Arthur Scherbius



Arthur Scherbius (* 30. Oktober 1878 in Frankfurt am Main; † 13. Mai 1929 in Berlin) war ein deutscher Erfinder und Unternehmer. Er studierte 1899–1903 Elektrotechnik an der Technischen Hochschule Hannover, unterbrochen von 2 Semestern (1901–1902) an der Technischen Universität München, 1903 wurde er in Hannover zum Dipl.-Ing., 1904 promovierte er dort zum Doktor-Ingenieur (Dr.-Ing.). Als Projektingenieur bei der Firma Felten & Guilleaume-Lahmayer erarbeitete er seine Dissertation „Vorschläge zum Bau eines indirekt wirkenden Wasser-Turbinen-Reglers“, die er am 14. Juli 1904 abschloss.[1]
Erste Erfindungen
Nach kurzer Tätigkeit bei der Siemens Schuckert GmbH machte er sich 1905 selbständig und erfand Schaltungen zur Regulierung von Induktionsmotoren. Seine Patente verkaufte er an die Firma A.G. Brown, Boveri & Cie. in Baden (Schweiz). Dort war er von 1906 bis 1912 in der fast familiären Gruppe der Eigentümer, Brown und Boveri, und der Entwicklungsingenieure tätig, zu denen u. a. die Elektrotechniker Karl Schnetzler, Heinrich Meyer-Delius, Fritz Marguerre und Leo Pungs gehörten.[2] Seine Erfindungen wurden dort auch gebaut. Berühmt wurde seine "Scherbius-Schaltung", eine Kaskade aus Drehstrom- und Wechselstrom-Kommutatormotoren, die eine verlustarme Drehzahlregelung möglich machte. Diese fand weite Verbreitung in Europa und den USA in Antrieben für Walzwerke, im Berg- und Hüttenwesen für Pump- und Wasseranlagen sowie für Kompressoren und Ventilatoren. Scherbius beschäftigte sich auch mit Quecksilberdampfgleichrichtern und war beratend für die Siemens-Schuckertwerke tätig. In einer Dissertation an der Eidgenössischen Technischen Hochschule in Zürich beschreibt Max Neumann 1933 sowohl Brown Boveri- als auch Scherbius-Patente[3].
Im Ersten Weltkrieg wurde Scherbius zunächst als Lehrer für drahtlose Telegrafie eingesetzt, dann, ab 1917, als Hilfsbetriebsleiter, d. h. stellvertretender Leiter einer Abteilung, im Waffen- und Munitionsbeschaffungsamt (WuMBA). Nach dem Waffenstillstand trat er Ende 1918 als Referent in die technische Abteilung des Reichsverwertungsamts ein und war außerdem in der Waffenstillstandskommission tätig. Gleichzeitig beschäftigte er sich mit der Energieübertragung mittels hochgespanntem Gleichstrom, konnte die Entwicklung einer Hochspannungsgleichstrommaschine jedoch nicht mehr beenden.
In Schweden hatte er Patente gekauft, auf deren Prinzipien er einen kleinen und preiswerten Thermostaten entwickelte, den er als Schlüsselbaustein für elektrische Haushaltsgeräte betrachtete. Dadurch gelang es ihm, ein sicheres, temperaturgeregeltes Heizkissen herzustellen, das in großen Stückzahlen gefertigt wurde. 1920 gründete er mit Ernst Richard Ritter in Berlin-Wannsee die Entwicklungsfirma „Scherbius u. Ritter“. Sie nannten es das "Scherip"-Heizkissen.[4] Ritter, ebenfalls Ingenieur, war Generalvertreter für die Brown, Boverie & Cie. in Mannheim und 1909 nach Berlin-Charlottenburg gezogen. Die Firmenvertreter hatten eine Kommission für Heiz- und Kochapparate – kurz HUKA – ins Leben gerufen. Sie betrieben ihre elektrotechnische Fabrik in Wannsee an der Königstrasse. Scherbius und Ritter bauten 1923/24 auf einem ihrer gemeinsamen Firma gehörenden Grundstück, Lindenstr. 5 und 6, Berlin-Wannsee, je ein Haus. Das Haus von Ritter war größer und mit den neuesten Errungenschaften der angewandten Elektrizität ausgestattet. Das Haus von Scherbius wurde vom gleichen Architekten, Otto Streu aus Nowawes, geplant.[5] Im Herbst 1924 zog er mit seiner Frau Elisabeth dort ein.
Die Entwicklung der ENIGMA
Während des Ersten Weltkriegs war Scherbius mit den Problemen der Chiffrierung gefunkter Nachrichten vertraut geworden und fand damit ein neues Betätigungsfeld. Der Prototyp Model A war noch sehr groß, wog ca. 50 kg und sah einer Registrierkasse ähnlich. Die dann folgenden Modelle B und C waren bereits tragbar und sahen aus wie eine Schreibmaschine in einem hölzernen Kasten, der dann nur 34 × 28 × 15 Zentimeter maß und 12 kg wog. Bereits am 23. Februar 1918[6] hatte er sein erstes Patent für eine Verschlüsselungsmaschine angemeldet, die nach dem Rotorprinzip arbeitete, und die er nach dem griechischen Wort „αίνιγμα“ (auf deutsch „Rätsel“) ENIGMA nannte.
Im April 1918 bot die Firma "Dipl.-Ing. E. Richard Ritter & Co." die Chiffriermaschine dem Großen Hauptquartier und dem Reichsmarineamt an, im Mai führte Scherbius der Admiralität einen Prototyp vor. Die grundsätzliche Eignung wurde anerkannt, eine Einführung zu der Zeit jedoch nicht vorgesehen; die Firma wurde an das Auswärtige Amt verwiesen. Nachdem auch dies kaum Interesse zeigte, sollte die Maschine in einer der Allgemeinheit zugänglichen Version vertrieben werden. Ab 1923 wurde sie auf mehreren Kongressen und Post-Ausstellungen in Bern, Stockholm und Leipzig der Öffentlichkeit präsentiert. Die Enigma wurde von Scherbius als "Gerät zur Übermittlung von geschäftlichen Mitteilungen und Telegrammen" angepriesen und auch so vermarktet. Weil die von der Post übermittelten Telegramme von Unberufenen in einfachster Weise abgehört werden können, empfahl er das Chiffriersystem der ENIGMA. In der Elektrotechnischen Zeitschrift von 1923 beschreibt er die Funktionsweise im Einzelnen und bemerkt: „Neben der Sicherheit muss die Radiotelegraphie noch die schärfsten Anforderungen an betriebsmäßige Verwendbarkeit, an Schnelligkeit, Einfachheit der Bedienung zur Vermeidung von Fehlerquellen und leichte Ausmerzbarkeit von Übertragungsfehlern stellen.“ Im letzten Satz des Artikels heißt es dann: „Die Maschine ist von der Firma Scherbius & Ritter in Berlin-Wannsee entwickelt worden. Das abgebildete neueste Modell dagegen ist von der Gewerkschaft Securitas, Berlin W 35, Steglitzer Str. 2, welche die sämtlichen Patente zwecks Verwendung übernommen hat, unter Mitarbeit der ersteren Firma gebaut worden.“[7]
Scherbius trat seine Rechte an die Berliner Firma „Gewerkschaft Securitas“ ab, der 1925 dann das Patent DRP 416219 auf einen „Chiffrierapparat“ erteilt wurde.[8] Am 9. Juli 1923[9] gründete die Securitas die Chiffriermaschinen-Aktiengesellschaft in Berlin (W.35 Steglitzer Straße 2), in der Scherbius als Direktor beschäftigt war. Sein Mitarbeiter in dieser Firma war der Entwicklungsingenieur Willi Korn.
Scherbius starb am 13. Mai 1929, nachdem er die Kontrolle über einen Pferdewagen verloren hatte und gegen eine Mauer geprallt war, als Folge seiner dabei erlittenen inneren Verletzungen.[10]
Patente zur ENIGMA
Literatur
- Friedrich L. Bauer: Entzifferte Geheimnisse, Methoden und Maximen der Kryptographie. Springer, Berlin 2000 (3. Aufl.), ISBN 3-540-67931-6.
- Friedrich L. Bauer: Historische Notizen zur Informatik. Springer, Berlin 2009, ISBN 978-3-540-85789-1.
- Rudolf Kippenhahn: Verschlüsselte Botschaften, Geheimschrift, Enigma und Chipkarte. Rowohlt, Reinbek bei Hamburg 1999, ISBN 3-499-60807-3.
- Hartmut Petzold: Scherbius, Arthur. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 22, Duncker & Humblot, Berlin 2005, ISBN 3-428-11203-2, S. 685 f. (Digitalisat). (dort irrtümlich als Geburtsjahr 1879 angegeben).
- Michael Proese: Chiffriermaschinen und Entzifferungsgeräte im Zweiten Weltkrieg. Technikgeschichte und informatikhistorische Aspekte. Verlag: Meidenbauer; (1. Februar 2006)ISBN 978-3-89975-548-0.
- Simon Singh: Geheime Botschaften: Die Kunst der Verschlüsselung von der Antike bis in die Zeiten des Internet. Deutsche Übersetzung Klaus Fritz. DTV-Verlag, Dezember 2001. ISBN 978-3-423-33071-8.
Weblinks
- Foto Arthur Scherbius
- Lebenslauf (englisch). Abgerufen: 21. April 2015
- Scherbius Maschine: in Internationale Patentklassifikation synchrone Induktionsmotoren; asynchrone Induktionsgeneratoren
- Werbeplakat Text: Prometheus-/Scherip/Das elektrische Heizkissen. 1923/1934 Signatur & Signet: LUDWIG./HOHLWEIN/MÜNCHEN. Museum für Kunst und Gewerbe Hamburg, Graphische Sammlung, Inventar-Nr. E 1971.88
- Die schreibende Enigma-Chiffriermaschine Verkaufsprospekt (Vorderseite), ca. 1924.[11] Abgerufen: 29. April 2015
- Die schreibende Enigma-Chiffriermaschine Verkaufsprospekt (Rückseite), ca. 1924. Abgerufen: 29. April 2015
Einzelnachweise
- ↑ Auskünfte des Archivs der TU Hannover; Friedrich L. Bauer: Historische Notizen zur Informatik. Springer, Berlin 2009, S. 47, ISBN 978-3-540-85789-1.
- ↑ BBC-Hauszeitung Nr. 9 und 10, 1953
- ↑ Dissertation Max Neumann, Basel 1933
- ↑ Das Scherip-Heizkissen, seine Konstruktion, Fabrikation u. Prüfung. in: Der elektr. Betrieb 21, 1923, S. 263-65
- ↑ Elektromuseum Ernst Richard Ritter
- ↑ Patentschrift Chiffrierapparat DRP Nr. 416 219. Abgerufen: 26. März 2008. PDF; 0,4 MB
- ↑ Dr.-Ing. Arthur Scherbius: „Enigma“ Chiffriermaschine (PDF; 623 kB) in: Elektrotechnische Zeitschrift, Heft 47/48, vom 29. November 1923, Seite 1035-36
- ↑ Patent DRP 416219 ausgegeben am 8. Juli 1925. (PDF; 339 kB)
- ↑ Louis Kruh, Cipher Deavours: The Commercial Enigma – Beginnings of Machine Cryptography. Cryptologia, Vol. XXVI, Nr. 1, Januar 2002, S. 1. Abgerufen: 26. März 2008. PDF; 0,8 MB
- ↑ Simon Singh: Geheime Botschaften. Carl Hanser Verlag, München 2000, S. 178. ISBN 3-446-19873-3.
- ↑ Louis Kruh, Cipher Deavours: The Commercial Enigma – Beginnings of Machine Cryptography. Cryptologia, Vol. XXVI, Nr. 1, Januar 2002, S. 11. Abgerufen: 29. April 2015. PDF; 0,8 MB
Personendaten | |
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NAME | Scherbius, Arthur |
KURZBESCHREIBUNG | deutscher Erfinder und Unternehmer |
GEBURTSDATUM | 30. Oktober 1878 |
GEBURTSORT | Frankfurt am Main |
STERBEDATUM | 13. Mai 1929 |
STERBEORT | Berlin |