Haus Düsternstraße 43–51


Das Haus Düsternstraße 43−51 war ein Backsteingebäude in der Hamburger Neustadt, das der Volksmund aufgrund seiner eindrucksvollen Bauweise und seiner barocken Fassade auch Altes Schloss nannte. Es wurde zwischen 1671 und 1677 errichtet und 1906 abgerissen und stand am südlichen Teil der Neustädter Fuhlentwiete, der ab 1900 zur Düsternstraße wurde. Teile seines Bauschmucks wurden von Fritz Schumacher in die Architektur des Museums für Hamburgische Geschichte einbezogen und zieren die zum Holstenwall gelegene Südostwand des Gebäudes.
Lage und Beschreibung
Das Haus wurde in einer Zeit gebaut, nachdem durch die Errichtung der Wallanlagen von 1615 bis 1626 das Millerntor weiter nach Westen verlegt und die ehemaligen Gärten davor in das Hamburger Stadtgebiet einbezogen worden waren. Das Grundstück lag an einem ehemaligen Gartenweg parallel zum alten Stadtgraben, dem heutigen Herrengrabenfleet, zwischen den alten Straßenverläufen vom Alten Steinweg und der Fuhlentwiete. Die Adresse war Neustädter Fuhlentwiete, Ende des 19. Jahrhunderts wurde die Straße durch Verlängerung in die Düsternstraße einbezogen.
Das Gebäude war ein dreigeschossiger Backsteinrohbau mit barocker Palastfassade, auf 21 Metern breit angelegt und von sechs Kolossalpilastern ursprünglich gleichmäßig gegliedert. Diese saßen auf hohen Sockeln und wurden von korinthischen Kapitellen gekrönt, sie traten aus der Hauswand hervor und reichten bis zum Dach, wo sie das kräftige Hauptgesims stützten. Dieses wurde überragt von der schrägen Fläche des großen Walmdachs.[1] Hervor stand ein Dreiecksgiebel mit zwei Fenstern, rechts und links davon auf verschiedenen Höhen Gauben ebenfalls mit Fenstern sowie einige schräge Dachfenster.
Zwischen Erd- und Obergeschoss war ein niedrigeres Stockwerk eingeschaltet, das einer Bauweise entsprach, wie sie sich in Norddeutschland aus der hohen Diele herausgebildet hat. Im Sockelbereich in der mittleren Achse befand sich ein Doppelportal mit geschweiftem Giebel aus Sandstein, in dem zwei Eingänge mit kurzen Treppen lagen. Es ist vermutlich nachträglich, Mitte des 18. Jahrhunderts eingebaut worden. Die übrigen vier Achsen waren im Erdgeschoss mit weiteren Eingängen und Schaufenstern der hier ansässigen Geschäfte unterschiedlich gestaltet. Auch in den Kellerräumen lagen Läden.[2]
Ehemals führten an beiden Seiten des Gebäudes Einfahrten vorbei, die von Torbögen überwölbt waren. Der rechte Torweg ist in den 1790er Jahren mit einem vierstöcken Etagenhaus zugebaut worden. Auf der linken Seite führte die Durchfahrt bis zum Abbruch des Hauses in einen geräumigen Hofplatz. Zum Grundstück, das zum Schluss noch 80 Meter tief war und bis an den Schulgang und den Langen Gang reichte, gehörten weitere Gebäude, vormals Remisen, Stallungen und Wohnungen für die Dienerschaft, im 19. Jahrhundert teils Wohnhäuser, teils Fabriken.

Als Vorbilder für die Architektur das Hauses werden Bauten des Amsterdamer Baumeister Philips Vingboons, insbesondere das Landhaus Westwijk von 1637, oder auch der von Hans Hamelau ab 1666 errichtete Bauhof am Deichtor angenommen. Wilhelm Melhop wies zudem auf Parallelen zum ebenfalls von Hamelau 1660/1661 gebauten Kornhaus am Wandrahm hin, vor allem durch den Eindruck des überragenden, großen Walmdachs und der Erkerausbildung.[3]
Baugeschichte
Das Gartengrundstück stand am Anfang des 17. Jahrhunderts, bereits vor dem Bau der Wallanlagen, im Eigentum des Bürgermeisters Vincent Moller aus der Hanseatenfamilie Moller vom Baum und gehörte zuvor vermutlich schon seinem 1606 verstorbenen Vater Johann Moller. Nach dessen Tod 1665 erbte es seine Tochter Cecila Schrötteringk und deren Ehemann, der Bürgermeistersohn und fürstlich-gothaische Rat Lizentiat Joachim Schrötteringk, der entsprechend 1670 in das Grundbuch eingetragen wurde. Frühestens 1671 wurde mit dem Bau des Hauses begonnen, spätestens 1677 war es fertiggestellt.[4]
Das Haus wurde nicht von der Familie Schrötteringk bewohnt, diese hatte im 17. Jahrhundert ihren Hauptwohnsitz im Cranz’sches Haus in der Hamburger Altstadt. Vielmehr war der Palais in der Düsternstraße ein repräsentatives Anlageobjekt mit Mieteinnahmen. Im Laufe seiner Geschichte hatte es häufig wechselnde Eigentümer.
Nach dem Tod Joachim Schrötteringks im Jahr 1706 erbten sein Sohn Hinrich Schrötteringk und seine Tochter Anna Cecilia Schrötteringk das Haus samt Grundstück, das schließlich auf deren Ehemann Johann Albert Lohrmann eingetragen wurde. Aufgrund von Schulden aber überschrieb man es 1717 auf den Gläubiger Jobst von Overbeck. 1732, sechs Jahre nach dem Tod Overbecks, stellten seine Erben das Haus zum Verkauf. Das Zeitungsinserat lautete: „Zu wissen, daß am morgenden Mittwochen, als den 26sten des jetztlaufenden Monats Martii, des Abends zur gewöhnlichen Zeit auf dem Eimbeckschen Hause das Gast-Haus, Garten und Zubehörungen, ehedessen der Bremer Schlüssel genandt und bey dem Stadt-Graben bey der Fuhlentwiete belegen, an den Meistbietenden verkauffet und zu einem gar leidlichen Preiß eingesetzt werden soll“.[5] Uwe Meyer-Brunswieck hebt in seiner Darstellung des Hauses hervor, dass es 1721 noch keine Gaststätte an dieser Adresse gab, wie durch ein Inventar belegt ist. Der Bremer Schlüssel an der Fuhlentwiete wurde von der Autorin Petra Oelker wiederholt als Schauplatz in einem in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhundert angesiedelten Kriminalroman-Zyklus aufgenommen.
Gekauft wurde das Haus 1732 von Johann Fahrenholtz und Elert Maack, die es 1753 durch eine Trennmauer im Innern in zwei Hälften teilten. Vermutlich wurde in dieser Zeit das Doppelportal eingesetzt. Als Fahrenholtz 1758 starb, verkauften dessen Erben seine Haushälfte an Johann Georg Tummel. Er war ein Verwandter von Elert Maack, nach dessen Tod bekam Tummel 1773 auch die andere Seite per Senatsbeschluss zugesprochen, so dass das Haus wieder in Hand eines einzigen Eigentümers war. 1787, nach Tummels Tod, erbten seine Tochter und deren Ehemann Johann Otto Maack das Gebäude. 1800 wurde es an den Kaufmann Andreas Masson verkauft. Da sich dieser 1810 in finanziellen Schwierigkeiten befand, kam es erneut zur Aufstellung eines Inventars. Gekauft wurde es von dem Reeder Peter Godeffroy (1749–1822).
Laut Adressbuch von 1810 befand sich während der Franzosenzeit in dem Haus das Hôtel du Nord, das 1813 unter den „vornehmsten Gasthöfen hieselbst“ aufgeführt wurde.[6] 1820 ist unter der Adresse eine Tobacks- und Zigarrenfabrik und ein Tobacksmakler aufgeführt.
Das Gebäude wurde 1822 durch Godefroys Testamentsvollstrecker an Georg Andreas Bornhorst übertragen, bereits weitere drei Jahre später ging das Haus an Constantin Philipp Staeven. Dieser starb 1857 und das Haus stand erneut zum Verkauf. Laut Anzeige waren es nun „zwei Wohngebäude in einem Verbande, Parterre zwei Läden nebst Wohnung in jedem Stockwerk, ein, zwei und drei Treppen hoch, eine abgeschlossene Etage von mehreren Zimmern, Kammern, Küche; unter jedem der Häuser ein geräumiger Keller mit Wohn- und Lager-Localitäten, von denen der eine als Wein-, der andere als Fettwarenhandlung benutzt wurde“.[7]
Neuer Eigentümer wurde Johann Georg Wittmann, der 1860 die Genehmigung erhielt im Hof ein massives Gebäude zum Betrieb einer Gelbgießerei mit den erforderlichen Schmelzöfen zu errichten. Nach Wittmanns Tod 1872 waren seine Erben als Johann Georg Wittmann Testament im Grundbuch eingetragen, Verwalter waren die Gebrüder Leser. 1905, im Jahr des Abrisses waren im Adressbuch die als letzte Mieter ein Schneider, eine Milchhandlung, eine Tischlerei, ein Auctionator, ein Marinemaler, ein Grünwarenhändler und ein Mützenmacher aufgeführt.

Das auf dem Grundstück bereits kurze Zeit später nachgebaute Haus hieß „Schloßhof“, es wurde im Zweiten Weltkrieg im Juli 1943 durch Bomben zerstört. Beim Wiederaufbau der Nachkriegszeit kam es zu einer Neustrukturierung der Umgebung und Neuaufteilung der Grundstücke. Vorort steht nunmehr ein Bürokomplex mit der Adresse Düsternstraße 1-3.
Bauschmuck
Die Fassade des Hauses wurde in den zeitgenössischen Hamburgischen Topographien mehrfach erwähnt, der eingearbeitete Bauschmuck vielfach gelobt. Auch Wilhelm Melhop beschreibt, dass „die Barockfassade wegen des darin ausgedrückten reiferen künstlerischen Empfindens die Aufmerksamkeit der Kunstfreunde stets auf sich gezogen hat.“[8]
Über den Fensterbrüstungen des ersten Stockwerks zogen sich die Schmuckelemente in regelmäßiger Abwechslung wie ein Band. In den Achsen zwischen den Pilastern waren gekreuzte Palmwedel aus Sandstein eingelassen, diese gehen auf die Ursprungszeit des Baus zurück: „Anstelle üppiger Festons als Symbole des Reichtums fand man hier die gekreuzten Palmwedel. In ähnlicher Form sind sie auf idealisierten, möglicherweise von Philip Vingboons stammenden Darstellungen des Salomonischen Tempels in einem Werk von Johannes Coccejus zu sehen, das 1669 erschien. Dann mögen sie in Anspielung auf König Salomon als Zeichen der Weisheit gemeint gewesen sein, was dem Juristen Schrötteringk wohl passender als Wohlstandsbezeugungen schien.“[9] Gekreuzte Palmwedel finden sich in ähnlicher Form auch an anderen Häusern der Zeit, so zum Beispiel an den Häusern Neuer Wandrahm 7 und 10.
Auf gleicher Höhe waren in den vier inneren Pilastern Nischen nachträglich herausgehauen und Volutenkonsolen eingebracht, auf denen vier Büsten standen. Sie stellen die antiken Kaiser Ninus, Cyrus, Alexander der Große und Cäsar dar:
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Ninos (Ninus), mythischer und namensgebender Gründer der Stadt Ninive in Assyrien hier dargestellt mit wallendem Bart und einer über den Kopf gezogenen Löwenhaut, deren Tatzen über einem schuppigen Brustharnisch verknotet sind |
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Kyros II. (Cyrus) um 590 bis 530 v. Chr., persischer König der Achämeniden-Dynastie; hier ebenfalls bärtig dargestellt, trägt einen Turban mit Spange, auf der oberhalb der Stirn ein Medaillon sitzt, der Umhang ist über der Rüstung auf der rechten Schulter geknotet |
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Alexander der Große (Alexander III. von Makedonien) 356 v. Chr. in Pella bis 323 v. Chr. in Babylon) war König von Makedonien und Hegemon des Korinthischen Bundes; jugendlich dargestellt, bartlos, Helm mit Krempe und Schirm, langes Haar wallt hervor, Kriegskleidung, rechts von einer Fibel gehalten, verzierter Brustpanzer |
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Gaius Iulius Caesar (Cäsar), 100 v. Chr. bis 44 v. Chr. römischer Staatsmann, Feldherr und Autor; dargestellt ebenfalls bartlos, mit Lorbeerkranz geschmückt, der Mantel wird auf der linken Schulter gehalten, der Panzer ist mit einer menschlichen Maske besetzt |
Auf den äußeren Pilastern waren in Sandstein gearbeitete Wappen angebracht. Sie zeigen beide einen leeren Schild und einen Spangenhelm mit angesetzen Schwingen, zwischen denen bei dem einen eine Taube mit Ring im Schnabel sitzt und im anderen sich ein kleiner Hund aufrichtet.[10]
Die Wappen, Büsten und Palmwedel wurden von Fritz Schumacher in den Bau des Museums für Hamburgische Geschichte aufgenommen und sind dort an der Südostfassade zur Straßenfront angebracht. Zwei der Pilasterkapitelle wurden ebenfalls bewahrt und befinden sich im Magazin des Museums.
Literatur
- Uwe Meyer-Brunswieck: Palaisähnliche Hamburger Bürgerhäuser des 17. jahrhundert und ihre Geschichte; herausgegeben von Jörgen Bracker, Museum für Hamburgische Geschichte; Dissertation an der Hochschule für Bildende Künste, Hamburg 1989
- Wilhelm Melhop: Alt-Hamburgische Bauweise. Kurze geschichtliche Entwicklung der Baustile in Hamburg / dargestellt am Profanbau bis zum Wiedererstehen der Stadt nach dem großen Brande von 1842 nebst ortskundlichen und lebensgeschichtlichen Angaben, Hamburg, 1907
Einzelnachweise
- ↑ Wilhelm Melhop: Das Haus Düsternstraße Nr. 43−51; in: Mitteilungen des Vereins für hamburgische Geschichte. Neunter Band, Hamburg 1908, S. 329
- ↑ Uwe Meyer-Brunswieck: Palaisähnliche Hamburger Bürgerhäuser des 17. jahrhundert und ihre Geschichte, Hamburg 1989, S. 102
- ↑ Wilhelm Melhop: Das Haus Düsternstraße Nr. 43−51; in: Mitteilungen des Vereins für hamburgische Geschichte. Neunter Band, Hamburg 1908, S. 331
- ↑ Hans Nirrnheim: Das Haus Düsternstraße Nr. 43−51; in: Mitteilungen des Vereins für Hamburgische Geschichte. Neunter Band, Hamburg 1908, S. 335
- ↑ Hamburger Relations Courier vom 25. März 1732, zitiert nach Uwe Meyer-Brunswieck: Palaisähnliche Hamburger Bürgerhäuser des 17. Jahrhundert und ihre Geschichte, Hamburg 1989, S. 118
- ↑ Uwe Meyer-Brunswieck: Palaisähnliche Hamburger Bürgerhäuser des 17. Jahrhundert und ihre Geschichte, Hamburg 1989, S. 126
- ↑ Hamburger Nachrichten vom 22. Juni 1857 zitiert nach Uwe Meyer-Brunswieck: Palaisähnliche Hamburger Bürgerhäuser des 17. Jahrhundert und ihre Geschichte, Hamburg 1989, S. 127
- ↑ Wilhelm Melhop: Das Haus Düsternstraße Nr. 43−51; in: Mitteilungen des Vereins für hamburgische Geschichte. Neunter Band, Hamburg 1908, S. 329
- ↑ Uwe Meyer-Brunswieck: Palaisähnliche Hamburger Bürgerhäuser des 17. Jahrhundert und ihre Geschichte, Hamburg 1989, S. 111
- ↑ Uwe Meyer-Brunswieck: Palaisähnliche Hamburger Bürgerhäuser des 17. jahrhundert und ihre Geschichte, Hamburg 1989, S. 113