Stadtbefestigung Hameln

Die Stadtbefestigung Hameln war ein System von Verteidigungsanlagen der Stadt Hameln, das sie etwa vom 13. Jahrhundert bis Anfang des 19. Jahrhunderts vor Angriffen schützte. Dazu gehörten die mittelalterliche Stadtmauer mit Mauertürmen und Stadttoren sowie als äußerer Schutzring die im 14. Jahrhundert entstandene Hamelner Landwehr. Im 17. Jahrhundert zu einer Bastionärsbefestigung nach niederländischem Vorbild ausgebaut, wurde Hameln zur Landesfestung des Kurfürstentums Hannover. Gemeinsam mit der in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts entstandenen Klütfestung erreichte die Festung Hameln ihre höchste Ausbaustufe und galt als das „Gibraltar des Nordens“.[1] Auf Napoleons Weisung hin wurden die Befestigungsanlagen im Jahr 1808 so gründlich geschleift, dass heute kaum noch steinerne Reste vorhanden sind.
Mittelalterliche Stadtbefestigung

Wahrscheinlich im 13. Jahrhundert entstand um Hameln eine etwa 9 Meter Stadtmauer, der um 1250 ein Graben vorgelagert wurde. Einziger Überrest der Mauer ist heute eine Außenwand am Hugenottenhaus im südlichen Bereich der Altstadt. An den Ausgängen zu Fernwegen bestanden fünf Stadttore. Es handelte sich um das 1272 erstmals erwähnte Ostertor, das 1282 erwähnte Mühlentor, das Wettor von 1327, das Thietor 1340 und das Brückertor von 1355. Entlang der Mauer entstanden 22 Mauertürme, die jeweils etwa 100 Meter bis 120 Meter voneinander entfernt waren. Der erste Turm wurde 1333 erwähnt. Heute sind nur noch der um 1450 errichtete Haspelmathturm und der Pulverturm vorhanden. Zwischen beiden Türmen in den 1990er Jahren ein Abschnitt der Stadtmauer nicht originalgetreu wieder aufgebaut worden.
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Stadtbefestigung Hameln im mittelalterlichen Zustand, 1622
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Letzter Stadtmauerrest am Hugenottenhaus mit Absatz des Wehrgangs oben am Giebel
Übergang zur Festung
Die Anpassung der Stadtbefestigung an die neuesten wehrtechnischen Bedingungen setzte in Hameln wahrscheinlich Mitte des 15. Jahrhunderts ein, als ein vor der Stadtmauer ein Wall aufgeschüttet wurde. Verantwortlich dafür waren das Aufkommen von Feuerwaffen im 14. Jahrhundert und die Weiterentwicklung der Artillerie im 15. Jahrhundert, deren Durchschlagskraft Stadtmauern nicht mehr gewachsen waren. Um 1530 baute Herzog Erich I. die Stadtumwallung weiter aus. Außerdem erhielt die Stadtmauer an der Weser zwei Rondelle, die als Plattformen zur Aufstellung von Geschützen dienten. Auch entstanden im verbreiterten Stadtgraben an drei Stadttoren Ravelins als spitzwinkelige Erdwerke mit Wachhäusern und Kanonen. Im 17. Jahrhundert dehnten sich die Befestigungsanlagen in Hameln weiter ins Vorfeld aus. Man schüttete den Graben direkt an der Stadtmauer zu und legte vor dem Wall einen 60 bis 90 Meter breiten Graben an.
Landesfestung

Durch die strategisch günstige Lage an einem Weserübergang und am Hellweg wurde Hameln nach dem Dreißigjährigen Krieg zur neuzeitlichen Landesfestung ausgebaut. Die Stärke der Befestigung beruhte dann nicht mehr nur auf der Stadtmauer, sondern auf polygonalen Erdwällen und einem breiten Wassergraben weit im Vorfeld der Stadt. Der bastionärsmäßige Umbau nach niederländischem Vorbild begann 1664 unter Herzog Georg Wilhelm. Dabei wurden die beiden vorhandenen Rondelle zu Bastionen umgestaltet. Insgesamt gab es die folgenden acht Bastionen, die spitzwinkling in den bis zu 90 Meter breiten Wassergraben hineinragten und nach Fürsten sowie Prinzen der Welfen benannt worden sind:
- Bastion Nr.1 Johann Friedrich
- Bastion Nr.2 Georg Wilhelm
- Bastion Nr.3 Ernst August
- Bastion Nr.4 George Ludwig
- Bastion Nr.5 August
- Bastion Nr.6 Maximilian
- Bastion Nr.7 Carl
- Bastion Nr.8 Christian

Vor den drei Stadttoren sicherten mit Wachthäusern und Kanonen ausgestattete Ravelins den Zugang zur Stadt über Zugbrücken. Dem Wassergraben folgte der als Glacis gestaltete niedrigere Außenwall, dem die Hamel vorgelagert war. Das schmale Gewässer, auch Festungshamel genannt, umfloss ganz Hameln entlang des Außenwalls und mündete an zwei Stellen in die Weser. Heute zeigt der Verlauf der Hamel mit ihren spitzwinklingen Ecken die Standorte der früheren Befestigungen an. Mit den durch Bastionen gesicherten zwei Stauwehren an der Weser ließen sich der breite Wassergraben um Hameln und die Hamel auf etwa 2 Meter aufstauen. Auf dem Werder in der Weser befand sich eine Schanze, das gegenüberliegende Ufer des Flusses sicherte ein befestigter Brückenkopf.
Eine erste Ausbaustufe mit neu geschaffenen Bastionen, Erdwällen, Kurtinen, Lünetten und Ravelins war 1670 vollendet. Danach entstanden in der Stadt zwei Kasernenbauten für die Soldaten der Festung, beschusssichere Kasematten. Die mittelalterlichen Stadtmauertürme wurden zur Lagerung von Pulver benutzt, wovon sich der Name des noch heute bestehenden Pulverturms ableitet.
Schleifung
Im Vierten Koalitionskrieg zogen im November 1806 französische Truppen vor der Festung Hameln auf, in der sich zu diesem Zeitpunkt preußische Truppen in einer Stärke von rund 9000 Soldaten gesammelt hatten. Unter dem Eindruck der Niederlage in der Schlacht bei Jena und Auerstedt kapitulierten die preußischen Truppen in Hameln am 20. November 1806 unter General Le Coq nahezu kampflos, trotz der zahlenmäßig unterlegenen Franzosen des Generals Savary mit etwa 6000 Mann.[2] 1808 wurde die Festung Hameln einschließlich der Befestigungsanlagen auf dem Klüt auf Geheiß von Napoleon geschleift. Dabei wurde das obertägige Steinmaterial durch rund 1.000 Arbeiter vollständig abgetragen.[3]
Belagerungen und Übernahmen
Datum | Verteidiger | Angreifer | Einzelheiten |
---|---|---|---|
14. Juli 1625 | 600 Mann Bürgerwehr | Dänen | |
29. Juli - 2. August 1625 | 600 Mann Bürgerwehr | Ligisten unter Tilly | Kapitulation |
12. März - 3. Juli 1633 | 2000 Ligisten | Schweden, Lüneburger, Hessen | |
26. - 27. Juli 1757 | 8000 Hannoveraner | Franzosen | Kapitulation nach der Schlacht bei Hastenbeck |
21. März 1758 | Franzosen | Hannoveraner | Kampflose Besetzung, da Stadt am 17. März geräumt |
1801 | Hannoveraner | - | Armee beurlaubt und Stadt nicht verteidigt |
Dezember 1805 | 4000 Franzosen | Engländer und Russen | Blockade von Hameln |
30. März 1806 | Franzosen | Preußen | Stadt geräumt nach Staatsvertrag |
7. - 21. November 1806 | 10.000 Preußen | 6000 Franzosen | Kapitulation |
Literatur
- Gerhard Pieper: Die Festung Hameln. Geschichte, Bauwerke und Institutionen. Hameln 2006, ISBN 3-8271-9303-6.
Weblinks
- Stadtfestung Hameln bei hameln-geschichte.de
- Hameln - früher das „Gibraltar der Nordens“
- Stadtbefestigung Hameln bei burgen.de
Einzelnachweise
- ↑ Stadtgeschichte Hameln
- ↑ Großer Generalstab (Hrsg.): 1806 – Das Preußische Offizierkorps und die Untersuchung der Kriegsereignisse. Ernst Siegfried Mittler und Sohn, Berlin 1906.
- ↑ Die Garnison in der Rattenfängerstadt