Präsidentschaftswahl in Polen 2015
Die sechste Präsidentschaftswahl in Polen seit Gründung der Dritten Republik wird am 10. Mai 2015 stattfinden. Zur Wahl stellen sich neben dem amtierenden Präsidenten Bronisław Komorowski (unterstützt von der liberal-konservativen Bürgerplattform) unter anderen der EU-Parlamentarier Andrzej Duda für die nationalkonservative Partei Recht und Gerechtigkeit, Janusz Palikot für die linksliberale, progressive und antiklerikale Partei Twój Ruch sowie Magdalena Ogórek für den sozialdemokratischen Bund der Demokratischen Linken.
Wahlverfahren
Art. 128 der polnischen Verfassung sieht vor, dass der Wahltermin vom Sejmmarschall festgelegt wird und 75 bis 100 Tage nach dem Ende der fünfjährigen Amtszeit des bisherigen Amtsinhabers an einem arbeitsfreien Tag liegen muss. Gewählt ist derjenige Kandidat, der in der unmittelbaren Wahl die absolute Mehrheit der Stimmen vereint. Gelingt das keinem der Kandidaten im ersten Wahlgang, findet zwei Wochen nach dem ersten Wahlgang, in diesem Fall also am 24. Mai 2015, eine Stichwahl zwischen den beiden stimmenstärksten Kandidaten des ersten Wahlgangs statt.
Passiv wahlberechtigt sind alle polnischen Staatsbürger, die das 35. Lebensjahr vollendet haben und mindestens 100.000 Unterstützerunterschriften von Wählern vorweisen können.
Ausgangslage und Kandidatensuche
Nach dem Wechsel des Ministerpräsidenten Donald Tusk im September 2014 nach Brüssel, dessen sieben Jahre lang reibungsarm funktionierende Regierung für in der dritten Republik bisher unbekannte politische Stabilität gesorgt hatte, sieht sich seine Nachfolgerin Ewa Kopacz mit wachsender Unzufriedenheit konfrontiert. Ende 2014 verlor ihre Partei, die liberal-konservative Bürgerplattform, erstmals seit 2005 eine landesweite Wahl gegen ihre konservative Konkurrentin, die Partei Recht und Gerechtigkeit von Jarosław Kaczyński (26,7 zu 26,4 Prozent). Die Ankündigung der Regierung im Januar 2015, die traditionsreiche, aber krisengeschüttelte polnische Kohleindustrie zu sanieren und dabei vier von 14 Zechen der staatlichen Kompania Węglowa zu schließen, führte zu Massenprotesten;[1] Tusk hatte vor der Europawahl in Polen 2014 noch verkündet, dass es zu keinen Zechenschließungen kommen werde. Nach der Ankündigung eines Generalstreiks zog die Regierung ihr Vorhaben zurück, blieb aber laut Umfragen beschädigt, zumal Kopacz daraufhin drei enge Mitarbeiter verließen und in der ideologisch und regional fragmentierten Bürgerplattform Flügelkämpfe wahrnehmbar wurden.[2] Bisher ist der amtierende polnische Präsident Komorowski, der von der Bürgerplattform unterstützt wird, von diesen Schwierigkeiten unbeeinflusst geblieben und verfügt nach einer Umfrage vom Dezember 2014 über eine sehr hohe Zustimmung zu seiner Amtsführung (73 Prozent) und über hervorragende persönliche Beliebtheitswerte (79 Prozent).[3]
Die konservative Partei Recht und Gerechtigkeit, die Mitte der 2000er Jahre unter den Brüdern Kaczyński die polnische Politik dominiert hatte, dann aber von Tusks Bürgerplattform auf den zweiten Platz verdrängt wurde, steht vor einem möglichen Comeback an die Regierung. Anstatt selbst anzutreten und bei einer Niederlage gegen den populären Amtsinhaber die Aussichten für die Parlamentswahl im Herbst zu schmälern, schickte der Vorsitzende Jarosław Kaczyński im November 2014 die frühere rechte Hand seines 2010 im Präsidentenamt gestorbenen Bruders Lech, Andrzej Duda, ins Rennen. Der EU-Parlamentarier gilt als weithin respektiert und beliebt, aber kaum bekannt und bisher unerprobt in der ersten Reihe.[4]
Der in den 1990er und frühen 2000er Jahren die politische Landschaft Polens dominierende ex-kommunistische, sozialdemokratische Bund der Demokratischen Linken, der durch die geschickt nach links integrierende Strategie der Bürgerplattform politisch an den Rand gedrängt worden ist, hatte Probleme, einen geeigneten Kandidaten für die Wahl zu finden. Der Vorsitzende Leszek Miller lehnte eine eigene Kandidatur ab, um bei einer zu erwartenden Niederlage die Schwierigkeiten seiner Partei nicht noch zu verschärfen, und konnte seinen Wunschkandidaten Ryszard Kalisz intern nicht durchsetzen.[5] Stattdessen wurde im Januar 2015 die fast unbekannte 35-jährige Magdalena Ogórek zur Kandidatin gekürt, deren Unbeschriebenheit als Kandidatin, ihr gutes Aussehen und ihre Bekanntheit aus Fernsehauftritten zu großer medialer Aufmerksamkeit, aber auch zu Spott führten.[6]
Die in den letzten Monaten immer erfolgreichere agrarisch geprägte Polnische Volkspartei, die bei der Parlamentswahl den Einzug als dritte Kraft anstrebt, stand vor der Entscheidung, überhaupt einen Kandidaten aufzustellen oder den amtierenden Präsidenten zu unterstützen, da die Stammwählerschaft der Partei kaum an Präsidentschaftswahlen teilnimmt und ihre Kandidaten in den letzten beiden Wahlen nur etwa zwei Prozent erhielten. Man entschied sich jedoch für einen eigenen Kandidaten, den Regionalpolitiker Adam Jarubas.[7]
Die Präsidentschaftskandidatur des linksliberalen Janusz Palikot sieht der Politikwissenschaftler Aleks Szczerbiak als dessen „letztes Aufgebot“ seiner politischen Karriere (,last hurrah‘).[5]
Liste der Kandidaten


Als Kandidaten haben sich bisher insgesamt zur Wahl gestellt:
- Grzegorz Braun, Regisseur (rechts, Monarchist)[8]
- Waldemar Deska, Reggae-Musiker (libertär)[9]
- Andrzej Duda, Recht und Gerechtigkeit (konservativ)
- Anna Grodzka, Zieloni 2004 (links, ökologisch-sozial)[10]
- Adam Jarubas, Polnische Volkspartei, derzeit Woiwodschaftsmarschall in Heiligkreuz (agrarisch, gemäßigt konservativ)[10]
- Janusz Korwin-Mikke, EU-Parlamentarier mit Parteineugründung KORWiN (konservativ-marktliberal)[11]
- Bronisław Komorowski, amtierender Präsident, unterstützt von der Bürgerplattform (liberal-konservativ)
- Paweł Kukiz, Rock-Musiker (parteilos, rechts)[12]
- Marian Kowalski, Nationale Bewegung (rechtsradikal)[13]
- Magdalena Ogórek, Bund der Demokratischen Linken (sozialdemokratisch)
- Janusz Palikot, Twój Ruch (linksliberal, laizistisch)[14]
- Jacek Wilk, Rechtsanwalt, Kongress der Neuen Rechten (konservativ-marktliberal)[15]
Wahlkampf
Zu Beginn des Wahlkampfs Anfang 2015 liegt Komorowski mit hohen Beliebtheitswerten weit in Führung; ihm steht eine absolute Mehrheit am 10. Mai in Aussicht, was einen zweiten Wahlgang entbehrlich machen würde. Er wird in Umfragen mit deutlich zweistelligem Abstand in Prozentpunkten gefolgt von Andrzej Duda von der konservativen Partei Recht und Gerechtigkeit.[16] Duda kündigte am Beginn seines Wahlkampfs im Februar 2015 an, das Erbe des 2010 verunglückten damaligen Präsidenten Lech Kaczyński antreten zu wollen und sich für den sozialen Ausgleich einzusetzen, vor allem durch eine Senkung des Rentenalters.[17] Die Unterstützung für die Kandidatin der größten linken Partei, des Bundes der Demokratischen Linken, Magdalena Ogórek, wird bei nur etwa fünf bis zehn Prozent der Wähler taxiert, was auf ihre Unerfahrenheit und Jugend zurückgeführt wird. Sie wird von der Presse abgeschirmt und versucht Aufbruchsstimmung für eine „europäische Generation“ zu wecken, in der sie die Jugend und einen neuen Unternehmergeist verortet.[6] Im Februar 2014 rief sie dazu auf, Russland – dessen Politik sie nicht gutheiße – nicht mehr als Hauptfeind anzusehen, sondern zu einer Zusammenarbeit zurückzufinden; die polnische Regierung der liberalkonservativen Bürgerplattform und der amtierende Präsident Komorowski zählen international zu den schärfsten Kritikern des russischen Präsidenten Putin im Ukrainekrieg seit 2014.[18]
Weblinks
- Website der Wahlkommission (polnisch).
Belege
- ↑ Sebastiao Barbosa: UPDATED: Conflict in Polish mining industry escalates. In: Political Critique, 30. Januar 2015.
- ↑ Aleks Szczerbiak: Is the Kopacz government’s honeymoon over? In: The Polish Politics Blog, 2. Februar 2015.
- ↑ Aleks Szczerbiak: Polish politics in 2014 (Part 1): Is the ruling party back in the game? In: The Polish Politics Blog, 2. Januar 2015.
- ↑ Aleks Szczerbiak: Polish politics in 2014 (Part 2): Can Law and Justice break through the ‘glass ceiling’? In: The Polish Election Blog, 8. Januar 2015.
- ↑ a b Aleks Szczerbiak: Polish politics in 2014 (Part 4): Has the left hit rock bottom? In: The Polish Politics Blog, 19. Januar 2015.
- ↑ a b Henry Foy: Polish presidential candidate raises media storm. In: Financial Times, 4. Februar 2015.
- ↑ Aleks Szczerbiak: Polish politics in 2014 (Part 3): Has the Peasant Party joined the ‘premier league’? In: The Polish Election Blog, 14. Januar 2015.
- ↑ Grzegorz Braun wystartuje w wyborach prezydenckich. „Nie jestem demokratą”. In: TVP.info, 24. Januar 2015.
- ↑ Justyna Goliasz: Waldemar Deska: Rettungsanker für die polnische Politik?. In: Polen Heute, 11. Februar 2015.
- ↑ a b Two new presidential candidates in the running. In: TheNews.pl, 2. Februar 2015.
- ↑ Maverick MEP Korwin-Mikke launches new party. In: TheNews.pl, 23. Januar 2015.
- ↑ Wojciech Rylokowski: Presidential candidate loses record deal with Sony Music. In: WBJ.pl, 13. Februar 2015.
- ↑ Polish far-right nationalists tap nightclub bouncer for presidential candidate. In: TheNews.pl, 17. Dezember 2014.
- ↑ Liberal maverick Palikot announces presidential bid. In: TheNews.pl, 15. Dezember 2014.
- ↑ Alicja Ciszewska: KNP names its presidental candidate. In: WBJ.pl, 4. Februar 2015.
- ↑ Komorowski tops presidential poll. In: TheNews.pl, 6. Februar 2015; Polish President Komorowski set for a landslide victory in May’s election. In: Ukraine Today, 8. Februar 2015.
- ↑ Polish presidential candidate Duda starts campaign, pledging increased social care. In: Fox News, 7. Februar 2015 (AP-Meldung).
- ↑ One of Poland's leading presidential candidates just vowed for better ties with Russia. In: BusinessInsider.com, 14. Februar 2015.