Gleitender Mittelwert
Der gleitende Mittelwert (auch: gleitender Durchschnitt) ist eine Methode zur Glättung von Zeit- bzw. Datenreihen. Die Glättung erfolgt durch das Entfernen höherer Frequenzanteile. Im Ergebnis wird eine neue Datenpunktmenge erstellt, die aus den Mittelwerten gleich großer Untermengen der ursprünglichen Datenpunktmenge besteht. In der Signaltheorie wird der gleitende Mittelwert als Tiefpassfilter mit endlicher Impulsantwort (FIR-Tiefpass) beschrieben. In der gleichgewichteten Form stellt der gleitende Mittelwert den einfachsten FIR-Tiefpassfilter dar.
Anwendung findet der gleitende Mittelwert beispielsweise bei der Analyse von Zeitreihen. Die gleichgewichtete Variante entspricht der Faltung mit einer Rechteckfunktion und führt zu einer Reihe von Problemen, denen beispielsweise mit speziellen Gewichtungen entgegengewirkt werden kann.
Prinzipielles Vorgehen
Die Menge der gleitenden Mittelwerte werden iterativ („gleitend“) über einen Ausschnitt, das „Fenster“, eines gegebenen Signals berechnet. Das verwendete Fenster wird überlappend verschoben, d. h. wiederholt wird der erste Wert aus dem betrachteten Ausschnitt gestrichen, der erste Wert nach dem Ausschnitt hinzugenommen und ein neuer Mittelwert berechnet. Für die Berechnung des Mittelwerts können die im Fenster vorkommenden Werte anschließend beliebig gewichtet werden.
Die Ergebnismenge der Mittelwerte ist für sich genommen unabhängig; häufig wird sie jedoch in den Zusammenhang mit einer Position der Eingabemenge gebracht, die auch hot spot genannt wird. Der hot spot kann im Bereich des Fensters liegen, muss es aber nicht. Bei Zeitreihen wird häufig der letzte Zeitpunkt als hot spot verwendet; in anderen Anwendungsfällen sind zentrierte Abbildungen üblich.
Einfacher gleitender Mittelwert
Berechnung und Zentrierung der Berechnung

Der einfache gleitende Durchschnitt (englisch simple moving average (SMA)) n-ter Ordnung einer diskreten Zeitreihe ist die Folge der arithmetischen Mittelwerte von n aufeinanderfolgenden Datenpunkten. Da es sich um eine Zeitreihe handelt, liegt der hot spot auf dem letzten Zeitpunkt. Die nachfolgenden Ausführungen beziehen sich auf diesen Sonderfall.
In Analogie zu Filtern mit endlicher Impulsantwort wird auch als Ordnung genannt.
Solch ein gleitender Mittelwert hat eine Verzögerung (Gruppenlaufzeit) von , d. h. die gemittelten Werte „hinken“ um Zeiteinheiten hinterher.
Diese Verzögerung kann korrigiert werden, indem man den gleitenden Mittelwert um verschiebt. Dies ist der sogenannte zentrierte Mittelwert. Dann jedoch sind keine Werte mehr für die letzten Zeiteinheiten vorhanden. Diese Lücke kann nur geschlossen oder zumindest verkleinert werden, indem man eine geringere Ordnung, andere Gewichtungen oder einen Schätzer verwendet.
Der zentrierte einfache gleitende Mittelwert der Ordnung 3 ist also durch
gegeben.
Ein Beispiel für die Verwendung von derartigen gleitenden Mittelwerten sind die 38- bzw. 200-Tage-Durchschnittswerte von Börsenkursen, die den gleitenden Mittelwert der vergangenen n Börsentage eines Wertpapierkurses beschreiben.
Ein Gleitender-Mittelwert-Filter ist ein Tiefpass-Filter, jedoch werden einzelne Frequenzbereiche stärker oder schwächer gefiltert und es kommt zu Signalverschiebungen (englisch Lags).

Online-Berechnung
Durch die Überlappung bei der Berechnung des gleitenden Mittels für zwei aufeinanderfolgende Punkte wird die Summe für (n-1) Punkte doppelt berechnet. Um sich diesen redundanten Aufwand zu reduzieren, existiert ein Online-Algorithmus, der mit nur zwei Additionen und Multiplikationen pro Mittelwert auskommt:
Da es sich hierbei um eine rekursive Berechnung handelt, entspricht dies einem Filter mit unendlicher Impulsantwort. In der Praxis kann solch ein Filter nur mit Werten endlicher Genauigkeit implementiert werden, sodass durch Effekte wie Rundungsfehler oder Auslöschung das Filter instabil werden kann.
Gewichteter gleitender Mittelwert
Der gewichtete gleitende Mittelwert m(t) der Ordnung n einer Zeitreihe x(t) ist – analog zum Filter mit endlicher Impulsantwort – definiert als:
Dabei stellt wi die Gewichtung der jeweiligen Datenpunkte dar (äquivalent zur Impulsantwort des Filters). Wenn , ist das Filter nicht kausal, sondern berücksichtigt zukünftige Werte bei der Durchschnittsbildung. Die Summe über alle Gewichte muss 1 ergeben, da sonst noch eine Verstärkung oder Dämpfung hinzukommt.
Ein Beispiel ist das zentrierte Binomialfilter dritter Ordnung mit und
Spektrale Eigenschaften

Bildet man den zentrierten gleitenden Mittelwert -ter Ordnung einer schwachstationären Zeitreihe mit Spektraldichte , dann hat die gefilterte Spektraldichte
mit der Übertragungsfunktion
- ,
wobei den Fejér-Kern bezeichnet. An der grafischen Darstellung für mit Übertragungsfunktion kann man die Tiefpass-Eigenschaft erkennen: Frequenzen nahe 0 werden nicht gedämpft. Andererseits zeigt dieses einfache Filter das übliche Antwortverhalten bei der Faltung mit einem Rechtecksignal. Bei einer Filterbreite von 3 werden die Frequenzen bis zum Punkt zunehmend bis zur vollständigen Unterdrückung gedämpft. Frequenzen, die über diesen Punkt hinaus vorhanden sind, werden nicht etwa auch unterdrückt, sondern treten mit invertierter Phase auf.
Das kleinste Binomialfilter mit ungerader Breite und mit den Gewichten ist ein Tiefpass-Filter mit für alle Frequenzen. Es dämpft die Frequenzen bis zunehmend und mit konstanter Phasenverschiebung.[1]

Linear gewichteter gleitender Mittelwert
Ein linear gewichteter gleitender Mittelwert (engl.: linear weighted moving average (LWMA, meist: WMA)) ordnet den Datenpunkten linear aufsteigende Gewichte zu, d. h. je weiter die Werte in der Vergangenheit liegen, desto geringer ist ihr Einfluss:
Exponentiell geglätteter Mittelwert
Der exponentiell geglättete Mittelwert ordnet den Datenpunkten einer Zeitreihe exponentiell abnehmende Gewichte zu. Somit werden auch hier jüngere Datenpunkte stärker gewichtet als weiter zurückliegende, jedoch noch stärker als beim gewichteten gleitenden Mittelwert.
Da der exponentielle Mittelwert nicht nur Werte aus der Zeitreihe, sondern auch vorangegangene Mittelwerte miteinbezieht, stellt er ein Filter mit unendlicher Impulsantwort dar. Ein entscheidender Vorteil ist seine wesentlich kürzere Verzögerung bei gleicher Glättung.
Siehe auch
Literatur
- Proakis, Manolakis, Digital Signal Processing, Prentice Hall, NJ, 4th Edition, 2006, ISBN 978-0-13-187374-2
Weblinks
- Wikibooks: Gleitende Durchschnitte – Lern- und Lehrmaterialien
Einzelnachweise
- ↑ Jens-Peter Kreiß, Georg Neuhaus: Einführung in die Zeitreihenanalyse. Springer, 2006, ISBN 978-3-540-25628-1