Zagłębie Dąbrowskie
Zagłębie Dąbrowskie (deutsch Dombrowaer Kohlenbecken) ist eine Industrieregion in Polen in der Woiwodschaft Schlesien. Sie befindet sich östlich der Bezirkshauptstadt Kattowitz am Rande des oberschlesischen Steinkohlebeckens. Die Stadtgrenzen sind dabei kaum zu merken, so stark zusammen gewachsen sind die Ortschaften. Historisch gesehen ist Zagłębie nicht schlesisch, die gemeinsame industrielle Entwicklung ließ die Region mit Oberschlesien zusammen wachsen, wenn auch die Unterschiede bis heute zu einigen Animositäten unter den Einwohnern der Region jenseits des historischen Grenzstromes Brynica führen und Stereotypen fortbestehen lasssen: In Oberschlesien wird schlesisch gesprochen, man ist unter sich, die Leute seien eher einfache Arbeiter, sehr katholisch oder evangelisch, eifrig und Warschau-feindlich. Die Einwohner des Zagłębie, Zagłębiacy, seien dagegen die cleveren Karrieretypen, atheitstisch, Kommunisten und Warschau gehorsam. Einiges an den Vorurteilen stimmt jedoch: In Zagłębie wird Standardpolnisch gesprochen (bis auf Jargon der Arbeiter) dank der Bewohnermischung aus allen Ecken Polens und später Entwicklung der Region. Auch die Zahl der Katholiken auf Sonntagsmessen ist die niedrigste in ganz Polen. Die gute Anbindung an Warschau erlaubt den Zagłębiacy auch eher Kontakte zu der Hauptstadt des Landes, die in Oberschlesien als Machtzentrum und ungewollter Konsument der Industrieprodukte empfunden wird.
Name
"Zagłębie" (sprich: Saguämmbje) bedeutet auf Polnisch soviel wie Revier, (Kohlen)becken. Man musste Anfang des 20. Jahrhunderts einen Namen für die sich im von Russland besetzen Teil Polens entwicklende Region geben, die historisch nicht zu Schlesien gehörte. Da es auch andere Industriegebiete („zagłębie„) gab, wurde der Name um das Adjektiv „Dąbrowskie„ ergänzt (Dombrowaer Kohlenbecken). Da dieses Revier jedoch immer wichtiger und die anderen unwichtiger wurden, kann heute das Wort „Zagłębie„ auch alleine gebraucht werden. Um Verwechslungen zu meiden wird der ganze Name ausgeschrieben.
Geschichte
Erste Ansiedlungen gab es schon im 9. Jahrhundert. In der heutigen Stadt Będzin wurde auf einem Hügel eine Burg errichtet um die eine Siedlung entstand. Spätestens im Jahr 1349 erhielt der Ort das Stadtrecht nach polnischem Recht.
Im Jahr 1228 wurden die anderen Städte der Region Sosnowiec und Czeladź als Chelad das erste Mal urkundlich erwähnt. Die vierte Stadt Dąbrowa Górnicza wurde erst 1755 urkundlich erwähnt.
Zagłębie entwickelte sich an der Grenze zu der Region Schlesien, blieb jedoch immer polnisch als Teil Kleinpolens.
1773 wurden die Orte der Region Teil Preußens als sog. Neuschlesien. Nach der Niederlage Preußens gegen Napoléon wurde Zaglebie 1807 Teil des von Napoleon gegründeten Herzogtums Warschau. Der Wiener Kongress gab es an das neugegründete Königreich Polen, das nur scheinbar autonom, in Wahrheit aber russisch war und ab 1831 auch ofiziell russische Provinz wurde. In dieser Zeit erlebte die Region dank der Industrialisierung einen rasanten Aufschwung, bekam den Namen Zagłębie Dąbrowskie und wurde Konkurrent des preußischen Oberschlesischen Industriegebietes. Mit der Neugründung Polens 1918 wurde Zagłębie wieder polnisch und der Woiwodschaft Kielce eingegliedert und damit nicht der 1922 begründeten Woiwodschaft Schlesien. Der Unterschied zwischen dem „polnischen“ Zagłębie und dem „schlesischen“ Oberschlesien bestand fort. Ende der 1920er entsteht ein Normalspur-Straßenbahnnetz in Zagłębie. Erst nach der Umspurung der schlesischen Schmalspurbahnen entstand eine Straßenbahnverbindung nach Katowice und Chorzów (damals Królewska Huta). Die Linie war sehr stark frequentiert, da in Sosnowiec gut und billiger eingekauft werden konnte (viele jüdische Läden). Auch in Sachen Wettspiele oder Prostitution war Sosnowiec für die Schlesier ein Ziel, ofiziell jedoch eher als verdorbene Gegend verpönt. Sonst waren die Zagłębiacy in Oberschlesien als Konkurenten auf dem Arbeitsmarkt angesehen.
Nach dem Angriff Deutschlands auf Polen wurde Zagłebie im September 1939 dem deutschen Grenzschutz-Abschnitt-Kommando 3, Chef der Zivilverwaltung in Kattowitz unterstellt. Seit 26. Oktober 1939 gehörte die Region zum Generalgouvernement für die besetzten polnischen Gebiete. Erst mit der endgültigen Festlegung der neuen deutschen Ostgrenze wurden die Städte der Region am 20. November 1939 in das Deutsche Reich eingegliedert und gehörte nunmehr zum Regierungsbezirk Kattowitz in der preußischen Provinz Schlesien. Damit wiederholte sich die Geschichte und Zagłębie Dąbrowskie wurde zum zweiten Mal mit Schlesien verbunden. Die hohe Zahl an Juden führte zu Entstehung von Ghettos. Im Gegensatz etwa zu der Lage in Warschau durften die Juden mit den Straßenbahnen fahren, wenn auch nur im zweiten Beiwagen (ohne Sitzbänke). Die meisten der hiesigen Juden endeten tragisch im 80 km entfernten Auschwitz - da es sich oft um reiche Kaufleute mit Vermögen handelte, gingen die Transporte aus Zagłebie als "an Sachen wertvollste" in die Geschichte des KZ ein.
Nach 1945
Im kommunistischen Polen wurde Zagłębie mit Oberschlesien vereint und bildete seitdem das Oberschlesische Industriegebiet. Zunächst wies der Name der neuen Woiwodschaft auf dieses Zusammenwachsen hin indem sie als „Śląsko-Dąbrowskie“ bezeichnet wurde. 1975 entstand eine neue kleinere Woiwodschaft Kattowitz. Nach der neuesten Verwaltungsreform von 1999 lautet der Name der neuen Region Woiwodschaft Schlesien ohne den Zusatz „Dombrowaer/Dąbrowskie“ was aber nicht heisst, dass sich die Einwohner der „Vierstadt“ Sosnowiec - Dąbrowa Górnicza - Będzin - Czeladź als Schlesier fühlen. Der Unterschied zum schlesischen Teil des Industriegebietes wurde in den 1970er Jahren noch einmal deutlicher, da der damalige Staatschef Edward Gierek aus einer Sosnowitzer Vorstadt stammte. So wurden im Zaglebie viele alte Arbeiterkolonien abgerissen und auf dieser Stelle moderne grosszügig angelegte Wohnsiedlungen meist als Plattenbau aufgebaut. Dazu kamen die komplette Umbaung aller Hauptwege zu breiten Strassen oder Alleen mit in der Mitte auf dem Rasen geführten Straßenbahn. Die Straßenbahlinie Nr. 15 von Kattowitz nach Sosnowiec war in den 1980er die modernste des Landes. Bis heute erlaubt das Strassennetz im Zaglebie schnellen und staufreien Autoverkehr. Auch eine der grössten Wirtschaftsinvestitionen des sog. neuen Sozialismus in den 1970er Jahren war die in Dąbrowa Górnicza aufgebaute Riesen-Stahlhütte (heute im Weltkonzern Mittal), die das Stadtbild wesentlich veranderte - die Straße zwischen der Innenstadt und den Werken wurde zur Gratlinie dieser Großstadt. In Dąbrowa enstand auch der Pogoria III, ein Kunstsee auf dem ehem. Sandgrubengelände als Erholungsgebiet für die Vierstadteinwohner. Das moderne, entwickelte und "saubere" sozialistische Zagłębie stand damit im Kontrast zum "verschmutzten" und eher der Regierung in Warschau gegenüber feindlich eingestelltem Oberschlesien, wo bis heute alte Arbeiterkolonien, schmale Straßen und eingleisige Straßenbahnstrecken zu finden sind. Die Entwicklung der 1970er Jahre zog viele Polen aus anderen Ecken des Landes ins Zagłębie.
Heute
Nach dem Zusammenbruch der sozialistischen Wirtschaft mussten sich auch die Einwohner Zaglebies mit neuer Zeit abfinden. Viele der Steinkohlegruben wurden geschlossen und die Arbeistlosigkeit wurde gross. Nicht alle Betriebe konnten restrukturiert werden. Einige der in den 1970er Jahren aus anderen Teilen Polens angezogenen Einwohner erwägten die Rückkehr. Zur Zeit hat sich die Lage stabilisiert, es werden auch einige neue Betriebe geoffnet. In Dąbrowa Górnicza konnten in den letzten Jahren eine große Sporthalle, ein Aquapark und ein modernes Stadtamt gebaut werden. Auch die Innenstadt von Sosnowiec wurde zur Jahrhundertwende modernisiert zum 100-jährigen Bestehen der Stadt. In den 1990er Jahren entstanden in der Region viele Einkaufszentren, die wegen des dichten Verkehrsnetzes auch mit dem ÖPNV zu erreichen sind, obwohl sie außerhalb der Innenstädte liegen. Sichtlich ist jedoch der marode Zustand des ÖPNV-Netzes auf wenig frequentierten Strecken. Außer den Instituten der Schlesischen Universität wurden auch Privathochschulen in Sosnowiec und in Dąbrowa Górnicza gegründet.
Verkehr
Ein gut ausgebautes Straßennetz verbindet die Städte Zaglebies zusammen. Mit Bussen (Normal- und Schnellservice) und/oder Straßenbahnen kann man auch in die benachbarten schlesischen Städte Katowice, Mysłowice und Bytom oder suedlich nach Jaworzno reisen. Sehr viele Leute pendeln zur Arbeit nach Katowice. Eine S-Bahn, die bis nach Gliwice im Westen des Industriegebietes reichte, wird seit Jahrzehnten geplant. In Zaglebie gabelt sich die Katoiwcer Ausfahrtstraße in zwei Richtungen aus: nach Warschau und nach Krakau. Eine am Rande der Region liegende Umwegstraße macht es möglich den aus der Richtung Warschau kommenden Autofahrern über Ost-Zaglebie nahe der Katowice-Stahlhütte zu der Straße in Richtung Süden (Erholungsgebiete im Gebirge) zu kommen ohne Katowice durchfahren zu müssen. Auch diese Investition, im Volksmund Gierek-Strasse ("gierkówka") sorgte für viel Sympathie für den Staatschef. Durch Zaglebie verläuft auch die beste Bahnverbindung des Landes - von Kattowitz nach Warschau - die der schon historischen Wiener-Warschauer Eisenbahn. So kommt man von Sosnowiec direkt auch nach Prag, Wien und Budapest. Nicht weit der Stadt Będzin liegt der internationale Flughafen Katowice-Pyrzowice.
Kultur und staatliches Hochschulwesen
In Zagłębie gibt es ein Theater in Sosnowiec sowie das Theater der Kinder Zaglebies in Będzin. In Dąbrowa Górnicza befindet sich dagegen eines der größten Kulturhäuser des Landes - das aus den 1950er Jahren stammende Pałac Kultury Zagłębia, mit einem großen Veranstaltungssaal. Jede der drei Städte hat eine eigene Musikschule.
Die Philologie- und Geologie-Institute der Schlesichen Universität, die in Sosnowiec beheimatet sind, trugen viel zum Zusammenwachsen von Zaglebie und Oberschlesien bei.