Zum Inhalt springen

Doppelgrab von Oberkassel

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Dies ist eine alte Version dieser Seite, zuletzt bearbeitet am 2. März 2006 um 20:04 Uhr durch Leonce49 (Diskussion | Beiträge). Sie kann sich erheblich von der aktuellen Version unterscheiden.
Datei:OBERKAS1.jpg
Funde aus dem Oberkasseler Grab

Das Doppelgrab von Oberkassel ist eine archäologische Fundstelle in Oberkassel bei Bonn. Im Februar 1914 entdeckten Steinbrucharbeiter das Grab aus der jüngeren Altsteinzeit. In einer mit Rötel gefärbten Schicht lagen unter Basaltplatten die Skelette eines über 50 Jahre alten Mannes, einer ca. 20jährigen Frau, die Überreste eines Hundes, weitere Tierreste und zwei Schmuckgegenstände. Die gut erhaltenen Skelette sind neben dem Neandertaler die einzigen menschlichen Überreste der Alt- bzw. beginnenden Mittelsteinzeit im Rheinland. Sie sind nach heutigem Wissensstand rund 14.000 Jahre alt.

Der Fund

Datei:Fundst.JPG
Fundstelle des Grabes am Stingenberg

Einen interessanten Fund machten vor einigen Tagen im Basaltsteinbruch des Herrn Peter Uhrmacher hier., schrieb die Oberkasseler Zeitung am 14. Februar 1914. Unfähr 5-6 m unter der Erdoberfläche fand man unter Schutt und Geröll 2 Skelette, die noch ziemlich gut erhalten waren. Nach der Schädelform zu schließen, handelt es sich um ein männliches und ein weibliches Skelett. Das Alter derselben könnte wohl nur von Spezialisten ermittelt werden. Wenn Vermutungen Raum gegeben werden darf, so wäre vielleicht die Annahme nicht von der Hand zu weisen, daß man es hier mit Bewohnern einer am Bergabhang gelegenen Hütte zu tun hat, die durch herabstürzendes Gestein den Tod fanden. Unter dem Schädel des weiblichen Skeletts fand man einen sehr gut erhaltenen etwa 20 cm langen Haarpfeil, der an einem Ende in die Form eines deutlich erkennbaren Pferdekopfes ausläuft. Sämtliche Steine, die um die Skelette lagerten, wiesen eine karminrote Färbung auf Der Fund dürfte für den Forscher wohl von Interesse sein, und werden wir bei Kenntniserhalt Näheres darüber bringen."

Zwei Arbeiter hatten am 12. Februar 1914 beim Schutt Abfahren Knochen entdeckt, die ihnen merkwürdig vorkamen. Die Gebeine und das sie umgebende Erdreich zeigten eine rötliche Verfärbung. Die Gebeine waren in so gutem Zustand, zwei Schädel fast unversehrt, dass auch die Arbeiter sie als menschliche Überreste erkennen konnten. Die Arbeit wurde unterbrochen und nach der Mittagspause erschien der junge Lehrer Franz Kissel, der dafür sorgte, dass der Fund gesichert und untersucht wurde. In dieser Absicht wurde er noch bestärkt, als man unter einem der Schädel einen etwa 20 cm langen schmalen Gegenstand entdeckte, der eine geschnitzte Verzierung an seinem einen Ende aufwies und aus Knochen gearbeitet schien. Die Knochenreste wurden zunächst in einer alten Munitionskiste deponiert, die Sprengstoff für die Felssprengungen enthalten hatte.

Peter Uhrmacher, der Steinbruchbesitzer, meldete den Fund der Universität und fragte an, ob Interesse an dem Fund bestehe. Am 21. Februar erschienen in Oberkassel der Physiologe Dr. Max Verworn, der Anatom Dr. Robert Bonnet und Prof. Dr. Heiderich. Da in der Benachrichtigung von einem Haarpfeil die Rede gewesen war, glaubten die Wissenschaftler zunächst an einen Fund aus römischer oder fränkischer Zeit. Das änderte sich, nachdem ihnen ein "Haarpfeil" aus Knochen gezeigt wurde. Darin erkannten sie Knochenwerkzeug, wie es in der ausgehenden Eiszeit von den Menschen als Glätter oder Schaber von Fellen benutzt wurde.

Fundbericht

Datei:Oberk1.jpg
Schädel der Frau (oben) und des Mannes (unten) - rechts mit ergänzten Gebissen Vorlage:Ref

Über den Fund in Oberkassel veröffentlichte Max Verworn einen Bericht in der Zeitschrift "Die Naturwissenschaften":

"Mit Ungeduld folgten wir Herrn Uhrmacher nach der Arbeitshütte des großen Basaltsteinbruchs, wo uns in einer alten Sprengstoffkiste die Knochenfunde vorgelegt wurden. Wir sahen sogleich zwei wohlerhaltene Schädel, von denen nur der eine ein wenig durch einen Hackhieb beim Ausgraben verletzt war. Was uns an dem einen Schädel zunächst auffiel, war die außerordentlich starke Entwicklung der Muskelansatzstellen... Vor allem aber bemerkten wir, daß nicht bloß die Schädel, sondern auch ein großer Teil der übrigen Skelett­knochen, die ungeordnet in der kleinen Kiste durcheinanderlagen, mit einer teilweise ziemlich dicken Schicht von rotem Farbmaterial, wie es uns aus den paläolithischen FundsteIlen des Vézèretales etwas sehr Vertrautes war, bedeckt erschienen, und daß dieser offenbar aus Rötel bestehende Farbstoff zweifellos in der Erde die Skelette teilweise imprägniert hatte, also jedenfalls gleichaltrig mit ihnen war. Indessen wagten wir noch immer kaum an ein paläolithisches Alter der Skelette zu glauben, bis wir die FundsteIle selbst besichtigt hatten. Bei strömendem Regen führte uns Herr Uhrmacher jun. an die Stelle, wo die Skelette aufgedeckt worden waren.

Kulturbeigaben des Doppelgrabes von Oberkasssel Vorlage:Ref

An dem westlichen Rande des großen Basaltbruches war bei der Anlegung eines schmalen, auf die Schutthalde führenden Geleiseweges für die Förderwagen von den Arbeitern einige Tage vorher der eine Schädel mit einer Hacke im Basaltschotter angeschlagen und aus dem Boden geholt worden. Glücklicher­weise hatten die Arbeiter sehr bald den alten erfahrenen Steinbruchaufseher benachrichtigt, der nun in vorsichtiger Weise arbeiten ließ, wobei der zweite Schädel und eine Anzahl anderer Skelettknochen zum Vorschein kamen. Auf An­ordnung von Herrn Uhrmacher war denn an dieser Stelle vorläufig nicht wei­ter gearbeitet worden, und so fanden wir dann die FundsteIle noch in einem verhältnismäßig wenig veränderten Zustande.

Der Basaltbruch des Herrn Peter Uhrmacher befindet sich in der "Rabenlay" bei Obercassel. Hier war am Westabhang nach der Rheinseite hin ur­sprünglich ein nackter Felsabsturz gewesen, den der Steinbruchbetrieb all­mählich abgebaut hat. Nicht weit von der alten Stelle dieses früheren Steila­bfalls lag die FundsteIle. Es liegt an dem nach der Rheinseite gekehrten Rande des Steinbruches noch heute in einer Mächtigkeit von mehreren Metern eine ausgedehnte Schicht von Gehängeschutt, bestehend aus übereinanderge­schichteten größeren und kleineren Basaltstücken, deren Zwischenräume nur durch spärliche Massen von Lehm und Verwitterungsmaterial lose ausgefüllt sind. Diese Basaltschotterschicht ruht auf einer breiten Schicht von hellgrauem Sand der Hochterrasse des Rheintales.

An der Basis der Basaltschotterschicht hatten zwischen kleineren und größe­ren Basaltstücken und eingehüllt von einer spärlichen Lage durch Rötel inten­siv rotgefärbten Lehms die Skelette gelegen. Nach der Angabe des Vorarbeiters waren die Skelette von größeren flachen Basaltblöcken bedeckt gewesen.

Als wir die Fundstelle besichtigten, fanden wir den Basaltschotter hier bis auf die Basis abgeräumt und nur nach der Rheinseite hin noch in geringer Höhe anstehend. Die Fläche war noch mit zahlreichen kleinen Basaltstücken bedeckt und im Umkreise von mehreren Quadratmetern durch Rötel gefärbt. Auch zahlreiche größere und kleinere Basaltstücke zeigten noch einen leich­ten lehmigen, vom Rötel durchtränkten Überzug. Da auch noch einige kleinere Knochenstücke an der FundsteIle umherlagen, so beschlossen wir in den nächsten Tagen bei günstigerem Wetter noch eine nachträgliche Grabung aus­zuführen. Dieser Plan wurde zwei Tage darauf, am 23. Februar ausgeführt. Außer den Herren Prof Steinmann, Institut für Geologie, und cand. geol. Stehn sowie Dr. Dragendolf schloß sich noch der Direktor des Bonner Provinzial-Museums, Herr Prof. Dr. Lehner, un­serer Exkursion an. Nachdem die geologischen Verhältnisse der Gegend durch Herrn Prof Steinmann und Herrn Stehn untersucht worden waren, wurde eine kleinere orientierende Grabung an der Fundstelle ausgeführt, die den Zweck verfolgte zu prüfen, ob etwa die Fundschicht noch eine weitere Ausdehnung in der Fläche und in der Tiefe besäße und ob in der Nachbarschaft vielleicht noch andere Funde zu erwarten wären. Es zeigte sich bald, daß die Fundstelle fast in ihrer ganzen Ausdehnung bereits aufgedeckt war und daß sie sich höchstens noch in der Richtung der Schotterwand etwas weiter erstrecken könnte.

In der Tat konnten wir sie hier noch auf etwa einen halben Meter in die Schotterhalde hinein verfolgen. Dabei wurden noch einige Fußwurzelknochen und Phalangen (=Zehenglieder) in situ gefunden. Dann aber hörte die Rötel­schicht auf, und von Knochenresten war nichts mehr zu entdecken. Auch in der Nachbarschaft, soweit sie einer Probegrabung zugänglich war, fand sich keine Andeutung weiterer Funde mehr, abgesehen von einigen verstreuten Knochen­bruchstücken, die bei der ersten Bergung der Skelette verloren gegangen waren.

Mein Augenmerk richtete sich daher besonders auf die Absuchung des Fund­platzes nach weiteren Kulturspuren. Die Hoffnung, Feuersteinwerkzeuge zu finden, wurde leider völlig getäuscht. Es hat sich auch bei mehrfachen späte­ren Besuchen der Fundstelle, bei denen namentlich Herr cand. geol. Stehn sich große Mühe gab, irgend etwas Neues zu entdecken, nicht die geringste Spur von Feuersteinwerkzeugen oder auch nur von Bruchstücken solcher auffinden lassen." Vorlage:Ref

Quellen

  1. Vorlage:Fußnote
  2. Vorlage:Fußnote
  3. Vorlage:Fußnote

Literatur

  • Anne Bauer: Die Steinzeitmenschen von Oberkassel - Ein Bericht über das Doppelgrab am Stingenberg, Nr. 17 der Schriftenreihe des Heimatvereins Bonn-Oberkassel e.V., 2. Auflage, 2004