Deduktiv-nomologisches Modell
Das deduktiv-nomologische Modell oder einfach nur DN-Modell will die Struktur der wissenschaftlichen Erklärung im Gegensatz zum alltäglichen Gebrauch von Erklärung darstellen. Es wurde von Carl Gustav Hempel und Paul Oppenheim 1948 in "Studies in the Logic of Explanation" beschrieben und ist ebenfalls als Hempel-Oppenheim-Schema (auch HO-Schema) bekannt.
Definition
Eine deduktiv-nomologische Erklärung eines Sachverhaltes ist ein logisch korrektes Argument, das aus einem allgemeingültigen (wissenschaftlichen) Gesetz und einer empirischen Beobachtung (Explanans) das zu Erklärende (Explanandum) folgert. Kurz, das zu Erklärende wird aus dem Erklärten abgeleitet.
Explanans:
- L1, ..., Ln (zu lat. lex, Gesetze)
- C1, ..., Cn (zu lat. conditio, Randbedingungen)
- - - - - - - - - - - - (Logischer Schluss)
Explanandum
Explanans
Das Explanans ist das Erklärende (von lateinisch explanatio „Auslegung, Erklärung, Deutung“). Es setzt sich zusammen aus:
- einer (allgemeingültigen) Gesetzesaussage (Naturgesetz)
- einer erfüllten Bedingung (auch Randbedingung) (in Form eines Ereignisses/einer Tatsache), dem Antezendenz (der Ursache)
Explanandum
Das Explanandum ist das zu Erklärende. Es ist das Ereignis / die Beobachtung, die erklärt werden soll und ist - bei einer erfolgreichen Erklärung - das Ergebnis des Schlusses aus dem Explanans.
Adäquatheitsbedingungen
Eine potentielle Erklärung/Explikation ist gegeben, wenn zusätzlich die Adäquatheitsbedingungen (also notwendige Bedingungen) erfüllt sind:
- Die Menge der Sätze des Explanans und der Satz des Explanandum müssen empirisch sein.
- Das Explanans enthält mindestens einen gesetzlichen Satz.
- Das Explanandum folgt logisch deduktiv aus dem Explanans.
- Der Satz des Explanandums folgt nicht schon allein aus den nicht-gesetzlichen Sätzen des Explanans.
- Alle Sätze des Explanans sind wahr.
Eine wahre Erklärung ergibt sich bei Hinzunahme folgender Bedingung:
- Das Gesetz muß wahr sein.
Beispiel
Folgendes Beispiel stammt von Karl Popper (L=Gesetz, C=Rand- oder Anfangsbedingungen):
Explanans:
- (L) Jedesmal, wenn ein Faden der Stärke r mit einem Gewicht von mindestens K belastet wird, reißt er.
- (C1) Dies ist ein Faden der Stärke r.
- (C2) Das angehängte Gewicht ist mindestens K.
Explanandum:
- Der Faden reißt.
Spielarten des DN-Modells
- ex-ante DN-Begründung: Sind die Prämissen des DN-Argumentes zuerst bekannt, und wird die Konklusion daraus nachträglich abgeleitet, so spricht man von einer ex-ante DN-Begründung (oder: DN-Voraussage im epistischen Sinn). Ein solches Argument ist eine DN-Voraussage im zeitlichen Sinn, wenn das Antecedensereignis zeitlich vor dem Explanandumereignis eintritt, und sie ist eine Retridiktion, wenn es erst danach eintritt.
- Beispiel: Die Herleitung einer zukünftigen Sonnenfinsternis aufgrund astronomischer Daten (und physikalischer Theorie) ist eine Voraussage, die Herleitung eines vergangenen Meteoreinschlages aus geologischen Funden ist eine Retrodiktion.
Problemfälle für das DN Modell
- Asymmetrie. Das DN-Modell enthält keine Einschränkungen bezüglich des Asymmetrieverhältnisses von Explanans und Explanandum.
Beispiel: Die Herleitung der bereits bekannten Höhe eines Turms aus seiner Schattenlänge ist eine ex-post DN-Begründung, aber keine DN-Erklärung, weil die Schattenlänge nicht die Ursache der Turmhöhe ist.
- Irrelevanz
- (L) All males who take birth control pills regularly fail to get pregnant
- (K) John Jones is a male who has been taking birth control pills regularly
- (E) John Jones fails to get pregnant
(Wesley Salmon, 1971)
Literatur
- Hempel und Oppenheim, "Studies in the Logic of Explanation", Philosophy of Science 15 (1948), 135-75; reproduziert in Hempel, Aspects of Scientific Explantion.
Siehe auch
Wissenschaftstheorie Simulacrum Erklärungsmodell
Weblinks
- http://www.uni-konstanz.de/FuF/Philo/Philosophie/Mitarbeiter/Wolters_files/SoSe05/Vorlesung4-FO.doc
- http://www.soc.iastate.edu/sapp/phil_sci_lecture02.html
- http://philoscience.unibe.ch/lehre/klassiker/erklaerungen.pdf
- http://www.gavagai.de/themen/HHP47.htm
- DN-Modell erklärt auf dem server der Stanford University