Change.org
Change.org | |
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Rechtsform | eingetragener Verein |
Gründung | 2007 |
Gründer | Ben Rattray |
Sitz | Flatiron Building |
Website | www.change.org |
Change.org ist eine weltweit agierende Plattform für Online-Aktivismus und mit 25 Millionen Nutzern die nach eigenen Angaben größte Petitionsplattform der Welt. Die Organisation gibt keine Themen und keine politische Einstellung vor, sondern überlässt dies den Nutzern der Plattform. Erklärtes Ziel von Change.org ist es, „Menschen weltweit die Möglichkeit zu geben, sich für die Welt einzusetzen, in der sie leben möchten.“[1]
Gründung und Entwicklung
Change.org wurde 2007 von Ben Rattray und Mark Dimas als Social Business gegründet. Rattray wollte ursprünglich Investmentbanker werden. Als er erlebte, welche nachteiligen Reaktionen sein Bruder auf dessen homosexuelles Coming-Out erfuhr, beschloss er, sich dafür einzusetzen, dass Menschen ihr direktes Umfeld verändern können.[2] Zunächst versuchten Rattray und sein Stanford-Kommilitone Dimas soziales Fundraising, ein Freiwilligen-Netzwerk oder Bloggergruppen im Internet zu organisieren, womit sie jedoch zunächst keinen Erfolg hatten.
Deshalb begannen Rattray und Dimas 2010 damit, die Seite neu aufzubauen und den Fokus auf kollektive Aktionen und Bürgerbeteiligung zu legen. Menschen sollten mit Hilfe von Change.org Petitionen starten, sich gegenseitig unterstützen und so erfolgreich gesellschaftlichen Wandel herbeiführen. Change.org wächst nach eigenen Angaben mittlerweile mit zwei Millionen Nutzern pro Monat,[3] beschäftigt 150 Mitarbeiter in 18 Ländern, existiert in elf Sprachen und wird in 196 Ländern der Welt genutzt.[4][5]
Im April 2012 nahm das US-Nachrichtenmagazin Time Change.org-Gründer Ben Rattray in die Liste der 100 einflussreichsten Menschen der Welt auf.[6]
Ziele und Arbeitsweise
Change.org ist eine kostenlose Kampagnenplattform für jedermann. Die Organisation will es fördern, dass Einzelpersonen sich jederzeit zutrauen, gesellschaftliche Veränderung anzustoßen. Es sei grundsätzlich das Bedürfnis und die Fähigkeit eines jeden Menschen, Ungerechtigkeiten zu beseitigen und dafür die selbst empfundene Ohnmacht zu überwinden.[7] Dazu können Nutzer im Internetangebot von Change.org in erster Linie Online-Petitionen zu einem beliebigen Thema erstellen und verbreiten, wobei die festen Mitarbeiter von Change.org in manchen Fällen handwerkliche und strategische Unterstützung leisten.[8]
Finanzierung
Change.org ist als gemeinnütziges Unternehmen, ähnlich einer gGmbH oder eines Social Business, strukturiert und betreibt sein Finanzierungsmodell demnach ausschließlich zum Betrieb und Ausbau der Plattform selbst. Zum Nachweis der Nachhaltigkeit und gemeinnützigen Ausrichtung des Geschäftsmodells verweist Change.org zudem auf die unabhängige Evaluation durch den Zertifizierer B-Lab.[9]
Change.org generiert Umsatz durch das Angebot an andere Organisationen, gesponserte Petitionen zu schalten, die den Nutzern unter bestimmten Bedingungen angezeigt werden. Werden diese Petitionen gezeichnet und stimmen die Nutzer zudem zu, dass die betreffende Organisation sie künftig direkt kontaktieren darf, erhält Change.org hierfür eine Gebühr. Diesen Dienst nutzen u. a. Organisationen wie Amnesty International, ONE oder Oxfam.[10] So finanziert Change.org u. a. auch Mitarbeiter und ein Angebot in Entwicklungsländern, in denen kein Umsatz erzielt wird. Der Jahresumsatz lag Medienberichten zufolge im Jahr 2012 bei 15 Millionen US-Dollar.[3]
Bekannte Fälle
Trayvon Martin
Einer der bekanntesten Fälle auf Change.org und zugleich eine der am zahlreichsten unterstützten Online-Petitionen ist der Fall Trayvon Martin. Im Februar 2012 erschoss der Latino George Zimmerman den unbewaffneten 17-jährigen Afroamerikaner Trayvon Martin. Die lokalen Behörden wollten den mutmaßlichen Täter nicht verfolgen. Die öffentlichen Proteste und Medienberichte, die schließlich zur Aufnahme der Ermittlungen führten, wurden von einer Petition begleitet und verstärkt, die Trayvons Eltern auf Change.org eingestellt hatten und die schließlich über 2,2 Millionen Unterschriften auf sich vereinigte.[11]
Rededuell beim US-Präsidentschaftswahlkampf
Im US-Präsidentschaftswahlkampf von 2012 war Candy Crowley die erste Frau seit 1992, die eines der TV-Duelle zwischen den Kandidaten Barack Obama und Mitt Romney moderierte. Damit setzten sich die erst 16-jährigen Mädchen Emma Axelrod, Sammi Siegel and Elena Tsemberis durch, die in einer Petition an die Debattenkommission gefordert hatten, dass eine Frau eines der Rededuelle moderieren möge.[12]
Regierungshandeln gegen „korrigierende“ Vergewaltigungen
Lesbische Frauen werden u. a. in Südafrika teils Opfer von Vergewaltigungen, die von den Tätern vorgeblich in der Absicht unternommen werden, die Frauen durch die Vergewaltigung wieder heterosexuell zu machen und daher unter dem Euphemismus „korrigierende Vergewaltigung“ bekannt sind. Diese Verbrechen blieben lange straflos. Erst die Petition einer Südafrikanerin, deren Freundin Opfer eines solchen Verbrechens geworden war und die weltweit Aufsehen erregte, veranlasste die südafrikanische Regierung, Gegenmaßnahmen zu ergreifen.[13]
Beschäftigung und Unterbringung von Leiharbeitern bei Amazon
Die in der ARD am 13. Februar 2013 ausgestrahlte Reportage Ausgeliefert! Leiharbeiter bei Amazon[14] berichtete von bis zu 5.000 Menschen, die als Saisonarbeitskräfte aus vielen Ländern Europas über die Arbeitsagenturen angeworben wurden. Nach Darstellung der ARD wurden die Leiharbeitnehmer in angemieteten „Ferienwohnanlagen“ und Hotels durch angsteinflößende „Security-Leute“[15][16] der Firma H.E.S.S überwacht. Sie hätten rechtsverletzend bis in die „Privatsphäre“ der abgesonderten Arbeitnehmer vordringen können.[17]
Anfang 2013 startete ver.di auf der Online-Petitionsplattform Change.org eine Petition zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen der Leiharbeiter bei Amazon.[18] Am 28. Februar 2013 wurden eine Liste mit 37.000 angeblichen Unterstützern aus ganz Deutschland an die Werksleitung von Amazon im Logistikzentrum Bad Hersfeld übergeben.[19]
Volumendrosseltarif der Deutschen Telekom
Die Deutsche Telekom kündigte im April 2013 an, ihre DSL-Flatratetarife künftig mit Volumenbegrenzungen zu versehen. Das eigene Angebot T-Entertain sollte davon aber ausgenommen sein. Zudem kündigte Deutschlandchef Niek-Jan van Damme an, ausgewählte Anbieter gegen Bezahlung von der Drosselung auszunehmen.[20] Der 18-jährige Abiturient Malte Götz sah darin eine irreführende Verwendung des Begriffs Flatrate und eine Verletzung der Netzneutralität. Seine Petition vereinigte nach wenigen Wochen über 200.000 Unterschriften auf sich.[21] Zahlreiche Netzaktivisten und die Digitale Gesellschaft organisierten ebenfalls Proteste. Über Malte Götz und seine Petition wurde medial umfassend berichtet, er traf Telekom-Chef van Damme [22] und er erzielte schließlich einen weitreichenden Teilerfolg: Im Juni gab die Telekom bekannt, die Drosselpläne erheblich abzumildern.[23] Kurz darauf wurde bekannt, dass der damalige Wirtschaftsminister Philipp Rösler – wie in der Petition gefordert – zudem eine gesetzliche Garantie der Netzneutralität plant.[24]
Kritik
Im Sommer 2012 veröffentlichte die Huffington Post überarbeitete Werberichtlinien von Change.org, noch bevor die Organisation dies selbst tun konnte. Die Organisation stellte darin klar, dass sie grundsätzlich für Gruppen aus dem gesamten demokratischen Spektrum offen sei. Diese Veröffentlichung brachte Change.org von Teilen linksorientierter Kreise in den USA Kritik ein, weil diese Gruppen Change.org als linksgerichtet-progressive Plattform wahrgenommen hatten.[25] Ben Rattray verteidigte, ebenfalls in der Huffington Post, die Ausrichtung seiner Organisation und argumentierte, nur als offene Plattform könne Change.org in verschiedenen Ländern der Welt ein Instrument für den Wandel sein, den die jeweiligen Gesellschaften anstrebten.[26]
Außerdem wird change.org dafür kritisiert, dass es, nach seinen Nutzungsbedingungen, Daten an Partnerorganisationen und sogar unbeteiligte Dritte verkaufen darf.[27]
Weblinks
- Change.org/de Deutschsprachige Internetpräsenz
- Interview mit Gründer Ben Rattray durch Jon Stewart Daily Show
- Ben Rattray zur Frage der Wirksamkeit von Online-Aktivismus Sender MSNBC auf youtube
Einzelnachweise
- ↑ change.org
- ↑ wissen.spiegel.de
- ↑ a b venturebeat.com
- ↑ allvoices.com
- ↑ Lars Sobiraj: Die Petitionsplattform Change.org im gulli:Interview. In: gulli.com, 22. April 2013
- ↑ time.com
- ↑ huffingtonpost.com
- ↑ Ulrich Schlenker: “Die besten Tools für leidenschaftliche Menschen”. Change.org auf deutsch. kampagne20.de, 31. Juli 2012, abgerufen am 28. August 2013.
- ↑ change.org
- ↑ Ulrich Schlenker: “Die besten Tools für leidenschaftliche Menschen”. Change.org auf deutsch. kampagne20.de, 31. Juli 2012, abgerufen am 28. August 2013.
- ↑ guardian.co.uk
- ↑ forbes.com
- ↑ abcnews.go.com
- ↑ Ausgeliefert! Leiharbeiter bei Amazon. Reportage/Dokumentation von Diana Löbl und Peter Onneken im Auftrag des hr, 29:07 Min., deutsche Erstausstrahlung am 13. Februar 2013 in Das Erste.
- ↑ Nicolai Kwasniewski: ARD-Dokumentation: Wie Amazon Leiharbeiter kaserniert. In: Der Spiegel vom 13. Februar 2013
- ↑ Amazon 'used neo-Nazi guards to keep immigrant workforce under control' in Germany - Internet giant investigates abuse claims by foreign workers in its German warehouses. 14. Februar 2013, abgerufen am 17. Februar 2013.
- ↑ Frank Lübberding: Frühkritik: Leiharbeiter bei Amazon Made in China. In: Frankfurter Allgemeinen Zeitung vom 14. Februar 2013
- ↑ #Amazon Deutschland: Verbessern Sie die Arbeitsbedingungen Ihrer Leiharbeiter. 15. Februar 2013, abgerufen am 18. Februar 2013.
- ↑ 37.000 Unterschriften für bessere Arbeitsbedingungen bei Amazon übergeben. 28. Februar 2013, abgerufen am 3. März 2013.
- ↑ Telekom lässt Vielnutzer den Internetausbau finanzieren. 2. Mai 2013, abgerufen am 7. August 2013.
- ↑ Change.org-Petition gegen die Drosselpläne der Telekom. 3. Mai 2013, abgerufen am 7. August 2013.
- ↑ Zusammenfassung des Gesprächs mit Jan Niek van Damme auf Malte Götz Blog. 22. April 2013, abgerufen am 7. August 2013.
- ↑ Telekom bremst weniger scharf. 12. Juni 2013, abgerufen am 7. August 2013.
- ↑ Rösler will Telekom zur Netzneutralität zwingen. 16. Juni 2013, abgerufen am 7. August 2013.
- ↑ huffingtonpost.com
- ↑ huffingtonpost.com
- ↑ Frank Schirrmacher: Wir wollen nicht. In: FASZ. 25. August 2013, ISSN 1611-3993 D(?!), S. 37.