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Ferdinand Piëch

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Ferdinand Piëch (2008)

Ferdinand Karl Piëch [ˈpiɛç] (* 17. April 1937 in Wien) ist ein österreichischer Manager, Großaktionär der Porsche Automobil Holding SE, seit 2002 Vorsitzender des Aufsichtsrates der Volkswagen AG und seit 2007 der MAN SE.

Leben

Frühe Jahre

Ferdinand Piëch ist das dritte Kind des Wiener Anwalts Anton Piëch und dessen Frau Louise, Tochter von Ferdinand Porsche. Sein älterer Bruder Ernst Piëch (* 1929) ist Schwiegersohn des ersten VW-Generaldirektors Heinrich Nordhoff. Die Schwester Louise Daxer-Piëch (1932–2006) war in der Geschäftsführung des österreichischen VW/Porsche-Generalimporteurs (heute: Porsche Holding) in Salzburg tätig. Der jüngere Bruder Hans-Michel Piëch (* 1942) ist Rechtsanwalt in Wien.

Von 1952 bis 1958 besuchte Ferdinand Piëch das Schweizer Internat Lyceum Alpinum Zuoz bei St. Moritz. Nach dem Studium des Maschinenbaus an der ETH Zürich – mit einer Diplomarbeit zur Entwicklung eines Formel-1-Motors – begann er 1963 seine Karriere unter seinem Onkel Ferry Porsche bei der Dr. Ing. h.c. F. Porsche KG in Zuffenhausen. Dort leitete er ab 1965 die Entwicklungsabteilung und wurde 1971 „Technischer Geschäftsführer“.

Anfang 1972 mussten sich aufgrund eines Familienbeschlusses alle Familienmitglieder aus der Geschäftsführung bei Porsche zurückziehen. Piëch gründete daraufhin in Stuttgart ein eigenes Konstruktionsbüro, wo er für Daimler-Benz das Fünfzylinder-Dieselaggregat OM 617 entwickelte, das 1974 im Mercedes 240 D 3.0 (W 115) erschien.

Im August 1972 wurde Piëch bei der VW-Tochtergesellschaft Audi NSU Auto Union AG im Werk Ingolstadt Hauptabteilungsleiter für Sonderaufgaben in der technischen Entwicklung und war ab 1975 Vorstandsmitglied für Technik. Auf seine Initiative brachte Audi NSU 1976 den ersten Pkw mit Fünfzylinder-Ottomotor (Audi 100 5E) auf den Markt. Am 1. September 1983 zum stellvertretenden Audi-NSU-Vorstandsvorsitzenden ernannt, übernahm Ferdinand Piëch am 1. Januar 1988 als Nachfolger von Wolfgang R. Habbel den Posten des Vorstandsvorsitzenden des seit 1985 unter dem Namen Audi AG firmierenden Unternehmens, wo er maßgeblich ein neues Markenbild schuf. Entscheidende Audi-Innovationen waren zu dieser Zeit unter anderem der permanente „quattro“-Allradantrieb (1980) und der TDI-Motor mit Dieseldirekteinspritzung (1989).

Zeit bei Volkswagen

Am 1. Januar 1993 wurde Ferdinand Piëch als Nachfolger von Carl Hahn Vorstandsvorsitzender der Volkswagen AG, die damals tief in der Verlustzone steckte.[1]

Piëch holte 1993 José Ignacio López und sieben seiner Mitarbeiter von General Motors mit einer Kompetenzausweitung zum damals angeschlagenen Volkswagen-Konzern nach Wolfsburg, wo dieser den neuen Vorstandsbereich „Produktionsoptimierung und Beschaffung“ übernahm. Auf Grund der Umstände des Übertritts – Lopéz hatte offenbar Firmeninterna mitgenommen – erstattete Opel bzw. General Motors Strafanzeige gegen die neuen VW-Mitarbeiter. Parallel wurde in den USA eine Klage auf Grundlage des RICO-Acts, einem Gesetz, das ursprünglich zur Bekämpfung organisierten Verbrechens geschaffen wurde, erhoben, von der auch Piëch betroffen war. In beiden Fällen unterstellte General Motors Verrat von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen und Industriespionage. Die Klagen wurden nach einem Vergleich zurückgezogen. Piëch musste dazu López 1996 zum Rücktritt drängen, außerdem zahlte VW 100 Millionen US-Dollar Schadensersatz an GM und bezog für 1 Milliarde US-$ Bauteile von GM.[2]

Mit umfangreichen Umstrukturierungs- und Rationalisierungsmaßnahmen zur Kostensenkung gelang es Piëch, den Volkswagenkonzern in den ersten Jahren wieder in die Gewinnzone zu bringen, jedoch traten zahlreiche Qualitätsprobleme bei den neueren Modellen auf.[3] In Piëchs Amtszeit als Vorstandsvorsitzender bei Volkswagen kam es zusätzlich zum Einstieg ins Hochpreissegment, unter anderem wurden Rolls-Royce Motor Cars und Bugatti Automobiles gekauft, sowie das Oberklasse-Modell Phaeton herausgebracht. Bis 2002 war Ferdinand Piëch Vorstandsvorsitzender von Volkswagen, seitdem ist er Vorsitzender des Aufsichtsrates.

Porsche und Volkswagen

Die Familien Porsche und Piëch kontrollieren den Sportwagenhersteller Porsche. Ferdinand Piëch allein besitzt 13,16 Prozent der Stammaktien. Er ist nicht nur Aufsichtsratsvorsitzender von VW und Mitglied in den Porsche-Aufsichtsgremien, sondern auch zu 10 Prozent Miteigentümer sowie Mitglied des Aufsichtsrats der Porsche Holding in Salzburg, dem Generalimporteur für die Marken des VW-Konzerns in Österreich und Osteuropa. In der Zeit seines Aufsichtsratsvorsitzes bei der Volkswagen AG und seiner gleichzeitigen Mitgliedschaft im Aufsichtsrat bei der Porsche AG erwarb die Porsche AG Anfang des Jahres 2005 einen Anteil von zirka 21 Prozent der Stammaktien der Volkswagen AG und baute diesen bis Oktober 2008 auf gut 42,6 Prozent aus, was einer faktischen Mehrheit auf der Hauptversammlung des Konzerns entspricht.[4]

Nach Presseberichten ermittelt seit Februar 2013 die Staatsanwaltschaft Stuttgart gegen Piëch im Zusammenhang mit dem Erwerb der VW-Aktien durch Porsche in den Jahren 2005 bis 2008. Es geht um den Vorwurf, Porsche habe 2008 in öffentlichen Erklärungen fälschlicherweise seine Absicht zur Aufstockung der VW-Beteiligung dementiert. Piëch wird – wie auch andere seinerzeitige Mitglieder des Aufsichtsrats – der Beihilfe zur Marktmanipulation beschuldigt.[5]

Privates

Ferdinand Piëch hat nach eigenen Angaben zwölf[6] Kinder aus vier Beziehungen, davon drei aus der im September 1984 geschlossenen Ehe mit Ursula Piëch, geb. Plasser. Die Kindergärtnerin aus Braunau am Inn meldete sich 1982 auf ein Inserat von Marlene Porsche, die eine Gouvernante suchte.[7] Fünf Kinder stammen aus der ersten Ehe mit Corina Piëch, geb. von Planta. Zwei Kinder stammen aus einer zwölf Jahre langen Verbindung mit Marlene Porsche, der später geschiedenen Frau seines Vetters Gerd Porsche.[8] Zwei weitere Kinder entstammen einer weiteren Beziehung.

Ferdinand Piëch ist eine der wenigen Persönlichkeiten im deutschsprachigen Raum, die sich zu ihrer Legasthenie bekannt haben.

Vermächtnis

Ferdinand Piëch übertrug im September 2010 seine Anteile an der Porsche Automobil Holding sowie die Anteile an dem Salzburger Autohandelsunternehmen Porsche Holding GmbH an die beiden Privatstiftungen „Ferdinand Karl Alpha" (betr. Porsche Stuttgart) und „Ferdinand Karl Beta" (betr. Porsche Salzburg) mit Sitz in Wien. In zwei je 38-seitigen Stiftungsurkunden versucht er, eine „nachhaltige" Lösung für die „gesicherte Zukunft" der Unternehmen zu schaffen. Demzufolge wird zu Piëchs Lebzeiten er allein die Verfügungsgewalt behalten; ferner übernimmt Ehefrau Ursula bei Einhaltung gewisser Klauseln eine bedeutende Rolle im Stiftungsrat und eheliche Kinder haben mehr Stimmrechte als nichteheliche.[9][10]

Rezeption

Leistungen

Als Leistungen Piëchs im VW-Konzern können unter anderem der (während seiner Zeit als VW-Vorstandsvorsitzender jedoch wieder relativierte) Aufbau von Audi als Premium-Marke und der Auf- und Ausbau von Seat und Škoda genannt werden. Anzuführen sind auch die Entwicklungen des kommerziell relativ erfolglosen „Dreiliter“-Lupo und die Studie eines straßentauglichen Einliterautos.[11] Auch der Kauf der Nobelmarken Bentley und Bugatti Automobiles fiel unter seine Ägide.

Wegen seiner Detailversessenheit auf schmale Spaltmaße, die nach seiner Ansicht die Qualitätsanmutung erhöhen, erhielt er den Spitznamen „Fugen-Ferdl“.[12]

Auszeichnungen

Kritik

Der Kauf der Rolls-Royce Motor Cars vom Rüstungskonzern Vickers erwies sich als problematische Investition. Volkswagen führte sie zunächst als 'Rolls-Royce & Bentley Motor Cars Ltd.' weiter. Da aber die Namensrechte an Rolls-Royce indirekt bei BMW lagen, musste Volkswagen die prestigeträchtige Marke Rolls-Royce an BMW verkaufen und konnte selbst nur den Markennamen Bentley nutzen.

Entwicklung und Bau des Oberklassemodells Phaeton sowie der Kauf und Aufbau der Luxusmarke Bugatti erwiesen sich trotz technischer Innovationen als wirtschaftliche Misserfolge und kosten Volkswagen jährlich große Beträge.

Ähnliches gilt für den Passat W8. Obwohl die Entwicklung schon weit fortgeschritten war, wechselte Piëch beim 1996 präsentierten Mittelklassemodell Passat von einer am VW Golf orientierten Plattform auf die des Audi A4 und somit vom Quereinbau des Motors zum Längseinbau, um auch in dieser Klasse Fahrzeuge mit mehr als sechs Zylindern anbieten zu können. Mit enormem Aufwand wurde eigens für diesen Zweck ein Achtzylindermotor in W-Form entwickelt. Dieses W8-Modell wurde selten verkauft, und der Motor wurde in keinem anderen Konzernmodell eingesetzt, was die anschließende Einstellung der Produktion bedingte. Der ab 2005 gebaute Passat B6 und seine Nachfolger sind wieder Fahrzeuge mit quer eingebauten Motoren.

Darüber hinaus führte die Sparpolitik unter Piëch mit dem neu geschaffenen Vorstandsbereich „Produktionsoptimierung und Beschaffung“ unter der Leitung von Ignacio López zu erheblichen Qualitätsproblemen, insbesondere bei den VW Golf IV der ersten Produktionsjahre (zum Beispiel Zahnriemenschäden, gerissene Motorblöcke und Lack- und Karosseriemängel), die durch hohe Gewährleistungskosten den VW-Konzern belasteten und zu Imageproblemen führten.

Als Vorstandsvorsitzender der Volkswagen AG war er mitverantwortlich für die Entlassung zahlreicher Angestellter des oberen Managements sowie einer Vielzahl von Vorständen, sowohl bei Volkswagen als auch insbesondere bei Audi. Beispiele:

  • der Audi-Chef Franz-Josef Kortüm, der 1993 schon nach 13 Monaten verabschiedet wurde, weil Piëch mit den Absatzzahlen nicht zufrieden war.
  • Auch dessen Nachfolger Herbert Demel musste den Posten nach wiederholten Auseinandersetzungen mit Piëch bald wieder räumen.
  • Darauf folgte Franz-Josef Paefgen. Piëch entließ ihn 2001[19].

Auch die Diskussion um die Zukunft des VW-Vorstandschefs Bernd Pischetsrieder Anfang 2006, welcher einst von Piëch als dessen Nachfolger aufgebaut wurde, wurde von einer Aussage Piëchs angestoßen. Dieser stellte im Februar 2006 öffentlich die Unterstützung Pischetsrieders seitens der Arbeitnehmervertretung im Aufsichtsrat von VW in Frage. Dennoch wurde der Vertrag Pischetsrieders im Mai 2006 verlängert. Das hinderte den Aufsichtsrat allerdings nicht daran, Pischetsrieder zum 31. Dezember 2006 seines Vorstandspostens zu entheben.

Literatur

Radio-Feature

Einzelnachweise

  1. Alfons Frese: Wer ist Ferdinand Piëch?. In: Tagesspiegel, 6. März 2006.
  2. Industriespionage. Verdächtige bei Opel, Oracle und Ferrari. In: Die Welt, 12. Mai 2007.
    Heinz Blüthmann: López hat VW mehr gebracht als geschadet. In: Die Zeit, 17. Januar 1997.
  3. Richard Rickelmann, Hawranek: Das verflixte fünfte Jahr. In: Der Spiegel. Nr. 52, 1997 (online).
  4. Porsche bringt VW unter seine Kontrolle. In: Spiegel Online – Wirtschaft, 16. September 2008.
  5. Frankfurter Allgemeine vom 14. Dezember 2013, S. 22.
  6. Ferdinand Piëch – Umstrittene Krawatten und unbekannte Kinder. In: manager magazin, 8. Februar 2006
  7. Holger Appel: Ursula Piëch – Von der Gouvernante zur Konzernlenkerin, FAZ vom 20. September 2010 [1]
  8. Wolfgang Helmer: Ferdinand Piëch: Unberührt und ungerührt. In: FAZ, 8. Dezember 2006.
  9. Nachlass auf 38 Seiten genau geregelt – Krieg um VW-Erbe zeichnet sich ab In: ORF, 18. September 2010 unter Berufung auf FOCUS
  10. focus.de: Das diskrete Vermächtnis des Auto-Tycoons
  11. Herbert Völker: Piëch im 1-Liter-Auto: Am Anfang war der Pinguin. In: derstandard.at. 5. April 2013, abgerufen am 5. April 2013 (deutsch).
  12. Rafaela von Bredow: Der Rowdy steckt in uns allen. In: Der Spiegel. Nr. 37, 2001, S. 148 (online).
  13. „Piech wird Ehrenbürger der Stadt Ingolstadt“, Stadt Ingolstadt
  14. http://www.braunschweig.de/politik_verwaltung/nachrichten/EhrenbuergerPiech.html
  15. James G. Cobb: This Just In: Model T Gets Award. In: New York Times, 24. Dezember 1999.
  16. automobilwoche.de: Automobilwoche-Leser wählen Ferdinand K. Piëch zur Persönlichkeit des Jahrzehnts [2]
  17. Jury wählt VW-Aufsichtsratschef zum wichtigsten Manager Deutschlands der letzten vierzig Jahre in: manager magazin online vom 19.Oktober 2011
  18. WHZ-Pressemitteilung vom 26. November 2012 [3]
  19. Henning Peitsmeier: Ferdinand Piech: Die Intrigen des Porsche-Enkels. In: FAZ, 5. März 2006. zuvor hatte er ihm in einem FAZ-Interview „Stillstand” bei Audi vorgeworfen - [Archiviert: archive.org]