Zum Inhalt springen

Norwegische Sprache

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Dies ist eine alte Version dieser Seite, zuletzt bearbeitet am 3. Juni 2004 um 19:43 Uhr durch Arne List (Diskussion | Beiträge). Sie kann sich erheblich von der aktuellen Version unterscheiden.

Die norwegische Sprache' (Eigenbezeichnung: norsk, sprich [norschk]) gehört zum nordgermanischen Zweig der indoeuropäischen Sprachen. Sie wird von ca. 5 Millionen Norwegerinnen und Norwegern als Muttersprache gesprochen, von denen der größte Teil in Norwegen lebt, wo es Amtssprache ist.

Norwegisch wurde in zwei verschiedenen Formen standardisiert: Bokmål und Nynorsk. Ersteres, oft einfach Norsk, Norwegisch, genannt, wird von rund 85 % der Bevölkerung geschrieben und ist linguistisch gesehen keine Einzelsprache, sondern ein partiell norwegisiertes Dänisch. und somit eine Tochtersprache desselben. Norwegisch ist überdies dem Schwedischen sehr nahe. Norweger, Dänen und Schweden verstehen sich gegenseitig relativ gut.

Geschichte

In Norwegen gab es immer eine Vielzahl verschiedener Dialekte. Wegen der Topographie mit vielen Gebirgen und Tälern konnten sich die Dialekte sehr unterschiedlich voneinander entwickeln, obwohl die Abstände zwischen zwei Orten relativ klein waren. Aus diesem Grund, aber auch wegen der dänischen Vorherrschaft mit Dänisch als Amtssprache über Jahrhunderte hinweg, konnte sich nie eine einheitliche Aussprache etablieren, die vergleichbar dem Standarddeutsch wäre. Das macht heutzutage in Norwegen die Verständigung nicht unbedingt einfacher, gibt dem Norwegisch Lernenden aber auch eine gewisse Freiheit im Erlernen der korrekten Aussprache, da das norwegische Ohr gewisse Schwankungsbreiten gewöhnt ist. Was die norwegische Schriftsprache betrifft, so muss von zwei norwegischen Sprachen gesprochen werden.

Der Ursprung der norwegischen Sprache liegt im Altnordischen, das dem Isländischen sehr ähnlich ist. In der Hansezeit war Niederdeutsch (Plattdeutsch) die Verkehrssprache des Nordens. Viele niederdeutsche Wörter wurden als Fremdwörter und Lehnwörter integriert. Von 1380 bis 1814 war Norwegen mit Dänemark vereinigt und wurde von Kopenhagen aus regiert. Durch diese Periode, die als Union begann, wurde Norwegen immer schwächer und 1450 das Norwegische offiziell durch Dänisch ersetzt. Die auf dem Lande gesprochenen Dialekte wurden aber weiterhin gesprochen. Nach der Trennung von Dänemark entstand eine national-romantische Welle, und darin eine Bewegung für eine Rekonstruktion der norwegischen Sprache. Das Dänische hatte sich aber inzwischen als Amtssprache so weit gefestigt, dass sich die norwegische Sprache in zwei Sprachen trennte: Riksmål (Reichs-Mundart, oder Standardnorwegisch) und Landsmål (Land-Mundart). Die erste war bis Ende des 19. Jahrhunderts reines Dänisch, später wurden aber einige Anpassungen durchgeführt. Landsmål ist eine Sprache, welche von dem Dichter und Sprachwissenschaftler Ivar Aasen in den 1850er Jahren vornehmlich aus westlichen norwegischen Dialekten entwickelt wurde. Was sie jedoch von einer Plansprache unterschied, war die Tatsache, dass sie auf eng verwandte, gemeinsame sprachliche Wurzeln zurückgriff, denen nur aus äußeren Gründen die natürliche Entwicklung zu einer gemeinsamen Sprache verwehrt blieb.

Seit 1929 heißt "Riksmål" offiziell "Bokmål" und "Landsmål" wird als "Nynorsk" bezeichnet.

Aufgrund des erstarkten Nationalbewusstseins konnte Nynorsk bis 1944 immer mehr Anhänger gewinnen und hatte seinerzeit knapp ein Drittel der Norweger auf seiner Seite. Inzwischen ist deren Anteil bevölkerungsmäßig auf etwa 15% geschrumpft. Dies hat mehrere Gründe: In den urbanen Gebieten, also vor allem in der Region Oslo, wird Nynorsk als befremdliche Sprache empfunden. Das städtische Bürgertum hat das auf ländlichen Mundarten basierende Nynorsk ohnehin stets abgelehnt. Folglich fehlt dem Nynorsk bis heute eine wirkliche Verankerung in den wirtschaftlichen und politischen Zentren. Zum anderen wird von manchen Landbewohnern besonders Ostnorwegens Nynorsk eher als Kunstprodukt angesehen, da es eben nur so etwas wie ein kleinster gemeinsamer Nenner der Dialekte ist. Und schließlich ist die Grammatik des Nynorsk schwieriger als die des Bokmål. Bekanntlich wird oft der Weg des Einfacheren beschritten. Umgekehrt muss gesagt werden, dass dennoch die meisten norwegischen Dialekte dem Nynorsk näher stehen als dem Bokmål, welches einige dem Norwegischen z.T. ganz fremde phonologische, morphologische und sonstige grammatische Züge aufweist. Und wenngleich Nynorsk nur von einem kleinen Teil der Bevölkerung geschrieben wird, so ist es dennoch Amtssprache in etwa 30% der Gemeinden. Es handelt sich dabei um die allerdings dünn besiedelten Täler des fjordreichen Westens und des gebirgigen Landesinnern. Seitens des Staates sind beide Sprachformen offiziell anerkannt; gemäss Sprachengesetz darf keine Behörde eine der beiden zu mehr als 75% gebrauchen (was in der Praxis allerdings oft nicht befolgt wird), und Anfragen müssen in der gleichen Sprachform beantwortet werden.

Es wurden im Laufe des 20. Jahrhunderts mehrere Rechtschreibreformen durchgeführt mit dem Versuch, beide Schriftsprachen einander anzunähern. So wurde in der Reform von 1917 auf Druck der Nynorsk-Bewegung eine Reihe spezifisch norwegischer Ausdrücke propagiert, die traditionelle dänische Begriffe ersetzen sollten. Da dies nicht in dem Maße geschah, wie man es sich vorgestellt hatte, wurde 1938 eine weitere Reform verabschiedet: zahlreiche traditionelle dänische Elemente durften nicht mehr gebracht werden. Diese Sprache wurde aber von keiner der beiden Seiten angenommen. Es kam zu großen Streitigkeiten, Eltern korrigierten z.B. die Schulbücher ihrer Kinder, weil der Konflikt sehr stark von Gefühlen geprägt war und auch nach wie vor ist. 1959 und 1981 fanden weitere Reformen statt, die dann auch wieder die traditionell dänischen Begriffe zuließen. Ergebnis ist die Existenz von "moderaten" und "radikalen" Formen im Rechtschreibnormal, zwischen denen man wählen darf, wobei beide Sprachen offiziell unterrichtet werden.


Ein Beispiel für den Unterschied zwischen Bokmål und Nynorsk:

B: Jeg kommer fra Norge. (wie im Dänischen: Jeg kommer fra Norge)
N: Eg kjem frå Noreg.
D: Ich komme aus Norwegen.
B: Hva heter du/De?
N: Kva heiter du/De?
D: Wie heißen Sie?

Allerdings ist die formelle Anrede (Sie) im Norwegischen kaum mehr anzutreffen. Zumeist duzt man sich.

Grammatik

Die drei Geschlechter

Die norwegische Sprache kennt die drei Geschlechter männlich, weiblich und sächlich (Riksmål und konservatives Bokmål kennt aber wie Dänisch nur das männlich-weibliche (utrum) und das sächliche Geschlecht (neutrum). Die Substantive geben in der Regel aber keinen Hinweis darauf, welches Geschlecht sie haben.

Auch kennt das Norwegische den unbestimmten Artikel, für jedes Geschlecht existiert eine eigene Form:

en dag / nynorsk: ein dag - ein Tag
ei flaske - eine Flasche
et hus / nynorsk: eit hus - ein Haus

Weibliche Substantive werden im Bokmål aber oft auch wie männliche behandelt. Anstelle von:

ei flaske = en flaske - eine Flasche


In der unbestimmten Mehrzahlform enden männliche, weibliche und (im Bokmål) mehrsilbige sächliche Substative auf "-er" (im Nynorsk gibt es die Endungen "-ar" und "-er"), einsilbige sächliche bleiben endungslos. Ausnahmen bestätigen die Regel:

dager / nynorsk: dagar - Tage
flasker - Flaschen
minutter (von "et minutt") - Minuten
hus - Häuser

Im Gegensatz zum Deutschen gibt es keinen bestimmten Artikel. An dessen Stelle tritt ein so genanntes Flexionssuffix; das geschlechtsunterscheidende Merkmal wird also dem Substantiv angefügt. Das Flexionssuffix stimmt in der Regel mit dem unbestimmten Artikel überein und dieser wird an das Wortende angefügt:

en dag / nynorsk: ein dag => dagen - der Tag
en flaske / auch, nynorsk nur: ei flaske => flasken / auch, nynorsk nur: flaska - die Flasche
et hus / nynorsk: eit hus => huset - das Haus

Bei den weiblichen Substantiven besteht im Bokmål somit auch die Möglichkeit, statt des männlichen "-en" ein weibliches "-a" anzufügen; im Nynorsk ist dies obligatorisch:

flaska = flasken - die Flasche.


Um die Mehrzahl der bestimmten Formen zu bilden, wird im Bokmål geschlechtsübergreifend ein "-ene" angefügt. Nynorsk kennt "-ane", "-ene" und "-a". Natürlich gibt es auch hier einige Ausnahmen:

dagen => dagene / nynorsk: dagane - die Tage
flasken/flaska => flaskene - die Flaschen
huset => husene / auch, nynorsk nur: husa - die Häuser

Sonstiges

Der US-amerikanischer "Language Code" ist für bokmål nb bzw. nob (früher no) und für nynorsk nn bzw. nno (nach ISO 639 und http://lcweb.loc.gov/standards/iso639-2/codechanges.html ).

Siehe auch: