Amokfahrt von Graz

Bei der Amokfahrt von Graz am 20. Juni 2015 fuhr ein 26-Jähriger ab 12:15 Uhr[1] mit einem SUV mit hoher Geschwindigkeit (bis zu 100 km/h)[2] durch die Grazer Innenstadt.
Dabei tötete der Täter innerhalb weniger Minuten drei Menschen und verletzte 36 Personen[3] teilweise schwer.
Tathergang
Die Amokfahrt in der Grazer Innenstadt führte vom Griesplatz über die Zweiglgasse, Grazbachgasse, den Dietrichsteinplatz, die Schlögelgasse, Luthergasse, Girardigasse, Hamerlinggasse, Hans-Sachs-Gasse und die Herrengasse zum Hauptplatz bis zur Murgasse und schließlich in die Schmiedgasse, wobei der Fahrer mit seinem grünen SUV vom Typ Daewoo Rexton vorsätzlich nichtmotorisierte Passanten an- und überfuhr. Drei Personen wurden tödlich verletzt, darunter ein vierjähriges Kind. Während seiner Amokfahrt sprang der Fahrer vor einem Supermarkt in der Grazbachgasse aus dem Auto und griff zwei Menschen mit einem Messer an. In der Schmiedgasse auf Höhe der Polizeiinspektion beendete er schließlich die Fahrt und konnte von der Polizei festgenommen werden.[4][5]
Über den Täter ist bislang nur bekannt, dass er als Vierjähriger mit den Eltern vor dem Bosnienkrieg nach Österreich geflohen war und nun österreichischer Staatsbürger ist. Er arbeitete als Kraftfahrer und lebte mit Ehefrau und zwei Kindern in Kalsdorf bei Graz.[6] Laut Mitteilung der Polizei bestand für ihn ein Betretungsverbot der Wohnstätte seiner Familie.[7]
Das Motiv ist noch unklar. Der Täter gab bei seiner Festnahme an, sich von „Türken“ verfolgt gefühlt zu haben.[8] Laut Polizei werden politische, religiöse oder extremistische Motive aufgrund der Vorgeschichte des Täters ausgeschlossen.[9][10]
Die Strecke
Die in Summe etwa 2,5 km lange Fahrtstrecke verlief ab Griesplatz bis zur Girardigasse 1,5 km weit durch zweispurige Einbahnen, nur die Girardigasse ist überwiegend eine einspurige Einbahn. Die Hamerlinggasse ist üblicherweise sehr verkehrsarm, weil mit der Hans-Sachs-Gasse die Fußgängerzone beginnt. Hier liegt Streckenkilometer 1,7. In der FuZo Herrengasse verläuft mittig eine niveaugleiche 2-spurige Straßenbahntrasse, streckenweise flankiert von Fahnenmasten oder Schanigärten, am Hauptplatz bestehen niedrige Haltestellen-Gehsteigkanten. Alleine der erste Streckenabschnitt in der Schmiedgasse entlang des Rathauses ist keine FuZo. Der Aggressor befuhr in der Zweiglgasse und Grazbachgasse auch Gehsteige. Ein versenkbarer Poller, der vor vielen Jahren am nördlichen Ende der Hamerlinggasse Autos aus der FuZo aussperren sollte, ist nach Fehlfunktion und Beschwerden bald wieder entfernt worden.
Reaktionen
Der neue steirische Landeshauptmann Hermann Schützenhöfer verurteilte das Geschehene als „abscheuliche Tat, für die es weder eine Erklärung noch eine Entschuldigung gebe.“[11] Der Grazer Bürgermeister Siegfried Nagl, der Augenzeuge der Amokfahrt und fast ein Opfer geworden war, bezeichnete das Ereignis als „traurigsten Tag für Graz“.[12]
Der Bischof der Diözese Graz-Seckau Wilhelm Krautwaschl sagte: „Wir können für das keine Worte finden, was heute in der Innenstadt von Graz passiert ist. Stehen wir auch in diesen schweren Stunden zusammen. Unsere Gedanken und Gebete gelten jenen, die von diesem Anschlag betroffen sind und jenen, die helfend vor Ort sind.“[13]
Zum Gedenken wurde am selben Tag eine Gedenkmesse in der Grazer Stadtpfarrkirche gefeiert, an der unter anderem die Spitze der Steiermärkischen Landesregierung, Landtagspräsidentin Bettina Vollath sowie Bischof Krautwaschl und der Apostolische Nuntius Erzbischof Peter Stephan Zurbriggen teilnahmen.[14] Letzterer war anlässlich einer kirchlichen Jubiläumsfeierlichkeit in Graz und spontan auch zur Gedenkfeier gekommen. Bürgermeister Siegfried Nagl war ebenso anwesend, weiters ein orthodoxer Pfarrer, da es sich bei der bulgarischen Familie des jüngsten Todesopfers der Amokfahrt um orthodoxe Christen handelt.[11] Die Messe wurde von Stadtpfarrpropst Christian Leibnitz gelesen.[12][15] Andere Veranstaltungen wurden abgesagt, etwa ein Vorbereitungsspiel von SK Sturm Graz, der Multikulti-Ball und die Abschiedsgala für die scheidende Schauspieldirektorin des Schauspielhauses Graz, Anna Badora.
Von der Stadt Graz wurde noch am Tag des Geschehens ein Online-Kondolenzbuch eingerichtet.[4][10][16] Im Eindruck der Ereignisse plant die Stadt Graz am 28. Juni 2015 einen Trauermarsch, der die Route der Amokfahrt entlangführt. Dies gab Bürgermeister Nagl am 21. Juni 2015 bekannt.[17]
Der FPÖ-Bundesparteiobmann Heinz-Christian Strache sorgte mit folgendem Posting auf Facebook für Aufsehen: „Wahnsinnstat in Graz! Der Täter ist aus Bosnien. Ein religiös begründetes Attentat wird nicht ausgeschlossen.“ Er löschte später die letzten zwei Sätze[18] und unterstellte den Medien und Kommentatoren seiner Facebook-Seite Zensurbestrebungen.[19] Wenig später rechtfertigte sich Strache damit, dass er möglicherweise vorschnell Medienberichte zusammengefasst habe. Die Behauptung, er hätte „aus der abscheulichen Bluttat politisches Kapital schlagen wollen“, ginge völlig ins Leere.[20]
Österreichs Innenministerin Johanna Mikl-Leitner besuchte am 21. Juni 2015 die Tatorte.[21]
Lebensberater Eduard Hamedl forderte die bessere Betreuung von ihrer Familie weggewiesener Männer. Die Kontaktierung des Männernotrufs hat Gewalttaten schon verhindert.[22]
Weblinks
- Drei Tote bei Amokfahrt in Graz unter steiermark.orf.at vom 20. Juni 2015, abgerufen am 20. Juni 2015.
- Amokfahrt in Graz auf dem Stadtportal der Landeshauptstadt Graz, abgerufen am 21. Juni 2015.
Einzelnachweise
- ↑ Tatzeit lt. Heute.at
- ↑ ZIB 1 vom 21.6.2015
- ↑ Gemeinsame Erklärung der Stadtregierung, Website der Stadt Graz, abgerufen am 22. Juni 2015.
- ↑ a b Ein Todesopfer war frisch verheiratet, kleinezeitung.at, abgerufen am 21. Juni 2015.
- ↑ Amokfahrt in Graz: Drei Erwachsene noch in kritischem Zustand. In: salzburg.com, abgerufen am 21. Juni 2015.
- ↑ "Nicht nur Graz ist geschockt, sondern Kalsdorf auch". In: kleinezeitung.at, abgerufen am 21. Juni 2015.
- ↑ Pressebericht mit Tatortkarte. In: BR-Online.
- ↑ Nach Amokfahrt: Graz verstärkt Hilfsangebote. In: Der Standard, 21. Juni 2015.
- ↑ Amokfahrt in Graz: Drei Tote und 34 Verletzte. In: diepresse.com, abgerufen am 20. Juni 2015.
- ↑ a b Drei Menschen ringen noch mit dem Tod. In: orf.at, abgerufen am 21. Juni 2015.
- ↑ a b „Amokfahrt durch Grazer Innenstadt“ derstandard.at, abgerufen am 20. Juni 2015.
- ↑ a b „Amokfahrt in Graz: Drei Tote in Grazer Innenstadt“ derstandard.at, abgerufen am 20. Juni 2015.
- ↑ Gedenkfeier für Tote und Verletzte nach Amoklauf in Graz, abgerufen am 21. Juni 2015.
- ↑ Rund 500 Menschen bei Gedenkfeier, diepresse.com, abgerufen am 21. Juni 2015.
- ↑ Gedenkfeier: 600 Menschen in Stadtpfarrkirche, kleinezeitung.at, abgerufen am 21. Juni 2015.
- ↑ Graz trauert. Online-Kondolenzbuch der Stadt Graz, graz.at, abgerufen am 21. Juni 2015.
- ↑ Graz plant Trauerzug durch Stadt, kleinezeitung.at, abgerufen am 21. Juni 2015.
- ↑ Strache empört mit Facebook-Posting, futurezone.at, abgerufen am 21. Juni 2015.
- ↑ Archivierte Version von Straches Facebook-Seite
- ↑ Strache rechtfertigt sich für sein Posting auf orf.at, abgerufen am 22. Juni 2015.
- ↑ Mikl-Leitner: "Innenstadt von Graz offene Wunde", kleinezeitung.at vom 21. Juni 2015, abgerufen am 22. Juni 2015.
- ↑ http://oe1.orf.at Ö1 Radio, Frühjournal 06:00, 22. Juni 2015. - 7 Tage nachhörbar.