Praxis Dr. Hasenbein
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Praxis Dr. Hasenbein ist ein deutscher Kinofilm von 1996 und der dritte des Jazzkünstlers Helge Schneider. Er schrieb das Drehbuch sowie die Musik und spielt die Hauptrolle.
Inhalt
Der Film spielt in einer kleinen Straße des Ortes Karges Loch. Hier praktiziert Dr. Angelika Hasenbein (Helge Schneider), verschreibt Salben und bietet Bestrahlungen an. Der Film zeigt das alltägliche Leben in dem kleinen Viertel, das stilistisch dem Ruhrgebiet der 50er Jahre nachempfunden ist.
Der Doktor muss sich mit den frechen Kindern aus dem von Tante Uschi (Andreas Kunze) geleiteten Waisenhaus auseinandersetzen. Sie ärgern seinen Sohn Peterchen (Peter Berling) und legen den Doktor mit einem leeren Karton herein, in dem sich ein Hamster befinden soll. Eine buckelige alte Frau (Peter Thoms) bewirbt sich als Arzthelferin, kann jedoch die strengen Kriterien (Suppe kochen) nicht erfüllen. Ein Ereignis ist die Kino-Premiere des Kunstfilms "Ruck Ruck Taubenmann" vom "großen Tortellini".
Gerne geht der Doktor über die Straße in einen kleinen, gemütlichen Zigarrenladen, plaudert mit dem Verkäufer und kauft eine "Überraschungstüte für den Herrn". Abends sieht er zusammen mit seinem Mitarbeiter Kochsendungen für Singles im Fernsehen oder spielt Fitze Fitze Fatze auf dem Akkordeon. Wenn ihm aber alles einmal stinkt, geht er "zum Jazz" und spielt Saxophon in einer kleinen Jazzband.
Insgesamt ist das Leben recht geruhsam. Doch gerade als im Waisenhaus gefeiert wird, bricht der Krieg in die kleine heile Welt und der Doktor muss an die Front. Lange Jahre verschanzt er sich in einem U-Boot und wartet das Ende des Krieges ab.
Als er schließlich nach Hause zurückkehrt, hat sich in seiner Straße viel verändert. Die Menschen sind unfreundlich und hochnäsig geworden und statt des gemütlichen Zigarrenladen beherrscht nun ein Spielsalon das Bild. Sein Sohn hat Annegret (Carina Berns) aus dem früheren Waisenhaus geheiratet, die den plötzlich zurückgekehrten Schwiegervater aber nicht im Haus haben will. So zieht der Doktor ins Altenheim um dort mit den anderen Senioren in gemütlicher Runde zu jazzen.
Entstehung und Kritik
Obwohl seine ersten beiden Filme sehr erfolgreich waren, gestanden die Produzenten Schneider für „Praxis Dr. Hasenbein“ nur ein sehr schmales Budget zu. Man ging davon aus, dass Schneider auch diesmal wieder „aus Scheiße Gold machen“ würde, was er weitestgehend auch einlöste. Er drehte mit kleiner Besetzung in einer künstlich wirkenden 50er Jahre Kulisse mit teilweise bizarren Requisiten einen nahezu handlungsfreien Improvisationsfilm. Schneider dazu: „Diesmal wollte ich Kasperle-Theater.“ Die Dreharbeiten sind in einer 11-stündigen Video-Aufzeichnung dokumentiert.
Während der Film auf der einen Seite durch urige Dialoge und liebevoll gezeichnete Figuren in einem anheimelnd nostalgischen Ambiente besticht, fällt gleichzeitig eine gewisse Zusammenhangslosigkeit und Beliebigkeit der Szenenfolge auf, worüber auch die kreative Leistung Schneiders, aus dem Nichts einen Film zu erschaffen, nicht hinwegtäuschen kann. Bezeichnend ist, dass auch Schneider selbst den Film später als seinen am wenigsten gelungensten bezeichnete. Zuviele Ideen konnten aus schlichtem Geldmangel heraus nicht verwirklicht werden, zu viele Szenen wirken in der Rückschau schwach. So verwundert es nicht, dass Schneider für die DVD-Ausgabe des Films einen nur zwanzig Minuten langen Audiokommentar sprach, dann verlor er die Lust. Der Film ist dennoch ein buntes, anarchisches Panoptikum, ein Versuch einer künstlerischen Annäherung an ein Ruhrgebiet aus Kindertagen, der bei nicht allzu anspruchsvollem Blick einen naiven, oft überraschenden Charme entwickelt. Die Anmerkung am Schluss ("Sie sahen einen Film zum Nachdenken. (nachdenklicher Film!)") kann wohl so eingeordnet werden, dass sie die Verwirrung des Zuschauers und kritische Auseinandersetzung mit der Normalität des Alltags bezwecken soll.
Charaktere
Dr. Hasenbein (Helge Schneider)
Angelika Hasenbein, Arzt, Ruhrpottbewohner. Er hat zwar keine Frau, doch leider hat diese ihm das Rauchen verboten. Ein wenig zu oft greift er auch zu Tabletten (packungenweise). Bei leichtem Husten verschreibt er eine übelriechende Salbe ("sehr unangenehm!") gegen Sehnenscheidenentzündung für 80 Mark (zu zahlen in Bar!).
Sohn (Peter Berling)
Der Sohn des Doktors ist ein alter Mann, der mit dem Ball spielt und noch nicht allein essen kann. Dafür raucht er gelegentlich. Er wird häufig von den Älteren aus dem Kinderheim geärgert. Später heiratet er das Mädchen Annegret (Carina Berns)
Kalfaktor (Bernhard "Zwiebel" Sondermann)
Die Arzthelferin Dr. Hasenbeins ist ein schüchterner Kerl in den besten Jahren, der sich für Mopeds interessiert (aber keines hat) und zum Arbeitersekt alte Kommunistenlieder pfeift. Nach Feierabend bleibt er gerne noch länger und sieht mit dem Doktor fern.
Der Kioskbesitzer (Horst Mendroch)
Ein netter Mann, der Zigarren, Mopedzeitschriften und Überraschungstüten für Herren und Damen ("Kost' nommal vier Mark, ne!") im Sortiment führt. Dr. Hasenbein besucht den Laden immer wieder, nur weils so schön ist, auch wenn man nichts kauft und immer nur die gleichen Gespräche führt.
Der Schneider (Norbert Losch)
Ein arroganter alter Wicht, der sich beim Arzt vor kleine Kinder drängelt und Damenbesuch (von der Frau des Kinobesitzers) empfängt.
Der Käsehändler
Jeden Tag in der Früh rollt der Käsehändler den Karren in seinen Laden und verkauft duftenden frischen Käse (sowie Attrappen, wenn es sein muß).
Der Kinobesitzer
Von Schlafmangel geplagt erhält er vom Assistenten Hasenbeins ein Rezept über 30 Tassen schwarzen Kaffee am Tag. Er kann seine Frau nicht vom Arzt abholen, weil er schlafen muss. Ein kulturelles Ereignis ist der in seinem Kino vorgeführte, surrealistisch anmutende Kurzfilm „Ruck Ruck Taubenmann“, in dem ein Schauspieler 2 Minuten lang eine fröhliche Taube darstellt. Mit gemischtem Erfolg – ein Zuschauer stirbt während der Vorführung an einem Lachkrampf.
Tante Uschi (Andreas Kunze)
Die Grande Dame des Kinderheims der Stadt ist ein gediegener Herr mit Melone und Zigarre, der freundlich 4 Jungs und ein Mädchen betreut. Sie fährt eine BMW Isetta, die sie Dr. Hasenbein auch für den Krieg leiht. Leider wird der Hamster des Heims, Hermie, von Dr. Hasenbein unwissentlich zertreten.
Annegret (Carina Berns als Kind, Andrea Vonscheidt als Peterchens Frau)
Annegret ist das einzige Mädchen und das wohl jüngste Kind im Waisenhaus. Zwar hilft sie den älteren Jungs aus dem Heim dabei, sich an Dr. Hasenbein zu rächen, weil sie um den Hamster Hermie trauert, petzt aber, dass diese Peterchens Ball zerstochen haben. Am Ende lebt sie mit Peterchen zusammen und hat ein Kind mit ihm. Sie ist (im Gegensatz vor allem zu Peterchen) die einzige Person, die im Laufe des Films älter wird, d.h. von einer älteren Schauspielerin gespielt wird.
Markante Zitate
„Ich hatte eine Schweinshaxe bestellt. Wer hat das verhindert?“ (Dr. Hasenbein)
„Dr. Hasenbein hat Hermi niedergemetzelt!“ (Waisenkind Metulski)
"Schauen Sie bitte einmal zur Wand. Nocheinmal, nocheinmal zur Wand schauen. (...) Tut mir leid, dass ich jetzt lachen muss, aber Sie haben lediglich eine Sehnenscheidenentzündung" (Dr. Hasenbein)
"Nee komm, sach ma ne andere Hausnummer" (Dr. Hasenbein beim Feilschen mit dem Zigarrenhändler)
"Keine Frau, nur einen Sohn. Ist auch komisch, ne?" (Dr. Hasenbein)
"Seit mein Hund weggelaufen ist, trink ich ab und zu ma einen...kann man nix machen. Kann man nur hoffen, dass er wiederkommt." (Kalfaktor)
"Annegreth, du holst schonma das Klavier vom Speicher!" (Tante Uschi) "Aber ich bin doch noch so klein." (Annegret) "Aber du bist doch unsere Pippi Langstrumpf!!!" (Tante Uschi)
"Hast du'n Schatten?! Das ist Elektronik!" (Waisenkind Carlos zu Tante Uschi, als diese sein Handy aus Wut kaputtwirft) "Tante Uschi meint es nur gut mit uns!" (Waisenkind Metulski darauf)
"Das knallende Weiß ihres Hinterns zersägte die Atmosphäre. Die Ente sprang zu Wasser und floss dahin. Der Wassermann mit seinem Dreizack war auch da. Porzellanengleich riss die Stille der Nacht das Wasser auseinander, und ihr weisser Hintern knallte mir ins Gesicht! Die Ente, die vor mir sass, watschelte, popatschelte." (Dr. Hasenbein, aus einem Buch vorlesend)
"Mal sehen... Ich bin jetzt schon total überrascht!" (Dr. Hasenbein beim Öffnen der Überraschungstüte)
"Ich war einen Moment lang angeschlafen." (Dr. Hasenbein)
"Ja... Ich werde über die Straße gehen." (Der Schneider Herr Voss)
"Da muss ich... da muss ich fast schon lachen!" (Dr. Hasenbein)
"Bah! Die ist ja aus der Dose! Ja.. Bah!" (Dr. Hasenbein)
"Ja da geht sie hin, die fremde geheimnisvolle Frau." (Dr. Hasenbein)
"...Ich schicke den BURSCHEN!" (Dr. Hasenbein)
"Dieser Typ da, wie der rumläuft! Was gibt es nur für Leute? Fühlen die sich wohl in ihrer Haut?" (Bucklige Frau)
Besetzung
Helge Schneider, Peter Berling, Andreas Kunze, Peter Thoms, Horst Mendroch, Bernhard Sondermann, Werner Abrolat, Carina Berns, Carlos Boes, Bernd Jungkurth, Bodo Oesterling, Robert Wolf, Günter Kordas, Norbert Losch, u.a.