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Luftangriffe auf Meiningen

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Gedenkstein im Ehrenhain auf dem Parkfriedhof Meiningen
Ehrenhain für die Opfer auf dem Parkfriedhof Meiningen

Der Luftangriff auf Meiningen fand im Zweiten Weltkrieg am 23. Februar 1945 im Rahmen der Operation Clarion statt und wurde von Bombengeschwadern der 8. US-Luftflotte durchgeführt. Die primären Angriffsziele waren die Bahnanlagen und Brücken der Stadt.

Vorgeschichte

Die Operation Clarion war die weit gestreuteste Luftkriegsoperation der Alliierten im Zweiten Weltkrieg. Innerhalb von zwei Tagen sollten zahlreiche Verkehrsanlagen und Transportmittel insbesondere in kleinen und mittelgroßen Städten im Deutschen Reich angegriffen und zerstört werden, um Nachschubwege für die Wehrmacht zu unterbrechen und zu vernichten. Meiningen gehörte mit seinen Bahnanlagen und Brücken als Ersatzziel zu den 200 ausgewählten Primär- und Ersatzzielen.[1] Die Ersatz- bzw. Ausweichziele wurden angeflogen, wenn die Bombardierung der Primärziele wegen Wetterunbilden nicht möglich ist.

Schon vorher fanden vereinzelt Bombenabwürfe auf Meiningen statt. Die Bomber oder Kampfbomber suchten sich in der Regel Verkehrsanlagen als Ziel aus. Bei nur wenigen Toten, einigen zerstörten Häusern und leicht beschädigten Gleisen auf dem Bahnhofsgelände waren die Auswirkungen aber relativ gering. Das Reichsbahnausbesserungswerk Meiningen stand seit Mitte 1944 als mögliches Ziel auf der Liste für Bombardierungen,[1] ein Angriff erfolgte aber bisher noch nicht.

Die Lage in der Stadt

Meiningen war während des Krieges eine Rotkreuz-Stadt mit acht Lazaretten, die bis zu 1600 Verwundete versorgen konnten. Darunter befand sich auch das Kriegsgefangenenlazarett Stalag IX/C(b) für Offiziere westalliierter Flugzeugbesatzungen. Meiningen war aber auch ein wichtiger Standort für die Wehrmacht. In den vier Kasernen waren, nach dem sich die hier beheimateten Regimenter im Fronteinsatz befanden, hauptsächlich Ersatz- und Ausbildungs-Bataillone stationiert. Ab 1943 befand sich in der Drachenbergkaserne ein Teil der von Berlin ausgelagerten Abteilungen Wehrmachtauskunftstelle und Wehrmachtverlustwesen (WVW) mit rund 1400 Beschäftigten.[2] In der Stadt waren weiter ein Heeres-Verpflegungs-Amt, eine Heeres-Standortverwaltung, ein Wehrbezirks-Kommando und Wehrmeldeamt, eine Sanitätsstaffel und Heeresfachschulen ansässig. Eine kriegswichtige Einrichtung war das hiesige RAW, das während des Krieges im Durchschnitt 90 Dampflokomotiven pro Monat für das deutsche Transportwesen instand setzte und wartete.[3] Meiningen war weiter ein Eisenbahnknoten und besaß einen Verschiebebahnhof.

Wie in den meisten deutschen Städten gab es zu dieser Zeit in Meiningen fast täglich Fliegeralarm. Auf Grund der vielen Lazarette und der kaum vorhandenen Industrie wurde von Seiten der Meininger NSDAP-Führung die Bevölkerung stets im Glauben gehalten, dass es keine großen Luftangriffe auf Meiningen geben wird. Auch das Oberkommando der Wehrmacht hoffte bei der Auslagerung seiner Ämter hierher auf mehr Sicherheit. Zudem suchten viele Großstadtbewohner in Meiningen Zuflucht vor den stetigen Bombenangriffen auf ihre Heimatstädte. Anfang 1945 kamen zahlreiche Flüchtlinge aus den deutschen Ostgebieten hinzu, sodass in der bis dahin 22.000-Einwohner-Stadt mittlerweile mehr als 30.000 Menschen lebten.

Der Angriff

Am Morgen des 23. Februar 1945 formierte sich ein Bomberverband von der 1. Luftdivision der Eighth Air Force zum Anflug auf das Primärziel Hof, um die dortigen Bahnanlagen zu zerstören. Dabei flog ein Teil des Verbands südlich an Meiningen vorbei, was gegen 12 Uhr den ersten Fliegeralarm auslöste.[4] Während des Anflugs auf Hof erhielt der Bomberverband die Meldung, dass die Stadt wegen einer dichten Wolkendecke nicht angegriffen werden kann. Daraufhin teilte sich der Verband und flog die bekannten Ersatzziele an. Dazu gehörte neben zehn weiteren Orten auch Meiningen. Zum Anflug auf die Stadt formierte sich die 91. und die 381. Bombergruppe mit zusammen sieben Geschwadern, denen 74 Bomber vom Typ B-17 Flying Fortress angehörten. Ein Geschwader mit 12 Bombern der 381. Bombergruppe verlor den Anschluss und griff mit Adelsberg ein anderes Ersatzziel mit mäßigen Erfolg an.[5] Kurz vor Meiningen trennte sich von der 91. Bombergruppe ein Geschwader mit 13 Bombern und griff einen zunächst unbekannten, nicht als Ziel aufgeführten Ort mit Bahnhof an, der aber später als Hildburghausen erkannt wurde.[6] Zwei Bomber dieses Geschwaders konnten wegen technischer Schwierigkeiten keine Bomben abwerfen.

12.40 Uhr gab es in Meiningen wieder einen, diesmal ernsten Fliegeralarm, da gleichzeitig Aufklärungsflugzeuge Zielmarkierungen in Form von silbernen Staniolstreifen setzten.[4] 12.43 Uhr begann der Angriff der nun 49 verbliebenen B17G-Bomber, davon 24 Bomber der 91. und 25 Bomber der 381. Bombergruppe.[6][5] In mehreren Wellen überflogen die Bomberstaffeln in einer Höhe von rund 3960 Metern (13.000 Fuß) die Stadt und warfen mehr als 580 Bomben mit einem Gesamtgewicht von 147,5 Tonnen ab. Bereits nach fünf Minuten, um 12.48 war der Angriff vorbei.[1]

Auffällig war, dass der Bomberverband Abstand zur Drachenbergkaserne wahrte und dass dadurch nur die südliche Hälfte des 1,3 Kilometer langen Bahnhofsgeländes getroffen wurde. Offenbar wollte die Einsatzleitung die auch für die Alliierten bedeutende Wehrmachtauskunftstelle mit ihrer umfangreichen Kriegsgefangenen-Kartei nicht gefährden. Nach Auskunft von beteiligten Bomberpiloten beeinträchtigten auch eingeschränkte Sichtverhältnisse die Zielgenauigkeit.[6] Folglich blieb auch das direkt benachbarte RAW verschont.

Folgen

Ziel des Angriffs: das Bahnhofsgelände. Blick auf den Südteil, der total zerstört wurde.

Der Luftangriff forderte 208 Tote und viele Verletzte. 251 Gebäude, davon 84 Wohngebäude, 47 Verwaltungs- und Geschäftshäuser sowie 120 Wirtschaftsgebäude wurden total zerstört und weitere 254 Wohnhäuser und 190 Wirtschaftsgebäude schwer bis leicht beschädigt.[7] 800 Menschen wurden obdachlos. Das Bombardement erfasste ein Gebiet von rund einem Quadratkilometer, das sich von den östlichen Stadtvierteln über das südliche Bahnhofsgelände bis zum Stadtzentrum erstreckte.

Vernichtet wurden neben zahlreichen Wohngebäuden das Rathaus, die Stadtsparkasse, das Land- und Amtsgericht, das Wasserwirtschaftsamt, die Handwerkskammer, die Friedhofskapelle und die Kronenapotheke. Schwer beschädigt wurden die Stadtkirche, das Krematorium und das Realgymnasium Meiningen. Des Weiteren zerstörte der Angriff die Schulstraßenbrücke über dem Bahngelände, die Straßenbrücke über die Werra am Schützenhaus und Teile des Bahnhofes. Hier fielen den Bomben komplett die südlichen Gleisanlagen, das Tanklager, der bayerische Güterbahnhof, ein Stellwerk und einige Lagerschuppen zum Opfer. Zu den stark betroffenen Straßenzügen gehörten die Berliner Straße, die Bismarckstraße (heute Neu-Ulmer-Straße), die Freitagsgasse und der Marktplatz (→ Liste der Straßen und Plätze in Meiningen). Verwüstet wurden auch weite Teile des Parkfriedhofs, wo Skelettteile durch die Einschläge verstreut worden sind und selbst in den Bäumen hingen[4] und der Süden des Englischen Gartens.[8]

In der Auswertung des Angriffs durch die USAAF wurde das Ergebnis als „Effective“, also erfolgreich bezeichnet. Der Bomberverband erlitt keine Verluste.[1]

Weitere Luftangriffe

  • 2. März 1945: Bombardiert wurde das Gustloffwerk im Norden der Stadt, das in der Rüstungsindustrie tätig war. Das Werk wurde weitgehend zerstört. Zum Opfer fielen weiter mehrere Wohnhäuser.
  • 8. März 1945: Es erfolgte ein Luftangriff auf das nördliche Bahnhofsgelände. Getroffen wurden Gebäude in der Kasernenstraße und Ernststraße nahe dem RAW.
  • 5. April 1945: Gegen acht Uhr morgens griffen acht Bomber im Tiefflug die Stadt an. Zerstört und beschädigt wurden mehrere Gebäude im Bodenweg und in der Mauergasse. Neun Menschen kamen dabei ums Leben.

Wiederaufbau

Während die Reichsbahn den Bahnhof mit Hilfe von Pioniereinheiten der Wehrmacht sofort wieder Instand setzte, ist der Wiederaufbau der zerstörten Stadtviertel bis heute noch nicht abgeschlossen. Die Hauptgründe waren DDR-typisch: zum Teil ungeklärte Eigentumsverhältnisse und politische Entscheidungen. So zogen viele betroffene Haus- und Grundstücksbesitzer nach Kriegsende nach Westdeutschland oder sie wurden enteignet. Für die sozialistischen Wohnungsbaugesellschaften, die oft solche Grundstücke übernahmen, waren Plattenbauten auf der grünen Wiese billiger als teure Lückenbebauung in der Innenstadt. Nur vereinzelt ersetzten bis 1990 Neubauten die zerstörten Häuser, darunter befinden sich die neue Kronenapotheke und ein Kino. Weiter hatten die Städte in der DDR nur wenig Einfluss auf das Baugeschehen in ihrer Stadt. Alles musste „oben“ bei der Staatsführung beantragt und genehmigt werden. So wurde der Wiederaufbau des zerstörten Rathauses verhindert, da die Gelder vordringlich für den Aufbau der sozialistischen Städte eingesetzt wurden. Meiningen gehörte, wie viele andere Städte auch, nicht dazu. An Stelle des Rathauses und der Stadtsparkasse, der Westseite des Marktes, klaffte dadurch jahrzehntelang eine große Lücke, die erst 2015 durch einen Neubau verschwindet.

Wiedererrichtet oder repariert im ursprünglichen Zustand hat der Staat in den 1950er Jahren lediglich die Handwerkskammer, das Krematorium und das Realgymnasium. Die neue nun umgangssprachlich Volkshausbrücke genannte Brücke am Schützenhaus errichtete man 1950, die Schulstraßenbrücke wurde erst nach der Wende im Jahr 1992 wieder aufgebaut. Bis dahin mussten sich die Stadt und ihre Bürger mit einer provisorischen Fußgänger-Holzbrücke begnügen. Viele Bombenlücken wurden erst nach der politischen Wende durch einen Bauboom in den 1990er Jahren geschlossen.

Siehe auch

Literatur

  • Kuratorium Meiningen (Hrsg): Lexikon zur Stadtgeschichte Meiningen. Bielsteinverlag, Meiningen 2008, ISBN 978-3-9809504-4-2.
  • Roger Anthony Freeman: Mighty Eighth War Diary. Motorbooks International, 1990 (engl.), ISBN 978-087-93849-5-1.

Einzelnachweise

  1. a b c d Roger A. Freeman: Mighty Eighth War Diary. Einsatzdokumentation der 8.USAAF.
  2. Rüdiger Overmans: Deutsche militärische Verluste im Zweiten Weltkrieg. Oldenbourg-Verlag 2004, S. 325/326.
  3. Karla Banz: Traditionen und Traktionen. Meininger Heimatklänge, Ausgabe 4/2005.
  4. a b c Übereinstimmende Zeugenberichte.
  5. a b Einsatzdokumentation der 381. Bombardement Group vom 23. Februar 1945.
  6. a b c Einsatzdokumentation der 91. Bombardement Group vom 23. Februar 1945.
  7. Meininger Tageblatt, Artikel: Fünf erschütternde Minuten. Erschienen am 23. Februar 2010.
  8. Ingrid Reißland: 23. Februar 1945 – Bombenangriff. im Meininger Tageblatt, 22. Februar 1997.