Uwe Sielert
Uwe Sielert (* 3. November 1949 in Witten) ist ein deutscher Autor, Sexualpädagoge und Pädagoge mit Professur in Kiel
Leben und Wirken
Uwe Sielert studierte von 1970 bis 1974 an der Technischen Universität Dortmund und Ruhr-Universität Bochum Pädagogik, Psychologie und Soziologie und legte an der Universität Dortmund die Prüfung zum Diplom-Pädagogen ab. Im Jahr 1977 wurde Sielert dort mit einer Dissertation über Mitarbeiter in der außerschulischen Jugendarbeit promoviert.
Sielert arbeitete ab 1980 als Gastdozent des DAAD an der Freien Universität Amsterdam und habilitierte sich 1982 an der TU Dortmund über „Zwischen Basisdemokratie und staatlichem Zugriff - Soziale Arbeit in den Niederlanden“.
Sielert arbeitete von 1989 bis 1992 bei der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung in Köln.
Seit 1992 ist Uwe Sielert Professor für Pädagogik mit Schwerpunkt Sozialpädagogik am Institut für Pädagogik der Universität Kiel.
Er war Mitglied in der Ad-hoc-Kommission „Sexualität, Gewalt und Pädagogik“ der Deutschen Gesellschaft für Erziehungswissenschaft und in der der AG III „Forschung und Ausbildung“ des Runden Tischs gegen Sexuellen Kindesmissbrauch.[1] Er war Mitglied in der Ad-hoc-Kommission „Sexualethik“ der Evangelischen Kirche in Deutschland und wissenschaftlicher Beirat des Instituts für Sexualpädagogik in Dortmund. Sielert ist Gründungsmitglied und im Vorstand der Gesellschaft für Sexualpädagogik und Mitglied im erweiterten Vorstand sowie Beirat der Deutschen STI-Gesellschaft.
Forschung
Jugendhilfe in den Niederlanden
Sielert forschte während seiner Tätigkeit als Gastdozent an der Freien Universität Amsterdam und später im Auftrag des Bundesministeriums für Jugend, Familie, Frauen und Gesundheit über Basisbewegungen und Alternative Jugendhilfe in den Niederlanden. Sielert zeigte mit seinen Forschungsarbeiten, wie mit dem Handlungsprinzip der „pragmatischen Toleranz“ eine Vermittlung zwischen staatlichen Steuerungsprinzipien und basisdemokratischer Selbsthilfe gelingen kann.[2]
Jugendarbeit und geschlechtsbewusste Jungenarbeit
Sielert fundierte in den mit seinen Studien zur Jugendarbeit die Professionalisierungsbemühungen dieses außerschulischen Handlungsfelds und konzentrierte seine Forschung anschließend auf die geschlechtsbewusste Jungenarbeit. Er kommentierte den Theoriediskurs der 1990er Jahre bis heute im „Praxishandbuch Jungenarbeit“.
Sexualerziehung
Uwe Sielert hatte großen Einfluss auf die theoretische und didaktische Fundierung sowie auf die institutionelle Verankerung von Sexualpädagogik in Deutschland. Die emanzipatorische Sexualerziehung der 1970er Jahre aufgreifend kritisierte er deren überhöhte politische Ansprüche und Vorstellungen einiger Vertreter wie Helmut Kentler zur Pädophilie.[3] Bezugnehmend auf die Forschungen der kritischen Sexualwissenschaft von Volkmar Sigusch und Gunter Schmidt zur Vereinnahmung der Sexualität im Konsumkapitalismus entwarf er gemeinsam mit Forschungsgruppen eine auch „neo-emanzipativ“ genannte Sexualpädagogik. Die Basis dafür bildet ein Sexualitätsbegriff mit den Sinnfunktionen Lust, Beziehung, Fruchtbarkeit und Identität und das Recht auf altersangemessene sexuelle Selbstbestimmung.[4] Ein positives und zugleich kritisch-reflexives Verhältnis zur eigenen Sexualität stärkt nach dieser Konzeption nicht nur die eigene sexuelle Identität und Gesundheit, sondern ermöglicht auch die Anerkennung diverser sexueller Identitäten und macht zugleich wehrhaft gegen sexuelle Übergriffe.[5]
Rezeption
Die Positionen von Sielert sind werden in Wissenschaft und Medien kontrovers diskutiert und rezipiert. Einerseits fand Sielerts wissenschaftliches und gesellschaftliches Engagement positive Resonanz auf verschiedenen Fachebenen[6] Zur Weiterentwicklung seiner Forschungen auf dem Gebiet der Sexualpädagogik und Gewaltprävention wurde an der Universität zu Kiel eine Juniorprofessur für Sexualpädagogik mit dem Schwerpunkt Gewaltprävention eingerichtet.[7]
Auf der anderen Seite steht Sielerts Eintreten für eine lustfreundliche und vor sexueller Gewalt warnenden sexuellen Bildung von Kindern, der Anerkennung vielfältiger sexueller Identitäten, der Betonung von Sexualpädagogik als Aufgabe öffentlicher Bildungseinrichtungen sowie die Konzeption kritisch-reflexiver Sexualpädagogik auch in der gesellschaftlichen Kritik. So wurde Sielert in der FAZ von Antje Schmelcher, den Verein Zartbitter sowie Christina Hennen zitierend, scharf kritisiert. Sie werfen Sielert den „Versuch, die Schamgrenzen von Kindern und Jugendlichen aufzubrechen" vor: Als Beispiel werden „Gruppensex-Konstellationen in Rollenspielen" mit zwölfjährigen Kindern genannt.[8]
Jan Fleischhauer kritisiert in einer Spiegel-Kolumne Sielerts Ziel, Heterosexualität und Kernfamilie zu „entnaturalisieren“; die Versuche, das traditionelle Familienbild zu überwinden, gingen so weit, dass abweichende Lebensentwürfe zur Norm erklärt würden.[9]
Schriften
- Zwischen Basisbewegung und staatlichem Zugriff - Sozialpädagogik und Sozialarbeit in den Niederlanden. Campus-Verlag, Frankfurt 1985, ISBN 3-593-33489-5.
- Jugendsexualität zwischen Lust und Gewalt. Peter Hammer, Wuppertal 1990, ISBN 3-87294-418-5.
- Sexualpädagogische Materialien für die Jugendarbeit in Freizeit und Schule. Beltz Weinheim 1993, ISBN 3-407-55761-2.
- Sexualpädagogik lehren: Didaktische Grundlagen und Materialien für die Aus- und Fortbildung. Beltz, Weinheim 2000, ISBN 3-407-55835-X.
- Jungenarbeit - Praxishandbuch für die Jugendarbeit Teil 2. Juventa, Weinheim 2005, ISBN 3-7799-0261-3.
- Sexualpädagogik weiter denken. Postmoderne Entgrenzungen und pädagogische Orientierungsversuche. Juventa, Weinheim 2004, ISBN 3-935596-59-6.
- Einführung in die Sexualpädagogik. Beltz, Weinheim 2005, ISBN 3-407-25372-9.
- Kompetenztraining Pädagogik der Vielfalt. Juventa, Weinheim 2009, ISBN 978-3-7799-2137-0.
- E-Learning und Sexualpädagogik. Köln 2010, ISBN 978-3-937707-69-3.
- Handbuch Sexualpädagogik und Sexuelle Bildung. Juventa, Weinheim 2013, ISBN 978-3-7799-0791-6.
Einzelnachweise
- ↑ Impulsvortrag vom 7. Juni 2010 (PDF; 26 kB)
- ↑ Uwe Sielert: "Zwischen Basisbewegung und staatlichem Zugriff - Sozialpädagogik und Sozialarbeit in den Niederlanden.", 1985
- ↑ Uwe Sielert: Vorwort zum "sozialmagazin" 39. Jhg. 1-2, S. 39
- ↑ Uwe Sielert: "Einführung in die Sexualpädagogik", 2013
- ↑ Uwe Sielert: "Sexualpädagogik als Gewaltprävention? Sexualkulturbildung!" Erschienen in: Landesstelle Jugendschutz Niedersachsen: "Grenzverletzungen und sexuelle Übergriffe unter Jugendlichen.", 2013
- ↑ Renate-Berenike Schmidt et.al. (Hrsg.): "Vielfalt wagen", 2009, S. 5-6
- ↑ http://www.sexualpaedagogik.uni-kiel.de/de/professur
- ↑ Antje Schmelcher in der FAZ vom 14. Oktober 2014: Unter dem Deckmantel der Vielfalt - abgerufen am 14. Oktober 2014
- ↑ Jan Fleischhauer: Moderne Sexualkunde: Oralsex für den Siebtklässler. Spiegel-online, 28. Oktober 2014, abgerufen am 28. Oktober 2014.
Personendaten | |
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NAME | Sielert, Uwe |
KURZBESCHREIBUNG | deutscher Sexualpädagoge und Hochschullehrer |
GEBURTSDATUM | 3. November 1949 |
GEBURTSORT | Witten |