Lawine


Lawinen sind große Massen von Eis oder Schnee, die von Bergen ins Tal gleiten oder stürzen. Der Begriff Lawine wird heute oft auch im Zusammenhang mit anderen abrutschenden Materialen verwendet (z.B. Gerölllawine, Schlammlawine usw.) sowie für Dachlawinen. Ferner gibt es in der Physik verschiedene Vorgänge wie Durchbruchvorgänge in Halbleitern oder Gasen, die als Lawine bezeichnet werden (Elektronenlawine, Lawinenmultiplikation, Lawineneffekt).
Lawinen im eigentlichen Sinn zählen zu den Naturkatastrophen.
Geschichtliches
Etymologie
Das Wort Lawine leitet sich vom lateinischen Wort labīna "das Rutschen, Gleiten" (dieses zum Verb labi "gleiten") ab. Zunächst übernahmen die Alemannen der Schweizer Kantone Uri oder Glarus den Ausdruck von den damals noch dort lebenden Romanen als Láui oder Láuine, Láuene, was sich dann in der ganzen Deutschschweiz verbreitete. Erst im späten 18. Jahrhundert wurde der Ausdruck durch Reiseliteratur und vor allem durch Friedrich Schillers "Wilhelm Tell" im übrigen deutschen Sprachraum bekannt gemacht.
Historische Lawinenopfer
Seit der Mensch den alpinen Lebensraum erschloss, war er von Lawinen bedroht. Ursprünglich betraf es vor allem Heerzüge, die die Alpen überquerten. Schon Hannibal verlor auf seiner Alpenüberquerung die Hälfte seiner Soldaten durch Lawinen.
Erforschung
Früher dachte man, Lawinen würden von Hexen oder Geistern ausgelöst oder wären eine Strafe Gottes. Im Spätmittelalter erkannte man dann, dass Lawinen durch natürliche Ereignisse ausgelöst werden können, wie z.B. laute Geräusche oder durch das Werfen von Objekten (Schneebälle) auf einen lawinengefährdeten Hang.
Heute werden Lawinen wissenschaftlich erforscht, durch Modellversuche, Computersimulationen oder Feldforschung an natürlich und künstlich ausgelösten Lawinen. Man hat erkannt, dass eine Vielzahl von Faktoren bei der Entstehung von Lawinen eine Rolle spielen, z.B. Neigungswinkel des Hangs, Schneebeschaffenheit, Temperatur, Wind(verfrachtung), Schneehöhe und Belastung (z.B. durch Skifahrer).
Begriffe
Da sich die Vorgänge bei Schneelawinen erheblich voneinander unterscheiden können, gibt es unterschiedliche Begriffe, die sich nach verschiedenen Eigenschaften abgrenzen lassen:
Entstehung
Lawinengefahr entsteht aus der Wechselwirkung von mehreren natürlichen Faktoren wie Gelände, Neuschneemenge, Wind, Schneedeckenaufbau und Temperatur.
Gelände: Die Lawinengefahr steigt mit zunehmender Hangneigung. Trockenschneelawinen können bereits auf Hängen mit 30 Grad Neigung abgehen, Nassschneelawinen sogar unter 30 Grad. Von Einfluss sind auch Form, Bodenbedeckung und Exposition.
Neuschnee und Wind: Je mehr Neuschnee gefallen ist desto größer wird die Lawinengefahr. Der eigentliche Baumeister der Lawinen ist jedoch der Wind. Wenn bei Schneefällen noch Wind herrscht, wird der Schnee aufgewirbelt und in den Windschattenhängen, Lee seitig abgelagert. Dies ist oft durch Schneewehe, Schneewechten erkennbar, mit dem darunterliegenden Wechtenkeil als Hauptgefahrenbereich. Zudem zertrümmert der Wind die Schneekristalle, was ebenfalls zu mehr Instabilität führt.
Schneedecke: Durch das Gewicht der Schneedecke entstehen gewaltige Scherkräfte und Drücke, denen die verschiedenen Schneeschichten oft nur eine ungenügende Festigkeit entgegensetzen können. Am schlimmsten sind dabei lockere Zwischenschichten wie Schwimmschnee, Raureif oder lockerer Schnee auf Eislamellen. In einem Lawinenhang genügen meistens kleine zusätzliche Belastungen, um das Gleichgewicht zu zerstören und eine Lawine auszulösen.
Temperatur: Tiefe Temperaturen nach Schneefällen können die Verfestigung der Schneedecke verzögern; dadurch besteht die Lawinengefahr über längere Zeit weiter. Steigende Temperaturen vermindern die Festigkeit der Schneedecke und erhöhen kurzfristig die Lawinengefahr; sie fördern aber, mit zeitlicher Verzögerung, die günstige Verfestigung der Schneedecke, was meistens zur Abnahme der Lawinengefahr führt. Grundsätzlich hat jeder Temperaturwechsel eine Veränderung der Lawinensituation zur Folge.
Fortbewegung
- Fließlawine: Der Schnee rutscht über den Boden ohne dabei aufgewirbelt zu werden
- Staublawine: Ist der Schnee trocken, kann aus der Fließlawine bei genügender Geschwindigkeit eine Staublawine entstehen. Dabei bildet sich ein Luftwirbel, durch den die Lawine auf einem Luftkissen zu Tal gleitet. Bei großen Staublawinen können Windgeschwindigkeiten bis 350 km/h entstehen.
Gleitfläche
- Von einer Oberlawine spricht man, wenn eine obere Schneeschicht auf einer darunter liegenden abrutscht.
- Wird dagegen die ganze Schneedecke zu Tal gerissen, so dass der Boden sichtbar wird, bezeichnet man die Lawine als Grundlawine/Bodenlawine.
Typen von Lawinen
- Schneebrett(lawine): Hier bricht der Schnee an breiter Front an einer scharf begrenzten (Initialbruch)Kante ab. Die meisten Lawinen sind von diesem Typ.
- Lockerschneelawine: Sie beginnt an einer ganz kleinen Stelle. Die herabrollenden Schneeteilchen reißen weitere Teilchen mit sich, so dass sich die Lawine laufend verbreitert und eine fächer- oder birnenförmige Spur hinterlässt.
- Staublawine: Wird meist durch eine Schneebrettlawine ausgelöst. Bei einer Staublawine handelt es sich um ein Gemisch aus Schnee und Luft. Sie kann Geschwindigkeiten von 100 bis 300 km/h erreichen. Die dabei entstehenden Luftdruckwellen können auch außerhalb der Ablagerungszone Schaden verursachen .
Bahnlänge
- Hanglawinen sind bereits am Hang zum Stillstand gekommen
- Tallawinen rutschen bis zum tiefsten Punkt.
Gefährdungspotenzial
- Die aktuelle Lawinengefahr für ein bestimmtes Gebiet wird in den Gefahrenstufen 1 - 5 in der europäischen Lawinengefahrenskala eingeteilt.
Die aktuelle Lawinenwarnstufe wird in den Alpenländern während des Winters von den Lawinenwarndiensten jeden Tag bekanntgegeben. Örtliche Lawinenkommissionen beraten die örtlichen Behörden hinsichtlich der Erforderlichkeit von Schutzmaßnahmen für Siedlungen, Skigebiete und Verkehrswege.
Große Lawinenunglücke
- 20. September 2002 - Bei einem Lawinenunglück in der Karmadon-Schlucht in Nordossetien kommen 125 Menschen ums Leben.
- 28. Dezember 1999 - Bei einem Lawinenunglück im Jamtal (Gemeindegebiet von Galtür, Österreich) sterben neun Deutsche.
- 23. Februar 1999 - Ein Lawinenunglück in Galtür (Tirol) fordert 29 Menschenleben.
- Januar 1998 - Bei einer Wanderung in den französischen Alpen kommen neun Schüler und zwei Lehrer ums Leben.
- Februar 1991 - Auf der Italienischen Seite des Montblancs begräbt eine Eislawine sieben Skifahrer unter sich.
- März 1982 - 16 Personen kommen bei Lawinenabrutschern ums Leben.
- April 1970 - In Savoyen sterben 74 Menschen.
- 10. Februar 1970 - Lawinenunglück in Val d'Isère, 39 Tote
- 11. Januar 1954 - Im Österreichischen Bundesland Vorarlberg, im Großen Walsertal und im Montafon, werden 125 Menschen verschüttet.
Literatur
- Werner Munter, 3 x 3 Lawinen, Bergverlag Rother, 2002, ISBN 3763320601
- Martin Engler: Die weiße Gefahr - Schnee und Lawinen, ISBN 3-9807591-1-3
- Michael Hoffmann: Lawinengefahr. ISBN 3-405-15974-1 (Dies Buch ist sehr wissenschaftlich geschrieben und ist daher Laien nur bedingt zu empfehlen)
Siehe auch
- Lawinenkommission
- Lawinenbulletin
- Sandhaufen
- Europäische Gefahrenskala für Lawinen
- Lawinenverschütteten-Suchgerät
- Rutschblock
Weblinks
- Ganzheitliche Betrachtungsweise des komplexen Themas Lawinen und Risikomanagement
- GLOSSAR Schnee und Lawinen
- Informationen und Wissenswertes zur aktuellen Schnee- und Lawinensituation
- Übersicht europ. Lawinenwarndienste
- Übersicht der österreichischen Lawinenwarndienste
- Informationen zur aktuellen Lawinensituation in der Steiermark
- Eidgenössischen Institut für Schnee- und Lawinenforschung in Davos
- kostenlose Lehrgänge über Lawinen und Rettung
- Linksammlung des ASC Tübingen zu Lawineninfos - www.asct.de
- Projektarbeit zum Thema Lawinen
- Gefahreneinschätzung für Skitourengeher
- Lehrmanuskript zur systematischen Schneedeckendiagnose - kurz und verständlich!
- Skriptum: Schnee und Lawinen von Prof. Gerhard Lieb - Institut für Geographie und Raumforschung, Graz
- Lawinengefahr und Lawinenschutz - Von der Lawinenklassifizierung bis zu Schutzmaßnahmen