Linienschiff

Ein Linienschiff war ein historischer Kriegsschifftyp. Der Name entstand dadurch, dass diese Schiffe im Einsatz hintereinander in Kiellinie segelten.
Auch Handelsschiffe, die fahrplanmäßig auf festen Routen verkehren, werden zuweilen Liniendampfer oder Linienschiffe genannt. Hier bezieht sich der Name auf die Fahrt im Liniendienst oder Linienverkehr.
siehe dazu: Liniendampfer
Hölzerne Batterieschiffe mit Segeltakelung (vor 1860)

Das Linienschiff war das vom 16. bis zum 19. Jahrhundert schwerste Kriegsschiff in Europa. Schwerfälliger als die Fregatte, besaß es die größte Tonnage und die durchschlagsstärksten Kanonen. Der Name leitet sich vom englischen Ship of the line her: Mit dem Einzug der Geschütze in den Seekampf begannen die Flottenbefehlshaber ihre Schiffe in Kiellinie zu manövrieren. Dadurch wurde es möglich, dass eine große Zahl von Schiffen gleichzeitig auf den Feind feuern konnte, ohne dass sie sich gegenseitig behinderten (Breitseitenfeuer). Für diese Taktik eigneten sich Linienschiffe aufgrund ihrer Feuerkraft und relativen Trefferunempfindlichkeit (wegen des schweren Schiffskörpers) am besten.

Auf den Linienschiffen waren die 60 bis 130 Kanonen über mehrere Decks verteilt und zwar von zwei durchlaufenden Decks bis zu vier Decks. Man hat die Schiffe dann auch als Zweidecker, Dreidecker oder Vierdecker (etwa die spanische Santissima Trinidad) bezeichnet. Die schwersten Geschütze kamen auf das unterste Batteriedeck, es waren die 32-Pfünder bis 42-Pfünder, darüber im Mitteldeck und Oberdeck waren die 24-Pfünder und 12-Pfünder. Die Bezeichnung der Geschütze richtete sich nach dem Gewicht der von ihnen verschossenen Kanonenkugeln. Auf dem obersten Deck waren Geschütze nur vorn und hinten gesetzt (Bug- und Heckgeschütze).
Als erste Nationen setzten vor allem England und die Niederlande auf den Einsatz von Linienschiffen. In den Seeschlachten des 17. Jahrhunderts erstreckten sich die Flotten teilweise über mehrere Kilometer und feuerten tagelang Breitseiten aufeinander ab. Am St James's Day Fight vom 25. Juli 1666 kämpften 89 englische Linienschiffe auf einer Breite von 9 Meilen gegen 88 niederländische Linienschiffe. Dabei wurden insgesamt nur drei Schiffe versenkt, was vor allem auf die Widerstandsfähigkeit der massiven Linienschiffe zurückzuführen ist.
Im Laufe der Zeit entwickelten sich unterschiedliche Taktiken zur Führung einer Seeschlacht. Die starrste Schlachtordnung war der Versuch der strikten Einhaltung der Kielline von beiden Seiten (Passiergefecht), wie sie die britische Admiralität lange Zeit vorschrieb. Andere Varianten waren das Mêlèe, das Crossing the T und das Durchbrechen der feindlichen Linie.

Den Höhepunkt seiner Bedeutung erreichte das Linienschiff in den napoleonischen Kriegen: 1805 besiegte Admiral Nelson mit seiner Linienschiffflotte die Franzosen und Spanier in der Schlacht von Trafalgar.
Berühmte Admirale dieser Epoche waren der niederländische Admiral Michiel de Ruyter (1607–1676) und der englische Admiral Horatio Nelson (1758–1805).
Eine nur kurze Blüte erlebten die so genannten Schrauben-Linienschiffe, die zusätzlich mit Dampf angetrieben werden konnten. Zunächst rüstete man gegen 1845 bereits vorhandene Segel-Linienschiffe mit 300 bis 1000 PS starken Dampfmaschinen aus. Ab 1850 plante und baute man solche Schiffe aber auch von Beginn an mit Schraubenantrieb, bis diese dann nur 10 Jahre später bereits als überholt galten.
Gepanzerte Stahlschiffe mit Dampfantrieb (1860–1922)
Panzerlinienschiffe mit Hinterladern (1860–1890)
Mit der Einführung eiserner Schiffsrümpfe seit den späten 1850er Jahren, die in den Panzerschiffen verwendet wurden, führte die Entwicklung des Hauptkampfschiffs vom klassischen Segel-Linienschiff aus Holz hin zu dampfgetriebenen Schiffen mit anfangs schmiedeeisernen Panzerungen. Dabei entwickelten sich verschiedene – teilweise miteinander konkurrierende – Konzepte, die sich durch die Art, wie die Geschütze in und auf dem Schiff aufgestellt waren, unterschieden. Folgende Grundtypen lassen sich unterscheiden:
- Batterieschiff/Breitseitschiff
- Zentralbatterieschiff/Zitadellschiff
- Kasemattschiff
- Turmschiff
- Barbettschiff/Redouitschiff
Batterieschiff/Breitseitschiff
Die Bezeichnung Batterieschiff bezieht sich darauf, dass die Kanonen des Schiffes in einem oder mehreren Batteriedecks standen. Da sie durch Stückpforten im Rumpf nach den Seiten hin feuerten, spricht man auch vom Breitseitschiff. Diese Bauform lehnt sich noch sehr stark an der ihrer hölzernen Vorgänger an. Vor allem gab es noch keine gepanzerten Querschotten, die Schutz vor von hinten oder vorne einschlagenden Geschossen geboten hätten.
Zentralbatterieschiff/Zitadellschiff
Die Umstellung von Vorderladern auf Hinterlader brachte es mit sich, dass die Geschütze, die jetzt gezogene Läufe hatten und Granaten statt Kugeln verschossen, wesentlich größer und länger waren als die alten Kanonen aus Bronzeguss. Ihre Zahl musste deshalb drastisch reduziert werden. Um sie trotzdem effektiv einsetzen zu können, wurden sie in einem, in den Schiffskörper eingebauten, gepanzerten Kasten, der Zitadelle, zusammengefasst. Die Geschütze standen auf drehbaren Lafetten und schossen durch mitdrehende Schartenblenden. Vor und hinter der Zitadelle hatten die Schiffskörper Einziehungen, die den Geschützen ein glattes Einschwenken und damit das Feuer nach voraus und achteraus ermöglichten.
Beim Zentralbatterieschiff standen die Geschütze zwar auch in einem Panzerkasten, dieser hatte aber eher die Form eines gepanzerten Batteriedecks und die Geschütze feuerten konventionell durch Stückpforten in den Schiffsseiten.
Der nächste Entwicklungsschritt war, die Zitadelle in der Schiffslängsachse zu teilen und zwischen den Geschützen Querschotten einzubauen, die ebenfalls gepanzert waren. So stand jedes Geschütz in seiner eigenen gepanzerten Kammer, der Kasematte. Dies hatte den Vorteil, dass die benachbarten Kasematten unzerstört blieben, sollte eine von ihnen einen Treffer erhalten.
Turmschiff
siehe hierzu: Turmschiff
Barbettschiff/Redouitschiff
Bei diesem Typ befanden sich auf Vorderdeck und Achterdeck je eine gepanzerte Brustwehr. Diese hatte einen kreisrunden oder birnenförmigen Grundriss. In ihrem Inneren standen die Geschütze auf einer Drehscheibe und feuerten über den Rand der Barbette genannten Brustwehr hinweg.
Eine, vor allem in der französischen Flotte, gebräuchliche Variante war das Redouitschiff. Hier waren die, in der Regel diagonal gegeneinander versetzten, Drehscheiben von einer gemeinsamen, ovalen Brustwehr, dem Redouit, umgeben. Die versetzte Aufstellung hatte den Vorteil, dass alle Geschütze gemeinsam nach voraus und achteraus feuern konnten.
Unter dem Eindruck der Seeschlacht von Lissa 1866 entstanden darüber hinaus Varianten dieser Typen, die als spezielle Rammschiffe konzipiert waren, wie Turmrammen oder Kasemattrammen. Auch war es nun allgemein üblich, die Rümpfe der Schiffe mit wasserdichten Schotten in Abteilungen zu trennen, um die Überflutung im Fall eines Rammstoßes oder eines Treffers unter der Wasserlinie zu begrenzen.
Allen diesen Schiffen ist gemein, dass sie sich in Größe, Geschwindigkeit sowie Anzahl und Kaliber ihrer Geschütze erheblich unterschieden, was einen gemeinsamen Einsatz im Verband erheblich erschwerte. Erst als sich das Barbettschiff als leistungsfähigster Entwurf durchzusetzen begann, nahm die Verwirrung der vielen unterschiedlichen Typen ein Ende.
Die neuartige Anordnung der Geschütze führte zwar zu einer Steigerung der Feuerkraft über Bug und Heck; aber um den Preis einer verminderten Feuerkraft nach den Seiten (Breitseite). Die Formation in Kiellinie erschien zunehmend unpraktikabel. Die bisherige Marinestrategie war dadurch in Frage gestellt. Auch der Begriff Linienschiff war nun unpassend und wurde allmählich durch den Begriff "capital ship", Hauptschiff, beziehungsweise Schlachtschiff ersetzt.
Einheits-Linienschiffe (1890–1905)
Die Barbettschiffe trugen einen, ab ca. 1890 bei allen Nationen zwei Geschütztürme mit je zwei Kanonen vom Kaliber 24 bis 30,5 cm. Diese Türme waren jeweils auf der Back und auf der Schanz aufgestellt. Hier spricht man auch von "Einheitslinienschiff". Den Weg in die Zukunft wiesen in den 90er Jahren des 19. Jahrhunderts die vier deutschen Linienschiffe der Brandenburg-Klasse mit ihren 3 Zwillingstürmen für die Hauptartillerie in der Mittelschiffslinie.
Siehe hierzu auch: Geschützturm
Großlinienschiffe (1905–1922)
Den nächsten Schritt vollzogen fast zeitgleich die Briten mit der Dreadnought und die USA mit den Schiffen der South Carolina-Klasse. Während Dreadnought 3 Türme in Mittelschiffs- und 2 in Seitenaufstellung führte (sogenannte Flügeltürme), lagen bei den US-Schiffen alle 4 Türme bereits in der Längsachse des Schiffes. In Deutschland wurde dieser Typ als "Großlinienschiff" bezeichnet. Im Ausland sprach man allgemein als "Dreadnought" von derartigen Großkampfschiffen. Die Mittelartillerie blieb in der alten Weise der Aufstellung in Kasematten angeordnet. Mit der HMS Orion (Indienststellung Januar 1912, 10 x 34,3 cm in Zwillingstürmen) begann die Zeit der "Superdreadnoughts". Damit bezeichnet man Kampfschiffe, deren Hauptartillerie über Geschütze jenseits der 12 Zoll verfügt. In der Zeit nach dem Ersten Weltkrieg kam die Bezeichnung Schlachtschiff für die Großlinienschiffe auf.

Das Bild zeigt das Großlinienschiff Thüringen (22.800 t), einen frühen Dreadnought-Typ der Helgoland-Klasse, zwölf 30,5 cm-Geschütze sind in den 6 Drehtürmen angebracht, ein Deck tiefer befindet sich die Mittelartillerie in Kasemattaufstellung.
Das Gefecht in der Schlachtlinie wird aber erst nach Ende des Ersten Weltkrieges als überholt angesehen.
Schnelle Schlachtschiffe und Großkampfschiffe (1922-1945)
Nach verschiedenen Anläufen, die Zahl und die Tonnage der Großlinienschiffe zu begrenzen (internationale Flottenkonferenzen), erlebte der Schiffstyp ab den späten dreißiger Jahren seinen letzten Höhepunkt, bis der Zweite Weltkrieg die Verwundbarkeit dieser Schiffe gegen moderne Lufteinheiten bewies.
Literatur
- Jochen Brennecke / Hader: Panzerschiffe und Linienschiffe 1860-1910, Köhlers Verlagsges., ISBN 3-78220-116-7
- Siegfried Breyer: Schlachtschiffe und Schlachtkreuzer 1905-1970, Karl Müller Verlag, ISBN 3-86070-044-8