Georg Alfred Stockburger

Alfred Georg Stockburger (* 12. Mai 1907 in Kusterdingen-Wankheim; † 5. April 1986 in Tübingen) war ein deutscher Arzt und Kunstmaler des Expressionismus. Genauer: Von Beruf war er Arzt, seine Berufung lag jedoch in der bildenden Kunst, konkret in der Malerei. Die Werke dieses progressiven Künstlers werden als abgewandelter Expressionismus oder Expressiver Realismus qualifiziert.
Leben und Werk
Alfred Georg Stockburger wurde als fünftes Kind des Lehrers Georg Johannes Stockburger und seiner Frau in Wankheim geboren. Um den Kindern sehr gute Bildungsmöglichkeiten zu eröffnen, zog die Familie 1909 zunächst nach Böblingen und 1913 nach Tübingen. In Tübingen besuchte Stockburger die Oberrealschule (das heutige Kepler-Gymnasium). Sein Zeichenlehrer dort hat sein malerisches Talent erkannt und ihn zu ersten Werken ermuntert.[1] Das jugendliche Selbstbildnis aus dem Jahr 1928 ist das älteste noch erhaltene Bild Stockburgers.

Im Sommersemester 1925 begann Stockburger auf strengen Wunsch seines Vaters ein Medizinstudium in Tübingen. Bereits im Herbst dieses Jahres wechselte er unter Missbilligung des Vaters wohl aber auf entschiedene Fürsprache der Mutter hin an die Kunstakademie Stuttgart. Hier studierte er unter anderem bei Hans Spiegel, Robert Breyer, Alexander Eckener und Gottfried Graf. Der Schweizer Maler Heinrich Altherr, der für einige Zeit auch Direktor der Stuttgarter Akademie war, wurde sein Mentor und wichtigstes Vorbild. 1928 wurden auf Empfehlung der Juroren Karl Hofer und Emil Nolde Bilder von Alfred Georg Stockburger in einer Ausstellung des Deutschen Künstlerbundes in Hannover ausgestellt. 1929 wurde Stockburger Mitglied der Stuttgarter Neuen Sezession und der „Stuttgarter Juryfreien“. Mehrfach wurden Stockburger-Bilder in Stuttgart und Berlin ausgestellt. Im selben Jahr brach er das Kunststudium ab, ging nach Berlin und versuchte, sich dort als freier Künstler zu etablieren. Hier folgte er seinen Vorbildern Käthe Kollwitz, Ernst Barlach und vor allem Edvard Munch Vorbilder in stark emotional aufgeladenem Expressionismus.
Die Schwierigkeiten, sich als freier Künstler in Berlin zu etablieren, und die gesellschaftlichen und politischen Umbrüche nach der Machtergreifung Adolf Hitlers vom 30. Januar 1933 in Berlin, führten zu dem Entschluss, 1934 zurück nach Stuttgart – gewissermaßen in die innere Immigration – zu gehen. Stockburger weigerte sich beharrlich, in die nationalsozialistische, gleichgeschaltete Reichskulturkammer einzutreten. Als Gegner des Nationalsozialismus verlor er auch in Stuttgart alle Arbeits- und Ausstellungsmöglichkeiten und wurde als entarteter Künstler qualifiziert. Stockburger gab aufgrund der gegebenen politischen Situation die Malerei als Beruf auf und setzte 29-jährig sein Medizinstudium in Tübingen fort.[2]

Hitlerdeutschland erklärte am 1. September 1939 Polen den Krieg. Stockburger wurde daraufhin sofort als Sanitätsunteroffizier eingezogen und im Westfeldzug in Frankreich in der Gegend um Metz stationiert. Dort engagierte er sich für die französische Bevölkerung und richtete ein Seuchenlazarett ein. 1941 heiratete er die Tübinger Fotografin Lore Henke per Ferntrauung. Während eines Sonderurlaubes im gleichen Jahr beendete er in Tübingen sein Medizinstudium. 1942 wurde er als Bataillonsarzt an der russischen Nordfront eingesetzt. Hier begleitete er eine Pioniereinheit beim Vormarsch und sah das unbeschreibliche Leid der Zivilbevölkerung. Im selben Jahr erhielt er das medizinische Kommando eines Lazarettzuges und transportierte verwundete Soldaten von der Front zurück ins Deutsche Reich. Nach Not-OPs, Amputationen oder dem Ausstellen von Totenscheinen zog er sich häufig für wenige Stunden in sein Abteil zurück und schnitzte aus dem Holz von Eisenbahnschwellen kleine Figuren. Der Krieg in Russland wurde zu Stockburgers Trauma, das ihn sein ganzes weiteres Künstler- und auch sein biografisches Leben begleitet hat. Nach kurzer Kriegsgefangenschaft in Frankreich ließ sich Stockburger 1945 in Hirrlingen als praktischer Arzt nieder.[3]

1952 zog die Familie (Stockburger mit Frau und mittlerweile drei Töchtern) nach Tübingen um. Hier richtete Stockburger in einer dreieinhalb-Zimmer-Wohnung Wohnräume und Arztpraxis ein. Er konnte sogar in einer von den französischen Besatzern und Carlo Schmid, dem Chef der Verfassungsgebenden Versammlung in Bebenhausen, in der Alten Botanik der Universität Tübingen organisierten Ausstellung Moderne Kunst seine Bilder ausstellen. Diese hingen neben den Bildern weiterer Vergessener wie Manfred Henninger, Gerth Biese, Heiner Wägenbaur und Erna Ley-Dix. „Die Vergessenen, wie die verfehmten Künstler aus dem Dritten Reich später genannt wurden, […] hatten es nach 1945 alle schwer, wieder Fuß zu fassen: Man hatte zwar die Demokratie verordnet bekommen […] die Gesinnung war aber bei vielen Zeitgenossen […] die Alte geblieben. […] Auf diese Art erlebten die „Vergessenen“ eine zweite Bestrafung: nach dem Boykott und Berufsverbot, erfolgte nun ihre Nichtbeachtung in der breiten Öffentlichkeit.“ Zuweilen wurde diese Kunst dann nach dem Motto: „Das ist doch Geschmiere und keine Kunst“ von Teilen der Öffentlichkeit diffamiert.[4] Der Kunsthistoriker Rainer Zimmermann sprach in dem geschilderten Zusammenhang später von der „Verschollenen Künstlergeneration“.[5] Stockburger konnte als Vertreter dieser Generation seine Malerei nicht als Beruf, aber immerhin als Berufung leben: Nachts wurde sein Praxiswartezimmer zu seinem Atelier. Seine Patienten konnten auf der im Wartezimmer stehenden Staffelei das Werden neuer Bilder verfolgen. Hier setzte er Skizzen, die er in seinem Kriegseinsatz in Russland gemacht hatte, in Bilder um. Es entstanden Bilder wie „Russische Bauern im Schnee“, „Totengräber“ oder „Drei Russische Frauen“, die das Leid der russischen Bevölkerung im Krieg darstellten. Ein anderes Sujet seines Wirkens war die Landschaft und Gegend um Tübingen und Stuttgart. Stockburger faszinierten große technische Anlagen und so bildete er 1934 nach seiner Rückkehr aus Berlin den Stuttgarter Gaskessel ab. Dieser Großkessel wurde auf dem Bild ein Teil der Landschaft, die Häuser und die Bäume im Vordergrund „verzwergen“ gegen das stählerne Monstrum.[6] Das Bild „Hirrlinger Allee“ ist eine expressionistische Darstellung einer Allee von Obstbäumen in Schwaben. Nach Aufgabe seiner Praxis im Jahr 1972 widmete sich der 65-jährige Stockburger voll der Malerei. In dieser Zeit waren ihm noch einige Reisen in den mediterranen Süden vergönnt, deren künstlerischer Ertrag in farbenfrohen Bildern wie der „Hafen von Ischia“ lag. Alfred Stockburger erlag 1986 einem Krebsleiden.[3]
Ausstellungen
- 1928 Teilnahme an der Ausstellung des Deutschen Künstlerbundes (in Hannover, auf Empfehlung der Juroren Emil Nolde und Karl Hofer)
- 1930 Teilnahme an der Ausstellung der „Stuttgarter Juryfreien“ (in Stuttgart)
- 1988 Stockburger: Gedächtnis-Ausstellung. (im Rathaus Kusterdingen)
- 2015 Georg Alfred Stockburger. Gegen das Vergessen. (in Kusterdingen-Jettenburg)
Literatur
- Gemeinde Kusterdingen, Arbeitskreis Kunst im Rathaus Kusterdingen (Herausgeber), Anna Latz: Georg Alfred Stockburger. Gegen das Vergessen. (Katalog zur Ausstellung in der Galerie Kunstraum Härten in Kusterdingen-Jettenburg vom 12. April bis zum 10. Mai 2015), Kusterdingen 2015, 46 Seiten
- Ines Stöhr: Gegen das Vergessen von Alfred Stockburger, in Reutlinger Generalanzeiger, 10. Oktober 2014
- Siegbert Zurheide: "Ein Tier, das sich zum Winterschlaf anschickt:" Leiden und Leben des Tübinger Maler-Arztes Alfred Georg Stockburger, in: Tübinger Blätter 76, 1989, Seite 49 - 50
- Katrin Stockburger: Stockburger: Gedächtnis-Ausstellung im Rathaus Kusterdingen, 25. November bis 11. Dezember 1988 (Hawalik Verlag)
- Ulrich Hägele: Georg Alfred Stockburger 1907 - 1986 (Rede zur Ausstellungseröffnung in der Galerie Kunstraum Härten in Kusterdingen-Jettenburg am 12. April 2015)
- Ulrike Pfeil: Alfred Georg Stockburger, Ein Künstler im Schatten, Als Moderner blieb er beim Gegenständlichen, in: Schwäbisches Tagblatt, 21. Januar 2015
Weblinks
- Commons: Alfred Georg Stockburger – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
- Ines Stöhr: Gegen das Vergessen von Alfred Stockburger, in Reutlinger Generalanzeiger, 10. Oktober 2014
- Ines Stöhr: Von Kriegserlebnissen stark geprägt, in Reutlinger Generalanzeiger, 8. April 2015
- Eintrag „Alfred Georg Stockburger“ in: leo.bw
- Eintrag „Alfred Georg Stockburger“ in: Landesbibliographie Baden-Württemberg Online, Württembergische Landesbibliothek, Stuttgart
Einzelnachweis
- ↑ Diese biografische Information stammt von Frau Anna Latz (geb. Stockburger, älteste Tochter von A. G. Stockburger), Tübingen (Mail vom 17.04.2015 von A. Latz an den Wikipedia-Autor)
- ↑ vgl.: Günther Wirth: Verbotene Kunst 1933 - 1945, 1987 (Hatje Verlag), Seite 191, dort eine kurze Beschreibung der Entscheidung von Alfred Georg Stockburger
- ↑ a b Einige Detail-Informationen dieses Abschnittes stammen aus der Rede: „Georg Alfred Stockburger 1907 - 1986“ von Ulrich Hägele vom 12. April 2015 in Kusterdingen
- ↑ aus der Rede „Georg Alfred Stockburger 1907 - 1986“ von Ulrich Hägele vom 12. April 2015 in Kusterdingen
- ↑ Der Begriff der „Verschollenen Generation“ geht zurück auf das Werk: Rainer Zimmermann: Die Kunst der verschollenen Generation. Deutsche Malerei des expressiven Realismus von 1925–1975, Berlin 1980 (Econ Verlag), ISBN 3430199611
- ↑ Die Informationen zum Gaskessel-Bild sind dem Artikel: Ulrike Pfeil: Alfred Georg Stockburger, Ein Künstler im Schatten, Als Moderner blieb er beim Gegenständlichen, in: Schwäbisches Tagblatt, 21. Januar 2015, entnommen.
Personendaten | |
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NAME | Stockburger, Alfred Georg |
KURZBESCHREIBUNG | deutscher Arzt und Kunstmaler |
GEBURTSDATUM | 12. Mai 1907 |
GEBURTSORT | Kusterdingen-Wankheim |
STERBEDATUM | 5. April 1986 |
STERBEORT | Tübingen |