum ein erster Anlaufpunkt für tausende Flüchtlinge, die in nur wenigen Tagen vor Kämpfen im nahe gelegenen syrischen Ain al-Arab (kurdisch: Kobanê oder Kobanî) nach Suruç flohen. Sie erhielten im Garten des Amara-Zentrums erste Versorgung, Essen und Unterkunft.[2]
Ain al-Arab war während des Kampfes um die Stadt gegen die Terrororganisation Islamischer Staat (IS) fast vollständig zerstört worden.[3]
Im Juli 2015 versammelten sich Medienangaben zufolge Hunderte Anhänger der sozialistischen Jugendorganisation SGDF - überwiegend Studenten - aus dem ganzen Land in Suruç, um nach Ain al-Arab zu reisen und beim Aufbau der Stadt zu helfen.[3][4]
Aus der SGDF rekrutierten sich auch Kämpfer gegen den IS. Mitglieder hatten in Ain al-Arab auf der Seite der kurdischen Truppen gekämpft und waren teilweise gefallen.[3] Die SGDF hegt Sympathien für die kurdischen Volksschutzeinheiten (YPG), die als militärischer Ableger der in der Türkei, den USA, Deutschland und anderen Ländern als Terrororganisation eingestuften PKK in Syrien gelten[5][6] und auch gegen den IS kämpfen.[2]
Verlauf
Am 20. Juli 2015 zündete Medienangaben zufolge möglicherweise ein Selbstmordattentäter während einer Versammlung im Garten eines Kulturzentrums, mit rund 300 Jugendlichen, einen Sprengsatz. Dabei starben 32 Menschen. Mehr als 100 wurden verletzt,[4][3] von denen nach Angaben des örtlichen Gouverneurs am Abend noch etwa 20 in Lebensgefahr schwebten.[1]
Einem Bericht der Hürriyet vom 21. Juli zufolge deuteten forensische Untersuchungen entgegen früherer Medienberichte[7] auf einen männlichen Täter hin.[8]
Vor der Versammlung soll Medienberichten zufolge eine Pressekonferenz der türkischen sozialistischen Jugendorganisation stattgefunden haben, auf der unter anderem vom Wiederaufbau der bei Kämpfen gegen den Islamischer Staat stark zerstörten syrischen Stadt Ain al-Arab die Rede gewesen sein soll.[9]
Türkischen Regierungsangaben zufolge sollte die Tat mit „größter Wahrscheinlichkeit“ dem IS zuzuschreiben sein.[10][1]
Im zehn Kilometer von Suruç entfernten Ain al-Arab explodierte offenbar kurze Zeit nach dem Anschlag in Suruç ebenfalls ein Sprengsatz.[11][7] Über die Ursache gab es zunächst unterschiedliche Angaben.[11] Die gegen die syrische Regierung gerichtete, aktivistische Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte erklärte, die syrische Kurdenmiliz YPG sei mit einer Autobombe angegriffen worden. Zwei kurdische Kämpfer seien durch die Explosion getötet worden. Ein YPG-Sprecher dementierte diese Darstellung dagegen und gab an, es sei zu mehreren Explosionen bei der Beseitigung von Munition gekommen, die vom IS zurückgelassen worden sei.[11][9]
Am 22. Juli hatten die türkischen Ermittler den Selbstmordattentäter identifiziert. Aus DNA-Analysen gehe hervor, dass es sich um einen 20-jährigen Türken aus der südöstlichen Provinz Adiyaman handle. [12]
Proteste
Zwei Tage nach dem Anschlag hat die Türkische Regierung den Zugang zum Online-Kurznachrichtendienst Twitter blockiert, berichtet die staatliche Nachrichtenagentur Anadolu. Damit solle die Verbreitung von Bildern vom Bombenanschlag verhindert werden. Zudem wolle die Regierung Twitter-Nutzer auch davon abhalten, zu regierungsfeindlichen Protesten im Zusammenhang mit dem Anschlag aufzurufen, berichtete die Argentur.[13]
Politische Reaktionen
Türkei
Türkische Oppositionspolitiker sehen in dem Anschlag eine Folge der türkischen Syrienpolitik. Ali Haydar Hakverdi, Abgeordneter der größten Oppositionspartei CHP, sagte gegenüber Medien, für die Toten von Suruç sei die AKP-Regierung verantwortlich, die den IS ins Land geholt, dies aber stets geleugnet habe. Ertuğrul Kürkçü, Abgeordneter der HDP, sagte: „Der Krieg, den die AKP-Regierung mit Katar und anderen gegen das Assad-Regime geführt und wofür sie sich der Dschihadisten bedient hat, erreicht jetzt die Türkei“.[4]
International
Vereinigte Staaten Die USA verurteilten den Vorfall als terroristische Attacke und bekräftigten, weiterhin an der Seite der Türkei als „wertvollem NATO-Verbündeten und Partner in der globalen Koalition gegen den ISIL“ zur gemeinsamen Zusammenarbeit bei der Begegnung des Terrorismus zu stehen.[14]
Vereinigtes Königreich Der britische Botschafter in der Türkei, Richard Moore, teilte über seinen Twitter-Account mit: „Das Vereinigte Königreich steht Schulter an Schulter an der Seite der Türkei in der unmissverständlichen Verurteilung jedweden Terrorismus.“[15]
Deutschland Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier verurteilte die Tat und sagte, der Anschlag in Suruç zeige, „dass wir in unserem Kampf gegen den Terrorismus nicht nachlassen dürfen. Die Türkei ist dabei ein ganz wichtiger Partner“.[16]
Sevim Dağdelen, Sprecherin der Linken für Internationale Beziehungen, kritisierte auf einer Kundgebung in Berlin am 20. Juli die Politik der türkischen Regierung und sagte: „In Suruc ging heute die Saat des AKP-Regimes auf, das seit Jahren in den IS investiert“. Sie forderte: „Die Bundesregierung muss die Türkei unverzüglich auffordern, den Terrorbanden des IS die Grenze zu Syrien nicht zu öffnen“. Darüber hinaus müsse die Unterstützung des türkischen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdoğan durch Rüstungsexporte und die Stationierung der deutschen Bundeswehr vor Ort unverzüglich beendet werden.[17]
Siehe auch
Einzelnachweise
- ↑ a b c Nach Terroranschlag - Türkei identifiziert Verdächtigen, n-tv.de, 21. Juli 2015.
- ↑ a b Anschlag in der Türkei: Eine Solidaritätsaktion wird zur Katastrophe, deutsch-tuerkische-nachrichten.de, 21. Juli 2015.
- ↑ a b c d Terror in der Türkei: "Das Grenzgebiet zu Syrien ist IS-Land", Spiegel Online, 21. Juli 2015, von Hasnain Kazim.
- ↑ a b c Anschlag in Suruç - "Die Hunde, die wir gefüttert haben, beißen jetzt" ( vom 22. Juli 2015 auf WebCite), welt.de, 20. Juli 2015, von Deniz Yücel.
- ↑ A U.S.-designated terrorist group is saving Yazidis and battling the Islamic State ( vom 31. August 2014 auf WebCite) (englisch). The Washington Post (Blogs), 11. August 2014, von Ishaan Tharoor.
- ↑ PKK forces impress in fight against Islamic State ( vom 5. September 2014 auf WebCite) (englisch). Al Monitor, 1. September 2014, von Mohammed A. Salih.
- ↑ a b 'At least 32 dead in suspected ISIL suicide bombing in Turkey's border with Syria ( vom 22. Juli 2015 auf WebCite) (englisch), hurriyetdailynews.com, 20. Juli 2015.
- ↑ 'Forensic analysis points to 20-year-old man as suicide bomber ( vom 22. Juli 2015 auf WebCite) (englisch), hurriyetdailynews.com, 21. Juli 2015.
- ↑ a b Grenze zu Syrien: Mehrere Tote bei Explosion im Südosten der Türkei, spiegel.de, 20. Juli 2015.
- ↑ 'Türkei nach dem Anschlag - Wasserwerfer gegen Demonstranten in Istanbul ( vom 22. Juli 2015 auf WebCite) (englisch), handelsblatt.com, 22. Juli 2015.
- ↑ a b c Türkei - Terroranschlag auf junge Sozialisten, Deutschlandfunk, 20. Juli 2015.
- ↑ http://www.nzz.ch/international/tuerkei-sperrt-twitter-1.18583889
- ↑ http://www.nzz.ch/international/tuerkei-sperrt-twitter-1.18583889
- ↑ U.S. Condemns Terrorist Attack in Suruc, Turkey ( vom 22. Juli 2015 auf WebCite) (englisch), state.gov, 20. Juli 2015.
- ↑ 'Isis suicide bomber' strikes Turkish border town as Syrian war spills over ( vom 22. Juli 2015 auf WebCite) (englisch), theguardian.com, 20. Juli 2015, von Kareem Shaheen und Constanze Letsch.
- ↑ Außenminister Steinmeier zum Anschlag in der Türkei ( vom 22. Juli 2015 auf WebCite), presseservice.pressrelations.de, 20. Juli 2015.
- ↑ »Der Suruc-Anschlag wird uns nicht einschüchtern« ( vom 22. Juli 2015 auf WebCite), neues-deutschland.de, 21. Juli 2015, von Elsa Koester.