Filmzensur
Unter Filmzensur versteht man die behördliche Kontrolle eines Staates über Form und Inhalte von Filmen sowie ihre Verbreitung. Typische Gegenstände von Filmzensur sind Darstellungen, die zu strafbaren Handlungen ermutigen, besonders eindringliche Darstellungen von Grausamkeiten, sowie Darstellungen, die im betreffenden Kulturkreis das Schamgefühl verletzen können (Nacktdarstellungen, sexuelle Handlungen). In repressiven Gesellschaften, z. B. in totalitären Regimen, dient Filmzensur oft auch dazu, die Artikulation von politischem, ideologischem oder künstlerischem Widerspruch zu unterdrücken. Das Spektrum der Maßnahmen der Filmzensur reicht von Schnittauflagen über Distributionseinschränkungen bis hin zum gänzlichen Verbot der Aufführung, des Vertriebs oder der Verbreitung eines indizierten Films. Gelegentlich wird die Produktion unerwünschter Filme von vornherein unterdrückt (siehe z. B. Nationalsozialistische Filmpolitik).
Deutschland
Filmzensur in der Weimarer Republik
In der Weimarer Republik wurde die gesetzliche Grundlage zur Filmzensur mit dem Lichtspielgesetz vom 12. Mai 1920 geschaffen. Verantwortlich für die Durchführung waren Filmprüfstellen in Berlin und München. Gegenstand der Prüfung waren alle Filme, die nach Inkrafttreten des Gesetzes in Deutschland öffentlich aufgeführt werden sollten, d. h. auch ausländische Filme und Filme, die bereits vor 1920 fertiggestellt bzw. aufgeführt worden sind. Auch die Filmtitel und das Werbematerial wurden geprüft.
Die Zensur erfolgte in der Weimarer Republik nach rein polizeilichen Gesichtspunkten. Verbotsgründe bestanden in der Gefährdung lebenswichtiger Interessen des Staates, der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit.
Filmzensur im nationalsozialistischen Deutschland
Mit dem Lichtspielgesetz vom 16. Februar 1934 wurde die Filmzensur in Deutschland erheblich verschärft. Erstens mussten alle Filme, die ihre Zulassung vor 1934 bereits erhalten hatten, nachgeprüft werden. Um zu verhindern, dass unerwünschte Filme künftig überhaupt hergestellt würden, wurde zweitens ein Reichsfilmdramaturg mit der Vorprüfung jedes Filmprojekts beauftragt. Drittens wurde der Katalog der Verbotsgründe erweitert. Von 1934 an konnte die Filmprüfstelle auch solche Filme verbieten, die geeignet schienen, "das nationalsozialistische, religiöse, sittliche oder künstlerische Empfinden zu verletzen, verrohend oder entsittlichend zu wirken, das deutsche Ansehen oder die Beziehungen Deutschlands zu auswärtigen Staaten zu gefährden".
Siehe auch:
Alliierte Militärzensur (1945)
Unmittelbar nach der deutschen Kapitulation ließ das Oberkommando der alliierten Siegermächte gemäß der im Juni 1945 erlassenen "Nachrichtenkontrollvorschrift 2" alle im Umlauf befindlichen Kopien deutscher Spielfilme zunächst beschlagnahmen. Diese Filme wurde dann geprüft und nur bei Unbedenklichkeit wieder zur Aufführung freigegeben ("Kategorie A"). Jede Kopie musste mit einem "Filmvorführschein" versehen sein, der die Freigabe des Films bestätigte. Einige Filme durften erst nach Schnittauflagen wieder gezeigt werden ("Kategorie B").
219 Filme blieben ganz verboten ("Kategorie C"):
- Filme, die die Ideologie des Nationalsozialismus, des Faschismus oder der Rassenunterschiede verherrlichten,
- Filme, die Krieg und Militarismus idealisierten,
- Filme, die die deutsche Geschichte verfälschten,
- Filme, die die deutsche Wehrmacht verherrlichten,
- Filme, die Verachtung für die Alliierten, ihre Regierungen und ihre politischen Führer hervorriefen oder sie lächerlich machten,
- Filme, die deutsche Rachegedanken förderten,
- Filme, die religiöse Gefühle oder religiöse Bräuche kritisierten oder lächerlich machten,
- Filme, die Gedanken oder Taten von deutschen politischen Führern idealisierten, deren Ansichten imperialistisch waren,
- Filme, an denen ein NSDAP-Mitglied als Produzent, Produktionsleiter, Regisseur, Autor, Drehbuchautor, Darsteller, Komponist oder Musikbearbeiter mitgewirkt hatte.
Die alliierten Militärbehörden ordneten auch "Berufsverbote" für Filmkünstler und Darsteller an, die an nationalsozialistischen Propagandafilmen mitgewirkt hatten, wie z. B. Veit Harlan und Kristina Söderbaum, aber auch z. B. Georg Jacoby, Ilse Werner und Sybille Schmitz. Auch jeder Filmvorführer benötigte eine Genehmigung und Registrierung durch die alliierten Behörden.
Die FSK, die nach der Gründung der Bundesrepublik Deutschland die Aufgaben der alliierten Filmzensur übernahm, ließ ab 1949 viele der verbotenen Filme wieder zur Vorführung zu. Andere blieben indiziert und dürfen bis heute nur unter "Vorbehalt" in geschlossenen Veranstaltungen und mit einer kompetenten Einführung gezeigt werden. Der Vertrieb dieser sog. Vorbehaltsfilme ist ganz verboten. Eine dritte Gruppe von Filmen wurde ohne FSK-Vorlage im Fernsehen wieder aufgeführt.
Siehe auch: Liste der unter der alliierten Militärzensur verbotenen deutschen Filme.
Zensur-ähnliche Beschränkungen in der Bundesrepublik Deutschland
In der Bundesrepublik Deutschland ist eine allgemeine Zensur durch Grundgesetz-Artikel 5, Absatz 1, Satz 3 verboten. Um Verstöße gegen das Jugendschutzgesetz zu kontrollieren und zu ahnden, werden Filme und andere Medien jedoch von der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien geprüft.
Für den Bereich des Films ist in Deutschland auch der § 131 StGB wichtig, der die Verbreitung (aber nicht den Besitz, nach einigen Urteilen auch nicht den bloßen Verkauf) "gewaltverherrlichender" Schriften unter Strafe stellt. Zahlreiche DVDs oder Video-Filme, die teilweise den Rang von Klassikern ihrer Genres besitzen (zum Beispiel Blood Feast von H.G. Lewis, The Texas Chainsaw Massacre von Tobe Hooper, Dawn of the Dead von George Romero oder aber auch "Braindead" von Peter Jackson, und außerhalb Deutschlands frei erhältlich sind, wurden und werden in Deutschland auf Grund des § 131 beschlagnahmt und sind somit auch für Erwachsene kaum ungekürzt zugänglich. Andere Filme werden, zur Vermeidung einer Beschlagnahmung, nur in einer stark geschnittenen, speziell für den deutschen Markt entschärften Version veröffentlicht.
Die faktisch kaum umgehbare Einstufung durch die FSK führt in manchen Fällen dazu, dass auch Erwachsene einen Film nicht (oder nicht ungeschnitten) im Kino anschauen können. Ein Beispiel dafür ist der Film The Punisher, den die FSK nur in einer geschnittenen Fassung mit „Keine Jugendfreigabe“ eingestuft hat. Generell führen die Grundsätze der FSK recht strikte Kriterien auf, unter denen ein Film überhaupt freigegeben werden kann. So dürfen Filme, die das „sittliche oder religiöse Empfinden“ verletzen keine Einstufung erhalten. Diese Bestimmung spielt heute keine allzu große Rolle mehr; 1983 wurde allerdings Herbert Achternbuschs religionskritischem Film Das Gespenst mit ebendieser Begründung eine Einstufung verweigert. Auch was die (nicht-pornographische) Darstellung von Sexualität anbelangt, zeichnet sich bei der FSK (ebenso wie bei der BpjM) eine liberalere Urteilspraxis ab. Kritisch sind nach wie vor Gewaltdarstellungen.
Schweiz
Die Schweiz hat an sich keine offizielle Behörde, welche Filme begutachtet; jeder Kanton erlässt aber eigene Altersbeschränkungen für Filme, die im Kino gezeigt werden. Gewisse filmische Werke sind aber seit 1989 durch Art. 135 des Strafgesetzbuches klar verboten:
Wer Ton- oder Bildaufnahmen, [...] die, ohne schutzwürdigen kulturellen oder wissenschaftlichen Wert zu haben, grausame Gewalttätigkeiten gegen Menschen oder Tiere eindringlich darstellen und dabei die elementare Würde des Menschen in schwerer Weise verletzen, herstellt, einführt, lagert, in Verkehr bringt, anpreist, ausstellt, anbietet, zeigt, überlässt oder zugänglich macht, wird mit Gefängnis oder mit Busse bestraft.
Seit dem Jahr 2002 ist auch der blosse Besitz solcher Gegenstände strafbar. Ebenso gibt es Gesetzesartikel, die sich gegen gewaltverherrlichende und zu Gewalt aufrufende Filme richten. Art. 261bis, die sogenannte Antirassismus-Strafnorm, verbietet Hetze gegen ethnische Gruppen.
Die sogenannte "Verbotsliste", welche grösstenteils von den Stellen in Deutschland übernommen wurde, hat für die Gerichte und die Polizeibehörden lediglich eine beratende Funktion. Sie wird vom Schweizerischen Video-Verband (Kontaktadresse: Rainbow Video AG, 4133 Pratteln) und von der Stadtpolizei Bern bearbeitet. Sie kann dort auch angefordert werden.
Nennenswerte Filme auf der schweizerischen Verbotliste:
- "Braindead" von Peter Jackson, dem späteren Regisseur der Herr der Ringe-Filme
- Die "Day of the Dead"-Trilogie von George Romero. "Day of the Dead" wurde im Herbst 2005 vom Schweizer Fernsehen SF DRS gezeigt.
- "Texas Chainsaw Massacre" von Tobe Hooper
- "Tanz der Teufel", vom französischsprachigen Westschweizer Sender gezeigt
Da die "Verbotsliste" keinen bindenden Charakter hat, herrscht einige Rechtsunsicherheit; und es ist zuweilen möglich, die bekannteren Filme wie "Braindead" in grösseren Geschäften wie dem Media Markt zu erstehen, da die Liste eigentlich nicht publiziert wird und die Händler und Käufer aus diesem Grund nicht über die Rechtslage informiert sind. Die Liste ist dazu auch nicht aktuell - in der Schweiz sind also Filme verboten, welche in Deutschland schon seit längerer Zeit zurückgestuft wurden; oder Filme, die schon vor 20 Jahren auf den Markt kamen, wurden erst vor Kurzem indiziert.
Am bekanntesten ist die Schweizer Filmzensur durch das Verbot von Stanley Kubricks "Wege zum Ruhm" von 1958 bis 1970; das Verbot wurde allerdings vom Bundesrat erlassen.
- Blut geleckt - das Magazin FACTS über die Strafverfolgung von Horrorfilm-Fans
USA
In den USA existierte bis 1930 eine Filmzensur nur in einzelnen Bundessstaaten. Nachdem verschiedene gesellschaftliche Interessengruppen sich öffentlich für die Einführung einer allgemeinen Filmzensur einsetzten, kam die Filmindustrie der Schaffung einer nationalen Zensurbehörde durch Einführung einer Selbstzensur zuvor. Der 1930 eingeführte Motion Picture Production Code ("Hays Code") untersagte u. a. die vorteilhafte Darstellung krimineller Handlungen, die Darstellung von Grausamkeiten, sexuelle Darstellungen, Nacktheit, Obszönität, Vulgarität sowie die Verletzung religiöser und nationaler Gefühle. Nachdem in den 1960er Jahren ein gesellschaftlicher Wertewandel einsetzte und Filme, die mit dem Production Code nicht ganz zu vereinbaren waren, zunehmend Billigung fanden, wurde der Code schließlich wieder aufgegeben und 1968 durch ein Bewertungssystem (MPAA film rating system) abgelöst, bei dem lediglich die Eignung von Filmen für bestimmte Altersgruppen geprüft wird.
Weitere Länder
Mehr noch als in Deutschland hat die Zensur die Filmlandschaft in der UdSSR - v. a. unter dem Stalinismus - und in der DDR geprägt. Die 1922 bzw. 1923 eingerichteten sowjetischen Zensurbehörden hießen Glavit und Glavrepertkom. Auch in China spielte die Zensur eine grosse Rolle und vor allem in der Volksrepublik China spielt sie es immer noch. Viele im Westen erfolgreiche Filme sind oder waren in China verboten, so kann zum Beispiel "Beijing Bicycle", der auf der Berlinale lief erst seit kurzem auch in China offiziell gezeigt werden. Und auch einer der erfolgreichsten chinesischen Filme aller Zeiten, "Farewell my concubine" (Lebewohl meine Konkubine) sollte eigentlich verboten werden. Erst nach dem Deng Xiaoping höchstpersänlich sich für den Film ausgesprochen hatte und einige Szenen hinausgeschnitten wurden, konnte er auch in China gezeigt werden.
Beispiele für Filmzensur im weiteren Sinne
Unter "Filmzensur" versteht man die Kontrolle, die ein Staat über seine Behörden auf Form und Inhalte von Filmen sowie ihre Verbreitung ausübt. Wenn nichtstaatliche Einrichtungen wie z. B. Sendeanstalten oder Filmproduktionsgesellschaften entsprechende Maßnahmen in eigener Initiative und ohne direkten staatlichen Druck durchführen, ist die Verwendung des Begriffs "Zensur" - so verbreitet sie umgangssprachlich auch sein mag - problematisch.
Synchronisation von Filmen
Eine subtilere Form der Zensur findet sich manchmal bei der Synchronisation von Filmen, indem missliebige Inhalte des Originaltextes falsch oder gar nicht übersetzt werden. Berühmte Beispiele sind die spanische Version von Casablanca unter der Franco-Diktatur: (das Liebespaar mutierte zu Geschwistern), die deutsche Nachkriegs-Version von Federico Fellinis Rom, offene Stadt (der kommunistische Partisan wurde wortwörtlich zum Schweigen gebracht) ebenso wie in Alfred Hitchcocks Notorious eine Verschwörung von Alt-Nazis in einen Rauschgiftring mutierte. Es gibt auch eine heute kaum vorstellbare BRD-Version von Casablanca aus den 1950ern, in der jegliche Referenz auf das Dritte Reich getilgt ist.
Bearbeitung von Filmen für die Fernsehausstrahlung
In den USA legen Sendeanstalten Filmen, die im die öffentlich-rechtlichen Fernsehen (public broadcast) ausgestrahlt werden sollen, strenge Richtlinien auf. Um diesen Richtlinien zu entsprechen, müssen die Produktionsgesellschaften von einem Film häufig eine spezielle Fernsehversion anfertigen, in der durch zum Teil umfangreiche Schnitte und Retuschen alles unkenntlich gemacht ist, was für ein breiteres Publikum ungeeignet erscheint. Gegenstand dieser Art von Zensur (broadcast censorship) sind v. a. Nacktdarstellungen (nudity) und obszöne Sprache (strong language).
Siehe auch
Literatur
- von Keitz, Ursula: Filme vor Gericht. Theorie und Praxis der Filmprüfung in Deutschland 1920 bis 1938, Frankfurt/Main 1999
- Maiwald, Klaus-Jürgen: Filmzensur im NS-Staat, Dortmund (Nowotny) 1983
- Nessel, Thomas: Das grundgesetzliche Zensurverbot, Berlin 2004, ISBN 3-428-11499-X
- Noltenius, Johanne: Die freiwillige Selbstkontrolle der Filmwirtschaft und das Zensurverbot des Grundgesetzes, Göttingen 1958
Weblinks
Deutschland
- Gesetze und Verordnungen zur Filmzensur 1906-1920 (Gesetzestexte)
- Lichtspielgesetz vom 12. Mai 1920 (Gesetzestexte)
- Lichtspielgesetz vom 16. Februar 1934 (Gesetzestexte)
- Ursula von Keitz, Filme vor Gericht Untertitel: Theorie und Praxis der Filmprüfung in Deutschland 1920 bis 1938
- www.deutsches-filminstitut.de Bibliographie zur Filmzensur in Deutschland
USA
- Hays Code (engl.)
- Production Code(engl.)
- MPPA film rating system (engl.)
Weitere Länder
- www.elektrischeschatten.de.vu Chinesische Filme allgemein, mehrere Kapitel über Zensur