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Solaris (Roman)

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Solaris ist ein Entwicklungsroman in Gestalt einer Science-Fiction von Stanislaw Lem aus dem Jahr 1961.

Er wurde 1972 von Andrei Tarkowski und 2002 durch Steven Soderbergh verfilmt (siehe Solaris (1972) und Solaris (2002)).

Inhalt

Vorgeschichte

Auf der Suche nach extraterrestischem Leben stieß die Menschheit bislang nur auf einen sonderbaren Planeten, der eigene physikalischen Gesetzen zu gehorchen scheint. Die internationalen Weltraumforscher errichten eine Forschungsstation im Orbit und beginnen den "Solaris"-getauften Planeten zu erforschen. Seine Oberfläche ist eine kalte Flüssigmetallverbindung, gemeinhin "Ozean" genannt. Schnell stellt man fest, das dieser Ozean auf Reize reagieren kann und somit eine Lebensform zu sein scheint. Schon die frühen Versuche, die Intelligenz des Ozeans abzuschätzen oder gar auf gehobenem Niveau zu kommunizieren scheitern. Es lässt sich weder ein Handlungsmuster in Solaris' Reaktionen erkennen, noch unternimmt der Ozean eigene Versuche zu kommunizieren. Eines Tages verschwindet der Forscher Heppner bei einem Erkundungsflug und man nimmt an er sei in den Ozean gestürzt. Die Suche nach ihm bleibt vergeblich, doch hat der Hubschrauberpilot Bertran macht eine seltsame Erfahrung: Er sieht die überdimensionale Gestalt eines Kindes an der Oberfläche treiben. Nervlich schockiert verlässt Bertran die Expedition, sein Bericht löst eine generelle Hinterfragung des Solarisprojektes aus. Von den Ursprünglich 83 Forschern befinden sich schließlich bei Einsetzen der Haupthandlung nur noch 3 an Bord der Station. Der Kybernetiker Snaut, der Phsiologe Giberian und der Kernforscher(?) Sartorius.

Haupthandlung

Da die Forschungsstation seit einigen Monaten nur noch unzusammenhängende Daten sendet, hat man sich entschlossen, den erfahrenen Psychologen Kelvin zu entsenden. Er soll das noch verbliebene Personal besichtigen, seinen Geisteszustand beurteilen und mit seinem Abschlussbericht den weiteren Verlauf der Solarismission besiegeln. Kurz vor seiner Abfahrt begegnet er dem mittlerweile psychisch geheilten aber um Jahre gealterten Bertran (6 Jahre sind vergangen) der ihm Informationen über seine damalige Reise geben will. Im Glauben, Bertran (ein enthusiastischer Solarist) wolle ihn manipulieren, fängt er einen Streit mit ihm an, worauf Bertan eine alte Freundschaft kündigt und Kelvin verlässt.

Auf Solaris angekommen stellt Kelvin fest, dass Giberian sich das Leben genommen hat. Snaut ist zwar freundlich doch wirkt nervlich zerrüttet, im Gegensatz zu Sartorius, welcher unfreundlich aber dafür entschlossen und geistig voll gegenwärtig auftritt. Außer dass die Station in einem sehr schlechten Wartungszustand ist, scheinen noch andere Personen an Bord zu sein, mal sieht er ein spielendes Kind, mal eine junge Frau und mal einmal erhascht er einen Blick auf ein missgebildetes minderwüchsiges Kind, das im Labor des Kernforschers lebt. Nichts ergibt für ihn einen Sinn, die anderen beiden Forscher weisen seine Fragen nach Erklärung zurück. Kelvin soll vorsichtig sein und seine eigenen Erfahrungen machen.

Nach kurzem Schlaf sieht sich Kelvin seiner verstorbenen Frau gegenüber. Nach anfänglicher Gefühlsverwirrung findet Kelvin heraus, dass es sich dabei lediglich um ein sehr realistisches dreidimensionales Abbild handelt. Zusammengestellt aus Erfahrungen und Gefühlen, diese Frau betreffend, und empfindungs und weiterentwicklungsfähig. Er wähnt sich wahnsinnig und beweist sich das Funktionieren seines Verstandes, indem er Berechnungen anstellt und dann mit Ergebnissen des Computers vergleicht. Doch schon dabei beschleicht ihn der Verdacht, dass er eine Abweichung auch so nicht erkennen würde, dass der Test keine Aussagequalität hätte, wäre er wirklich verrückt. Mehrmals befreit er sich von der peinlichen Anwesenheit dieser Person, indem er seine Freundin in eine Raumkapsel sperrt und in die Umlaufbahn befördert, doch nach einer Nacht ist sie wieder zurückgekehrt. Schnell findet Kelvin heraus, dass jeder der anderen beiden eine eigene Technik gefunden hat, die so genannten Gäste zu beseitigen oder zu ignorieren: Snaut bedient sich der Raumkapseln, aber zieht sich öfters Brandblasen zu, weil sein Gast wohl sehr robusten Widerstand leistet, außerdem scheint er nie zu schlafen. Sartorius hat sich derart mit seinem Gast arrangiert, dass er ihn vor den anderen beiden geheimhält und bestmöglich ignoriert. Kelvins Gast ist ja seine verstorbene Frau. In suizidaler Handlung nahm sie sich das Leben, als sie erfuhr, dass Kelvin sich für eine Solaris-Mission vorbereitete. Sie glaubte nicht geliebt zu werden und tötete sich mit einem Nervengift aus Kelvins Laborkühlschrank. Diese Spannung zwischen den beiden lebt im Klon weiter fort: mehrmals nimmt sie sich das Leben, all ihr Handeln ist bestimmt von der Angst verlassen zu werden. Aber sie ist sehr entwicklungsfähig: Sowohl ihr Seelenschmerz von damals kann aufgearbeitet werden (sehr zur Pein Kelvins, der dadruch ja seine eigene Schuld an ihrem Tod präsentiert bekommt: er hätte es mit etwas mehr Hingabe verhindern können) nein, sie ist auch zur Selbsterkenntnis fähig. Als einzige erkennt sie bei der improvisierten Geburtstagsfeier von Snaut ihre wahre Natur und ihre Aufgabe: Solaris zu zeigen, das das Begreifen des Anderen, in Form des "Anlegens eines Bildes vom Fremden in einem selbst" für Solaris den Grundstein zur Kommunikation bedeutet. Sie ist es, die sich schließlich Sartorius anschließt, mit ihm erarbeitet sie (sie ist keine Wissenschaftlerin) während Kelvin im Fieberdelir liegt einen Plan: Sie wird "annihiliert" und Kelvins Gehirnströme werden per harter Strahlung auf Solaris abgeschossen. Nach der Selbsterkenntnis (man beweist ihr, dass ihr Körper aus Neutrinos konstruiert wurde) ihrer wahren Natur hat sie keine Angst mehr vor dem Tod, aber auch keine Selbstmordlust mehr. Sie weiß, dass sie nur geschaffen wurde um zu kommunizieren, und dass sie in Kelvins Erinnerung zur Gänze weiterexistiert. Als Kelvin nach dem Experiment erwacht, sind die Gäste fort und Solaris schweigt: keine neuen Gäste. Nun weiß man nicht, wie lange Solaris brauchen wird, um die Informationen zu verarbeiten, oder ob Solaris sich in Schweigen hüllen wird. Auch weiß man nicht, ob Solaris durch das Senden der Informationen nicht zerstört wurde (es ist jedoch reichlich unwahrscheinlich) Möglich wäre auch, dass Solaris nun wo es Teil a und Teil b eines Kommunikationssystems in sich hat, eine Persönlichkeitsstruktur entwickeln muss, aber das ist alles sehr spekulativ.

Intentionen und Deutungen

Rückblickend sieht man, dass alle Herangehensweisen der einzelnen Forscher, so skurril sie auch schienen ihren Platz hatten, dass aber nur Harey als "Botschafterin von Solaris" die einzige war die das Recht hatte, dem letzten großen Experiment zuzustimmen. Ein großes Problem der Forscher war, dass sie einander nie richtig begriffen haben: Bertran vertrat den Standpunkt, um jeden Preis weiterzuforschen, Sartorius war dafür das Experiment der harten Strahlung einzusetzen, weil es das einzige noch unerforschte war, Kelvin war auf der Erde noch der Ansicht von Sartorius, auf Solaris angekommen sah er die Pein der einzelnen Forscher mit ihren Gästen und unterstellte natürlich (als Psychologe) dass diese Pein der Grund für die "harte Tour" mit Solaris wäre. Nur Snaut -der Logiker, hatte schon früh die totale Gleichwertigkeit aller denkbaren Intentionen begriffen. Mit seinem Ausruf "Und Du? Wer bist Du eigentlich?" mit dem er Kelvins Aktionismus durchbricht zeigt er was sein Problem mit der Situation ist: er kann seine eigene Exitenz kaum schlüssig beweisen. Ist er selbst überhaupt real? Würde er es merken, wenn er eine Kreation von Solaris wäre? Es war nun an einem Psychologen, indirekt das wahre Problem zu finden und zu lösen. So trug jede Teildisziplin zum Endergebnis bei. Lem greift hier eines seiner philosophischen Lieblingsthemen auf, die grundsätzliche Unmöglichkeit einer Kommunikation zwischen Lebewesen verschiedener Bewusstseinsstrukturen. So wie Ameisen einen Menschen zwar durch Erkundung erforschen und ihn mittels Ameisensäure zu einer Reaktion zwingen können, kann der Mensch seinerseits einen Ameisenhaufen durch Duftstoffe verwirren und bestimmte Reaktionen des Ameisenstaates erzwingen. Trotz des Verständnisses, das beide Seiten über den anderen gewinnen, ist eine wirkliche Kommunikation, ein Gedankenaustausch unmöglich und wird es immer bleiben, denn Wahrnehmen und Verstehen setzt vorraus, dass man Realität und Fiktion voneinander unterscheiden kann. Der Name des Planeten lautet Solaris. Das bedeutet u.a. "einziges": Solaris war immer alleine. Dass es außer ihm noch Leben und Intelligenz gibt ist ihm a priori nicht begreiflich. Es muß erst eine Fremdwahrnehmung entwickeln, ein eigenes handelndes Subjekt und das "Kopieren des anderen" in die eigene Vorstellungswelt: Erst als Solaris die Menschen "in sich abbilden" konnte, nachdem man Kelvins Reaktionen auf Harey ihm lesbar gemacht hat, trat ein Fortschritt im gegenseitigen Erforschen ein. Bewusstsein ist Erinnerung einer Wahrnehmung. Daraus leitet sich das Problem der Identität der Kopie ab: Kann man die Realität eines Objektes hinterfragen, wenn es ein perfektes Abbild der eigenen Sicht desselben ist? (Kant) Wenn es möglich ist, eine in allen relevanten Details getreue Kopie eines Menschen zu erstellen, inwieweit ist diese Kopie dann ein (der) Mensch? (Descartes) Oder mit anderen Worten: Gibt es eine Realität jenseits der Wahrnehmung? Bin ich nur weil ich denke?

Enge Verwandschaft kann man zwischen Solaris und Also sprach Golem sehen: Während Golem als Produkt der Menschen seine eigene Weiterentwicklung dadurch begeht, dass er sein Ego aufgibt um sich weiter zu entwickel und als völlig neues Konzept wiedergeboren zu werden, ist es bei Solaris genau andersherum: Solaris muss erst lernen, was Individualität bedeutet, es war "Sol": alleine. Die Kommunikation und das Denken in Individualismen kann für Solaris ein Entwicklungsrückschritt bedeuten, aber das ist reine Spekulation, lediglich in der Verfilmung von '71 kann man erahnen wie es weiter geht.