Ben Jonson

Ben Jonson, eigentlich Benjamin Jonson (* 11. Juni (unsicher) 1572 in London; † 6. August 1637 ebenda), war ein englischer Bühnenautor und Dichter. Neben William Shakespeare gilt Ben Jonson als der bedeutendste englische Dramatiker der Renaissance.[1]
Leben
Geboren wurde Jonson in Westminster. Sein Vater, ein protestantischer Geistlicher, war bereits kurz vor Jonsons Geburt verstorben. Jonson erlernte den Beruf seines Stiefvaters, Maurer. Später war er Soldat und danach offenbar fahrender Schauspieler. Während dieser Zeit schrieb er erste Stücke. Ab 1597 war Jonson als Schauspieler und Bühnenautor in den Diensten von Philip Henslowe. Seinen Durchbruch als Autor hatte er 1598 mit Every Man in his Humour, das von den Lord Chamberlain’s Men unter Mitwirkung von Shakespeare als Schauspieler erfolgreich aufgeführt wurde.[2]
Kurz darauf tötete Ben Jonson einen Mann im Duell und landete für kurze Zeit im Gefängnis, entging aber der Todesstrafe, da er sich auf das sogenannte Vorrecht der Geistlichkeit (benefit of the clergy) berufen konnte, d. h. auf seine Fähigkeit, lateinische Bibeltexte zu rezitieren. Dies verhinderte allerdings nicht seine Brandmarkung. Während seines kurzen Gefängnisaufenthalts konvertierte Jonson zum römisch-katholischen Glauben.[3]
Seine Karriere als Autor hatte ihren Höhepunkt zwischen 1605 und 1614; in diesem Zeitraum entstanden seine bedeutendsten Stücke. Die allgemeine Anerkennung und Wertschätzung Jonsons zur damaligen Zeit spiegelte sich in der Veröffentlichung der mit großer Sorgfalt edierten Folio-Ausgabe seiner Werke, die 1616 als erste ihrer Art schon zu seinen Lebzeiten noch vor der postumen Folio-Ausgabe der Werke Shakespeares erschien. Nach Jonsons Tod wurde 1640 eine zweite erweiterte Folio-Ausgabe seiner Werke veröffentlicht.
In den ersten drei Jahrzehnten des 17. Jahrhunderts spielte Jonson eine wesentliche Rolle im Theatergeschehen und literarischen Leben Londons. Während der Regentschaft von James I. und Charles I. verfasste er von 1605 bis 1634 in Zusammenarbeit mit Inigo Jones regelmäßig höfische Maskenspiele. Dies verschaffte ihm bald die Gunst des Königs; so stand er unter der Patronage von James I., der ihm ein Gehalt und damit de facto eine Stellung als Hofpoet zukommen ließ. Später wurde Jones als Poet Laureate ausgezeichnet und damit auch offiziell zum Hofdichter ernannt.[4]
Die letzten Jahre seines Lebens verbrachte Jonson gelähmt nach einem Schlaganfall. Er starb am 6. August 1637 und wurde in der Westminster Abbey beigesetzt. Jonson war verheiratet; seine Kinder starben jung.
Künstlerisches Schaffen
Obwohl Jonson zweifellos Werke von hohem Rang verfasste (z. B. die Komödien Volpone und The Alchemist), war es doch mehr sein künstlerischer Antagonismus zu seinem Zeitgenossen William Shakespeare, der die Literaturwissenschaft von jeher beschäftigte. Berühmt ist das in Lob verpackte Verdikt small Latin and less Greek („geringe Kenntnisse in Latein und noch geringere in Griechisch“) aus seinem Nekrolog auf Shakespeare.
Jonson sah sich als gelehrten Dichter und war in der Weiterführung der Renaissance ein glühender Verehrer der antiken, besonders der römischen Literatur, ohne damit jedoch in irgendeiner Weise eine Weltfremdheit zu verbinden oder auf die Entwicklung eines eigenen literarischen Profils zu verzichten. Ausgehend von der römischen Komödie begründete er vor allem eine neue Form der satirischen Sittenkomödie, die bis in das 18. Jahrhundert bestehen blieb.[5]
Jonson verstand sich nicht nur als Dramatiker, sondern stets auch als Lyriker, der seine Dichtung auf der Grundlage antiker Gattungen wie Epigramm, Epitaph, Epistel oder Ode gestaltete. Dabei lehnte er den Stil der metaphysischen Dichter mit oftmals gesuchten oder ausufernden Metaphern (conceits) ab und legte großen Wert auf eine Klarheit der Form und Schlichtheit des Ausdrucks. Dadurch trug er maßgeblich zu der Entstehung des Ideals eines schlichten Stils (plain style) bei.
Die frühe Schaffensphase Jonsons als Dramatiker war durch seine Erfindung der comedy of humours als einer besonderen Spielart der comedy of manners geprägt. Dabei griff er die auf der antiken sowie mittelalterlichen Humoralpathologie fußende Theorie von den verschiedenen Körpersäften und vier Temperamenten des Cholerikers, Sanguinikers, Melancholikkers und Phlegmatikers auf. Seine besondere Errungenschaft war es, diese Lehre metaphorisch zu nutzen, um die Exzentrizitäten und Affektiertheiten der Menschen im gesellschaftlichen Leben darzustellen.[6] Die einzelnen Episoden dieser Variante der Komödie dienen dabei vor allem der Offenlegung der einzelnen humours; das Ziel des gesamten Geschehens ist vronehmlich auf die Heilung dieser humours ausgerichtet, die im Wesentlichen nur Übertreibungen grundsätzlich wünschenswerter Eigenschaften verkörpern.[7]
In Every Man in His Humour tritt das humoralpsychologische Moment zunächst allein bei zwei Charakteren auf, welche die Melancholie als Modekrankheit kultivieren. Die ursprüngliche Fassung dieser Komödie spielt in Italien; in einer späteren überarbeiteten Version verlegte Jonson den Schauplatz nach England und wandelte die Komödienform von der Vorlage des römischen Komödiendichters Plautus zu der für ihn typischen Stadtkomödie (city comedy) um. Zentrales Thema ist der Generationenkonflikt, dargelegt am Beispiel des Vaters Knowell, der seinen Sohn bespitzelt, da er sich um dessen Moral sorgt. Eine zentrale Rolle als Intrigant und Verwandlungskünstler spielt ebenso der Diener Brainworm, der als Figur sowohl in der Tradition der Sklavengestalten der römischen Komödie wie auch der Lasterfigur (Vice) der mittelalterlichen Moralitäten steht. Alle Hauptcharaktere sind durch eine fixe Idee bestimmt, die sich in der Regel bereits in ihren sprechenden Namen äußert. Spektakulär ist ebenfalls die Figur des Bobadill, eines Feiglings und Prahlers, der seinen angeblichen Sachverstand als Soldat mit bombastischer Gestik und Rhetorik zur Schau stellt und damit in Jonsons Werk die Nachfolge des antiken Miles Gloriosus antritt.[8]
In Every Man out of His Humour wird die figurenbezogene Dramatik weiter ausgebaut und perfektioniert; auf Grundlage der poetologischen Auffassung Jonsons, dass sich der Mensch vor allem durch seine Sprache definiert, wird in der Figurenzeichnung die Charakterisierung durch den jeweiligen Sprachgebrauch verstärkt.[9] Die Handlung verläuft eher episodenhaft und wird der Darstellung der Exzentrizitäten untergeordnet.[10] Eine wesentliche dramaturgische Innovation Jonsons liegt in der Einführung von Kommentarfiguren, die in der Induction eingeführt und handlungsextern im gesamten Verlauf des Stückes präsent bleiben. Handlungsintern überziehen sie die humour-Figuren mit Tadel und Spott. Zu den Kommentarfiguren, die in dem Rahmenspiel auftreten, zählen fiktive Zuschauer und Kritiker, die nicht nur die Funktion einzelner Szenen erörtern, sondern anhand des aufgeführten Stückes die Bedeutung und das Wesen der Komödie an sich thematisieren. Durch diese episierende Verfremdung und Illusionsdurchbrechung in dem Rahmenspiel wird die unmittelbare Dramatik eingeschränkt und dem Zuschauer die Scheinhaftigkeit der theatralischen Mimesis in der comedy of humours vor Augen geführt.[11]
Werke

- Every Man in his Humour (1598)
- Every Man out of his Humour (1599)
- Cynthia's Revels (1600)
- The Poetaster (1601)
- Sejanus (1603)
- Volpone (1606?) (freie Bearbeitung von Stefan Zweig, 1926, deutsche Übersetzung von Uwe Friesel)
- Epicoene or The Silent Woman, Komödie (1609), vertont von Richard Strauss als Die schweigsame Frau, Textbuch von Stefan Zweig, 1935
- The Alchemist (1610) (Schauspielmusik The Alchemist von Georg Friedrich Händel)
- Catiline (1611)
- The Devil is an Ass (1616)
- Bartholomew Fair (1614)
- The Staple of News (1625)
- The New Inn (1629)
- The Magnetic Lady (1632)
- The Tale of a Tub (1633)
- The Sad Shepherd (unvollendet)
- Timber: or Discoveries made upon Men and Matter (Prosatexte; veröffentlicht 1640)
Literatur
- Christiane Damlos-Kinzel: Von der Ökonomik zur politischen Ökonomie. Ökonomischer Diskurs und dramatische Praxis in England vom 16. bis zum 18. Jahrhundert. Würzburg: Königshausen u. Neumann 2003. ISBN 3-8260-2277-7
- Tom Lockwood: Ben Jonson in the Romantic Age. Oxford u.a.: Oxford Univ. Press 2005. ISBN 0-19-928078-9
- James Loxley: The complete critical guide to Ben Jonson. London u.a.: Routledge 2002. ISBN 0-415-22227-3
- Elke Platz-Waury: Jonsons Komische Charaktere. Untersuchungen zum Verhältnis von Dichtungstheorie und Bühnenpraxis. Nürnberg: Verlag Hans Carl 1976. ISBN 3-418-00056-8
- Karl Adalbert Preuschen: Ben Jonson als humanistischer Dramatiker. Studien zu den Bühnenwerken der Folio von 1616. Frankfurt am Main u.a.: Lang 1987. (= Europäische Hochschulschriften; Reihe 14; Angelsächsische Sprache und Literatur; 175) ISBN 3-8204-1094-5
- Hanna Scolnicov: Experiments in stage satire. An analysis of Ben Jonson's Every man out of his humour, Cynthia's revels and Poetaster. Frankfurt am Main u.a.: Lang 1987. (= European university studies; Ser. 14, Anglo-Saxon language and literature; 131) ISBN 3-8204-8149-4
- Peter Zehfuß: Betrug und Selbstbetrug. Ben Jonsons Komödien "Volpone" und "The alchemist" vor dem Hintergrund der elisabethanisch-jakobäischen Gesellschaft und in ihrer Bedeutung für die Gegenwart. Regensburg: Roderer 2001. (= Theorie und Forschung; 698; Literaturwissenschaften; 30) ISBN 3-89783-217-8
- Ian Donaldson: Ben Jonson : a life, Oxford [u.a.] : Oxford Univ. Press, 2011, ISBN 978-0-19-812976-9
Weblinks
- Commons: Ben Jonson – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
- Wikiquote: Ben Jonson – Zitate
- Literatur von und über Ben Jonson im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- Ben Jonson. Werke von Ben Jonson auf Project Gutenberg (englisch)
Einzelnachweise
- ↑ Vgl. Wolfgang G. Müller: Jonson Ben. In: Metzler Lexikon Englischsprachiger Autorinnen und Autoren. 631 Porträts – Von den Anfängen bis zur Gegenwart. Hrsg. von Eberhard Kreutzer und Ansgar Nünning, Metzler, Stuttgart/Weimar 2002, ISBN 3-476-01746-X, S. 305.
- ↑ Vgl. Wolfgang G. Müller: Jonson Ben. In: Metzler Lexikon Englischsprachiger Autorinnen und Autoren. 631 Porträts – Von den Anfängen bis zur Gegenwart. Hrsg. von Eberhard Kreutzer und Ansgar Nünning, Metzler, Stuttgart/Weimar 2002, ISBN 3-476-01746-X, S. 306. Siehe auch Ben Jonson - English writer. In: Encyclopædia Britannica. Abgerufen am 14. Juli 2015.
- ↑ Vgl. Ben Jonson - English writer. In: Encyclopædia Britannica. Abgerufen am 14. Juli 2015.
- ↑ Vgl. Ben Jonson - English writer. In: Encyclopædia Britannica. Abgerufen am 14. Juli 2015. Siehe auch Wolfgang G. Müller: Jonson Ben. In: Metzler Lexikon Englischsprachiger Autorinnen und Autoren. 631 Porträts – Von den Anfängen bis zur Gegenwart. Hrsg. von Eberhard Kreutzer und Ansgar Nünning, Metzler, Stuttgart/Weimar 2002, ISBN 3-476-01746-X, S. 306.
- ↑ Vgl. Wolfgang G. Müller: Jonson Ben. In: Metzler Lexikon Englischsprachiger Autorinnen und Autoren. 631 Porträts – Von den Anfängen bis zur Gegenwart. Hrsg. von Eberhard Kreutzer und Ansgar Nünning, Metzler, Stuttgart/Weimar 2002, ISBN 3-476-01746-X, S. 305. Siehe auch Ben Jonson - English writer. In: Encyclopædia Britannica. Abgerufen am 14. Juli 2015.
- ↑ Vgl. Wolfgang G. Müller: Jonson Ben. In: Metzler Lexikon Englischsprachiger Autorinnen und Autoren. 631 Porträts – Von den Anfängen bis zur Gegenwart. Hrsg. von Eberhard Kreutzer und Ansgar Nünning, Metzler, Stuttgart/Weimar 2002, ISBN 3-476-01746-X, S. 305f. Siehe auch Ben Jonson - English writer. In: Encyclopædia Britannica. Abgerufen am 14. Juli 2015.
- ↑ Vgl. Dietrich Rolle: Das Drama zur Zeit Elizabeths und der frühen Stuarts. In: Josefa Nünning (Hrsg.): Das englische Drama. Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 1973, ohne ISBN, S. 203-273, hier S. 244.
- ↑ Vgl. Wolfgang G. Müller: Jonson Ben. In: Metzler Lexikon Englischsprachiger Autorinnen und Autoren. 631 Porträts – Von den Anfängen bis zur Gegenwart. Hrsg. von Eberhard Kreutzer und Ansgar Nünning, Metzler, Stuttgart/Weimar 2002, ISBN 3-476-01746-X, S. 306. Siehe auch Dietrich Rolle: Das Drama zur Zeit Elizabeths und der frühen Stuarts. In: Josefa Nünning (Hrsg.): Das englische Drama. Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 1973, ohne ISBN, S. 203-273, hier S. 242ff.
- ↑ Vgl. Wolfgang G. Müller: Jonson Ben. In: Metzler Lexikon Englischsprachiger Autorinnen und Autoren. 631 Porträts – Von den Anfängen bis zur Gegenwart. Hrsg. von Eberhard Kreutzer und Ansgar Nünning, Metzler, Stuttgart/Weimar 2002, ISBN 3-476-01746-X, S. 306.
- ↑ Vgl. Dietrich Rolle: Das Drama zur Zeit Elizabeths und der frühen Stuarts. In: Josefa Nünning (Hrsg.): Das englische Drama. Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 1973, ohne ISBN, S. 203-273, hier S. 244.
- ↑ Vgl. Wolfgang G. Müller: Jonson Ben. In: Metzler Lexikon Englischsprachiger Autorinnen und Autoren. 631 Porträts – Von den Anfängen bis zur Gegenwart. Hrsg. von Eberhard Kreutzer und Ansgar Nünning, Metzler, Stuttgart/Weimar 2002, ISBN 3-476-01746-X, S. 306. Siehe auch Manfred Pfister: Inszenierte Wirklichkeit: Weltenbühne und Bühnenwelten. In: Hans Ulrich Seeber (Hrsg.): Englische Literaturgeschichte. 4. erw. Aufl. J. B. Metzler, Stuttgart 2004, ISBN 3-476-02035-5, S. 129-135, hier S. 132.
Personendaten | |
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NAME | Jonson, Ben |
ALTERNATIVNAMEN | Jonson, Benjamin |
KURZBESCHREIBUNG | englischer Bühnenautor und Dichter |
GEBURTSDATUM | unsicher: 11. Juni 1572 |
GEBURTSORT | Westminster |
STERBEDATUM | 6. August 1637 |
STERBEORT | London |