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Herrenhaus (Gebäude)

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Als Herrenhaus bezeichnet man die - ehemals oder heute noch - von Adeligen und Großgrundbesitzern (der Gutsherrschaft) bewohnten Gebäude, soweit es sich dabei nicht um Schlösser handelt - die Bezeichnungen werden jedoch häufig synonym benutzt. Es herrscht vor allem in den ost- und nordelbischen Gebieten vor.

Allgemeines

Torhaus Wellingsbüttel

Die bauliche Entwicklung der Herrenhäuser setzte mit der Entstehung der landwirtschaftlichen Güter (vergleiche: Rittergut, Adliges Gut, Meierhof, Vorwerk) um 1500 ein. Ursprünglich handelte es sich um schlichte aber massive Wohnhäuser. In den Dokumenten historischer Archivbestände werden diese Häuser daher oft als "festes Haus" bezeichnet. Meist hatten sie einen Feldsteinsockel und einen Fachwerkaufbau, teilweise einen Gewölbekeller und als Anbau einen Treppenturm.

In der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts setzte sich der Ziegelstein - meist noch unverputzt - für die Außenmauern durch. Über zweiflügelige Anlagen entwickelte sich das Herrenhaus zum die umliegende Landschaft auch optisch beherrschenden Dreiflügelhaus weiter. Im Wiederaufbau nach dem Dreißigjährigen Krieg wurde das Herrenhaus zum Zentralbau größerer Hofanlagen. Ihm vorangestellt war häufig ein Torhaus (oft mit Dachreiter), das den Eingang zur Anlage bildete.


Herrenhäuser in Deutschland

In Schleswig-Holstein wird als Herrenhaus das Wohnhaus eines Adligen Gutes bezeichnet. Die Bezeichnung steht dabei im Gegensatz zum Schloss des Landesherrn bzw. des Bischofs; die Begriffe werden jedoch oft - auch von Fachleuten - unterschiedlich interpretiert. Häufig werden größere Anlagen durch die Umgangssprache zu Schlössern "geadelt" (z. B. in Wotersen). In Schleswig-Holstein sind die Herrenhäuser aus großen Gutshöfen hervorgegangen, davon zeugen in der Regel die großen Wirtschaftsgebäude und schöne Torhäuser, die für Schleswig-Holsteiner Anlagen typisch sind und die das eigentliche Herrenhaus in ihren Dimensionen oft übertreffen (z. B. in Hasselburg). Ab dem Mittelalter bis zur Renaissance hat sich in Schleswig-Holstein für viele Herrenhäuser das sog. "Mehrfachhaus" bewährt, hierbei wurden mehrere Langhäuser mit jeweils eigenem Satteldach längs zueinander errichtet und mit Türmen, Giebeln und Erkern variiert. Typische Anlagen dieser Zeit sind zum Beispiel Ahrensburg, Nützschau und Wahlstorf. Auch das bekannte Schloss Glücksburg ist in dieser Form gestaltet. Im Barock setzen sich für die Herrenhäuser palaisartige Bauformen durch; zu den bekanntesten Anlagen gehören Emkendorf, Altenhof oder auch das oben genannte Wotersen. Analog zur Entwicklung im Schlossbau wurden ab dem ausgehenden Klassizismus bis zum Historismus die Herrenhäuser dem Zeitgeschmack angepasst oder neu errichtet, Gut Knoop ist das schönste Beispiel für ein klassizistisches Herrenhaus im Land, Blomenburg für ein neugotisches.

Die Geschichte des Herrenhauses in Schleswig-Holstein ist noch nicht vorbei, viele Anlagen sind bis heute bewohnt und zum Teil sogar noch in Familienbesitz, sie sind Mittelpunkt ländlicher Güter und/oder kulturelle Treffpunkte, wie etwa Salzau. Gleichzeitig stellen die historischen Anlagen aber auch große Ansprüche an die Denkmalpflege und die finanziellen Möglichkeiten ihrer Besitzer.


Herrenhaus „Schloss“ Blankensee

Auch in Brandenburg fehlt eine klare Abgrenzung vom Schloss zum Herrenhaus; nicht nur umgangssprachlich, sondern auch offiziell, werden manche Herrenhäuser als Schloss bezeichnet, so zum Beispiel das Schloss Blankensee. Bereits Fontane stellte den Widerspruch in der in Brandenburg seit langem gebräuchlichen jedoch unkorrekten Verwendung des Wortes "Schloss" heraus. Gleichwohl spricht er von dem Mut der Brandenburger zur Verwendung einer "ausgleichenden höheren Titulatur" und schließt sich der traditionellen Bezeichnung insbesondere hinsichtlich repräsentativer Herrenhausbauten als "Schlösser" an. In der wissenschaftlichen Literatur setzt sich, zumindest für die ehemaligen preussichen Provinzen folgende "Ausgangsdefinition" durch: Als Herrenhaus wird das Wohnhaus einer privilegierten adligen Gutsherrschaft (Rittergut) bezeichnet, diese steht in engem Zusammenhang mit der Wahrnehmung und Ausübung ihrer gutsherrschaftlichen Rechte und Pflichten. Diese Rechte und Pflichten beziehen sich auf die Grund-, Leib- und Gerichtsherrschaft sowie das Kirchen- und Schulpatronat im Bereich des jeweiligen Rittergutsbezirkes. Ebenfalls eng verbunden mit diesen Privilegien war die sog. "Land-" bzw "Kreistagsfähigkeit" des Rittergutes. Insgesamt betrachtet gilt jedoch aufgrund der komplexen sozio-ökonomischen Entwicklung der sich insbesondere im 19. Jh. äußerst heterogen entwickelnden Gruppen von Großgrundbesitzern für die Handhabung des Wortes Herrenhaus eine fallweise Abwägung der jeweiligen wesentlichen Einflussfaktoren vor dem Hintergrund der jeweiligen Epoche.

nicht deutschsprachiges Gebiet

Herrenhäuser treten auch in anderen Kulturkreisen auf; beispielsweise bezeichnet man eine große, reiche Villa auf dem Land in der kretisch-minoischen Kultur auch als Herrenhaus; sie waren vor allem in der Neupalastzeit (um 1700 v. Chr. bis 450 v. Chr.) auf Kreta verbreitet. Auch in England und Irland, sowie den Südstaaten der USA ist Bezeichnung des Herrenhauses ("Manor") für ein, meist adeliges, Gut verbreitet.

weitere Bedeutungen

Im Landtag von Preußen bildete das Herrenhaus von 1854 bis 1918 die Erste Kammer. Die Mitgliedschaft war lebenslänglich und wurde entweder als Standesprivileg vererbt oder durch den Herrscher verliehen.

In Österreich war Herrenhaus die offizielle Bezeichnung für die Erste Kammer oder das Oberhaus des Reichsrats von 1861 bis 1918.

In Großbritannien existiert ähnlich das "House of Lords" und im Kaiserreich Japan das Kizokuin (貴族院) von 1889 - 1947.