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Der Richter und sein Henker

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Der Richter und sein Henker ist ein Roman des Schweizer Schriftstellers Friedrich Dürrenmatt aus dem Jahr 1950.

Handlung

Die Hauptfigur ist Kommissär Bärlach, der kurz vor seinem Tod steht und mit seinem Gehilfen Tschanz den Mordfall an einem Berner Polizeileutnant aufklären muss. Schon zu Anfang des Romans erkennt Bärlach, dass Tschanz, geleitet von seinem Neid auf den Polizeileutnant, der wahre Mörder ist. Im Verlauf der Handlung trifft Bärlach einen Bekannten aus seiner Dienstzeit in Konstantinopel, welcher sich nun Gastmann nennt. Er hatte damals aus einer Laune heraus vor Bärlachs Augen einen Mord begangen, wobei Bärlach nie in der Lage war, Gastmann dieses Verbrechen nachzuweisen. Geschickt spielt Bärlach den Mörder Tschanz gegen Gastmann aus, so dass dieser Gastmann tötet. Als Bärlach Tschanz dann offenbart, dass er um seine Täterschaft weiß, versucht dieser zu flüchten, wird aber vom Zug erfasst, als er mit seinem Wagen einen Bahnübergang durchfahren will. Im Rahmen der Handlung ist allerdings offen, ob Tschanz einen Unfall erlitt oder sich umbrachte.

Die Beziehung zwischen Bärlach und Gastmann reicht vierzig Jahre zurück. Gastmann erinnert Bärlach daran: „Ich hielt die kühne Wette, in deiner Gegenwart ein Verbrechen zu begehen, ohne dass du imstande sein würdest, mir dieses Verbrechen beweisen zu können.“ Gastmann behielt Recht. Ein zentrales Thema des Buchs ist infolge dieses Geschehens die Frage, ob es gerechtfertigt ist, einen Menschen zu richten, der ein Verbrechen begangen hat, dessen Verbrechen aber nicht nachweisbar ist. Bärlach bejaht die Frage, als er zu Gastmann sagt: „Es ist mir nicht gelungen, dich der Verbrechen zu überführen, die du begangen hast, nun werde ich dich eben dessen überführen, das du nicht begangen hast“ - und gibt damit seine Niederlage als Kriminalist zu.

Man kann den Roman auch als Frage auffassen, wann der Mensch sich selbst bestimmt, wann er über andere bestimmt (als Richter) und wann er zum Instrument anderer (als Henker) wird. Tschanz zu Bärlach am Ende der Geschichte: „Dann waren Sie der Richter und ich der Henker“.

Verfilmung

Eine vielbeachtete Adaption gelang 1975 Maximilian Schell, der das Drehbuch schrieb und Regie führte.

Die Hauptrollen übernahmen Jon Voight als Walter Tschanz, Jacqueline Bisset in der Rolle der Anna Crawley, der Regisseur Martin Ritt, der Hans Baerlach darstellte sowie Robert Shaw als Richard Gastmann. Weitere Rollen übernahmen Helmut Qualtinger und Friedrich Dürrenmatt, der einen Kurzauftritt als Friedrich übernahm.


Zusammenfassung

Am 3. November 1948 findet ein Dorfpolizist, Alphons Clenin, in der Nähe des Schweizer Ortes Lamboing in einem blauen Mercedes die Leiche des erschossenen Polizeileutnants Ulrich Schmied. Die Ermittlungen werden eingeleitet und an den Polizeikommissar Bärlach, der Schmieds Vorgesetzter war, in Bern übergeben. Kommissar Bärlach fährt sofort zur Wohnung des Ermordeten und nimmt dort eine Akte mit, in der sich Beweismittel gegen Gastmann, einen alten Bekannten von Bärlach, befinden. Der junge Kollege Tschanz wird als Stellvertreter Bärlachs hinzugezogen, da Bärlach todkrank ist. Die Ermittlungen richten sich schnell gegen besagten Gastmann, einem mysteriösen Mann, in dessen Villa regelmäßig Treffen reicher Leute und Diplomaten stattfinden. Als Tschanz und Bärlach um Gastmanns Haus schleichen, wird Bärlach von einem Hund angefallen, sodass Tschanz den Hund erschießen muss. Zuhause angekommen zieht Bärlach einen Revolver aus der Manteltasche und entfernt einen dicken Schutz von seiner linken Hand, der vor dem Hund schützen sollte. Der Vorgesetzte von Bärlach wird am nächsten Tag von Gastmanns Anwalt dazu gebracht, die Ermittlungen gegen diesen einzustellen. Während Bärlach seine Ermittlungen auf die Fakten und das Wesentliche begrenzt, will Tschanz deutlich machen, dass Gastmann der Mörder sein muss. Als am nächsten Abend Bärlach sein Haus betritt, sitzt Gastmann in der Bibliothek. Es stellt sich heraus, dass die beiden sich kennen, denn sie sprechen von einer Wette, die sie einst abgeschlossen haben. Gastmann behauptete damals, dass Bärlach nie in der Lage sein würde ihm ein Verbrechen nachzuweisen. Zur Verdeutlichung tötete Gastmann gleich darauf vor den Augen Bärlachs einen Kaufmann; das Gericht ging von Suizid aus, da der Kaufmann kurz vor dem Konkurs stand. Als Bärlach seinen Arzt aufsucht, erfährt er, dass er in drei Tagen operiert werden muss und ein Jahr später sterben wird. Zudem erfährt er, dass seine Krankenakte bei einem Einbruch besichtigt wurde (von Gastmann). In der selben Nacht wird Bärlach bei sich zu Hause überfallen und überlebt nur knapp. Am nächsten Morgen bricht Bärlach zu einem Erholungsaufenthalt auf und lässt Tschanz die Ermittlungen führen. In dem Taxi, mit dem er zum Bahnhof fahren will, sitzt Gastmann, und der Chauffeur ist einer seiner beiden Diener. Gastmann verhöhnt den todkranken Bärlach, aber der droht ihm: Es ist mir nicht gelungen, dich der Verbrechen zu überführen, die du begangen hast, nun werde ich dich eben dessen überführen, das du nicht begangen hast." "Ich habe dich gerichtet, Gastmann, ich habe dich zum Tode verurteilt. Du wirst den heutigen Tag nicht mehr überleben. Der Henker, den ich ausersehen habe, wird heute zu dir kommen. Er wird dich töten, denn das muss nun eben einmal in Gottes Namen getan werden." Während Bärlach sich in Grindelwald nach Tschanz umhört, nähert dieser sich der Villa Gastmanns. Die Tür steht offen. Er geht hinein – und steht plötzlich vor dem Hausherrn, zwei Dienern und einem Stapel gepackter Koffer. Die drei Männer sind reisefertig. "Sie sind es also", sagt Gastmann etwas verwundert. Ein Diener zieht einen Revolver heraus und feuert auf den Eindringling. Der Polizeibeamte schießt zurück und tötet Gastmann und die beiden Diener. Er selbst wurde nur leicht am Arm verletzt. Die Unterlagen, die bei der Durchsuchung der Villa sichergestellt werden – darunter Ulrich Schmieds Mappe –, beweisen, dass es sich bei Gastmann um einen Verbrecher handelte. Dr. Lutz nimmt an, dass damit auch der Mordfall Ulrich Schmied gelöst ist: Offenbar war der Polizeileutnant dem Großkriminellen auf der Spur, und der ließ ihn deshalb aus dem Weg räumen. Angeblich um den Erfolg zu feiern, lädt Bärlach seinen jungen Mitarbeiter Tschanz zum Essen ein. Während er selbst isst und trinkt, als sei er gar nicht magenkrank, bringt Tschanz kaum einen Bissen hinunter. Er begreift, dass der erfahrene Kommissar ihn längst durchschaut hat. Tschanz stand immer im Schatten anderer und wurde bei Beförderungen übergangen. Als er auf Schmieds Schreibtisch die Mappe mit dem Belastungsmaterial gegen Gastmann entdeckte, beschloss er, seinen Kollegen zu töten, um endlich selbst einen großen Ermittlungserfolg vorweisen zu können. Zaghaft weist Tschanz seinen Gastgeber darauf hin, dass Schmied mit der Waffe eines der beiden Diener erschossen wurde. Das ergaben die polizeilichen Untersuchungen. Bärlach entgegnet verächtlich, natürlich habe Tschanz nach dem Schusswechsel in Gastmanns Villa seinen Revolver mit dem des Dieners vertauscht. Bärlach verrät seinem Besucher, er habe bei dem Angriff von Gastmanns Hund einen Armschutz wie ein Hundetrainer getragen und den Vorfall absichtlich herbeigeführt, um an ein Projektil aus der Waffe des Untergebenen heranzukommen, das er mit dem am Tatort gefundenen vergleichen konnte. Bärlach weiß auch, dass Tschanz der nächtliche Einbrecher in seiner Wohnung war. Dem wird bewusst, dass der Kommissar mit ihm gespielt hat. Ich habe mit dir gespielt", antwortete Bärlach mit furchtbarem Ernst. "Ich konnte nicht anders. Du hast mir Schmied getötet, und nun musste ich dich nehmen." "Um Gastmann zu töten", ergänzte Tschanz, der mit einem Male die ganze Wahrheit begriff. "Du sagst es. Mein halbes Leben habe ich hingegeben, Gastmann zu stellen, und Schmied war meine letzte Hoffnung. Ich hatte auf ihn den Teufel in Menschengestalt gehetzt, ein edles Tier auf eine wilde Bestie. Aber dann bist du gekommen, Tschanz, mit deinem lächerlichen, verbrecherischen Ehrgeiz, und hast mir meine einzige Chance vernichtet. Da habe ich dich genommen, dich, den Mörder, und habe dich in meine furchtbarste Waffe verwandelt, denn dich trieb die Verzweiflung, der Mörder musste einen anderen Mörder finden. Ich machte mein Ziel zu deinem Ziel." "Da haben Sie mich und Gastmann aufeinander gehetzt wie Tiere!" "Bestie gegen Bestie", kam es unerbittlich vom anderen Lehnstuhl her. "Dann waren Sie der Richter, und ich der Henker", keuchte der andere. "Es ist so", antwortete der Alte. Bärlach hat nicht vor, Tschanz festzunehmen oder zu verraten. Er will ihn nur nicht mehr sehen und schickt ihn fort. Am anderen Morgen erfährt er von Dr. Lutz, dass Tschanz zwischen Ligerz und Twann mit seinem Wagen von einem Zug erfasst wurde und tot ist. Endlich folgt Bärlach dem Ratschlag seines Hausarztes Dr. Samuel Hungertobel, mit dem er schon zur Schule ging, und lässt sich operieren. Ein Jahr gibt ihm der Arzt noch zu leben, wenn die Operation erfolgreich verläuft.

Hauptpersonen

Bärlach

Bärlach ist ein bekannter Schweizer Kommissär für die Stadt Bern, der auch zeitweise im Ausland gearbeitet hat (Konstantinopel). Er ist aufrecht, zielstrebig, furchtlos und ein Realist. Als langjähriger Gegenspieler von Gastmann verkörpert er das „Gute“. Bärlach leidet an Magenkrebs und hat nur noch kurze Zeit zu leben. Jedoch hat er ein großes Ziel vor Augen, was ihn dazu bringt nicht aufzugeben. Er will Gastmann das Handwerk legen und ihn für seine Verbrechen richten.

Tschanz

Der junge, ambitionierte Polizist fühlt sich von allen vernachlässigt und zeigt wenig Gefühle. In seinen Ermittlungen ist er fixiert auf Gastmann. Er ist unhöflich, ungeduldig, vorsichtig, aber auch sehr eifrig. Seine Leichtgläubigkeit macht ihn zu einem Spielball von Bärlach. Tschanz beneidet sein Mordopfer Schmied um dessen Freundin, dessen berufliche Karrierre und dessen Ruf. Er versucht den Job von Schmied zu bekommen, indem er den Fall löst. Tschanz fällt in die Fallen von Bärlach, der von Anfang an wusste, dass es Tschanz war, der Schmied ermordete.

Gastmann

Der Nihilist Gastmann verkörpert das „Böse“; er ist heimtückisch, aber auch brillant. Mit seinem vielen Geld bezahlt er die Steuern der Dorfbewohner und erkauft sich so sein Ansehen. Er veranstaltet oft Treffen mit wichtigen Personen. Dürrenmatt beschreibt ihn so: „Er wird nie das Böse tun, um etwas zu erreichen, wie andere ein Verbrechen begehen, um Geld zu besitzen, eine Frau zu erobern oder Macht zu gewinnen, er wird es tun, wenn es sinnlos ist, vielleicht, denn bei ihm sind immer zwei Dinge möglich, das Schlechte und das Gute, und der Zufall entscheidet.“

Siehe auch: Walter Lüthi (wird im Roman erwähnt)