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Heimerziehung in Deutschland

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Unter Heimerziehung werden alle stationären Angebote der Kinder- und Jugendhilfe verstanden, deren Konzepte sich aus der Klassischen Form des Kinderheimes entwickelt haben, und wo Kinder und Jugendliche Tag und Nacht pädagogisch betreut werden. Für einen Großteil der Bevölkerung stellt das Kinderheim die klassische Jugendhilfemaßnahme dar. Erst in letzter Zeit hat sich die Assoziationskette Jugendamt- bzw. Jugendfürsorge- Heim gelockert. Vor allem deshalb, weil der reine Fürsorgegedanke z.B. in Deutschland mit Einführung des Kinder- und Jugendhilfegesetzes durch das Partizipationsprinzip abgelöst wurde.

Das Wort Waisenheim ist seit Ende der 40er Jahre im deutschsprachigem Raum veraltet.

Rechtsgrundlage (Deutschland)

  • Im Rahmen des § 1666 BGB (Kindeswohlgefährdung) kann ein Familiengericht auf Initiative des Jugendamtes die Unterbringung in einem Heim (oder eine andere Hilfe) gegen den Willen der Sorgeberechtigten (Eltern) anordnen. Dies geschieht bei Kindeswohlgefährdung und wenn die Sorgeberechtigten nicht in der Lage oder gewillt sind, die Gefahr abzuwenden.
  • Es sollte auch erwähnt werden, dass im Zuge der Reformen und nicht zuletzt auch aus Kostengründen die Heimunterbringung anderen Hilfen der Jugendhilfe teilweise zurücktritt und immer öfter nur als letztes Mittel dient. War es früher üblich, ein Kind zuerst in ein Heim zu geben und dann erst einmal in Ruhe weiter zu schauen, gehen etliche Jugendämter heute dazu über, ambulante Hilfen, teilstationäre Hilfen bzw. begrenzte Heimunterbringung (sogenanntes Clearing) mit dem Ziel der baldigen Rückführung in die Familie, anzubieten.

Einrichtungen und Konzepte der Heimerziehung

Von dem Heim kann im Grunde nicht gesprochen werden. Gemeinsam ist ihnen, dass sie ein vollstationäres Angebot über Tag und Nacht darstellen. Die einzelnen Unterbringungsformen unterscheiden sich stark in Angebot, Zielgruppe, Betreuungsschlüssel, Lage und nicht zuletzt auch durch die Größe. Eine Liste mit allen Formen, Mischformen und Varianten würde den Rahmen dieses Artikels sprengen.

Desweiteren sind die staatlichen Kinderheime zum größten Teil an freie Träger übergeben worden, mit dem Ziel sich aus diesem Bereich völlig zu koppeln. Freie Träger arbeiten zum Teil nach marktwirtschaftlichen Kriterien, und müssen sich von einander abgrenzen. So befindet sich die gesamte Heimlandschaft in ständiger Bewegung und Regelgruppen sind nicht mehr die Regel, auch werden ständig Gruppen geschlossen und neue eröffnet. Die Einrichtungen unterliegen der Belegungspolitik der Jugendämter und diese wiederum der Finanzierungspolitik der Kommunen.

Folgende Unterbringungsformen stellen eine grobe Unterteilung der Heimerziehung dar:

Kinder- und Jugendheim

Diese "klassische" Form ist meist eine Wohnung in einem größeren Haus, in dem ca. 8 Kinder und/ oder Jugendliche leben. Zur Seite stehen ihnen Erzieher bzw. Sozialpädagogen, die dort im Schichtdienst arbeiten und eine Versorgung und Betreuung rund um die Uhr gewährleisten. Realisiert sind auch Heime, die aus mehreren Häusern bestehen, in denen jeweils eine Gruppe lebt. Gesondert kann auch ein zentraler Speisesaal, zentrale Wäscherei oder Küche Bestandteil sein. Die früher heufiger anzutrefenden Großgruppen-Heime werden heute so gut wie nicht mehr praktiziert, eher ist der Trend zu beobachten, die Gruppengröße als auch die Alters- und Geschlechterstruktur noch familienähnlicher zu gestalten. Andere Heime wiederum konzentrieren sich auf bestimmte Altersgruppen wie Kleinkinder und Jugendliche oder Probleme wie Drogenkonsum oder Sexueller Missbrauch und richten ihr Fachliches Know how entsprechend aus.

Wenn die Betreuung von (Erzieher-)Paaren gewährleistet wird, die in ihrer Gruppe leben und diese wioederum mit anderen Gruppen ein verbund bilden spricht man von Kinderdörfern.

siehe auch: Erziehungsstelle

Wohngruppen

bei den sogennnten Betreuten Jugendwohnen wird in der Regel ebenfalls eine Rund-um-die-Uhr Betreuung durch Erzieher/ Sozialpädagogen gewährleistet. Zielgruppen sind eher etwas ältere Jugendliche, die z.B. in Verselbständigungsgruppen leben. Wie der Name schon sagt geht es verstärkt um das Thema Selbstständigkeit.

Dabei werden verschiedene Ausgestaltungen des Grundkonzeptes unterschieden. Neben der Normalen Form gibt es Wohngemeinschaft mit erhöhtem Betreuungsbedarf, wo rund um die Uhr ein besonders Hoher Betreuungsbedarf geteckt wird. Beim Sozialtherapeutisches Wohnen kommt konzeptionel noch ein Therapeutischer Ansatz hinzu. Jugendliche die in einer Wohnung oder in einem Haus leben und nur noch stundenweise von Erziehern oder Sozialpädagogen aufgesucht werden nennt man Jugendwohngemeinschaften. Es ist auch möglich, dass ein Jugendlicher alleine in einer Wohnung lebt. In diesem Fall wird von betreutem oder mobilem Einzelwohnen gesprochen.

Mutter-Kind-Betreuung

Bei dieser Wohnform leben die Mütter zusammen mit ihren Kindern in einer Einrichtung. Verschiedene Kommunen haben spezielle Projekte ins Leben gerufen, um z.B. minderjährigen Müttern ein betreutes Aufziehen ihrer Kinder zu ermöglichen, bzw. um auch selbst betreut zu werden. In diese Form der Heimunterbring fallen auch die Familien aktivierende Gruppen, die z.T. aber auch von anderen Heimformen als Zusätzliches Angebot durchgeführt werden.

=Kurzunterbringung, Clearing

Mit unter dient eine Heimunterbringung lediglich der Realisierung einer räumlichen Trennung (Elternhaus, Kind), um eine verfahrene Situation zu entspannen und eine adequate Diagnostik des Hilfebedarfes sowie eine mögliche Lösung zu finden. In solchen Fällen stehen in einigen Städten so genannte Clearingstellen zur Verfügung, die konzeptionel auf stärker flukturierende Gruppen ausgelegt sind. Mit unter übernehmen diese Aufgaben auch Einrichtungen der Inobhutnahme.

Geschlossene Unterbringung

Im wesentlichen Unterschied zu den oben genannten Gruppen kann ein Kind oder Jugendlicher nur auf richterliche Anordnung in einem geschlossenen Heim untergebracht werden. Dort sind Fenster Türen, etc. gegen Flucht gesichert, was bei offenen Einrichtungen in der Regel nicht der Fall ist. Hintergrund für die Unterbringung ist oft ein strafrechtlicher. Diese Form sieht sich nicht nur in der Vergangenheit heftiger Kritik ausgesetzt, und wird in vielen Bundesländern nicht angewändet.

Historischer Exkurs

in der DDR

Neben international vergleichbare Einrichtungen der Heimerziehung gab es in der DDR auch diverse Einrichtungen der Jugendhilfe, die eher politisch als erzieherisch ausgelegt waren. So wurden nicht-systemtreue Jugendliche in einen Jugendwerkhof gesperrt, wo sie politisch umerzogen wurden. Das Alter dieser Jugendlichen lag zwischen 14 und 18 Jahren.

Kritik

  • Heimerziehung stand und steht immer wieder in der Kritik. Zwar sind die Zeiten, als Heime noch als "Verwahranstalten" dienten, mittlerweile vorbei jedoch ist weiterhin zu fragen, welche Nachteile mit einer stationären Unterbringung verbunden sind.
  • Einer der Kritikpunkte ist, dass das Verhalten des Kindes oder des Jugendlichen sich nicht nachhaltig gegenüber seinem ursprünglichen Umfeld ändert. Der junge Mensch wird eher "heimangepasst", lernt also, sich in dem pädagogischen Umfeld zu behaupten, da starke Strukturen und konsequente Umsetzung von Erziehungsgrundsätzen dazu zwingen, so die Kritik. Wieder im familiären Kontext, in den diese Strukturen oftmal nicht bestehen, gibt es keinen Grund mehr das Erlernte umzusetzen. Die, in der Regel, sehr knappe Zeit für Elternarbeit trägt nicht wesentlich zu einer Änderung dieses Umstandes bei.
  • Ein weiterer Kritikpunkt ist, dass das Problem auf das Kind oder den Jugendlichen focussiert wird. Es wird zum "Symptomträger" gemacht, wie es z.B. Familientherapeuten nennen. Statt, dass die ganze Familie betrachtet wird, in der die Probleme entstehen, wird der betroffene junge Mensch zu einer Art "Sündenbock", zum "Schuldigen".
  • Eine der Fragen ist, in wie weit Formen des Hospitalismus in der Heimerziehung vorkommen, bzw. durch sie erst "produziert" werden. Zwar wird bei der Heimerziehung immer mehr auf Qualitätsmanagement gesetzt, bzw. gelten Pflegestandards, die unter staatlicher Kontrolle stehen, jedoch stehen im Erziehungsalltag nach wie vor durchschnittlich zwei oder drei Erzieher durchschnittlich acht Kindern/ Jugendlichen bei. Die drohenden Finanzeinbußen werden diesen Schlüssel eher noch kleiner werden lassen.

siehe auch