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Stöckheim (Braunschweig)

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Stöckheim
Wappen von Stöckheim
Koordinaten: 52° 13′ N, 10° 31′ OKoordinaten: 52° 12′ 46″ N, 10° 31′ 21″ O
Höhe: 74 m ü. NHN
Einwohner: 6408 (31. Dez. 2014)[1]
Eingemeindung: 1. März 1974
Postleitzahl: 38124
Vorwahl: 0531
Karte
Lage Stöckheims in Braunschweig
Großes Weghaus und Rokokopavillon markieren das Ende der früheren von Wolfenbüttel heranführenden Barockstraße.
Großes Weghaus und Rokokopavillon markieren das Ende der früheren von Wolfenbüttel heranführenden Barockstraße.

Stöckheim ist ein Stadtteil im Süden Braunschweigs an der Oker, der auf eine über 1000jährige Geschichte zurückblickt und sich in den letzten hundert Jahren vom Bauerndorf zu einem urbanisierten Stadtteil entwickelt hat. Vor der Eingemeindung in das Braunschweiger Stadtgebiet 1974 gehörte Stöckheim zum Landkreis Braunschweig und führte bis 1962 in Abgrenzung zum Wolfenbütteler Ort Groß Stöckheim den Namen Klein Stöckheim. Stöckheim gehört zum Stadtbezirk 211 – Stöckheim-Leiferde.

Geographie

Geologie und Höhenangaben

Stöckheim liegt am steilen Ostufer der Oker, die zwischen Leiferde und Rüningen großräumig nach Osten verschwenkt und den Ort auf einem Niveau von durchschnittlich 72 m ü. NHN passiert. Das Ufer erreicht bei der unmittelbar am Fluss errichteten mittelalterlichen Kirche etwa 75 m.[2] Der Boden der Stöckheimer Flur wird von der lößbedeckten Niederterrasse des Flusses bestimmt, die sich zwischen den südlich gelegenen Kreideformationen des Lechlumer Holz und den nördlichen eiszeitlichen Ablagerungen bei Melverode nach Osten ausdehnt und Richtung Mascherode sanft bis auf über 80 m ansteigt. Richtung Salzdahlum erreicht das Gelände beim Heinebecksberg eine Höhe von 122 m. Naturräumlich gehört diese Mulde zum Ostbraunschweigischen Hügelland.[3]

Lage und Landnutzung

Das in den karstigen Kreidekalkformationen versickerte Wasser tritt im Mascheroder Spring und weiteren Gräben zutage und strebt überwiegend Richtung Stöckheim. Heute sind noch der Siekgraben sowie ein in den Karten nicht benannter Bach, der die Teiche des Schriftsassenhofs durchfließt, oberirdisch sichtbar. Der nördliche gelegene Springbach bildet die Grenze mit Melverode, das mit Stöckheim über die historische Fernverkehrstraße von Braunschweig über Wolfenbüttel nach Leipzig verbunden ist. Die Zentren Braunschweigs und Wolfenbüttels sind etwa 6 km vom Stöckheimer Markt entfernt.

Die Nachbarorte auf dem linken Okerufer sind Leiferde und Rüningen, zu denen jeweils eine Okerbrücke führt. Die Stöckheimer Flur erstreckt sich vorwiegend nach Osten Richtung Mascherode, wo sich in Fortsetzung des Lechlumer Holz auch der Stöckheimer Forst befindet. Der fruchtbare Lößboden wird heutzutage für den Weizen- und Rübenanbau genutzt, die feuchten Wiesen in der Okeraue für die Viehzucht. Ein Großteil der landwirtschaftlichen Fläche ist bereits ab den 1930er Jahren mit Siedlungshäusern und seit den 1960er Jahren auch mit Wohnblöcken bebaut worden, wobei sich die Siedlungen entlang der Nord-Süd-Achse entwickeln. Seit dem Bau der Bundesautobahn 395 Richtung Bad Harzburg in den 1960er Jahren bildet diese die östliche und südöstliche Siedlungsgrenze. Im Süden hat Stöckheim eine gemeinsame Grenze mit Wolfenbüttel.

Geschichte

Vor- und frühgeschichtliche Siedlungsspuren

In der Stöckheimer Flur sind zahlreiche Siedlungsspuren aufgefunden worden, die bis in die Jungsteinzeit vor etwa 5000 Jahren und noch weiter zurück reichen. Ein Fundgebiet ist das okernahe und etwas höher gelegene Gebiet am Quälenberg nördlich des alten Ortskerns auf der Höhe von Rüningen, nach dem eine Straße benannt ist. Weitere Gebiete liegen südlich der Straße nach Leiferde, und zwar am Hang des Schieferbergs und in den Wannen Wüste Mark unmittelbar vor der Okerbrücke und Kleine Wüste Mark am Hang bei der Autobahn. Die Wüste Mark war offensichtlich bis ins 14. Jahrhundert besiedelt. Dort fand man auch Gerätschaften aus der Zeit um Christi Geburt und aus der merowingischen Periode. Eine durchgehende Besiedlung seit der Bronzezeit konnte jedoch nicht nachgewiesen werden. Im Ortskern Stöckheims sind bei der evangelischen Kirche Funde aus der römischen Kaiserzeit und auf dem Privatgrundstück Bornstedts Tonscherben aus dem 5. bis 6. Jahrhundert überliefert.[4]

Neben der bereits genannten rechts der Oker verlaufenden Nord-Süd-Fernstraße liegt Stöckheim auch an einer historischen West-Ost-Verbindung. Nach Leiferde hin verengt sich die Okeraue bei der Wüsten Mark, so dass hier schon früher eine gute Flussquerung möglich war. Dieser Weg, der am Westrand Leiferdes auch Deiweg heißt und auf eine Altstraße hindeutet, verbindet das Kloster Steterburg mit Salzdahlum.

Ersterwähnung und Name

Die erste urkundliche Erwähnung Stöckheims findet sich in der Königsurkunde Heinrichs II. aus dem Jahr 1007 unter dem Namen Stokkem. Der Ortsname ist in der Region und darüber hinaus vielfach vorhanden (Groß Stöckheim, Flachstöckheim und weitere wüst gewordene Orte). Bornstedt verweist auf die ähnliche Lage dieser Orte an einem hohen Flussufer mit einer Niederwaldnutzung. „Stock“ leitet sich vom althochdeutsch stoc ab, was „Stock, Balken, Baumstumpf“ bedeutet.[5][6] Für den Stockausschlag kamen an der Oker vermutlich vorzugsweise Erlen und Weiden in Frage. Eine ähnliche Namenserklärung wird im Artikel über Flachstöckheim aus der Literatur angegeben. Eine andere Interpretation leitet den Namen vom englischen Begriff „stock“ für Lagerplatz ab.[7] In den Überlieferungen taucht auch die Namensvariante Capelstockem auf, was Bornstedt auf das Wort Kapelle und dies wiederum auf die seit 1244 erwähnte Kirche bzw. die Besitztümer des Klosters Steterburg zurückführt. Der Ort hieß über Jahrhunderte Klein Stöckheim in Abgrenzung zum nahegelegenen Groß Stöckheim. Die Namensänderung von „Klein“ Stöckheim auf „Stöckheim“ erfolgte am 9. August 1962 wohl auf Betreiben der damals dort ansässigen Firma Agfa-Gevaert.[8]

Das Bauerndorf bis zum Dreißigjährigen Krieg

Belagerung Wolfenbüttels im Dreißigjährigen Krieg mit Aufstau der Oker südlich von Stöckheim sowie der Darstellung der Truppenlager. Am unteren Bildrand Stöckheim.

Die Lage Stöckheims an der Heerstraße zwischen der im ausgehenden Mittelalter nach Unabhängigkeit strebenden Stadt Braunschweig einerseits und der herzoglichen Residenzstadt Wolfenbüttel andererseits führte nahezu regelmäßig zu Belagerungen, Brandschatzungen oder der Zwangsversorgung von Söldnern. Bereits Heinrich der Löwe führte seine Truppen gegen die damals noch von Gunzelin von Wolfenbüttel regierte Nachbarstadt ins Feld. 1432 waren es die Nachkommen Heinrichs, die Brüder Wilhelm der Siegreiche und Heinrich der Friedfertige, die sich wegen des Erbes bekriegten. Die auf Heinrichs Seite streitenden Braunschweiger brannten Stöckheim nieder. 1531 fochten die Lutheraner des Schalkaldischen Bundes auf Braunschweigs Seite gegen das katholische Wolfenbüttel, wovon Stöckheim nicht verschont blieb. Im Dreißigjährigen Krieg ist die Belagerung Wolfenbüttels 1627 mit dem Bau eines Okerstaudamms, des Schwedendamms überliefert, bei der die 12.000 Mann zählenden Pappenheimschen Truppen Stöckheim als Hauptquartier wählten. 1641 war die Verwüstung Stöckheims und Melverodes so nachhaltig, dass der damalige Pastor mit den Dorfkindern in Braunschweig Schutz suchte.

Der Alte Weg und die Barockstraße

Nach dem Dreißigjährigen Krieg eroberte Herzog Rudolf August von Braunschweig-Wolfenbüttel 1671 die Stadt Braunschweig. Er verlegte anschließend seine Residenz von Wolfenbüttel nach Braunschweig und ließ um 1680 eine völlig neue Prachtstraße als Verbindungsweg zwischen beiden Residenzen anlegen, den so genannten Herrschaftlichen Weg, der im Weiteren zur Barockstraße ausgebaut wurde.

Alter Weg

Die frühere Heerstraße knickte von Melverode kommend auf Höhe des heutigen Hopfenkamps zum Rüninger Weg ab und überquerte den früher dort fließenden Hohe-Wiese-Bach. Dieser Abschnitt ist noch heute an der auffällig diagonal verlaufenden Südgrenze des Alten Friedhofs erkennbar, der westlich der alten Straße lag. Diese führte weiter zum Alten Weg durch den historischen Ortskern Richtung Feldmark und ist dort als Wirtschaftsweg erhalten. Südlich der heute den Weg unterbrechenden Autobahn ging es vorbei am Hohen Gericht entlang dem Lechlumer Holz Richtung Wolfenbüttel. Auch dort heißt die Straße Alter Weg in Abgrenzung zum Neuen Weg. Der Weg, der 1752 noch als „Damm und Heerstraße nach Wolfenbüttel“ kartiert wurde,[9] verlor nach Freigabe des Herschaftlichen Wegs für den überregionalen Verkehr an Bedeutung und hieß in Stöckheim bis zur Eingemeindung Dorfstraße.

Großes Weghaus

Das Große Weghaus als Zollhaus mit Schlagbaum in der Straße 1840.

Herzog Rudolf ließ parallel zur alten Heerstraße einen schnurgeraden Weg quer durch das Lechlumer Holz anlegen, der beidseitig mit Schlagbäumen versperrt und nur der herzoglichen Familie vorbehalten war. In Stöckheim endete der Weg an dem 1691 als Zoll- und Gasthaus konzipierten Großen Weghaus, in das die herrschaftlichen Gäste mitsamt der Kutsche einfahren konnten. Östlich davon lag ein barocker Garten, worauf der heutige Straßenname Am Weghausgarten hinweist. Auf der Nordseite des Weghauses wurde die Straße im heutigen Verlauf der Leipziger Straße geradlinig fortgesetzt und an die alte Heerstraße angeschlossen. Kurz hinter dem Weghaus führte diagonal ein Verbindungsweg zur Gemeindebäckerei und weiter über das Hirtenhaus am Hohen Weg Richtung Friedhof und stieß gegenüber der heutigen Grundschule beim Ütschenpfuhl auf den Rüninger Weg.[10] Heute ist noch der erste Abschnitt als Gasse mit dem Namen Bäckerstieg vorhanden. Das Weghaus beherbergte viele Jahre später Gotthold Ephraim Lessing bei seinen Aufenthalten zwischen Wolfenbüttel und Braunschweig sowie später Wilhelm Raabe mit seinen Kleidersellern. Es wird heute als Wohn- und Gewerbehaus, Künstleratelier und Gaststätte genutzt.

Sternhaus

Das Sternhaus liegt im Lechlumer Holz und war früher eine Gastwirtschaft.

Auf Wolfenbütteler Terrain wurde im Zuge des neuen Weges das 1687 zuerst erwähnte Sternhaus als Fürstliches Lusthaus mitten im Wald errichtet. Seinen Namen verdankt es den achtstrahlig angelegten Wegen. Das Haus wurde als Gaststätte genutzt und von der damaligen Gesellschaft geschätzt. Es bestand bis 1840 als achteckiges Fachwerkhaus mit Bierkeller und vier Eingängen. Das heute noch vorhandene Sternhaus wurde erst nach der 1897 eröffneten Straßenbahnlinie Richtung Wolfenbüttel gebaut und ebenfalls über viele Jahrzehnte genutzt. Die Linie wurde 1954 eingestellt und durch einen Busverkehr ersetzt.[11] Das Haus steht heute noch für private Feiern zur Verfügung.

Antoinettenruh

Zwar auch zu Wolfenbüttel gehörig aber für das Gesamtensemble bedeutsam ist das 1733 für die Braunschweiger Herzogstochter und spätere Herzogin Antoinette Amalie am Südrand des Lechlumer Holz errichtete Schloss Antoinettenruh, das allerdings nur bis 1832 bestand. Es war nach Süden zur Stadt Wolfenbüttel ausgerichtet und markierte damit den Beginn des Herrschaftlichen Weges am Wald.

Schriftsassenhof

Das älteste Haus von 1651 in dem Bauensemble des Schriftsassenhofs (2005, inzwischen renoviert).
Herrenhaus des Schriftsassenhofs 2013, Ansicht von der Leipziger Straße aus.

Als Abschluss des gesamten Ensembles „Barockstraße“ erfolgte ab 1752 der Ausbau des Schriftsassenhofs in unmittelbarer Nachbarschaft des Weghauses. Die Schriftsässigkeit ist bereits für das Jahr 1700 für einen Cammer-Rath Müller beurkundet. Für 1752 ist der Eigentumsübergang des Hofes mitsamt Rechten an den Bankier Friedrich Ludwig Metzner bezeugt, dessen Witwe 1763 den Herzoglichen Commisionsrath Lutterloh heiratete. Dieser war Direktor des Vorläufers der Braunschweigischen Staatsbank. Ob er oder bereits der Vorbesitzer den Ausbau des Hofes initiierten, ist nicht sicher überliefert.[12]

Auf dem Grundstück, als dessen früherer Besitzer 1566 ein Schweinebeschneider genannt wird, existierte bereits ein Fachwerkhaus von 1651, dessen 350jähriges Bestehen 2001 am Tag des Denkmals gefeiert wurde. Die Balkeninschrift weist das Baujahr und den Besitzer Johan Iserlok aus. Das Haus ist somit vermutlich das älteste erhaltene Haus Stöckheims und wurde vollständig in das barocke Ensemble integriert.[13] Das Haus ist zweigesschossig und kragt mit dem Obergeschoss auf fein ausgestalteten Knaggen über das Erdgeschoss. Das Dach ist auffällig spitzwinklig und uberragt die unmittelbar angrenzenden Nachbargebäude, zu denen keine direkten Durchgänge in den Wohnbereichen bestehen. Eine Besonderheit ist die vollständige Unterkellerung in dem okernahen Gebiet. Es wurde viele Jahre als Lagerhaus und seit den 1970er wieder als Wohnhaus genutzt und mehrfach renoviert. Es steht wie der gesamte Schriftsassenhof unter Denkmalschutz.

Unmittel nach Westen schließt sich ein zweigeschossiges Wohngebäude an, das in das gestalterisch auffällige Herrenhaus übergeht. Der Fassadenstil insbesondere der zur Leipziger Straße gericheten Eingangsseite des Herrenhauses entspricht der Ausprägung des Norddeutschen Barocks. Die Innenausstattung wird bereits dem Rokoko zurechnet.[14] Im Erdgeschoss wird der Besucher in einer Eingangshalle empfangen, von der die geräumigen und mit Kaminen ausgestatten Zimmer abgehen und eine großzügige zweifach geschwungene Barocktreppe zum Obergeschoss führt. Dort ist neben den Wohnräumen das zentral gelegene repräsentative Herrenzimmer zu erwähnen, das wohl auch Aufenthaltsort herrschaftlicher Gäste war.

Bis zur Hauptraße erstreckt sich ein großer Garten, dessen frühere Zufahrt von einem Portal mit einem zweiflügligen Gittertor abgeschlossen wird. Im Übrigen ist das Grundstück zur Leipziger Straße mit einer halbhohen Mauer abgetrennt. Zum Alten Weg hin sind in der Art des für Stöckheim typischen Dreiseitenhofs die Wirtschaftsgebäude angeordnet, wovon der längs zur Straße liegende frühere Stall eine große Hofeinfahrt aufweist. Das Gelände ist in Privatbesitz, die landwirtschaftlichen Gebäude werden als Lagerräume und Pferdeställe genutzt.

Barockgarten und Rokoko-Pavillon

Darstellung des historischen Schriftsassenhofs und des angrenzenden Barockgartens (Informationstafel im Rokokopavillon der Denkmalpflege der Stadt Braunschweig 2001.
Straßenansicht des Pavillos.

Zum Schriftsassenhof gehörte ein nach Süden bis zur heutigen Leiferdestraße reichendes Gelände, das als großer Barockgarten mit zwei hintereinanderliegenden Teichen gestaltet wurde. Diese sind noch auf dem Gelände des Hofes vorhanden. Sie werden von einem Bach aus dem Gebiet östlich der Siedlungen gespeist, der unmittelbar am Pavillon die Leipziger Straße quert. Der Abfluss erfolgt durch ein Rohr zur Oker. Die Teiche wurden noch im 20. Jahrhundert für die Aufzucht von Karpfen und Aalen genutzt. Der übrige frühere Gartenbereich südlich des Verbindungsweges zwischen Leipziger Straße und Altem Weg ist heute bebaut.

Im Zuge des üppig mit Brücken und Statuen ausgestatteten Gartens wurde auch der Rokoko-Pavillon errichtet und unmittelbar in die Abschlussmauer zur Barockstraße integriert. Er liegt in direkter Flucht der Teiche und wird von der Gartenseite ebenerdig erschlossen. Er ist zweigeschossig, ein Erker im Obergeschoss wölbt sich zur Straße hin deutlich über den heute dort verlaufenden Fußweg. Die Gestaltung weist mehrere Besonderheiten auf: Der Grundriss ist ein schiefwinkliges Rechteck, wobei sich der Eingangsflur trapezförmig zum Raum hin öffnet und damit trotz der Wand zum Treppenraum räumliche Weite vorgibt. Die Treppe zum Obergeschoss endet in einer Holzkonstruktion, die im Raum als Schrank zwischen zwei Fenstern wahrgenommen wird. Im Übrigen besticht das Obergeschoss durch üppige Stuckarbeiten und einen reichlich verzierten Kamin. Als Architekt auch des Herrenhauses wird Martin Peltier de Belfort angenommen, der damals am Hofe Karls I. tätig war. Die Stuckarbeiten werden Giuseppe Buzzi zugeschrieben.[15][16]

Der Pavillon wurde nach dem Krieg als Notquartier genutzt und viele Jahre vernachlässigt. 1989 pachtete ihn die Stadt Braunschweig und ließ ihn durch die Denkmalpflege komplett restaurieren. Im Erdgeschoss wurden eine Teeküche und ein Hauswirtschaftsraum mit Toiletten eingerichtet, die Stuckarbeiten im Obergeschoss wurden vollständig wieder hergestellt und das Geschoss als ein Veranstaltungsraum hergerichetet. Die Fassade wurde im oberen Bereich neu verputzt und gemäß denkmalpflegerischen Vorgaben farblich gestaltet. Seitdem steht der Pavillon der Öffentlichkeit zur Verfügung und wird regelmäßig für kulturelle Veranstaltungen und Ausstellungen genutzt.[17]

Okerschifffahrt und Okerausbau

Okerausbau 1747

Für den Oberlauf der Oker ist seit dem 15. Jahrhundert die Flößerei aus dem Harz und der Lastverkehr mit Booten überliefert, so der Steintransport vom Öselberg bis nach Braunschweig. Im 18. Jahrhundert betrieb Herzog Karl I. die Schiffbarmachung der Oker und ließ 1747 das Flussufer zwischen Wolfenbüttel und Braunschweig für notwendige Treidelwege räumen. Entgegen seiner früheren Vorgehensweise wurden die Bauern für die gefällten Weidenbäume und die aufgegebenen Flachsrotten entschädigt. Vor den südlichen Stadttoren Braunschweigs im Bruchgebiet wurde eine Anlegestelle errichtet. In Stöckheim entstand ein Hafen, in dem die Besatzungen der Schiffe ausgewechselt wurden, der Straßenname Am Schiffhorn weist noch darauf hin. Für 1753 sind 489 Fahrten dokumentiert, die überwiegend Bier, Brot und Baustoffe beförderten. Insbesondere bei dem Bier wurde nachweislich von Schiffsbesatzungen „genascht“, was aus Gerichtsakten hervorgeht. Die Schifffahrt war völlig unwirtschaftlich und wurde schon 1770 wieder eingestellt.[18]

Okerregulierung 1963

Toter Okerarm am Schiffhorn, der im Bild rechts liegende Einschluss mit der Oker wird auch „Insel“ genannt.

Nach diesen erheblichen Eingriffen in die natürliche Flussumgebung folgte fast 200 Jahre später ab 1963 die so genannte Okerregulierung. In dem Zuge wurden drei Mäander der Oker durchstochen und der Flusslauf begradigt: Am Schiffhorn entstand die Insel mit einem noch einseitig an die Oker angeschlossenen Seitenarm. Dieser wurde 2014 ausgebaggert und soll wieder einen beidseitigen Anschluss an den Fluss erhalten. Nördlich der Kirche bestand früher eine Kläranlage, dort am Bruchweg wurde die Oker durchstochen und das Gelände aufgeschüttet. Heute befinden sich hier der Awo-Kindergarten, die Festwiese und die als Rodelberg dienenden Reste der Kläranlage. Ein weiterer Seitenarm ist zum Rüninger Wehr hin noch einseitig mit der Oker verbunden. Das insgesamt durch die Okerbegradigung schneller abfließende Wasser wird seither an dem 1965 fertiggestellten Rüninger Wehr eingestaut, das das alte Rüninger Mühlenwehr ersetzte. Wehre beeinträchtigen die ökologische Durchlässigkeit des Flusses, indem sie die Wanderung von Organismen und Tieren behindern. Das Wehr wurde in den 1990er Jahren mit einer Borsten-Fischtreppe ausgestattet, um die Wanderung von Lachsen und anderen Fischen zu ermöglichen. Die Bruchwiesen im zwischen Kirche und Rüninger Mühle sind regelmäßig bei Hochwasser überschwemmt.

Entwicklung zur urbanen Stadtsiedlung

Die Einwohnerzahl Stöckheims betrug 1905 unter 600. das Dorf dehnte sich damals lediglich zwischen leiferdeweg und Altem Friedhof aus. 1939 stieg mit den ersten Siedlungen rund um die Siedlerstraße die Einwohnerzahl auf fast 1.100 an und überschritt durch die starken Zuzüge nach dem Zweiten Weltkrieg in den 1950er Jahren die Marke von 2.000 und in den 1960er Jahren die Marke von 4.000 Bewohnern. Der Stand 2014: über 6.000 Einwohner. Innerhalb von hundert Jahren verzehnfachte sich die Bevölkerungszahl. Stöckheim wurde in den Jahrzehnten relativ systematisch um einzelne Nachbarschaften erweitert, wobei in den 1960er Jahren am Brauerskamp und Quälenberg sowie in den 1990er Jahren im Gebiet Else-Hoppe-Straße auch massive Wohnblöcke entstanden. Die übrige Siedlungsstruktur wird eher durch Reihenhäuser und freistehende Einfamilienhäuser bestimmt. Die Attraktivität Stöckheims als Wohnort resultiert aus seiner naturnahen Lage zwischen den Stadtzentren Braunschweigs und Wolfenbüttels sowie der sehr guten Verkehrsanbindung durch den ÖPNV und die Autobahn. Mit dem Bevölkerungsanstieg entwickelte sich auch die Infrastruktur der Kindererziehung, des Einzelhandels und des Verkehrs sowie der Friedhöfe.

Als größere Wirtschaftsbetriebe traten früher die Maschinenfabrik Bother mit 95 Beschäftigten (heute Siedlung Am Apfelgarten) und die Kleiderfarbrik Matthiesen mit 160 Beschäftigten (heute Textileinzelhandel am Mascheroder Weg) in Erscheinung und sind heute nicht mehr vorhanden. Die Ansiedlung der Fa. Gevaert von 1962 ist nennenswert, weil ihre Gebäude später an die Volkswagenstiftung übergeben wurden. Die unterstützte die Einrichtung der Gesellschaft für Molekularbiologische Forschung mbH, eine Vorläuferin des heutigen Helmholtz-Zentrums für Infektionsforschung.

Infrastruktur

Bauwerke

Evangelische Kirche und Gemeindehaus an der Oker
Katholische Kirche an der Leipziger Straße
Kirchen

Die evangelisch-lutherische Kirche Zum Heiligen Leiden Christi zu Braunschweig befindet sich nahe der Oker. Nach der Kriegszerstörung im März 1945 wurde das Kirchengebäude wieder aufgerichtet und 1955 neu geweiht. Der Kirchenbau zeichnet sich durch romanische Fenstergruppen aus.[19] Die Gemeinde gehört zur Propstei Braunschweig und betreibt einen Kindergarten mit Krippe, das Gemeindehaus am Kirchenbrink steht für kulturelle Aktivitäten offen. Gemeindepastorin ist zurzeit Pfarrerin Wiltrut Becker.

Die katholische Kirche Heilige Dreifaltigkeit von 1966 befindet sich an der Leipziger Straße. Durch Zuzug von Flüchtlingen und Heimatvertriebenen infolge des Zweiten Weltkriegs bildete sich eine katholische Kirchengemeinde. 2006 kam die Kirche zur Pfarrgemeinde St. Bernward in Braunschweig-Heidberg, seit 2013 wird sie von einer syrisch-orthodoxen Gemeinde genutzt.

Kultur
Der Rokoko-Pavillon (hier Gartenseite, 2010) ist ein Ort für Kulturveranstaltungen

Der Rokoko-Pavillon ist Veranstaltungsort für kleinere Ausstellungen, Lesungen und Vorführungen. Das Kulturinstitut der Stadt Braunschweig und eine eigenständige Arbeitsgruppe organisieren diese Veranstaltungen auch im Gemeindehaus der evangelischen Kirche im Rahmen des Programms “Kultur vor Ort”.

Bildung und Forschung

Folgende Bildungseinrichtungen sind in Stöckheim vorhanden:

Im Süden des Ortes ist das Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung angesiedelt, auf dessen Gelände sich auch die Deutsche Sammlung von Mikroorganismen und Zellkulturen befindet.

Verkehr

Stöckheim ist über die Anschlussstelle Braunschweig-Stöckheim an die Bundesautobahn 395 angebunden. Die quer durch Stöckheim verlaufende Hauptverkehrsachse Leipziger Straße wurde in den Jahren 2005 und 2006 im Zusammenhang mit dem Bau der Straßenbahnstrecke vollkommen neu gestaltet.

Stöckheim ist mit der Straßenbahnlinie M1 und der Buslinie 431 im Nahverkehr in Braunschweig angebunden. Innerhalb von 15-20 Minuten gelangt man mit der M1, die werktags im 10-Minutentakt über den Hauptbahnhof verkehrt, in die Innenstadt. Seit Oktober 2008 gibt es keine direkte Busverbindung von Stöckheim nach Wolfenbüttel. Von Oktober 2009 bis Juni 2010 verkehrte die Linie 421 mit einem, allerdings im Vergleich zu früher stark eingeschränkten Angebot, zwischenzeitlich wieder zwischen Salzdahlum, Stöckheim und Wolfenbüttel.

Ortsfeuerwehr

Als eine der ältesten Feuerwehren des ehemaligen Landes Braunschweig, stellt die Ortsfeuerwehr Stöckheim (gegründet 1866) den Brandschutz in ihrem Ortsteil sicher. Die "Feuerwehr Klein Stöckheim" gehörte am 30. März 1870 zu den Gründungsmitgliedern des Braunschweigischen Landesfeuerwehrverbandes. Die Ortsfeuerwehr verfügt derzeit über zwei Fahrzeuge (TSF-W und GW-L), die innerhalb Stöckheims und darüber hinaus auch in Braunschweig eingesetzt werden. Gemeinsam mit der Ortsfeuerwehr Leiferde bildet sie den Fachzug 88 der Freiwilligen Feuerwehr Braunschweig und besetzt bei Abwesenheit der Kräfte der Berufsfeuerwehr die Wache Süd im Heidberg. Ferner werden stadtweit logistische Tätigkeiten durchgeführt.

Wappen

Stöckheim
Stöckheim und der Herrschaftliche Weg auf einer Landkartenskizze um 1800
Stöckheim
Landkartenskizze um 1800

Das Wappen ist diagonal geteilt und zeigt in der oberen Hälfte einen steigenden goldenen Löwen auf rotem Hintergrund und in der unteren ein Wagenrad.

Der Löwe symbolisiert die frühere Beziehung der Ortschaft zu den welfischen Herzögen der Stadt Wolfenbüttel während das Rad zum einen auf die alte Heer- und Handelsstraße verweist, die vom Harz nach Braunschweig verlief und durch den Ort führte und zum anderen für das Große Weghaus steht, in dem die Reisenden halt machten.

Wilhelm Krieg hat das Wappen entworfen, es wurde am 13. Oktober 1980 vom Ortsrat Stöckheim angenommen.[20]

Persönlichkeiten

  • Wilhelm Bornstedt (* 16. August 1905; † 28. März 1987), 1974 bis 1983 Stadtheimatpfleger von Braunschweig und Heimatpfleger von Stöckheim, ausgezeichnet mit dem Niedersächsischen Verdienstorden.
  • Robert Kugelberg (* 27. Januar 1886; † 20. November 1964), Politiker (SPD), Abgeordneter im Braunschweigischen und im Niedersächsischen Landtag, Landrat des Landkreises Braunschweig 1954 bis 1956.
  • Fritz Lau, Landrat des Landkreises Braunschweig 1972 bis 1974.
  • Günther Müller-Stöckheim (* 17. Dezember 1913; † 16. Juli 1943), Marineoffizier.
  • Wilhelm Schlüter (* 11. Mai 1900; † 26. Januar 1976), Politiker (SPD), Landtagsabgeordneter von 1955 bis 1967, Landrat des Landkreises Braunschweig 1961 bis 1963, Bürgermeister und Ehrenbürger der Gemeinde Klein Stöckheim.[21]

Literatur

  • Wilhelm Bornstedt: Chronik von Stöckheim Siedlungsgeographie, Sozial- und Kulturgeschichte eines Braunschweigischen Dorfes. Braunschweig 1967.
  • Peter Valentin: 1000 Jahre Stöckheim: ein Zeitdokument aus dem Jahre 2007. Arbeitskreis 1000 Jahre Stöckheim, Braunschweig-Stöckheim 2006, ISBN 978-3-86611-245-2.

Einzelnachweise

  1. Einwohnerstatistik auf braunschweig.de
  2. Die Straße zur Kirche heißt Kirchenbrink, s. hierzu den Eintrag Brink (Siedlung) und Brinksitzer. Die Höhenangaben sind den amtlichen Karten der Niedersächsischen Landesvermessung entnommen, Topographische Karte 1:50:000, Stand 2002.
  3. Stadt Braunschweig: Umweltatlas Braunschweig Januar 1998, Karte SK70-05 mit Quellangabe Technische Universität Braunschweig, Institut für Geologie und Paläontologie 1989.
  4. Franz Niquet: Vor- und Frühgeschichte der Gemarkung Stöckheim in Wilhelm Bornstedt: Chronik von Stöckheim, Braunschweig 1967
  5. Bornstedt, Chronik Stöckheim, S. 66 ff.
  6. Digitales Wörterbuch Stock. Abgerufen am 26. Januar 2015.
  7. Geschichte Stöckheims auf braunschweig.de
  8. Rudolf Zehfuß in der Braunschweiger Zeitung vom 21. Januar 2012, Lokalteil Braunschweig, S.19.
  9. Preußische Landesaufnahme 1752
  10. Karte zum Dorfrundgang. Abgerufen am 26. Januar 2015.
  11. Bornstedt: Chronik Stöckheim, S. 98 ff.
  12. Bornstedt: Chronik Stöckheim, S. 223 ff.
  13. Anmerkung: Das nach Bornstedt älteste Haus war der dem Schriftsassenhof gegenüberliegende Dorfkrug, der seit 1566 bezeugt war und in den 1960er Jahren abgerissen wurde.
  14. Bornstedt: Chronik Stöckheim, S. 233.
  15. Bornstedt: Chronik Stöckheim, S. 231.
  16. Mathias Haenchen: Der Rokoko-Pavillon des Stöckheimer Schriftsassenhof, Niedersächsische Denkmalpflege, Sonderdruck Hannover 1992.
  17. Kultur vor Ort Stöckheim/Leiferde. Abgerufen am 22. Dezember 2014.
  18. Bornstedt: Chronik Stöckheim, S. 194 f.
  19. Kirche Stöckheim auf braunschweig.de
  20. Arnold Rabbow: Neues Braunschweigisches Wappenbuch. Braunschweiger Zeitungsverlag, Meyer Verlag, Braunschweig 2003, ISBN 3-926701-59-5, S. 27/28.
  21. Stadtchronik Braunschweig. Einträge für das Jahr 1976. In: braunschweig.de. Stadt Braunschweig, abgerufen am 1. April 2011: „26. Januar 1976 – Wilhelm Schlüter, früherer Abgeordneter des Niedersächsischen Landtages, Kreistagsabgeordneter des ehemaligen Landkreises Braunschweig, früherer Bürgermeister und Ehrenbürger der Gemeinde Stöckheim, ist im Alter von 75 Jahren verstorben.“