Mathematische Psychologie
Mathematische Psychologie ist eine Teildisziplin der Psychologie, die sich - im Gegensatz zu anderen Teildisziplinen - über ihre Arbeitsmethoden und nicht über ihren Gegenstand definiert.
In der Mathematischen Psychologie werden psychologische Modelle mathematisch formalisiert und beschrieben, z.B. in der psychologischen Skalierung (vielfach für psychometrische Anwendungen), Lernmodelle, Wissenspsychologie, Entscheidungstheorie oder Wahrnehmung, aber auch Modelle in der Sozialpsychologie, der Klinischen Psychologie und der [Arbeits- und Organisationspsychologie]]. Hierbei werden überwiegend wahrscheinlichkeitstheoretische Modelle verwendet, man findet aber durchaus auch diskrete Modelle. Die mathematischen Formalisierungen haben den Vorteil, daß sie genauere Vorhersagen erlauben - und damit auch schärferen empirischen Überprüfungen unterzogen werden können.
Hintergrund ist ein Verständnis der Psychologie als experimentelle bzw. empirische Naturwissenschaft. Diese Sichtweise ist eine direkte Folge aus dem Grundverständnis der Psychologie, wie es von ihren Pionieren (Wilhelm Wundt, Gustav Theodor Fechner, Karl Pearson, Hermann Ebbinghaus, Alfred Binet, Charles Spearman, William Stern u.v.a.) verstanden wurde. Seit dem 2. Weltkrieg finden sich innerhalb der Psychologie auch zumehemend stärker sozialwissenschaftliche Ausprägungen (wobei die Anbindung an eine Fakultät (geistes-, natur- oder sozialwissenschaftlich) nichts über die Ausrichtung des Fachbereiches aussagt, da diese in der Regel rein historisch und / oder verwaltungstechnisch begründet ist).
Stößt die Psychologie als Wissenschaft, bzw. die konsequente Anwendung wissenschaftlicher Methodik, insbes. die quantitativer Methoden, in der Regel auf Unverständnis, so erfährt die Mathematische Psychologie normalerweise zusätzlich scharfe Ablehnung. Eine "vollständige Vermathematisierung des Menschen" erscheint vielen entsetzlich, völlig skandalös und geradezu blasphemisch. Die Antwort der Psychologie und gleichzeitig die Erklärung für dieses Vorgehen ist, dass das Gebiet der Psychologie, also das Verhalten und Erleben des Menschen, eine sehr wesentliche und ganz besonders herausragende Eigenschaft besitzt: es ist hoch komplex! Sehr komplexe Phänomene lassen sich - und das hat die gesamte Menschheitsgeschichte und nicht nur die Wissenschaftsgeschichte gezeigt - aber am besten, wenn nicht sogar ausschließlich, mathematisch fassen.
Zentrale Zeitschriften sind das Journal of Mathematical Psychology und das British Journal of Mathematical and Statistical Psychology, außerdem findet man auch zahlreiche Veröffentlichungen im Mathematical Social Sciences. In den USA gibt es eine Society for Mathematical Psychology, die jährliche Tagungen veranstaltet; in Europa gibt es die (informelle) European Mathematical Psychology Group (EMPG), ebenfalls mit jährlichen Tagungen.
Literatur
- Coombs, C.H., Dawes, R.M. & Tversky, A. (1970). Mathematical psychology - an elementary introduction. Englewood Cliffs, N.J.: Prentice-Hall
- Deppe, W. (1976). Formale Modelle in der Psychologie. Eine Einführung. Stuttgart: Kohlhammer.
- Heath, R. A. (2000). Nonlinear dynamics: Techniques and applications in psychology. Mahwah, NJ: Erlbaum.
- Kempf, W. & Andersen, E.B. (Ed.) (1977). Mathematical models for social psychology. Bern: Huber.
- Restle, F. & Greeno, J. (1970). Introduction to Mathematical Psychology. Reading. MA: Addison-Wesley.
- Townsend, J. T., & Ashby, F. G. (1983). Stochastic modeling of elementary psychological processes. Cambridge: Cambridge University Press.
- Sydow, H. & Petzold, P. (1982). Mathematische Psychologie. Mathematische Modellierung und Skalierung in der Psychologie. Berlin: Springer.