Schwäbisch-alemannische Fastnacht
Als Schwäbisch-alemannische Fastnacht wird die Fastnacht im südwestdeutschen Raum und der Nordschweiz bezeichnet. Sie grenzt sich ab vom rheinischen Karneval, kann sich jedoch erst seit dem ersten Viertel des 20. Jahrhunderts als solche etablieren. Während der Karneval im 18. Jahrhundert eine neue Form der Fastnacht entwickelte, und auch die schwäbisch-alemannische Fastnachtslandschaft darauf einschwenkte, besann sie sich im 20. Jahrhundert auf ihre Traditionen der mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Fastnacht. Wie der Name schon sagt, wird sie heute in Baden-Württemberg, Teilen von Bayern, Vorarlberg, der Schweiz und im Elsass gefeiert. Dort wird sie in der Regel Fasnet, Fasnacht oder Fasent genannt.
Charakteristisch ist die Vermummung der Teilnehmer mit Larven oder auch Schemmen (Masken), die meist aus Holz, in Ausnahmefällen aber auch aus Stoff, Papier, Ton, Blech oder Draht (sog. Drahtgaze) bestehen. Die Kostümträger (in schwäbisch-alemannischen Gebieten Hästräger) wechseln ihre Verkleidung (Häs) nicht von Jahr zu Jahr, sondern behalten sie immer bei. In manchen Gegenden ist es sogar üblich, sie über Generationen zu vererben.

Geschichte
Ursprünge in Mittelalter und Früher Neuzeit
Wie der rheinische Karneval hat auch die schwäbisch-alemannische Fastnacht ihren Ursprung in Festen, die dazu dienten, verderbliche Lebensmittel vor Beginn der Fastenzeit aufzubrauchen. Derartige Veranstaltungen sind für ganz Mitteleuropa spätestens im 13. Jahrhundert nachgewiesen. Allerdings waren diese nicht mit der heutigen Fastnacht zu vergleichen und regional höchst unterschiedlich.
Ergänzend zum exzessiven Nahrungsmittelkonsum wurden ab dem 14. Jahrhundert Bräuche wie Tänze, Umzüge oder Fastnachtsspiele üblich. Auch hier spielten Speisen zunächst eine zentrale Rolle, beispielsweise in den Schembartläufen, den Fastnachtsumzügen der Nürnberger Zünfte, die vor allem im ausgehenden 15. und dem beginnenden 16. Jahrhundert Konjunktur hatten. Auch sind Metzgertänze aus anderen Städten belegt, an denen sich die tanzenden Metzger an Wurstringen zum Reingen festhielten.
Nach einer Theorie des Münchener Volkskundlers Dietz-Rüdiger Moser wurde der Gegensatz zwischen dem fastnachtlichen Vergnügen und dem Entbehrungsreichtum der Fastenzeit zunehmend aber auch theologisch gedeutet. In Zusammenhang mit den augustinischen Lehren vom Zwei-Staaten-Modell gebracht, wurde die Fastnacht schon bald mit dem Teufelsstaat "civitas diaboli" gleichgesetzt, die Fastenzeit hingegen mit dem Gottesstaat "civitas Dei". Aus dieser Denkweise heraus könnten sich Teufel oder Dämonen als frühe Fastnachtsfiguren entwickelt haben. Eine weitere zentrale Figur der damaligen Fastnacht, der Narr, wurde als Inbegriff von Vergänglichkeit, Gottesferne und Tod gesehen. Während die Forschung noch bis in die 1980er-Jahre davon ausging, dass die Fastnacht einen nicht-christlichen Ursprung hat, ist sie sich heute einig, dass die Existenz der Kirche notwendige Bedingung zur Entstehung der Fastnacht war. Sicher ist auch, dass in der Fastnacht häufig Kritik an Obrigkeit und Kirche geübt wurde, was nicht selten zu Fastnachtsverboten führte.
Mit der Reformation entfiel in den reformierten Gebieten nicht nur die Fastenzeit; sie machte auch dem Fastnachtsfest in vielen Teilen Mitteleuropas ein Ende. Allerdings erhielt sich der Brauch in einigen protestantischen Ortschaften noch für einige Zeit. Der Basler Fasnacht wird oft unterstellt, ihren Fastnachtstermin aufgrund der Reformation später zu feiern (sog. Bauernfastnacht), als die übrigen schwäbisch-alemannischen Orte. Dies beruht jedoch auf einem Beschluss der Kirche im 11. Jahrhundert, in der Fastenzeit die Sonntage nicht als Fastentage zu zählen. Somit verschob sich der Aschermittwoch um sechs Tage in Richtung Jahresbeginn. Die Basler (und manch anderer Ort) indessen hielten an diesem alten Termin fest.
Bislang war das Bild der Fastnacht von relativ einfachen Verkleidungen geprägt. Mit dem Aufkommen des Barock kam es im 17. Jahrhundert zu einer wesentlichen Aufwertung und Verfeinerung der Fastnachtsgestalten. Das gilt insbesonders für die verwendeten Masken, die nun statt wie bisher aus Ton oder Papier aus Holz geschnitzt wurden. Hinzu kam ein deutlicher italienischer Einfluss, fußend auf der Commedia dell'Arte.
Der Karneval und die Abkehr davon
Trotz barocker Aufwertung kam die Fastnacht im Zuge der Aufklärung zu dem Ruf, ein primitiver, längst überholter Brauch aus grauer Vorzeit zu sein. Entsprechend dieser Auffassung wurden die Festlichkeiten vielerorts aufgegeben oder gar verboten. Das änderte sich, als sich, angeregt durch die Romantik, der Karneval zu entwickeln begann. Ausgehend von Städten wie Köln, wo anstatt der Handwerker das Bildungsbürgertum die Fastnacht auszurichten begann (erstmal Köln 1823), etablierte er sich schnell in ganz Mitteleuropa, also auch in Südwestdeutschland. Erst Ende des 19. Jahrhunderts kamen hier vereinzelt die alten Bräuche wieder auf. So gab beispielsweise in Rottweil der Narrensprung des Jahres 1903 Anlass zum Umdenken, als nicht mehr als sieben Narren daran teilnahmen. Besonders in den kleinbürgerlichen und bäuerlichen Kreisen des schwäbisch-alemannischen Raums fühlte man sich durch den vom Bildungsbürgertum dominierten Karneval bevormundet und besann sich, dem Trend der Zeit folgend, auf die überlieferten Traditionen zurück. In der Folgezeit wurden zahlreiche Narrenzünfte alten Zuschnitts neu gegründet.
Entwicklung zur heutigen Fastnacht
Anfang des 20. Jahrhunderts begannen sich die Narrenzünfte zu organisieren und 1924 wurde die Vereinigung Schwäbisch-Alemannischer Narrenzünfte (VSAN) gegründet. Notwendig machten diesen überregionalen Dachverband die unsichere politische Lage sowie zahlreiche Fastnachtsverbote. Nun wollte man die Interessen der Narren gegenüber der Politik offensiv vertreten. Außerdem sah man sich der Pflege und Bewahrung des eigenen Brauchtums verpflichtet, was heute sicherlich die Hauptaufgabe der Vereinigung darstellt. In der Zeit nach ihrer Gründung erhielt die VSAN derart großen Zuspruch, dass schon bald ein Aufnahmestopp für Neumitglieder ausgesprochen werden musste. Bis heute nimmt die VSAN nur äußerst selten neue Mitglieder auf, wobei sie als Aufnahmebegründung insbesondere ein historisches Brauchtum zu Grunde legt. So kam es schon bald zur Gründung neuer Dachverbände wie dem Verband Oberrheinischer Narrenzünfte (1937) oder der Narrenvereinigung Hegau-Bodensee (1959). Diese Gründungswelle hält auch in unseren Tagen noch an. Grund dafür ist nicht zuletzt die Einführung sogenannter Narrentreffen. Bis ins 20. Jahrhundert war Fastnacht eine rein lokale Angelegenheit gewesen und man feierte ausschließlich im eigenen Wohnort. Die VSAN und ihre Schwesterorganisationen ermöglichten es den Narren nun, sich auch untereinander außerhalb der angestammten Ortschaft zu begegnen. 1928 fand das erste Narrentreffen in Freiburg statt. Heute hat ihre Zahl und Dimension derart zugenommen, dass die Narrentreffen inzwischen schon als Gefahr für die traditionelle, ortsgebunde Fastnacht angesehen werden müssen. So gibt es inzwischen Zünfte, die nur noch Narrentreffen besuchen und keinerlei Ortsverwurzelung mehr kennen. Insbesondere die VSAN hat sich daher entschlossen, Treffen dieser Art stark einzuschränken. Der wachsenden Beliebtheit der Narrentreffen tut dies noch keinen Abbruch.
Parallel zur organisatorischen Neustrukturierung der Narrenzünfte wurden seit Beginn des 20. Jahrhunderts zahlreiche Fastnachtsfiguren neu gestaltet. Nur in wenigen Fastnachten waren tatsächlich historische Häser erhalten, die auch im neuen Jahrhundert fast unverändert getragen werden konnten. Viel häufiger waren einzelne Larven- oder Hästeile vorhanden, die sich zwar nicht mehr ohne weiteres zuordnen ließen, nun aber in neuen Figuren kombiniert wurden. Häufig kam es aber auch zur völligen Neuentwicklung von Hästrägergruppen. 1933 gründete sich in Offenburg eine Hexenzunft, die auf einer Mischung aus Märchen- und mittelalterlicher Hexe beruhte, und brachte mit der Fastnachtshexe eine vollkommen neuartige Figur in die schwäbisch-alemannische Fasnet ein, während es in Tirol bereits seit dem 18. Jahrhundert Fastnachtshexen gab, und auch die alte Vettel in der Fastnacht nicht unbekannt war. Neu war jedoch die Hexe mit Holzmaske, als eigenständige Figur. Ohne Beispiel ist seitdem die Zahl ihrer Nachahmer. Der wachsende Wohlstand sorgte in der Nachkriegszeit für ein rasches Anwachsen der Narrenzünfte, die nun auch immer häufiger in Orten neu gegründet wurden, die bisher keine Fastnachtstradition kannten. Seit Beginn der 90er Jahre herrscht ein regelrechter Boom dieser Neugründungen. So gibt es im schwäbisch-alemannischen Raum inzwischen selbst in noch so kleinen Orten eigenständige Fastnachten. Keine Fastnachtsfigur profitierte hiervon mehr als Hexe. Ihre Beliebtheit sorgt deshalb seit langem für Kopfzerbrechen bei den Verantwortlichen der Brauchtumsorganisationen, sehen sie doch durch sie die traditionelle Fastnacht ähnlich gefährdet wie durch das Überhandnehmen der Narrentreffen. Doch auch die alteingesessenen Narrenzünfte profitierten in der Nachkriegszeit in hohem Maß vom wachsendem Interesse an ihrem Brauchtum und rasant steigenden Mitgliederzahlen. Besonders die seit Beginn der 90er Jahre durchgeführte Fernsehübertragung der Narrentreffen der VSAN erreicht ein Millionenpublikum. Ein Ende des Wachstums ist aber abzusehen.
Ablauf
Fastnachtstermin
Eine Neuerung des 19. Jahrhunderts war die Weiterentwicklung der Fastnacht zur Saison. Bisher hatte man sich auf die drei Tage vor Aschermittwoch beschränkt. Nun dehnte man die Fastnacht im Fall des rheinischen Karnevals bis zum 11. November aus. Um sich hiervon abzuheben, starten viele Fastnachten des schwäbisch-alemannischen Raums heute erst am Dreikönigstag in die närrische Zeit. Während der 11.11. starke Parallelen zum Aschermittwoch aufweist (mittelalterlicher Termin im Wirtschaftsjahr, Beginn der 40-tägigen Vorweihnachtsfastenzeit), erscheint der 6. Januar unsinnig. Warum gerade dort die Fastnacht in der schwäbisch-alemannischen Region beginnt, ist in der Forschung strittig. Manche begründen dies mit der Tatsache, dass zwischen Dreikönig und Aschermittwoch kein kirchlicher Feiertag gefeiert wird, wobei die Adventszeit eine kirchlich vorgeschriebene Fastenzeit war. Dem widerspricht, dass manche lokale Fastnachten erst an Mariae Lichtmeß (2. Februar) eröffnet werden. Der Bekanntheitsgrad des Karnevals und Vermischungen von Traditionen ermöglichen es, dass es in Südwestdeutschland durchaus Gegenden und Städte gibt, in denen ebenfalls der 11.11. als Beginn der Fastnacht angesehen wird, so zum Beispiel manche Zünfte in Konstanz. Nach einer weiteren These zur Herkunft des 11.11., wurde dieser Termin nach dem Ersten Weltkrieg eingeführt, um das Gedenken der Belgier, Briten, Franzosen und US-Amerikaner an den Waffenstillstand im Jahr 1918 (siehe Veterans Day) zu verhöhnen.
Grundsätzlich ist der Fasnachtsdienstag bzw. der Beginn der Fastenzeit so festgelegt: Das Ende der Fastenzeit ist auf den Karsamstag nach dem Gloria der Osternachtsliturgie angesetzt. Der nachfolgende Ostersonntag ist der erste Sonntag nach dem ersten Vollmond im Frühjahr. Das Frühjahr beginnt grundsätzlich am 20. März. Wenn der Ostersonntag festgelegt ist, dann wird der Fasnachtsdienstag 40 Tage (Dauer der Fastenzeit) zurückdatiert, und anhand der Regelung, dass Sonntage nicht zur Fastenzeit zählen, wird der Beginn nochmals 6 Tage zurückverlegt. Summa sumarum werden (40 + 6 = 46) Tage vom Ostersonntag weg zurückgegangen. Nach der oben beschriebenen Regelung ergibt sich für den Ostersonntag der 21. März als frühestmöglicher Termin, daraus resultiert für den Aschermittwoch der 3. Februar als frühestmögliches Datum.
In den Wochen vor der eigentlichen Fastnacht finden vielerorts Narrentreffen statt, die von verschiedenen Vereinigungen veranstaltet werden, so z.B. der Vereinigung schwäbisch-alemannischer Narrenzünfte.
Am Schmutzigen oder Gumpigen Donnerstag beginnt die eigentliche Fastnacht. An diesem Tag wird vielerorts die Fastnacht früh morgens erweckt. Sie endet am Aschermittwoch. Vielerorts ist der Höhepunkt am Fastnachtsonntag, so zum Beispiel in Elzach, manchmal auch der Fastnachtmontag, wie in Rottweil, selten auch der Fastnachtsdienstag, so beispielsweise in Offenburg.
Figuren der schwäbisch-alemannischen Fastnacht

Die Zahl schwäbisch-alemannischer Fastnachtsfiguren ist inzwischen unüberschaubar groß. Meist treten sie während der Veranstaltungen in nach Figurentypen getrennten, homogenen Gruppen auf. Vereinzelt gibt es aber auch Hästrägergruppen, die sich aus unterschiedlichen Figurenarten zusammensetzen. Meist agieren diese dann untereinander. Sehr beliebt ist dabei das Treibermotiv, bei dem eine Tiergestalt von mehreren, mit Peitschen ausgestatteten Hästrägern gezüchtigt wird. Beispiele hierfür sind das Brieler Rößle aus Rottweil oder Werners Esel aus Bad Waldsee. In vielen Gegenden finden sich außerdem Einzelfiguren, die oft eine zentrale Rolle in der Fastnacht des jeweiligen Ortes spielen. Vielfach entstanden aus ihnen im Laufe der Zeit ganze Figurenfamilien, deren Mitglieder über unterschiedliche Charaktereigenschaften und Aufgaben verfügen, so beispielsweise die Gole in Riedlingen.
Auch wenn in den letzten Jahrzehnten viele neue Häsarten entstanden sind, lassen sich fast alle bestimmten Typen zuordnen. Auch jüngere Zünfte orientieren sich meist an diesem in der Nachkriegszeit entwickelten Muster, auch wenn die folgende Einordnung nicht zu eng gesehen werden darf.

Teufelsgestalten
Teufelsgestalten dürften zu den ältesten Figuren zählen. Manche Häser des Rottweiler Federehannes sind beispielsweise mehrere hundert Jahre alt. Gleiches gilt für den Elzacher Schuddig, einer Teufelsfigur, die im Mittleren Schwarzwald ursprünglich weit verbreitet war. Heute nehmen Teufel oft auch als Einzelfigur die Rolle eines Hexenmeisters ein, so zum Beispiel bei der Offenburger Hexenzunft. Tribergs Fastnacht wird von einer Teufelsfigur dominiert, die im 19. Jahrhundert geschaffen wurde.
Narren
Narren sind wohl ähnlich alt und treten heute in zahlreichen verschiedenen Varianten auf. Auf der Baar sind Weißnarren üblich. Zu den ältesten derartigen Fastnachtsfiguren zählen die Narro aus Villingen oder die Hansel aus Donaueschingen, Hüfingen und Bräunlingen. Das Rottweiler Biß sowie dessen weibliches Pendant Gschell haben eine ebenso lange Tradition. Weißnarren werden überwiegend männlich dargestellt und haben während des Narrensprungs häufig eine Partnerin bei sich, die allerdings meist nicht maskiert ist und wie im Fall des Gretle aus Donaueschingen eine einfache Tracht trägt. Das Häs von Weißnarren besteht aus einem weißen Leinengewand, das aufwändig bemalt oder bestickt ist.
Verglichen mit der barocken Eleganz der Weißnarren sehen Blätzle-, Spättle- oder Flecklenarren manchmal etwas derb aus, was nicht zuletzt daran liegt, dass ihr Häs aus alten Stoffresten besteht. Natürlich wurden auch diese Häser mit zunehmendem Wohlstand wesentlich aufwändiger gestaltet. So werden die einzelnen Stoffstücke in vielen Zünften inzwischen per Hand umstickt. Bei Spättlenarren lässt sich eine regional unterschiedliche Entwicklung feststellen. Tragen die traditionsreichen Narren des Bodenseeraums und Oberschwabens wie beispielsweise die Blätzlebuebe aus Konstanz oder die Überlinger Hänsele überwiegend Stoffmasken, sind bei Schwarzwälder Hanseln wie in Furtwangen, Gengenbach oder Offenburg Holzlarven üblich.

Eine Besonderheit sind die Spättlehansel aus Wolfach, die als einzige Hästrägergruppe im schwäbisch-alemannischen Raum mit einer Blechlarve mit beweglichem Unterkiefer ausgestattet sind. In der Grenzstadt Laufenburg am Hochrhein hat sich mit der Narro-Altfischerzunft über Jahrhunderte eine Blätzlezunft mit geradezu aristokratischem Selbstverständnis entwickelt, die zudem die wohl älteste, derzeit bekannte Holzlarve Südwestdeutschlands besitzt.
Wie vieles erfuhren auch die Flecklenarren während des Barock eine starke Verfeinerung und so entstanden die Fransennarren, wie man sie heute in Schömberg oder Rottweil findet.
Ausgehend von Italien und verbunden mit dem Siegeszug des Karnevals, kam im 18. und 19. Jahrhundert der Bajazzo auf. Zu den ältesten derart beeinflussten Figuren dürften die Wolfacher Rösle- und Schellenhansele gehören.
Fast alle Narren tragen Attribute bei sich, so zum Beispiel Glocken, die Blase eines Schweines, oder Spiegel.
Wilde Leute

Verglichen mit den anderen Fastnachtsfiguren waren Wilde Leute für Bauern relativ einfach herzustellen und deshalb über die Jahrhunderte sehr beliebt. Ihr Häs wurde aus Rohstoffen gefertigt, die auf dem Lande im Überfluss vorhanden waren. So entstanden beispielsweise Strohbären, wie sie heute noch in Wilflingen üblich sind. Wie der Name schon sagt, besteht ihr Häs im wesentlichen aus Stroh, auf Verziehrungen oder Veredelungen wird vollkommen verzichtet. Dies ist auch ein Grund für die mangelnde Beliebtheit der Wilden Leute in unserer Zeit, wohl verbunden mit dem Umstand, dass die verwendeten Materialien heute gar nicht mehr so einfach zu bekommen sind, zumal ein solches Häs nur eine Saison verwendet werden kann und dann neu angefertigt werden muss. In Singen hat sich die Gruppe des Hoorige Bär aus einem Strohbären heraus entwickelt, allerdings ist das Häs heute genäht, kann von Jahr zu Jahr wiederverwendet werden und verfügt über eine Holzmaske. Ähnliches gilt für den Welschkornnarro aus Zell am Harmersbach. Die Nussschalenhansele aus Wolfach bilden einen anderen Typus des wilden Mannes. Statt mit Stroh ist ihr Häs mit über 3000 Nussschalenhälften benäht.
Sagengestalten
Allerdings könnte man einen großen Teil der nach dem Krieg neu entstandenen Fastnachtsfiguren wohl ebenfalls den Wilden Leuten zurechnen, treten sie doch häufig dementsprechend auf. Oft handelt es sich hierbei aber um Sagengestalten, die auf örtliche Geschichten oder Ereignisse anspielen. Die meisten der jüngeren Zünfte betten Ihre neugeschaffenen Figuren ins lokale Brauchtum ein, indem sie sie mit einer Sage in Zusammenhang bringen.
Hexen
Ähnliches gilt auch häufig für Hexen, die bereits ausführlich besprochen wurden.
Brauchtum
Narrenrufe
Die Narrenrufe der schwäbisch-alemannischen Fastnacht sind jüngeren Datums und analog zu den traditionellen Schlachtrufen (Alaaf, Helau, Ahoi,...) der Karnevalsmetropolen entstanden. Traditionell grüßen die Narren mit einem Juchzen (Jauchzen) was sie als spontanen Ausdruck der Freude verlauten lassen und was sich schriftlich etwa als "Ju-Hu-Hu-Hu" dokumentieren ließe. In Rottweil hat sich diese ursprüngliche Art des Narrenrufs erhalten. Anderswo sind individuelle Rufe entstanden, die innerhalb der organisierten Fasnacht seit dem Zweiten Weltkrieg bisweilen sogar zum Identifikationsmerkmal geworden sind. Der bekannteste Ruf der schwäbisch-alemannischen Fasnet, den sich Maskierte und Zivilisten zurufen, ist „Narri-Narro“.
Einige andere Narrenrufe sind u.a.:

- „Hoorig-Hoorig“ (weit verbreitet)
- „Doraus, detnaus, bei der alte Linde naus“ (Bad Saulgau)
- „Ho Narro“ Konstanz und Bodenseeraum
- „Breisgau! - Ofaloch!“ (Weingarten)
- „Montfort - Jehu“ (Tettnang)
- „Gooole“ (Riedlingen)
- „Narro-Hee“ (Munderkingen)
- „Ha, ha, ha, jo was saischt au?“ (Aulendorf)
- „Schmöcksch de Brägel? - Hä joa“ (Breisach)
- „AHA“ (Bad Waldsee)
- „Bock-Mäh“ (Stetten am kalten Markt)
- „Schelle Schelle Sechser alli aldi Hexe Narro" (Offenburg)
Neben dem Juchzen, den Narren- oder Schlachtrufen, gibt es auch Narren- und Fastnachtssprüche, die – auch in Reimform – aufgesagt und gerufen werden. Sie können widerum Teile von Narrenrufen enthalten oder sein. Oftmals sind im Lauf der Zeit die Narrenrufe, die wahrscheinlich örtlich begrenzt waren, ortspezifisch verändert worden. Oft sind diese 'Sprüchle' auch Spottverse.
Beispiele sind:
- „Hoorig, hoorig, hoorig isch die Katz
Und wenn die Katz nit hoorig isch,
dann fängt si keine Mäus.“
- „Borschtig, borschtig, borschtig isch die Sau,
und wenn die Sau nit borschtig isch,
denn gitt si keine Läberwürscht.“
- „Hansele du Lumpehund,
häsch nit gwißt, daß Fasnet kunnt?
Hätsch di Muul mit Wasser griibe,
wär dirs Geld im Beitel bliibe.“
- „Die Leute sin veränderlich - wie's Wetter im April.
Die junge Maidle wehret sich, die Alte haltet still.“
- „Mir hauet de Chatz de Schwanz ab, mir hauet aber nit ganz ab,
mir lönn noh e bitzele schtoh, dass sie ad Fasnet cha goh.“
- ,,Roter Roter het am Arsch ä Bloder, nimm ä Nodel stupf sie uff leg ä roter Pfennig druff"
- „S'guckt e Arsch zum Fenschder naus,
ma meint des isch e Weck,
es isch kei Weck, es isch kein Weck,
es isch der Arsch vum Meggele-Beck.“
(Der Name des Bäckers wird meist nach einer Persönlichkeit des Ortes benannt. In anderen Varianten beginnt der Spruch mit "Drunte in de ...straß, da wohnt der ...-Beck")
Einige Narrensprüche gehen auf so genannte „Heischebräuche“, fordernde Bräuche, zurück.
Im Laufe ihrer Entwicklung waren die Narren der schwäbisch-alemannischen Fasnet heischende (fordernde) Figuren, die von ihrem Gegenüber Gaben verlangten. Einerseits für den Selbstzweck, entstand daraus aber auch sehr bald eine karitative, soziale Funktion der Narren. Überbleibsel dieser Art sind beispielsweise im „Rottweiler Bettelnarr“ überliefert, der Almosen für Arme oder Kranke im Spital sammelte.
Heute ist die Situation meist umgekehrt. Der Zivilist fordert den Narren mit Narrensprüchen auf, etwas aus seinem Korb zu geben. Heischesprüche zur Fasnet in deutlichster Art haben sich z.B. in folgender Form erhalten:
- „Giizig (geizig), giizig isch der/die...(Name des Angesprochenen),
un wenn er/se nit so giizig wär,
dann gäb er/se au ...(eingeforderte Gabe) her.“
- „Fliagt a Vegele übers Feld, gib mr au a Fasnetsgeld!“
- „Wecka-Raus, Wecka-Raus - Assa-warme Wusla raus!“ (Munderkingen)
Literatur
- Wilfried Dold, Roland Wehrle u.a.: Zur Geschichte der organisierten Fastnacht. Vereinigung Schwäbisch-Alemannischer Narrenzünfte. DoldVerlag, Vöhrenbach 1999 ISBN 3-927677-17-5
- Werner Mezger: Das große Buch der schwäbisch-alemannischen Fastnacht. Ursprünge, Entwicklungen und Erscheinungsformen organisierter Narretei in Südwestdeutschland. Theiss, Stuttgart 1999 ISBN 3-8062-1221-X
- Werner Mezger: Fasnet in Rottweil. Geschichte und Gegenwart eines Brauchs. Theiss, Stuttgart 1996 ISBN 3-8062-1220-1
- Wilhelm Kutter: Schwäbisch-alemannische Fasnacht. Sigloch, Künzelsau 1976 (großartige Bilder, inhaltlich überholt)