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Dr. Seltsam oder: Wie ich lernte, die Bombe zu lieben

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Film
Titel Dr. Seltsam oder: Wie ich lernte, die Bombe zu lieben
In Österreich:
Dr. Seltsam oder Gebrauchsanweisung für Anfänger in der sorgenfreien Liebe zu Atomwaffen
Originaltitel Dr. Strangelove or: How I Learned to Stop Worrying and Love the Bomb
Produktionsland UK
Originalsprache Englisch
Erscheinungsjahr 1964
Länge 93 Minuten
Altersfreigabe
Stab
Regie Stanley Kubrick
Drehbuch Stanley Kubrick,
Terry Southern,
Peter Bryant
Produktion Hawk Films,
Stanley Kubrick
Musik Laurie Johnson
Kamera Gilbert Taylor
Schnitt Anthony Harvey
Besetzung

Dr. Seltsam oder: Wie ich lernte, die Bombe zu lieben (Originaltitel: Dr. Strangelove or: How I Learned to Stop Worrying and Love the Bomb) ist ein satirischer Film über den Kalten Krieg und Nukleare Abschreckung von Stanley Kubrick aus dem Jahr 1964. Er basiert auf dem Roman Bei Rot: Alarm! Der Roman des Drucktastenkriegs (Originaltitel: Red Alert) von Peter Bryant. Im Vereinigten Königreich und in den Vereinigten Staaten kam der Film am 29. Januar 1964 in die Kinos, in der Bundesrepublik Deutschland am 10. April 1964.[1]

Handlung

Der Film schildert, wie der geistesgestörte US-Air-Force-General Jack D. Ripper versucht, auf eigene Faust einen Atomkrieg gegen die Sowjetunion auszulösen, indem er den ihm unterstellten B-52-Bombern den Angriffsbefehl erteilt. Er veranlasst dies, um eine angebliche sowjetische Verschwörung aufzuhalten, die, wie Ripper überzeugt ist, die „wertvollen Körpersäfte“ der Menschen in den USA unter anderem durch Fluoridierung des Trinkwassers zu zersetzen versucht.

Den Untergebenen seines Luftwaffenstützpunktes hat er mitgeteilt, dass „die Roten“, möglicherweise als amerikanische Soldaten verkleidet, den Stützpunkt angreifen könnten und dass dieser Stützpunkt unter allen Umständen zu verteidigen sei.

Bei einer Round-Table-Krisensitzung im War Room des Pentagons informiert General „Buck“ Turgidson den Präsidenten über die Situation. Die Bomber seien auf dem Weg, könnten nicht mehr zurückgerufen werden und die Sowjetunion würde mit Sicherheit zurückschlagen. Turgidson schlägt dem Präsidenten daher vor, alle verfügbaren Atomwaffen auf die Sowjetunion abzufeuern, um so den vollständigen Sieg zu erringen. Die eigenen Verluste könnte man damit bei 25 Millionen halten, was gegenüber 150 Millionen bei zögerlichem Handeln noch als Erfolg gewertet werden könne.

US-Präsident Muffley ist über diesen Vorschlag entsetzt. Er will nicht „als größter Massenmörder seit Adolf Hitler in die Geschichte eingehen“ und kontaktiert die sowjetische Führung. Danach holt er den sowjetischen Botschafter in die Kommandozentrale. Dieser teilt ihm mit, dass die Sowjetunion eine Weltvernichtungsmaschine konstruiert und aktiviert habe, die einen eventuellen atomaren Angriff automatisch und unaufhaltsam beantworten würde, indem sie alles Leben auf der Erde mit einem atomaren Fallout vernichtet. Notgedrungen setzen nun beide Regierungen alle Mittel ein, um die fatale Lage zu meistern.

Präsident Muffley lässt den Luftwaffenstützpunkt zurückerobern, Kommandant Jack D. Ripper begeht Selbstmord, weil er fürchtet, gefoltert zu werden, um den Rückrufcode zu verraten. Dem britischen Austauschoffizier Group Captain Lionel Mandrake gelingt es trotzdem, den Rückrufcode für die Bomber herauszufinden. Nach diversen Schwierigkeiten schafft er es schließlich, eine Verbindung zum Pentagon zu bekommen und den Code durchzugeben. Alle Bomber kehren daraufhin um; nur ein Bomber mit dem Spitznamen The Leper Colony (Die Leprakolonie) kann den Rückkehrbefehl nicht empfangen, weil er von der sowjetischen Luftabwehr bereits beschossen worden war und sein Funkgerät defekt ist.

Da dabei auch der Tank beschädigt wurde und das Flugzeug Treibstoff verliert, kann es sein primäres Angriffsziel (das der sowjetischen Luftabwehr gegen den Protest von General Turgidson mitgeteilt worden war) nicht mehr erreichen. Die Besatzung entscheidet sich für ein Ausweichziel innerhalb der verbliebenen Reichweite. Da das Flugzeug so tief fliegt, dass es vom gegnerischen Radar nicht erfasst werden kann, kann es von der sowjetischen Luftabwehr nicht abgefangen werden. Seine Besatzung führt daher schließlich den befohlenen Angriff aus – der Pilot, Major Kong, reitet dabei in der berühmt gewordenen Sequenz auf der Bombe Richtung Ziel.

Das dadurch absehbare Ende der bisherigen Zivilisation sorgt im US-Hauptquartier jedoch nur kurz für Bestürzung. Dr. Seltsam, ein deutscher Wissenschaftler, der jetzt für die amerikanische Regierung arbeitet, macht einen Vorschlag, wie das Überleben eines kleinen Teils der amerikanischen Nation in Bergwerksstollen doch noch gesichert werden kann. Um auch nach dem auf 100 Jahre angelegten Projekt die militärische Überlegenheit sicherzustellen, schlägt Dr. Seltsam ein Zuchtprogramm für Menschen vor, das u. a. polygyne Lebensgemeinschaften mit zehn Frauen pro Mann vorsieht. Dafür solle ein Elektronengehirn die tüchtigsten und genetisch optimalen Teilnehmer selektieren. Die Aussicht, in das Programm gewählt zu werden, findet bei den anwesenden – ausschließlich männlichen – Politikern und Militärs großen Zuspruch.

Am Ende des Films erhebt sich Dr. Seltsam humpelnd aus seinem Rollstuhl und ruft: „Mein Führer, ich kann wieder gehen!“ In der Schlusssequenz sieht man musikalisch untermalte Aufnahmen von oberirdischen amerikanischen Atombombenexplosionen in Anspielung auf die „Weltvernichtungsmaschine“.

Schauspieler

Der Star des Films ist Peter Sellers. Er spielte drei Rollen, wobei er einen Teil der Dialoge improvisierte:

  • Group Captain Lionel Mandrake, ein vernünftiger, wohlmeinender britischer Austauschoffizier
  • Merkin Muffley, der amerikanische Präsident, bescheiden, besonnen und offenkundig leicht überfordert
  • Dr. Seltsam, ein deutscher Wissenschaftler – sein Name im Original ist Strangelove (Merkwürdige Liebe). Dieser Charakter scheint auf Herman Kahn, John von Neumann, Wernher von Braun, Edward Teller, Henry Kissinger und dem damaligen US-Verteidigungsminister Robert Strange McNamara zu basieren. Vorbild für die Titelfigur soll auch Sidney Gottlieb gewesen sein: Beide sind gehbehindert, Dr. Strangelove (Peter Sellers) sitzt im Rollstuhl. Gottlieb hatte einen Klumpfuß, war in die Operation Paperclip involviert und sein Name spielt auf Gittingers Forschungen über seltsame Formen der Erotik in San Francisco an.[2]
  • Ursprünglich sollte Sellers auch die Figur des Major Kong spielen, fiel jedoch aufgrund einer Beinverletzung aus. Unklar ist, ob Sellers die Verletzung vortäuschte (wie in dem biografischen Film The Life and Death of Peter Sellers angedeutet).

Weitere wichtige Schauspieler des Films:

  • Sterling Hayden als paranoider General Jack D. Ripper, dessen Name auf den Serienmörder Jack the Ripper anspielt. Vorbild soll General Thomas S. Power gewesen sein.
  • Slim Pickens als Major Kong, Kapitän des alles entscheidenden Unglücksbombers, ist ein texanischer Vorzeige-Cowboy voller patriotischer Überzeugung.
  • George C. Scott, der als US-Luftwaffengeneral die Flucht nach vorn antreten und mit allem Verfügbaren nachsetzen will. Diese Figur basiert sehr wahrscheinlich auf Curtis E. LeMay, dem damaligen Chef der strategischen Bomberflotte.
  • James Earl Jones hat in diesem Film als Bombenschütze sein Schauspieldebüt.

Red Alert und Fail-Safe

Dr. Seltsam basiert auf dem Roman Red Alert, den Autor Peter George 1958 unter dem Pseudonym Peter Bryant veröffentlichte. In Deutschland ist das Buch bislang nur als Heftroman erschienen, und zwar 1961 beim Verlag Erich Pabel. Peter George arbeitete dann zusammen mit Kubrick und dem Satiriker Terry Southern am Drehbuch für Dr. Seltsam. Red Alert ist wesentlich nüchterner als Dr. Seltsam – die Figur des Dr. Seltsam kommt zum Beispiel überhaupt nicht vor. Es war Southern, der die satirischen und schwarzhumorigen Elemente in das Drehbuch einbrachte.

Bis kurz vor dem Abwurf der Bombe gleicht die Handlung praktisch der des Films, dann entwickelt sie sich jedoch völlig anders. So wirft auch im Buch eine schwer beschädigte B-52 ihre Wasserstoffbombe ab (auf der niemand reitet), jedoch verfehlt sie ihr Ziel; sie ist überdies auch noch so beschädigt, dass nur ihr Atomsprengkopf zündet. Dies hat im Gegensatz zur Filmhandlung nicht die automatische Zündung der Weltvernichtungsmaschine zur Folge, da diese laut Buch manuell gezündet werden kann. Der I.C.B.M-Komplex wird nicht zerstört und auch die nahegelegene Stadt bleibt nahezu unversehrt. Nachdem der russische Marschall eingewilligt hat, auf die ihm vom amerikanischen Präsidenten zur Wiedergutmachung gewährte Zerstörung einer amerikanischen Stadt zu verzichten, endet das Buch mit der Erkenntnis des Präsidenten, dass nach der kurz bevorstehenden Stationierung amerikanischer Interkontinentalraketen ein Krieg zwischen den beiden Supermächten sinnlos wäre, da dieser die sofortige Auslöschung der beiden Weltmächte zur Folge hätte. Der General, der seiner Staffel den Angriffsbefehl gab, wollte nämlich einem seiner Meinung nach unmittelbar bevorstehenden Angriff der Russen zuvorkommen, bevor diese ihre Interkontinentalraketen einsatzbereit machen konnten.

Im selben Jahr und vom selben Studio (Columbia) wurde der Film Fail-Safe von Regisseur Sidney Lumet, basierend auf dem gleichnamigen Roman von Eugene Burdick, veröffentlicht. Fail-Safe behandelt das gleiche Thema wie Dr. Strangelove – einen unbeabsichtigten Atomkrieg –, aber ohne den schwarzen Humor und die satirischen Elemente von Dr. Strangelove.

Sonstiges

Der Film spielt im Wesentlichen in Echtzeit. Die Schlusssequenz des Films – untermalt von dem Lied We’ll Meet Again, gesungen von Vera Lynn – zeigt Aufnahmen von Kernwaffentests, unter anderem von Operation Crossroads (Baker) und Operation Castle (Bravo).

In der Originalfassung fragt General Turgidson, als Dr. Seltsam auftritt: „Strangelove? What kind of a name is that? That ain’t no Kraut name, is it, Stainesey?“ („Strangelove? Was ist das für ein Name? Das ist doch kein deutscher Name, Stainesey, oder doch?“). Der Angesprochene erwidert: „He changed it when he became a citizen. Used to be Merkwürdigeliebe.“ („Er änderte seinen Namen, als er Staatsbürger wurde. Früher hieß er Merkwürdigeliebe.“)

Das merkwürdige Verhalten des Armes von Dr. Seltsam (der Arm schnellt bei allen möglichen und unmöglichen Anlässen zum Hitlergruß hoch und muss mühsam durch den anderen Arm gebändigt werden) ist eine seltene und dabei recht gute Darstellung eines autonomen Gliedes, wie es in der Neuropathologie beschrieben wird.[3]

Die Paranoia General Rippers war die Anspielung auf die in der McCarthy-Ära in den USA weit verbreiteten Vorstellungen von „kommunistischer“ Infiltration des Trinkwassers zur Schädigung der Potenz des amerikanischen Mannes. Damit wurde beinahe nahtlos an die im nationalsozialistischen Rassenwahn propagierte Sorge um die sogenannte Reinhaltung des Blutes angeknüpft.[4] Unter den Verschwörungstheorien gab es auch eine, deren Gegenstand die Fluoridierung des Trinkwassers in den USA war. Ripper trank aus diesem Grunde im Film nur noch destilliertes bzw. Regenwasser, vermischt mit reinem Alkohol, was seinen Verstand und schließlich die Welt zerstörte. Wegen dieser Fluoridierung trinken die „Russkis“ seiner Meinung nach nur Wodka.

In der Szene, in der Major Kong die Liste des Notfallpäckcheninhalts vorliest, sagte Schauspieler Slim Pickens ursprünglich „Shoot, a fella could have a pretty good weekend in Dallas with that stuff!“. Als der Film Anfang 1964 herauskommen sollte, hielt man diese Textpassage für unpassend, da Präsident Kennedy nur wenige Wochen zuvor in Dallas ermordet worden war. Die Szene wurde nachsynchronisiert, Kong spricht nun von einem netten Wochenende in Vegas. Man kann das Wort Dallas jedoch noch an der Lippenbewegung erkennen.

Der Name des „erfolgreichen“ Bombers Leper Colony bezieht sich auf den Film Der Kommandeur (1949), in dem Gregory Peck als neuer Chef einer US-Bomberstaffel die schlechtesten Crewmitglieder im B-17-Bomber des gleichen Namens zusammenfasst.

Ursprünglich war ein anderes Ende vorgesehen: die Offiziellen sollten sich eine Tortenschlacht in der Kommandozentrale liefern. Die Szene wurde auch gedreht. Beim Schnitt entschied man jedoch, die Szene zu streichen. Nun endet der Film mit Dr. Strangeloves Ausruf „Mein Fuehrer, I can walk!“

Die in dem Film behandelte Weltuntergangsmaschine (doomsday device) steht im Zusammenhang mit der realen sowjetischen 50- bis 60-Megatonnen-Detonation der Zar-Bombe im Jahr 1961 auf der Insel Nowaja Semlja, der größten von Menschen jemals verursachten Explosion. Siehe dazu auch Kernwaffentechnik.

Zuständig für das Design der Kommandozentrale, in der sich Politiker und Generäle zu Anfang des Filmes einfinden, war Ken Adam. Er wirkte auch bei zahlreichen James-Bond-Filmen mit und entwarf dort unter anderem die Geheimwaffen und die Kommandozentralen der Bösewichte. Das Motiv der Kommandozentrale mit den riesigen Monitoren, dem großen Tisch und der charakteristischen, einem Heiligenschein nachempfundenen Beleuchtung wurde in späteren Filmen und Serien (vorwiegend Komödien und Zeichentrickserien) oft aufgegriffen.

Kubrick plante in den 1990ern eine Fortsetzung des Films, bei der er jedoch nur noch als Produzent fungieren wollte, ähnlich wie er es für A.I. – Künstliche Intelligenz geplant hatte. Regie sollte Terry Gilliam führen. Die Vorbereitungen bzw. Dreharbeiten zu A.I. und Eyes Wide Shut verschoben das Projekt jedoch immer wieder, so dass es nicht mehr zustande kam.

Wie viele andere Kubrick-Filme wurde Dr. Seltsam oft parodiert, u. a. in Die Simpsons, als Homer Simpson auf einer Atombombe reitet.

Abgesehen von Mrs. Foreign Affairs, die auf dem Playboy-Cover erscheint und im Schlafzimmer von General Turgidson diesen von General Rippers Angriffsbefehl informiert, wird der Film ausschließlich von Männern bevölkert. Dabei sorgen ständige Anspielungen (sowohl bildlich als auch verbal) auf unterdrückte Triebe und Allmachtsphantasien für eine sexuelle Aufladung des Geschehens. Bereits die dem Vorspann unterlegte Luftbetankung ist mit der phallusähnlichen Form des Auslegers deutlich eine solche Anspielung. General Jack D. Rippers Name erinnert nicht nur zufällig an den berühmten Prostituiertenmörder Jack the Ripper und der Vorname des Präsidenten Merkin Muffley bezeichnet im Slang ein Schamhaartoupet. Sämtliche Protagonisten scheinen ihre Triebe zu unterdrücken und entwickeln daraus für sich verschiedene Bewältigungsstrategien. Die theoretische Konstellation von zehn Frauen pro Mann in den Schutzräumen beschäftigt und interessiert die Herren in der Kommandozentrale mehr als logistische Aspekte dieser Evakuierung. Und wenn sich Dr. Seltsam mit den Worten „Mein Führer, I can walk“ aus seinem Rollstuhl erhebt, finden Allmachtsphantasien und Triebstau in einer finalen Apotheose zusammen.

Zunächst sollte dieser Film eine ernsthafte Auseinandersetzung mit der nuklearen Bedrohung werden, doch je intensiver sich Kubrick mit der Materie beschäftigte, desto wahnsinniger erschien ihm das Thema. Durch die Einbeziehung von Komikautoren gelang es, die beklemmende Mischung aus tatsächlich vorstellbarem Wahnsinn in all seiner bestechenden Logik und absurder Komik zu einer zeitlosen Bestandsaufnahme menschlicher Allmachtsphantasien werden zu lassen.

Die in einem früheren Stadium erwogene Idee, das Geschehen als von Außerirdischen gefundene Dokumentation der Zerstörung der Welt zu präsentieren, ließ Kubrick bald wieder fallen. In 2001: Odyssee im Weltraum hatte er eine ähnliche Idee, entfernte jedoch kurz vor der Premiere den Off-Erzähler wieder.

Ken Adams Produktionsgestaltung ist in erster Linie für die Kommandozentrale bekannt. Dass er auch beispielsweise das Flugzeuginnere gestaltete, fällt gar nicht so auf; es wirkt zu realistisch. Eines Tages soll er einen Anruf von Kubrick erhalten haben, der ihm mitteilte, das FBI interessiere sich für die Quellen, die Adam für seinen Entwurf konsultiert habe. In den USA war das Innere der B-52-Bomber ein strenges Geheimnis; Adam hatte sich in einer britischen Fliegerzeitschrift darüber informiert, wie es in solch einem Flugzeug aussah.

Einer Anekdote zufolge bat Ronald Reagan bei seiner Amtseinführung als Präsident der Vereinigten Staaten darum, die Kommandozentrale gezeigt zu bekommen, die er für tatsächlich existent hielt. Der Film hatte sich so sehr in das kulturelle Gedächtnis vieler eingegraben, dass die Begebenheiten gemeinhin wahrgenommen wurden, als hätten sie tatsächlich stattgefunden.

Dr. Seltsam war in den 1960er Jahren Gegenstand einer Kongressdebatte.

Der Vorspann wurde von Pablo Ferro entworfen. Für den US-amerikanischen Grafikdesigner war es die erste Arbeit an einem Vorspann. Bei Uhrwerk Orange arbeitete er Jahre später wieder für Stanley Kubrick.

Filmmusik

  • Eine klassische Interpretation von Try a Little Tenderness (im Original von Otis Redding) wird in der Eröffnungsszene gespielt, während im Vordergrund die Titel erscheinen und im Hintergrund eine Luftbetankung eines B-52-Bombers durchgeführt wird. Die Szenerie erweckt, unterstrichen durch die an Hollywoodromanzen erinnernde Interpretation, Erinnerungen an den Liebesakt von Libellen und unterstreicht damit zugleich die Verharmlosung der nuklearen Bedrohung.
  • When Johnny Comes Marching Home, ein Lied aus dem Amerikanischen Bürgerkrieg, in dem die Rückkehr der Überlebenden gefeiert wird. Eine Instrumentalversion begleitet die Szenen, die in der B-52 spielen.
  • We’ll Meet Again von Vera Lynn, ein optimistisches, sentimentales Lied aus dem Zweiten Weltkrieg, begleitet die Zerstörung der Erde durch Atombomben am Schluss des Films.

Synchronisation

Die deutsche Fassung entstand 1964 bei der Berliner Synchron GmbH unter der Regie von Klaus von Wahl. Das Dialogbuch stammte von Fritz A. Koeniger.[5][6]

Kritiken

„Kubricks böse Atomkriegssatire zeigt die militärischen und politischen Umtriebe konsequent als Pandämonium des Irrsinns. Die groteske Stilisierung der Figuren und Schauplätze entlarvt das ‚Gleichgewicht des Schreckens‘ als labiles Konstrukt, das jederzeit durch banale Zufälle und menschliche Schwächen zum Albtraum werden kann. Einer der radikalsten, bittersten und treffsichersten Filme zum Thema.“

„Im Schatten der Kuba-Krise, die 1962 die Welt an den Rand der nuklearen Katastrophe brachte, drehte Stanley Kubrick – begleitet von Protesten aus Militärkreisen – diese außergewöhnlich gute und überaus respektlose Kriegssatire, die gleichzeitig unsinniges Wettrüsten als Farce darstellt und außerdem kritisiert, dass Naziwissenschaftler in den Diensten der USA stehen. Peter Sellers ist als Präsident, als Fliegeroffizier und Dr. Seltsam einmal mehr ‚Hans Dampf in allen Gassen‘.“

„Eine makabre Groteske, die zwischen Scherz und lähmendem Entsetzen balanciert und die nur dort ihre Wirkung verliert, wo sie sich eindeutig für den Scherz entscheidet. Auch die Figur des Dr. Seltsam, in dem offenbar die ehemals deutschen Raketenfachleute persifliert werden sollen, überzeugt nicht recht. Sie ist allzu karikiert und diskreditiert durch faschistische Akzente allgemein die Eggheads. Sonst aber gelingt es Kubrick, durch eine raffinierte Inszenierung Gelächter in Grauen aufgehen zu lassen, deutlich zu machen, wie eine perfekte Maschinerie dem Fehlverhalten – möglicherweise – bornierter Einzelgänger ausgeliefert ist.“

Dieter Krusche, Jürgen Labenski, Josef Nagel[9]

Auszeichnungen

Oscar-Nominierungen in den Kategorien
  • Hauptdarsteller (Peter Sellers)
  • Regie (Stanley Kubrick)
  • Bester Film (Stanley Kubrick)
  • Bestes Adaptiertes Drehbuch (Stanley Kubrick, Peter George, Terry Southern)
British Film Academy Award in den Kategorien
  • Bestes britisches Szenenbild (Ken Adam)
  • Bester britischer Film
  • Bester Film
  • Bester britischer Schauspieler (Peter Sellers) (Nominierung)
  • Beste britische Kamera (Stanley Kubrick, Peter George, Terry Southern) (Nominierung)
  • Bester ausländischer Schauspieler (Sterling Hayden) (Nominierung)
  • United Nations Award

Stanley Kubrick gewann u. a. den Drehbuchpreis für die beste amerikanische Komödie der Writers Guild of America, den Regiepreis bei den New York Film Critics Circle Awards, die dänische Bodil für den besten europäischen Film, den Preis des Sindacato Nazionale Giornalisti Cinematografici Italiani und den französischen Étoile de Cristal für den besten ausländischen Film (Prix International); für den Regiepreis der Directors Guild of America wurde er nominiert.

2003 erstellte die Bundeszentrale für politische Bildung in Zusammenarbeit mit zahlreichen Filmschaffenden einen Filmkanon für die Arbeit an Schulen und nahm diesen Film in ihre Liste mit auf. Das American Film Institute sieht das Werk unter den 100 besten amerikanischen Filmen (Platz 26). In der aktualisierten Ausgabe von 2007 wird der Film auf Platz 39 geführt. 1989 wurde er aufgenommen in das „National Film Registry“ der Library of Congress.

Veröffentlichungen

  • Dr. Seltsam oder Wie ich lernte, die Bombe zu lieben. Einzel-DVD. Columbia Tristar Home Video, 1999
  • Dr. Seltsam oder Wie ich lernte, die Bombe zu lieben. 40th Anniversary Limited Edition, 2 DVDs. Columbia Tristar Home Entertainment, 2004
  • Dr. Seltsam – Oder: Wie ich lernte, die Bombe zu lieben. Einzel-DVD. FOCUS-Edition, 2007
  • Dr. Seltsam – Oder: Wie ich lernte, die Bombe zu lieben. Blu-ray, Sony 2009
  • „Thermo-Nuclear Rodeo“: Die Szene: „B-52 Pilot Major Kong reitet die H-Bombe“ als Resinbausatz (Maßstab ca. 1:20, 90 mm Figurengröße) [1]

Literatur

Commons: Dr. Seltsam, oder wie ich lernte, die Bombe zu lieben – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. imdb: Dr. Seltsam, oder wie ich lernte, die Bombe zu lieben – Release Info
  2. Hans Schmid: Wohltätige Gehirnwäsche. Psychopathen, Psychiater und Psychonauten, Teil 2
  3. Daniela Ovadia: Gepeinigt von der Geisterhand. In: SPIEGEL Online. 17. Dezember 2006
  4. Hans Scheugl: Sexualität und Neurose im Film. Die Kinomythen von Griffith bis Warhol. Genehmigte, ungekürzte Taschenbuchausgabe. Heyne Verlag, München 1978 (Heyne-Buch 7074), ISBN 3-453-00899-5, S. 145
  5. http://synchrondatenbank.de/movie.php?id=4744
  6. Dr. Seltsam oder: Wie ich lernte, die Bombe zu lieben in der Deutschen Synchronkartei
  7. Dr. Seltsam oder: Wie ich lernte, die Bombe zu lieben im Lexikon des internationalen Films
  8. http://www.prisma-online.de/tv/film.html?mid=1963_dr_seltsam_oder_wie_ich_lernte_die_bombe_zu_lieben
  9. Dieter Krusche, Jürgen Labenski, Josef Nagel: Reclams Filmführer. 13., neubearbeitete Auflage. Verlag Philipp Reclam, Stuttgart 2008, ISBN 978-3-15-010676-1, S. 212