Zum Inhalt springen

Schubumkehr

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Dies ist eine alte Version dieser Seite, zuletzt bearbeitet am 20. Februar 2006 um 16:56 Uhr durch AR79 (Diskussion | Beiträge) ([[Luftfahrt]]). Sie kann sich erheblich von der aktuellen Version unterscheiden.
Datei:Thrust.reverser.fokker70.arp.detail.jpg
Triebwerk mit betätigter Schubumkehr an einer Fokker 70
Funktionsweise der Schubumkehr am Beispiel des Wasserstrahl-/Jetantriebes

Definition

Die Schubumkehr ist ein Verfahren zum Abbremsen eines Flugzeugs am Boden oder zur Richtungsumkehr eines durch eines Bootes oder Schiffes, durch Erzeugen/Umlenken des Schubes entgegen der Bewegungsrichtung.

Bei Strahltriebwerken wird durch geeignete Klappen der Triebwerksstrahl in Bewegungsrichtung umgelenkt, so dass er eine Verzögerung des Flugzeugs bewirkt. Bei entsprechend ausgerüsteten Propellertriebwerken können die Propellerblätter so verstellt (Verstellpropeller) werden, dass sie einen nach vorne gerichteten Schub erzeugen.

Dies geschieht hauptsächlich zur Verkürzung der Landerollstrecke und zur Entlastung der mechanischen Bremsen eines Flugzeuges.

In der zivilen Luftfahrt dürfen nur Flughäfen angeflogen werden, auf denen ein Flugzeug auch ohne den Einsatz der Schubumkehr eine ausreichende Landerollstrecke vorfindet. Aufgrund von Lärmemissionsbegrenzungen landen Flugzeuge oft jedoch auch ohne Schubumkehr.

Betätigt wird die Schubumkehr entweder durch die Schubhebel selbst oder mit Hilfe von Zusatzhebeln, die an deren Vorderseite angebracht sind.

Die Schubumkehr wird von den meisten Verkehrsflugzeugen eingesetzt. Auch einige militärische Flugzeuge, die von kurzen Landebahnen aus eingesetzt werden sollen, verfügen über eine Schubumkehr, beispielsweise einige militärische Transportmaschinen, der Tornado sowie der Saab Viggen.

Bei Booten und Schiffen, die durch Verstellpropeller oder -schrauben vorgetrieben werden, wird die Steigung der Propellerblätter, bzw der Schraubenblätter so verstellt, dass ohne eine Drehrichtungsänderung des Bootspropellers oder der Schiffsschraube die Schubrichtung umgekehrt wird.

Dasselbe gilt für einen Voith-Schneider-Antrieb, bei dem zum Aufstoppen oder zur Rückwärtsfahrt des Bootes/Schiffes lediglich die Schaufeln anders angesteuert werden, die Drehrichtung des Antriebes sich aber nicht ändert.

Bei einem Schottelantrieb oder auch einem kleinen Außenbordmotor wendet man den gesammten Antrieb/Motor um 180 Grad um die senkrechte Achse, um denselben Effekt zu erreichen, eine Schubumkehr, ohne eine Änderung der Drehrichtung des Antriebes.

Bei einem Wasserstrahlantrieb wird, ähnlich wie bei einem Strahltriebwerk eines Flugzeuges eine Klappe, die „Schubumkehrklappe“ in den Antriebsstrahl gefahren, den Schub in die Gegenrichtung umzulenken.

Bemessung der Schubumkehr

Die Stärke mit der eine Schubumkehr arbeitet wird in Prozent der nicht umgelenkten Vortriebskraft bemaßt. Gerade bei der Verwendung von Schubumkehrklappen bei Strahltriebwerken und Wasserstrahlantrieben ist dieses Maß der Schubumkehr schon in der Konstruktion ein wichtiges Teil, bestimmt sie doch bei der Landung eines Flugzeuges, wie kurz der Bremsweg werden wird (und wie lang daher die Landebahn sein muss) und bei Schiffen/Booten, wie schnell sie noch in Rückwärtsfahrt unterwegs sein können, also wie manövrierfähig ein unter Schubumkehr fahrendes Boot/Schiff noch ist.

Dennoch lösen verschiedene Antriebshersteller das Problem auf verschiedene Weisen, was dazu führt, dass um die Details der Formen der Schubumkehrklappen und der Winkel, in denen diese in den Antriebsstrahl geführt werden (müssen) eine gewisse Geheimniskrämerei gemacht wird oder auch Patente bestimmte Konstruktionen im Detail schützen.

Der Effekt des „Schubrückschlages“

Bei der Schubumkehr durch eine Schubumkehrklappe ist das größte Problem, dass dabei der umgelenkte Vortriebsstrahl in den Einlassbereich des Triebwerkes geblasen werden kann. Beim Flugzeug könnten dann aufgewirbelte Kleinteile (FOD) in den Antrieb gelangen und diesen zerstören. Bei Schiffen/Booten kann das Aufsaugen des umgelenkten Vortriebsstrahls durch den Antrieb dazu führen, dass der Schub auf Null Prozent sinkt.

Dieser Schubrückschlag ist bei Flugzeugen unbedingt zu vermeiden. Das wird oft dadurch erreicht, dass sich die Schubumkehr an Flugzeugen unterhalb vorher bestimmter Rollgeschwindigkeiten von selbst abschaltet oder gar nicht erst einschalten lässt.

Bei Booten/Schiffen wird der Nullschubeffekt des Schubrückschlages konstruktiv genutzt, um zum Beispiel bei voller Bereitstellung einer eventuellen Vor- oder Rückschubleistung im Leerlauf vor sich hinzudümpeln, oder aber, um bei Vorhandensein durch mehrere Wasserstrahlantriebe bestimmte Gimmicks, wie z.B. das Seitwärtsfahren ohne Bug- und/oder Heckstrahlruder durchführen oder zumindest unterstützen zu können. Daher ist bei Wasserstrahlantrieben immer ein Bereich vorgesehen, bei dem eine vorher definierte Drehzahl des Antriebes und eine ganz bestimmte Stellung der Schubklappe zu einem Schubrückschlag und der damit verbundenen Aufhebung eines jeden Vortriebes führen.

Geschichte

Bis zur Erfindung von Verstellpropellern in See- und Luftfahrt gab es in der Luftfahrt keine Schubumkehr. Und in der Schiffahrt wurden die Motoren oft gestoppt und gegenläufig wieder gestartet, um den Schub von Vorwärtsfahrt in Rückwärtsfahrt zu wechseln.

Der erste Schritt einer Änderung kam auf, als das durch Citroen erfundene Wendegetriebe eine Umkehr des Antriebes erlaubte, ohne den Motor in seiner Betriebsrichtung andersherum laufen lassen zu müssen.

Im Verlauf des Zweiten Weltkrieges wurde dann der Verstellpropeller (obwohl eine bereits 25 Jahre alte Erfindung) bei allen Kriegsbeteiligten eingeführt, zuerst in der Luftfahrt und dann, nachdem die dort wesentlich gewaltigeren Kräftebedingungen gelöst waren, auch in der Seefahrt.

Die Idee es Verstellpropellers war zuerst nicht, eine Schubumkehr zur Verfügung zu haben, sondern, verglichen mit einem Automobil, den Antrieb über das „Schalten von Gängen“ den erforderlichen Geschwindigkeiten und von außen einwirkenden Belastungen anpassen zu können. Die Steigung an einem Propeller ändern zu können, bedeutet nämlich genau das, „den Gang“ wechseln zu können, also bei gleicehr Antriebsleistung andere Drehmomente in Schub umsetzen zu können. Und, für die Luftfahrt extrem wichtig, ein Verstellpropeller wiegt wesentlich weniger, als ein Schaltgetriebe.

Damit einher ging die „Erfindung“ des „Rückwärtsganges“ in Luft- und Seefahrt.

Die Schubumkehrklappe an Strahltriebwerken jedoch wurde erst erforderlich, als immer schnellere Flugzeuge auf immer kürzeren Pisten zu landen hatten, also mit der gleichzeitigen Verbreitung von sogenannten „Düsenjägern“ und „Flugzeugträgern

Von dort aus, geschehen Ende der 1940er Jahre in der US Navy, war es nur noch ein kleiner Entwicklungssprung bis die Schubumkehrklappe sich auch an Passagierflugzeugen wiederfand, kaum dass diese Ende der 1950er und Anfang der 1960er groß und schwer genug geworden waren, alleine mit den Radbremsen auf den zur Verfügung stehenden Landebahnlängen nicht mehr sicher stoppen zu können.

Das erste Serienflugzeug ziviler Nutzung, welches Schubumkehrklappen als Standartausrüstungsgegenstand besaß, war die us-amerikanisch gefertigte Boeing 707.

Der erste Wasserstrahlantrieb mit Schubumkehrklappe kam schon in den 1950ern vom australischen Hersteller Hamilton.

Heute ist die Schubumkehr aus der Nutzung in See- und Luftfahrt nicht mehr wegzudenken.