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Schweinezyklus

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Schweinezyklus ist ein Begriff ursprünglich aus der Agrarwissenschaft und bezeichnet eine periodische Schwankung auf der Angebotsseite, wie sie exemplarisch ursprünglich auf dem Markt für Schweinefleisch von Arthur Hanau in seiner Dissertation über Schweinepreise 1927 dargestellt wurde. Der Begriff ist mittlerweile auch in der Wirtschaftswissenschaft verbreitet.

Modell

Schematische Darstellung des Schweinezyklus

Bei hohen Marktpreisen kommt es zu verstärkten Investitionen, die sich wegen der Aufzuchtzeit erst mit einem Verzögerungseffekt („Time Lag“) auf das Angebot auswirken, dann aber zu einem Überangebot und Preisverfall führen. Infolgedessen kommt es zur Reduzierung der Produktion, die sich ebenfalls erst zeitverzögert auswirkt – und dann wiederum zu einem relativen Überschuss der Nachfrage (Angebotslücke) und dadurch steigenden Preisen führt.

Durch diese Zeitverzögerungen im Regelmechanismus zwischen Angebot, Nachfrage und Preis entsteht eine Marktsituation, die das Angebot schwanken lässt. Erst wenn sich die Schweinehalter an den zu erwartenden Preisen im Vermarktungszeitpunkt statt an den aktuellen Schweinepreisen zum Zeitpunkt der Investitionsentscheidung orientieren, kann der Zyklus gestoppt und der Marktpreis stabilisiert werden.

Methodisch orientiert sich die Arbeit Hanaus an US-amerikanischen Vorarbeiten von Mordecai Ezekiel und G.C. Haas, die ab 1925 die Schweinepreisentwicklung und ihre Schwankungen in den USA statistisch beschrieben.

Eine theoretische Erklärung für den Schweinezyklus versucht das ebenfalls auf Mordecai Ezekiel aufbauende Spinnwebtheorem (Cobweb-Theorem) zu geben.

Bedeutung

Der Begriff wird in den Wirtschaftswissenschaften im übertragenen Sinn für analoge Vorgänge auf anderen Märkten gebraucht. Auf Arbeitsmärkten etwa führen hohe Gehälter oder allgemein gute Chancen in einem bestimmten Bereich zu einer steigenden Zahl von Studienanfängern, die dann nach mehreren Jahren gleichzeitig auf den Arbeitsmarkt drängen. Die schlechteren Job-Aussichten schrecken sodann neue mögliche Studienanfänger ab. Beispiele für solche Arbeitsmärkte in Deutschland sind der Ingenieurberuf und der Lehrerberuf.[1][2]

Auch bei der Produktion von Industriegütern wie zum Beispiel Computerchips kann der Schweinezyklus beobachtet werden: Hohe Preise für Speicherchips führen zu einem Anziehen der Investitionen und zeitverzögert zu einem Aufbau neuer Kapazitäten. Wenn die neuen Kapazitäten am Markt sind, entsteht ein Überangebot, das die Preise fallen lässt und zu verringerten Investitionen führt, bis die Nachfrage das Angebot, das wiederum nur zeitverzögert reagiert, wieder übersteigt. Auch auf Immobilienmärkten (vgl.: Immobilienuhr) oder bei der Förderung von Rohstoffen wie etwa Erdöl können sich Märkte nach dem Schweinezyklus verhalten.[3] Bei Elektrizitätsmärkten lässt sich der Effekt ebenfalls ansatzweise beobachten. Hier sind die Investitionszyklen aufgrund der langen Realisierungszeiten von Kraftwerksneubauten im Sinne einer Totzeit (Time lag) und Nutzungsdauern von energietechnischen Anlagen besonders lang. Es existiert jedoch keine Übernachfrage nach Elektrizität, da dies den sofortigen Zusammenbruch des Netzes (Blackout) zur Folge hätte. Jan Tinbergen stellte einen Schiffbauzyklus und einen Wohnungsbauzyklus fest.

Einzelnachweise

  1. Vgl. Horst Wildemann, manager magazin online, 20. August 2008: „Der Schweinezyklus“
  2. Hans-Willy Bein, Das Parlament, 20. April 2009: „Der Stahl und der Schweinezyklus“
  3. Ralf Drescher, Handelsblatt online, 12. August 2010: „Rohstoffe - Die Mutter aller Schweinezyklen“

Literatur

Wiktionary: Schweinezyklus – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen