Großer Zapfenstreich
Der Große Zapfenstreich ist eine feierliche, am Abend abgehaltene Militärzeremonie mit Streitkräften und Blasmusik.
Das Zeremoniell ist eine Kunstform des militärischen Zapfenstreichs und wird heute insbesondere für die Ehrung von Persönlichkeiten, vereinzelt bei öffentlichen Gelöbnissen, bei Jubiläen sowie zum Abschluss großer Manöver abgehalten.
Geschichte
Der Zapfenstreich stammt ursprünglich aus der Zeit der Landsknechte und war das Zeichen für den Beginn der Nachtruhe in den Feldlagern, später auch in festen Quartieren. Der Begriff des Zapfenstreiches wurde erstmals 1596 erwähnt. Der sächsische Major Hans von Fleming beschrieb 1726 diesen militärischen Brauch erstmals ausführlich in seinem Buch „Der vollkommene deutsche Soldat“.
Der Große Zapfenstreich in seiner heutigen Form entstand in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Der preußische König Friedrich Wilhelm III. ordnete während der Befreiungskriege 1813 die Ausweitung des Zapfenstreiches um das Präsentieren des Gewehrs, ein stilles Gebet und das Blasen eines Militärliedes an. Er folgte damit dem Beispiel Russlands, Österreichs und Schwedens.
Die seit der Ausweitung mehrfach gewechselte Form des Großen Zapfenstreiches mit musikalischem Gebet und Militärmusik stellte der damalige Musikdirektor des Musikkorps des Preußischen Gardekorps Friedrich Wilhelm Wieprecht zusammen. Seine erstmalige Ausführung erlebte er am 12. Mai 1838 in Berlin zu Ehren des russischen Zaren Nikolaus I. Nach dem Sieg gegen Frankreich 1871 wurde vor dem Gebet "Heil dir im Siegerkranz" intoniert. Seit 1922 erfolgte zum Abschluss der Zeremonie das Abspielen der Nationalhymne "Lied der Deutschen". Inzwischen wird bei Anwesenheit hoher ausländischer Gäste oder Truppenteile auch deren Nationalhymne gespielt.
Auch die DDR führte 1962 den Großen Zapfenstreich wieder ein. 1981 wurde er um "Elemente des progressiven militärischen Erbes" ergänzt, beispielsweise um das Lied "Für den Frieden der Welt", das der sowjetische Komponist Dimitri Schostakowitsch komponiert hatte.
In der Öffentlichkeit ist der Große Zapfenstreich vor allem durch die Verabschiedungen der Bundespräsidenten der Bundesrepublik Deutschland, der Bundeskanzler und der Bundesverteidigungsminister bekannt. Der Große Zapfenstreich gilt als höchste Auszeichnung, die die Bundeswehr einer Zivilperson zu Teil werden lassen kann.
Am 29. Juni 2004 wurde zuletzt ein Bundespräsident der Bundesrepublik Deutschland, Johannes Rau, feierlich mit einem Großen Zapfenstreich verabschiedet. An diesem Großen Zapfenstreich nahmen insgesamt 450 Soldaten aller Teilstreitkräfte, des Wachbataillons der Bundeswehr und des Stabsmusikkorps der Bundeswehr teil. Johannes Rau ist der erste aus der SPD hervorgegangene Bundespräsident, der sich mit einem Großen Zapfenstreich verabschieden ließ. Gustav Heinemann, der Großvater von Raus Ehefrau Christina, zog eine Bootsfahrt auf dem Rhein mit geladenen Gästen dem militärisch-religiösen Ritual vor.
Außerdem wurde Bundeskanzler Gerhard Schröder am 20. November 2005 mit einem Großen Zapfenstreich in seiner Heimatstadt Hannover aus dem Amt verabschiedet.
Die wohl größten und öffentlichkeitswirksamsten Großen Zapfenstreiche wurden zur Verabschiedung der Westalliierten aus Berlin vor dem Brandenburger Tor sowie zur Verabschiedung von Helmut Kohl aus dem Amt des Bundeskanzlers vor dem Kaiserdom zu Speyer aufgeführt.
Elemente und Personal
Die Ausführung des Großen Zapfenstreiches unterliegt mindestens einem Musikkorps bzw. Spielmannszug, zwei Zügen Begleitkommando und einer Ehrenformation Fackelträgern.
Elemente des Großen Zapfenstreiches sind im Allgemeinen:
- der Aufmarsch der Ehrenformation mit Marschmusik und der Meldung des Zapfenstreiches an die zu ehrende Persönlichkeit durch den leitenden Truppenoffizier,
- die Serenade, hauptsächlich die Aufführung von drei Musikstücken, die die zu ehrende Person auswählen darf,
- Großer Zapfenstreich (Locken zum Zapfenstreich, Zapfenstreichmarsch, Trompetensignale),
- das musikalische Gebet, meist die von Gerhard Tersteegen (1697-1769) verfasste und um 1824 mit einer Melodie von Dmytro Bortnjanskyj (1751-1825) versehene Choralstrophe "Ich bete an die Macht der Liebe" oder das so genannte "Niederländische Dankgebet" von Adriaen Valerius "Wir treten zum Beten",
- die Nationalhymne (seit 1922 wird zum Ende des Großen Zapfenstreichs die Nationalhymne, das „Lied der Deutschen“ gespielt) und der Ausmarsch der Ehrenformation.
Je nach Region kann es aber kleine Veränderungen geben, so in den Truppenteilen der ehemaligen 1. Gebirgsdivision und in den bayerischen Regionen des Wehrbereichs IV "Süddeutschland".
Kritik
Forderungen, den Großen Zapfenstreich abzuschaffen, gibt es immer wieder. Der bekannte SPD-Politiker Hans Koschnick bezeichnete ihn als "vordemokratisch" und "nicht mehr zeitgemäß". 1996 scheiterten PDS und Bündnis 90/Die Grünen im Petitionsausschuss des Bundestages mit ihrer Forderung, die Aufführung des Zapfenstreichs oder mindestens die religiösen Riten darin zu verbieten.
Auch antimilitaristische und pazifistische Gruppen stellen sich ebenso gegen diese Zeremonie wie gegen öffentliche Gelöbnisse.
Literatur
- Markus Euskirchen: Militärrituale. Analyse und Kritik eines Herrschaftsinstruments, Köln (PapyRossa-Verlag) 2005, S. 135ff, 152.
- Bernhard Höfele: Militärmusik - Noten und Geschichte des Großen Zapfenstreichs [2005], ISBN 3-8334-2822-8
Weblinks
- Der Große Zapfenstreich (Informationen der Bundeswehr)
- Politikerscreen.de - Eintrag im "Aktuellen Lexikon"
- Dr. Bernhard Höfele: Der Große Zapfensteich, in: Die deutsche Militärmusik. Ein Beitrag zu ihrer Geschichte
- Fotos vom Großen Zapfenstreich anlässlich des 50-jährigen Bestehens der Bundeswehr vor dem Reichstag am 26.10.2005