Englische Küche
Die traditionelle Englische Küche steht in dem Ruf, schwer verdaulich und langweilig - weil wenig gewürzt - zu sein oder ungewohnte Geschmacksrichtungen wie etwa Lammfleisch mit Minzsauce miteinander zu kombinieren.
Tatsächlich lassen sich innerhalb dessen, was man als englische Küche bezeichnet, mehrere Gruppen von Speisen unterscheiden.
Traditionelle Speisen
Traditionelle Küche
Die traditionelle britische Küche ist in mancher Hinsicht der deutschen Küche ähnlich, während andere Bereiche stark voneinander abweichen. Die Kombination von Fleisch, Kartoffeln und Gemüse (etwas abschätzig als meat and two veg bezeichnet) findet ihre etablierteste Form im Sunday roast oder Sunday dinner, einer Mahlzeit, die Sonntag mittag zu Hause, im Pub oder im Restaurant eingenommen wird. Die Kartoffeln werden oft als roast potatoes zubereitet, indem die geschälten rohen und halbierten Kartoffeln mit Öl bestrichen, gesalzen und im Ofen geröstet werden. Beliebte Gemüsesorten sind Karotten, Erbsen, Rosenkohl, Blumenkohl oder Broccoli. Als Fleisch für dieses Gericht eignen sich Lamm, Geflügel, Schwein oder Rind, wobei das Fleisch oft vor dem Servieren in dünne Scheiben geschnitten wird. Wichtig beim Sunday roast ist der Yorkshire-Pudding.
Kartoffeln spielen auch sonst in der britischen Küche eine entscheidende Rolle. Sie werden häufig zu jacket potatoes zubereitet, also als ganze Kartoffeln mit Schale mit etwas Öl bestrichen im Backofen gegart, bis die Haut knusprig wird. Die britische Version der bekannten Pommes frites sind die Chips, die sich allerdings in Größe, Form und Konsistenz von den ersteren unterscheiden. Kartoffelbrei (mashed potato) ist nicht nur eine Beilage zu Fisch und Würstchen (bangers and mash), sondern wird auch zur Zubereitung von cottage pies, cumberland pies, shepherd's pies oder fisherman's pies verwendet. Es handelt sich dabei um Gerichte, bei denen Hackfleisch oder Fisch gewürzt und mit Gemüse angegart wird, bevor man sie in einer feuerfesten Schale mit Kartoffelbrei überdeckt und im Ofen überbäckt. Der Begriff pie bezeichnet allerdings auch ganz andere Gerichte, nämlich Pasteten, wie pork pies - gekochtes, schnittfestes Schweinefleisch, das von einer Gebäckhülle umgeben ist. Bei den meist warm verzehrten meat and potato pies oder chicken and mushroom pies ist die Füllung eine Zubereitung aus Hackfleisch und Kartoffeln oder Hühnerfleisch und Pilzen. Verwandt mit den pies sind die pasties, bei denen als Hülle Blätterteig benutzt wird. Pasties enthalten ebenfalls eine Vielzahl von Füllungen (Fleisch, Käse, Gemüse) und werden nicht selten unterwegs auf die Faust verzehrt.
Anders als in Deutschland isst man in England oft zweimal täglich warm. Aus diesem Grund gibt es mehrere sehr einfache warme Speisen, die sich schnell zubereiten lassen, wie etwa beans on toast (Baked Beans auf gebuttertem Toast), cheese on toast oder bacon on toast (mit gebratenem oder gegrilltem Schinken). Die meisten Pubs bieten eine auch für Zugereiste ganz annehmbare Vielfalt von Gerichten.
Englisches Frühstück
Englisches Frühstück wird nicht so regelmäßig zu Hause verzehrt, wie der Name vermuten mag, da die Zubereitung relativ aufwendig ist. Dagegen findet man English breakfast in fast allen Hotels und Pensionen sowie in zahlreichen kleinen Cafés und Imbissen. Fester Bestandteil des englischen Frühstücks ist das Toast mit Butter oder Margarine, während die übrigen Zutaten variabel sind:
- bacon - gegrillter oder gebratener in Scheiben geschnittener Schinken
- eggs - entweder als scrambled egg (Rührei) oder fried egg (Spiegelei)
- sausage - gegrillte oder gebratene Würstchen
- tomato - gegrillte oder gebratene Tomate
- mushrooms - gegrillte oder gebratene Champignons
Zusätzlich zum obligatorischen Toast wird manchmal fried bread gereicht, also in der Pfanne geröstetes Brot. Auch kippers d.h. Räucherfisch (Makrele, Hering) und black pudding (gebratene Blutwurst) sind gelegentlich Teil des englischen Frühstücks. Zum Würzen gibt es Brown Sauce eine braune Sauce, die etwa die Konsistenz von Ketchup hat und auch in ähnlichen Flaschen dargeboten wird, sich aber durch einen würzig-sauren Geschmack auszeichnet. Auch Senf und Ketchup sind als Zusätze beliebt. Getrunken wird tea, schwarzer Tee mit Milch und oft auch Zucker. Auch Fruchtsäfte sind beliebt.
Es ist allerdings davon auszugehen, dass in den meisten Haushalten die einfacheren Formen von Frühstück vorwiegen. Dazu gehören Toast, Butter, Orangenmarmelade sowie andere Konfitüren, Honig und cereals (Porridge, Corn Flakes, Müsli usw.). Orangenmarmelade gibt es in verschiedenen Ausführungen mit oder ohne Orangenschale, sauer oder süß. Auch das Angebot an "cereals" ist überaus groß, wobei die Qualität hinsichtlich des Nährwertes stark variiert. Wie beim englischen Frühstück wird meist Tee getrunken, wobei der Konsument eine große Auswahl an verschiedenen schwarzen Tees hat. Andere Teesorten, wie sie etwa in Deutschland zu finden sind (Fenchel, Kamille, Fruchttee) werden in Großbritannien selten konsumiert. Kaffee hat in den letzten Jahren an Popularität gewonnen, wird aber in der häuslichen Küche oft nur als Pulverkaffee (auch Nescafé genannt) zubereitet.
Süßspeisen
Anders als in Deutschland wird Kuchen (cake) oft als Nachspeise gereicht. Beliebt ist z. B. die Kombination von warmem Schokoladenkuchen (chocolate cake) mit Vanilleeis und Schlagsahne. Profiteroles, etwa pflaumengroße Kuchenkugeln, werden mit warmer Schokoladensauce und Sahne serviert. Doughnuts (den Berlinern ähnliches Schmalzgebäck) wird mitunter auf der Straße zum sofortigen Verzehr verkauft. Eine Besonderheit bei der Sahne ist die double cream eine gehaltvolle, dickflüssigere Variante, die sich als Soße für Süßspeisen wie Pudding oder Obstcocktails eignet. Ebenfalls beliebt zu Süßspeisen ist custard, eine Vanillesauce, die warm wie auch kalt serviert wird. Zu Weihnachten werden Christmas Pudding und Christmas cakes wie mince pies verzehrt. Bei diesen Gerichten sind die Gewürze (u. a. Zimt) wie auch die dunkle Farbe (bei den mince pies die Farbe der Füllung) charakteristisch.
Fast Food, take-aways, Fertiggerichte
Das wohl wichtigste traditionelle Fast Food sind die Fish and Chips, die in traditionellen 'fish'n'chip shops', Pubs oder take-aways zubereitet und verkauft werden. Take-away ist ein Überbegriff für Imbissstuben, bei denen man die Speisen kauft, um sie mit nach Hause zu nehmen. Diese bieten oft eine große Palette von indischen, chinesischen oder anderweitig exotischen Speisen, wobei Fish'n'Chips manchmal als einzige britische Mahlzeit aufgeführt werden. Take-aways sind meist auf die Mitnahme spezialisiert, was bedeutet, dass man dort keine Tische und Stühle vorfindet, die Speisen aber praktisch und wärmeisoliert verpackt bekommt, inklusive Plastikbesteck und Servietten. Ähnlich wie in Deutschland sind Burger-Ketten überaus weit verbreitet. Mehr als in Deutschland spielen auch Fertiggerichte für die Mikrowelle oder für den Ofen eine verhältnismäßig große Rolle. Es gibt zahlreiche Geschäfte, die ausschließlich tiefgefrorene Lebensmittel anbieten, wobei der Anteil an Fertigspeisen sämtliche Kategorien von Gerichten umfasst, die man heute zur britischen Küche zählen kann. Auch in den Kühlregalen der Supermärkte ist das Angebot an fertigen Speisen überaus groß, wobei die Qualität mit dem Preis oft stark korreliert. Manche Produkte enthalten weitgehend rohe Zutaten wie etwa Hühnerbrust, rohes Gemüse, Fisch etc., während andere Gerichte vollständig gekocht sind und nur noch aufgewärmt werden.
Kalte Küche
Unter den kalten Gerichten spielen Sandwiches eine herausragende Rolle. Die wohl am weitesten verbreiteten Brotsorten sind white bread (Weizen-Weißbrot), wholemeal bread (Weizen-Vollkornbrot) und brown bread (eine Mischung zwischen wholemeal und white). In den letzten Jahren hat sich allerdings das Brotsortiment in den meisten Supermarktketten beträchtlich erweitert. French stick (Baguette) ist heutzutage fast überall zu bekommen. Außer den üblichen weichen Brötchen (rolls, buns oder muffins) werden auch knusprige Brötchen (crusty rolls) nach kontinentalem Vorbild immer beliebter. Gelegentlich findet man deutsches Schwarzbrot.
Auch was den Brotbelag anbelangt, macht sich der Einfluss des Kontinents bemerkbar. So finden sich in vielen Supermärkten neben den üblichen ham (Kochschinken) roast beef (Rindfleischaufschnitt) und chicken roll (Geflügelaufschnitt) auch Mortadella, Salami, Fleischwurst, Pastrami usw. Die wohl beliebtesten britischen Käsesorten sind Cheddar (gelb, schnittfest, je nach Reife unterschiedlich würzig) und Cheshire (hell, mild, oft noch krümelig). Beliebt ist auch der Blauschimmelkäse Blue Stilton. Die Auswahl an Käse- und Fleischaufschnitt ist quantitativ etwa mit Deutschland vergleichbar.
Historische Grundlagen
Die Englische Küche hatte im 19. Jahrhundert einen ausgezeichneten Ruf. In Frankreich beispielsweise verwies man auf die "cuisine anglaise", wenn auf besonders erlesene und exquisite Küche Bezug genommen werden sollte. Der Ruf begründete sich zurecht auf die damals hochstehende Esskultur des britischen Königreiches, denn durch den einfachen Zugang zu exotischen Gewürzen und Lebensmittel in der Kolonialzeit konnte auf den britischen Inseln im Großbürgertum eine neue Qualität in der Speisenzubereitung erzielt werden. Den wesentlichen Beitrag zur fachmännischen Zubereitung leistete das angestellte Hauspersonal, das sich im Laufe der Zeit die Koch-Expertise erarbeiten konnte. Mit dem Niedergang des Kolonialreiches und etwas später den wirtschaftlichen Auswirkungen des 1. Weltkrieges schwanden die Zugriffe auf die Ressourcen. Zum einen war die Beschaffung der exotischen Zutaten schwieriger geworden und damit auch teurer in der Anschaffung, zum anderen konnte das Bürgertum nicht mehr in grossem Umfang Dienstpersonal beschäftigen. Hierdurch wurden die Experten von den Zutaten endgültig getrennt. Wer die sich die Zutaten noch leisten konnte, verstand wenig von der Zubereitung. Wer kochen konnte, hatte nicht die Mittel, sich Zutaten für erlesene Gerichte zu verschaffen. So ging die Kunst des Kochens in der Englischen Küche zeitweise verloren.
Einfluß von Migranten auf die Eßgewohnheiten
Insbesondere Migranten aus Indien oder afrikanischen Ländern haben dazu beigetragen, dass die englische Küche sich der Welt wieder geöffnet hat und auf ein vergleichsweise hohes Niveau zurückgekehrt ist. Tatsächlich ist die typisch englische Küche im Alltag auf breitem Rückzug, zu Gunsten einer breiteren, (post-kolonial) britischen Identität. Heutige Lieblingsgerichte sind auch italienischen Ursprungs, wie z.B. Lasagne oder Pizza, aber ebenso aus anderen Teilen der Welt.
New Cuisine
Mit Jamie Oliver hat England einen sehr populären Star-Koch, der unter dem Spitznamen "Naked Chef" mit einfachsten Mitteln delikate Gerichte zubereitet. Oliver hat sicherlich einiges dazu beigetragen, dass die Englische Küche einen Teil ihres schlechten Rufs wieder verloren hat, nicht zuletzt, weil er einen Schwerpunkt auf einen eher mediterran angehauchten Stil (Olivenöl, Balsamico) legt. Aber nach wie vor bleiben die Feinheiten der Küche gerade für Touristen auch über längere Zeit verborgen. Daneben stehen Köche wie etwa Heston Blumental für eine moderne und innovative Neuinterpretation der britischen Küche.
Zitat: "Die Engländer haben die Tischreden erfunden, damit man ihr Essen vergisst" (Pierre Daninos).