Hünenburg bei Watenstedt
Hünenburg bei Watenstedt | ||
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![]() Blick vom Parkplatz mit Infotafel hoch zur Hünenburg | ||
Staat | Deutschland | |
Ort | Watenstedt | |
Entstehungszeit | 12./11. Jh. v. Chr. | |
Burgentyp | Höhenburg | |
Erhaltungszustand | ringförmige Wallanlage | |
Ständische Stellung | regionaler Herrschaftssitz (Bronzezeit bis Frühmittelalter) | |
Geographische Lage | 52° 5′ N, 10° 51′ O | |
Höhenlage | 133 m | |
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Die Hünenburg bei Watenstedt ist eine ringförmige Wallanlage mit weitläufiger Außensiedlung nahe Watenstedt im Landkreis Helmstedt. Erkenntnisse über die Entstehung und die Bedeutung der Höhenburg ergaben archäologische Ausgrabungen, die seit 1998 auf dem Gelände der Wallanlage und im näheren Umfeld stattfinden.
Lage
Die Befestigungsanlage liegt auf 133 m ü. NN am westlichen Rand des Heesebergs, der sich zwischen dem Höhenzug des Elms und der Niederung des Großen Bruchs befindet. Sie besteht aus einem plateauähnlichen Gelände, das als unregelmäßiges Oval die Ausmaße von 160×220 Meter hat. Im Osten hat sich als obertägiger Rest der Befestigungsanlage ein Erdwall erhalten, der eine Höhe von bis zu 5,5 Meter aufweist. Im Norden und Westen schützten bis zu 25 Meter tief abfallende Hänge, die wahrscheinlich künstlich abgeböscht worden sind. Auf alten Luftbildern ist im südlichen Bereich der Anlage eine frühere Toranlage erkennbar, die auf eine Altstraße ausgerichtet war. Am Standort schnitten sich zwei wichtige Fernhandelswege am Durchgang großer Naturbarrieren.
Geschichte
Bronzezeitlicher Herrschaftssitz mit Außensiedlung
Die archäologische Grabungen zeigten, dass die Hünenburg als Befestigung während der Bronzezeit um 1100 v.Chr. neben einer Siedlung, die sich ab dem 14. Jahrhundert v. Chr. nachweisen lässt, entstanden ist. Auf eine Funktion als Herrschaftszentrum und Sitz einer Elite lassen Bronzefunde, wie ein auf der Hünenburg gegossenes und reich verziertes Bronzebecken, schließen. Diese Becken scheinen auch ins weitere Umland verbreitet worden zu sein. Das lässt auf die Anwesenheit von Spezialisten der Metallverarbeitung innerhalb der Befestigungsanlage schließen. Die Ausgrabungen ergaben, dass die Hünenburg im 11. vorchristlichen Jahrhundert erstmals durch einen Wall befestigt war. Ab etwa 900 v. Chr. entstand an der Außenseite des Walls eine steinerne Verblendung und etwas später eine massive Steinmauer, was dem Bauwerk einen prestigeträchtigen Charakter verlieh.

Südlich des Walls fanden die Archäologen durch Ausgrabungen und den Einsatz der Luftbildarchäologie eine größere bronzezeitliche Außensiedlung [1], die eine Ausdehnung von 27 ha aufweist und als Unterstadt bezeichnet wird. Es könnte sich um eine der größten bronzezeitlichen Siedlungen Mitteleuropas mit rund 500 ständigen Einwohnern gehandelt haben.[2] Bei einer Vorstellung der Grabungsergebnisse im November 2014 sagte Heike Pöppelmann als Direktorin des Braunschweiger Landesmuseums, ein solches Ensemble sei hier erstmals in Mitteleuropa in dieser Form nachgewiesen. „Wir kennen das aus dem mediterranen Raum. Bekannteste Beispiele sind Troja und Mykene.“ Forscher vermuten, dass bei Watenstedt auch Menschen lebten, die aus dem Süden Skandinaviens kamen. „Es waren Gruppen und Personen auch aus anderen Regionen in Watenstedt“ sagte der Grabungsleiter Immo Heske von der Georg-August-Universität Göttingen. So könnte die Burganlage eine Handelsniederlassung der Skandinavier gewesen sein, um Metalle zur Bronzeherstellung nach Norden zu bringen.[3][4]
Die Siedlung außerhalb der Befestigung wird seit dem Jahre 2001 verstärkt archäologisch untersucht. Die Wissenschaftler gruben bis Ende 2014 drei Tonnen Keramik aus dem Boden der Siedlung aus.[5] Dabei wurden Holzpfostenhäuser mit Flechtwerkwänden in der Größe von etwa 11 × 5 Meter mit Herdstellen und einer Art Steinpflasterung nachgewiesen. An den Häusern wurden bis zu 1,8 Meter tiefe Vorrats- sowie Abfallgruben festgestellt. Zur Siedlung gehören unter anderem Gräberfelder und ein Areal mit mehr als 400 Gargruben im Boden, die vermutlich zu rituellen Kochveranstaltungen genutzt wurden.
Die Hünenburg weist Parallelen zur nahegelegenen Schwedenschanze Isingerode als Ringwall der jüngeren Bronzezeit mit Außensiedlung auf, die um 1200 v.Chr. entstand und in der ersten Phase bis um 600 v.Chr. genutzt wurde.
Frühmittelalterliche Rolle
Vom 11. bis zum 7. vorchristlichen Jahrhundert wurde die Hünenburg durchgehend genutzt. Danach trat eine Unterbrechung von etwa tausend Jahren ein. Erst in der Völkerwanderungszeit und im frühen Mittelalter setzte die nächste Besiedlungsphase ein. Zu dieser Zeit wurden die Wallanlagen noch einmal deutlich erhöht. Etwa zur Zeit der Sachsenkriege im 8. Jahrhundert n.Chr. muss die Wallanlage dann von den Franken zerstört worden sein. Die Ausgrabungen von 1998 konnten aber auch belegen, dass die Anlage schon kurze Zeit später wieder ausgebaut wurde und nun den Franken als wichtiger Stützpunkt diente. Wie lange die neuen fränkischen Herren dann diesen Stützpunkt nutzten, ist bislang nicht klar.
Hoohseoburg

Die Zerstörung im 8. Jahrhundert nährt die Annahme, dass es sich bei der Hünenburg um die Hoohseoburg handelt, die in Chroniken des Frühmittelalters erwähnt wird, deren genauer Standort aber bisher nicht sicher ist.
Die Hoohseoburg taucht in den fränkischen Reichsannalen als Sitz des sächsischen Adligen Theoderich auf, den man als einen Fürsten von Ostfalen bezeichnen kann, dem östlichen Teil Sachsens. Es war der fränkische Hausmeier Karlmann, der 743 n.Chr. einen Kriegszug nach Sachsen unternahm, in das damalige Ostfalen. Dabei eroberte er auch Theoderichs Hoohseoburg. Theoderich wurde gefangen genommen und musste sich zur Tributzahlung an das Frankenreich verpflichten. Schon 744, ein Jahr danach, erhob sich Theoderich jedoch, wurde wieder besiegt und schließlich als Gefangener ins Frankenreich mitgenommen. Die Burg wurde anschließend zerstört.
Nirgends haben die Schriften den genauen Ort der Hoohseoburg genannt. Bei der Suche nach ihrem Standort hat man in den vergangenen Jahrzehnten vor allem die Seeburg in Sachsen-Anhalt für die Hoohseoburg gehalten. Die These, dass die Hünenburg bei Watenstedt die Hooseoburg gewesen sein könnte, wurde schon 1927 aufgestellt. In Forscherkreisen galt diese Idee aber noch bis ins Jahr 2000 als zweifelhaft.
Die bisherigen Ausgrabungen scheinen diese Zweifel aufzuweichen. Es gibt zwar keinen Beweis für eine Identitär von Hoohseoburg und Hünenburg, aber etliche Fakten, die darauf hinweisen. Dazu gehören die Funde und die offensichtliche Bedeutung der Hünenburg als Herrschaftszentrum der Bronze- und Eisenzeit, die Befestigung im Frühmittelalter und die Zerstörung im 8. Jahrhundert zur Zeit der fränkischen Sachsenkriege. Auch die Lage der Hünenburg spricht für ihre bedeutende Rolle. Der Heeseberg, an dessen Rand sie liegt, befindet sich zentral in Ostfalen. Der Standort war geeignet, das Gebiet aus dieser zentralen Lage heraus in einem weiten Radius zu beherrschen. Außerdem lag die Hünenburg an einem wichtigen Heer- und Handelsweg, dem Deitweg, der von Ohrum an der Oker über Schöningen bis nach Magdeburg führte. Die Seeburg dagegen befindet sich im Hassegau, also am südöstlichen Rande des sächsischen Stammesgebietes.
Forschungsgeschichte


Erste archäologische Untersuchungen durch den Braunschweiger Geschichtsverein fanden 1878 und 1897 statt, als auf dem Gelände ein Gräberfeld der jüngeren Bronze- und frühen Eisenzeit entdeckt wurde. In neuerer Zeit setzten sich die Ausgrabungen 1998 fort und hielten in jährlichen Kampagnen bis zum Jahre 2000 an. Danach ruhten die Grabungen aus finanziellen Gründen und wurden 2005 wieder aufgenommen. Seither wurden sie fortgesetzt und von Archäologen des Braunschweigischen Landesmuseums, der Universität Göttingen, der Kreisarchäologie Helmstedt sowie freiwilligen Helfern eines archäologischen Vereins aus Braunschweig ausgeführt. Anfangs wurden die Untersuchungen im Rahmen des DFG-Forschungsprojektes „Die Hünenburg, ein Herrschaftssitz in der Kontaktzone zwischen Lausitzer Kultur und Nordischer Bronzezeit“ gefördert, später unter anderen Projektbezeichnungen und auch durch das Niedersächsische Ministerium für Wissenschaft und Kultur.
Seit dem Jahre 2001 wird der Südhang unterhalb der Hünenburg im Rahmen der Luftbildarchäologie, mit geophysikalischen Methoden und später auch durch Ausgrabungen untersucht. Geomagnetische Messungen im Jahre 2008 zeigten eine ehemals besiedelte Fläche von etwa 15 Hektar an, was auf eine zeitgleich zur Befestigung bestandene Außensiedlung schließen ließ. In den Jahren von 1998 bis 2000 erfolgten archäologische Untersuchungen an Wall und Innenfläche der Hünenburg.
Literatur
- Ernst Andreas Friedrich: Die Hünenburg auf dem Heeseberg, S. 33–34, in: Wenn Steine reden könnten, Band II, Landbuch-Verlag, Hannover 1992, ISBN 3-7842-0479-1.
- Wolf-Dieter Steinmetz: Die Hünenburg bei Watenstedt. Bronzezeitliche Siedlung und sächsischer Adelsitz in: Archäologie in Niedersachsen, Band 2, Oldenburg, Isensee Verlag, 1999, S. 39–41
- Immo Heske: Heeseberg – Wohnsitz bronzezeitlicher Eliten in: Archäologie in Niedersachsen, 2007, S. 76–79
- Immo Heske: Eine steinerne Sichelgussform aus der jungbronzezeitlichen Außensiedlung der Hünenburg bei Watenstedt, Ldkr. Helmstedt in: Nachrichten aus Niedersachsens Urgeschichte, Bd. 76, Stuttgart, 2007
- Immo Heske: Bronzezeitlicher Herrschaftssitz mit Außensiedlung in: Archäologie in Deutschland, 4/2010 (Online pdf, 860 kb)
- Immo Heske: Von der Befestigung in die Unterstadt in: Archäologie in Niedersachsen, 2013, S. 49–53
- Valentin Frimmer: Die 3000 Jahre alte Hünenburg war eine Metropole. Funde belegen: In Niedersachsen hat eine der frühesten Städte Mitteleuropas pulsiert / Braunschweiger Forscher entdecken Bronzestücke. In: Hannoversche Allgemeine Zeitung Nr. 265 vom 13. November 2014, Seite 6.
Weblinks
- Beschreibung der Hünenburg mit Fotos bei Archäologie in der Region Braunschweig/Ostfalen
- Informationen zur Hünenburg durch den Landkreis Helmstedt
- Beschreibung der Hünenburg mit Fotos durch die Braunschweigische Landschaft
- Informationen zu den aktuellen archäologischen Untersuchungen durch die Georg-August-Universität Göttingen
- Beschreibung der Hünenburg mit vielen Details
- Fotos der Ausgrabung 2005
- Beschreibung der Hünenburg durch den Verein Geschichte in Braunschweig e. V.
- Dreiminütiger Filmbeitrag Bronzezeit: Historisches Rätsel um Großstadt beim NDR vom 12. November 2014
- Beschreibung der Hünenburg als Befestigung, Außensiedlung und Gräberfeld beim Braunschweigischen Landesmuseum
Einzelnachweise
- ↑ Ausgrabungen in der Hünenburg: Ein Herrschaftssitz der Bronzezeit in Archäologie.online vom 20. Juli 2007
- ↑ Speiseplatz der Götter in Archäologie.online vom 20. November 2014
- ↑ Valentin Frimmer: Die 3000 Jahre alte Hünenburg war eine Metropole. Funde belegen: In Niedersachsen hat eine der frühesten Städte Mitteleuropas pulsiert / Braunschweiger Forscher entdecken Bronzestücke. In: Hannoversche Allgemeine Zeitung Nr. 265 vom 13. November 2014, Seite 6.
- ↑ Archäologen präsentieren Bronzezeit-Funde bei ndr.de vom 12. November 2014
- ↑ Göttinger Forscher klären Rätsel um Burg: Großstadt aus grauer Vorzeit bei Göttinger Tageblatt vom 13. November 2014