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Dux Pannoniae Primae et Norici Ripensis

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Notitia Dignitatum: Die pannonischen Kastelle Flexo, Arrabona, Quadriburgio, Alanova, Aequinoctiae, Ad Hercules, Gerolate, Flexo und Quadrato an der mittleren Donau unter dem Kommando des Dux Pannoniae Primae et Norici Ripensis.
Städte, Legionslager und Kastelle am österreichischen Abschnitt des norischen und oberpannonischen Limes
Die illyrischen Provinzen um 400 n.Chr.

Der Dux Pannoniae Primae et Norici Ripensis (Heerführer der Pannonia I und Ufernoricums) war ab dem 3. Jahrhundert Kommandeur der Limitanei- und Flotteneinheiten die am Grenzabschnitt der mittleren Donau stationiert waren.

Wie sein westlicher Amtskollege, der Dux Raetiae, befehligte er die Aufgebote mehrerer Provinzen. In der Rangordnung des Reichsadels nahm der Dux die Stellung eines vir spectabilis ein.

Der Zuständigkeitsbereich des Dux erstreckte sich auf den Limes der Provinzen Noricum Ripense und Pannonia prima, die österreichisch-slowakisch-ungarische Donauregion zwischen den Flüssen Aenus (Inn) und Arrabo (Raab). Die Grenze in beiden Provinzen war organisatorisch in zwei Abschnitte geteilt:

  • oberer Abschnitt (partis superioris) und
  • unterer Abschnitt (partis inferioris).

Folgende Duces sind namentlich bekannt:

  • Aurelius Senecio (311–312),
  • Aurelius Iustinianus (Anfang des 4. Jahrhunderts),
  • Ursicinus (wohl unter Valentinan I.).

Verwaltungsstab

Das Officium (Verwaltungsstab) des Dux umfasste folgende Ämter: [1]

  • Principem de eodem officio (Kanzleileiter)
  • Numerarium (Zahlmeister)
  • Adiutorem (Assistent)
  • Commentariensem (Buchführer und Rechtskundiger)
  • Subadiuuam (Hilfskraft)
  • Regrendarium (Verwalter)
  • Exceptores (Juristen)
  • Singulares et reliquos officiales (Leibwächter und sonstige Beamte)

Truppen

Die Standortliste in der Notitia Dignitatum zählt die Garnisonen des Dux nach ihrer Wertigkeit und ihrer geographischen Lage (von West nach Ost) an der Donau auf. Angeführt werden aber offensichtlich nur diejenigen Militärstützpunkte, die Sitz eines befehlshabenden Offiziers waren und vermutlich nicht alle damals besetzten Lager oder Wachtürme (burgi). Insgesamt werden in der Notitia Dignitatum 13 Kastelle im Abschnitt des Dux aufgelistet, viel mehr konnten bisher am norischen Limes archäologisch auch nicht nachgewiesen werden.[2]

Bis um 400 verfügte Ufernoricum laut der Notitia Dignitatum noch über ein relativ kampfstarkes Grenzheer. Zwei Legionen bildeten dessen Rückgrat, die Legio II Italica in Lauriacum und Lentia sowie die Legio I Noricorum. Zusätzlich waren drei Infanteriekohorten, vier Kavallerieeinheiten und zwei Einheiten berittener Bogenschützen verfügbar. Zusammengerechnet dürfte es sich im Idealfall um rund 10.000 Mann Kampftruppen in unterschiedlichster Qualität gehandelt haben.[3] In den Kastellen Arelape, Favianis, Adiuvense, Arrabona, Ioviaco, Carnuntum, Arrunto und Vindobona sowie in Lauriacum waren nun auch den Legionen zugeteilte Patrouillenschiffe stationiert. Ihre Besatzungen, die milites liburnarii der Legio I Noricorum, der Legio II Italica, der classis Histricae und der Legio XIIII Gemina, hatten wohl die Funktion einer Art Flusspolizei. Ende des 4. Jahrhunderts wurden laut der Notitia Dignitatum die dort stationierte Flotteneinheit aus Carnuntum nach Vindobona verlegt. Zu Beginn des 5. Jahrhunderts unterstanden die an der mittleren Donau stationierten Truppen im Krisenfall einem Comes Illyrici. Später den für das westliche Illyricum gesondert ernannten Heermeistern. Nach Bericht des Zosimos war um 409 der magister militum Generidus Befehlshaber der Truppen an der Donau.[4] Sein Zuständigkeitsbereich umfasste Dalmatien, die norisch-pannonischen Provinzen und die beiden Rätien.

In der letzten literarischen Quelle für Ufernoricum, der Vita Sancti Severini (Leben des Hl. Severin), gibt es keine konkreten Hinweise mehr auf das Vorhandensein regulärer Besatzungen in den von Severin besuchten norischen Limeskastellen. Ein übergeordneter Dux oder Comes wird in der Severinsvita ebenfalls nicht erwähnt. Nur in Favianis existierte laut der Vita Sancti Severini bei Ankunft Severins noch eine reguläre Garnisonstruppe, die unter dem Befehl eines Tribunen namens Mamertinus stand.[5]Dennoch könnten sich hinter den in der Vita angeführten vigiles (= Wächter, die Lauriacum bewachen) und den exploratores (= Späher, die die Feinde beobachten) eventuell Veteranen der beiden norischen Legionen oder Auxiliare bzw. deren Nachkommen verbergen. Rajko Bratoz nimmt an, dass es sich im 5. Jahrhundert bei den in der Severins Vita erwähnten Einheiten in Comagena, Favianis und Batavis[6] bis um 476 nicht um Wehrbauern sondern noch um reguläre Einheiten der weströmischen Armee gehandelt hat.[7] In Batavis und Lauriacum wurden sogar neue Einheiten aufgestellt die vielleicht aus versprengten Limitanei und neu angeworbenen Romanen bestanden. Germanische Söldner wurden dafür anscheinend nicht mehr herangezogen.[8]

Im Notitia Dignitatum-Kapitel des Dux werden 17 Präfekten und Tribunen (einige in mehreren Standorten genannt) mit ihren Einheiten aufgelistet:

Offiziere/Einheit/Kastelle Bemerkung Abbildung
Kavallerie
(kein Offizier angegeben) Cuneus equitum Dalmatarum, Flexo
(kein Offizier angegeben) Cuneus equitum stablesianorum, Arrabonae Eine Reitereinheit der Garde.
(kein Offizier angegeben) Equites promoti, Arrabonae
(kein Offizier angegeben) Equites promoti, Comagenis
(kein Offizier angegeben) Equites promoti, Flexo
(kein Offizier angegeben) Equites promoti, Ad Mauros
(kein Offizier angegeben) Equites sagittarii, Quadriburgio
(kein Offizier angegeben) Equites sagittarii, Lentiae
(kein Offizier angegeben) Equites sagittarii, Lacufelicis
(kein Offizier angegeben) Equites sagittarii, Gerolate
(kein Offizier angegeben) Equites Dalmatae, Ala Nova
(kein Offizier angegeben) Equites Dalmatae, Aequinoctoiae
(kein Offizier angegeben) Equites Dalmatae, Ad Herculem
(kein Offizier angegeben) Equites Dalmatae, Arlape
(kein Offizier angegeben) Equites Dalmatae, Augustianis
Equites Mauri in Quadrato (kein Offizier angegeben)
Infanterie und Flotte
Praefectus legionis decimae geminae, Vindomarae Die Soldaten unter den praefecti legionis decimae geminae waren Angehörige der Wiener Stammlegion, der legio X Gemina Pia Fidelis. Ihre Resttruppe stand im frühen 4. Jahrhundert auch noch in Vindomarae (Vindobona/Wien), wo diese Legion schon seit dem frühen 2. Jahrhundert nachweisbar ist. Eine andere ihrer Vexillationen ist in der Notitia Dignitatum unter den Comitatenses des Magister militum per Orientem angeführt. Eine weitere Teileinheit dieser Legion könnten die Decimanique Fortenses gewesen sein, die beim Historiker Ammianus Marcellinus (18.9.3) erwähnt werden. Sie wurden bei der Erstürmung von Amida durch die Sassaniden, 359, aufgerieben.
Schildzeichen der decimae geminae, einer Vexillation der Legio X Gemina
Praefectus legionis secundae Italicae in Lauriaco Die legio II Italica war die norische Stammlegion und seit den Markomannenkriegen des Marc Aurel, 171 n. Chr. am oberösterreichischen Donauabschnitt im Lager Lauriacum stationiert. Vermutlich diente eine ihrer Vexillationen, die Lanciarii Lauriacenses (Lanzenwerfer aus Lauriacum), als pseudocomitatenses in der Feldarmee des Comes Illyrici.
Praefectus legionis secundae Italicae, partis inferioris,
in Lentiae
Marcomannorum]] Ein Aufgebot markomannischer Foederaten. Der Stationierungsort des Tribunen fehlt in der ND jedoch, seine Residenz wird im Nahebereich des Legionslagers Vindobona bzw. auf dem Oberleiser Berg vermutet.[9]
Tribunus cohortis in Arrianis
Tribunus cohortis in Caratensis Der hier stationierte Tribun befehligte eine Kohorte, die möglicherweise mit den Catarienses ident sind. Eine Einheit der pseudocomitatenses die in der Feldarmee des Comes Illyrici angeführt wird.
Tribunus cohortis in Boiodoro
Tribunus cohortis in Asturis
Tribunus cohortis in Cannabiaca
Praefectus legionis liburnariorum primorum Noricorum in Fafianae Die legio primae Noricorum wurde mit ziemlicher Sicherheit zur Verstärkung des norischen Grenzheeres unter Diokletian aufgestellt, da sie erst in den letzten Dekaden des 3. Jahrhunderts in den Quellen auftaucht. Neben den Lanciarii aus Lauriacum wurden auch die lanciarii Comaginenses, eine im Kastell Comagenis (Tulln/NÖ) stationierte, mutmaßliche Vexillation der legio I Noricorum im Krisenfall als pseudocomitatenses in die Feldarmee des Comes Illyrici eingezogen.[10]
Praefectus legionis primae Noricorum militum liburnariorum
und die cohortis Quintae (= Flottensoldaten und die fünfte Kohorte), partis superioris, in Adiuvense
Praefectus legionis decimae et
quartae decimae geminae geminarum militum liburnariorum

in Arrabonae
Praefectus legionis secundae Italicae militum liburnariorum in Ioviaco
Praefectus legionis quartae decimae geminae militum liburnariorum und die
cohortis quintae (der Legio XIIII), partis superior, in Carnunto
Die Marinesoldaten der milites liburnarii, befehligt von einem praefecti legionis, sind eine Abteilung von einer der ältesten Legionen in Oberpannonien. Die fünfte Kohorte befand sich in der Spätantike noch immer in deren einstigen Hauptquartier Carnuntum, wo die Legion seit dem 2. Jahrhundert stationiert war. Eine ihrer Vexillationen befand sich in der mobilen Feldarmee des Magister Militum per Thracias.
Schildzeichen der Quartodecimani, einer Vexillation der Legio XIIII Gemina
Praefectus classis, Maginensis
Praefectus classis, Arlapensis
Praefectus classis Lauriacensis (Lauriacum)
Praefectus classis Histricae, Arrunto
Praefectus classis Histricae, Vindomarae

Siehe auch

Einzelnachweise und Anmerkungen

  1. Officium autem habet idem vir spectabilis dux hoc modo
  2. Hannsjörg Ubl 1982.
  3. Peter Heather: Der Untergang des Weströmischen Reiches. Rowohlt Taschenbuch Verlag, Reinbek bei Hamburg 2011, ISBN 978-3-499-62665-4, S. 470.
  4. Zosimos 5, 46, 2.
  5. S. Jilek: Zur Truppengeschichte von Mautern. In: Das Kastell Mautern-Favianis (= Der Römische Limes in Österreich Bd. 39). Wien 2000, S. 353-362.
  6. Vita Sancti Severini 1, 4; 4, 2; 20, 1.
  7. Rajko Bratoz: Severinus von Noricum und seine Zeit. Österreichische Akademie der Wissenschaften, Wien 1983, Philosophisch-Historische Klasse: Denkschriften, ISBN 3-7001-0584-3.
  8. Peter Stadler: Die Bevölkerungsstrukturen im 5. Jahrhundert in Österreich nach Eugippius und den archäologischen Quellen. In: Germanen, Hunnen und Awaren. Ausstellungskatalog Nürnberg und Frankfurt, 1988, S. 298 pdf.
  9. Notitia Dignitatum occ. XXXIIII, 24
  10. Notitia Dignitatum Occ. 5, 109; 5, 110; 5, 259; 7, 58-59.

Literatur

  • Herwig Friesinger, Fritz Krinzinger: Der römische Limes in Österreich. Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, Wien 1997, ISBN 3-7001-2618-2.
  • Hannsjörg Ubl: Österreich in römischer Zeit. In: Severin: Zwischen Römerzeit und Völkerwanderung. Ausstellungskatalog Linz 1982, S. 99–107.
  • Die Römer an der Donau, Noricum und Pannonien. Ausstellungskatalog Landesausstellung Schloß Traun, Petronell/NÖ 1973. Darin: Herma Stiglitz: Militär und Befestigungen am österreichischen Limes. S. 45ff, Sándor Soproni: Militär und Befestigungen am pannonischen Limes. S. 59ff.
  • Zsolt Visy: Historischer Überblick. In: Von Augustus bis Attila. Leben am ungarischen Donaulimes. Theiss, Stuttgart 2000, ISBN 3-8062-1541-3, S. 11.
  • Alexander Demandt: Geschichte der Spätantike. Das Römische Reich von Diocletian bis Justinian. C. H. Beck, München 1998, ISBN 3-406-44107-6, S. 241.
  • Herwig Wolfram: Salzburg, Bayern, Österreich: Die Conversio Bagoariorum et Carantanorum und die Quellen ihrer Zeit. Oldenbourg Wissenschaftsverlag, München 1995, ISBN 3-486-64833-0, S. 108.