Techno
Techno ist ein Sammelbegriff einer meist tanzflächenorientierten elektronischen Musikrichtung. Der Begriff ist zugleich das Synonym für eine Jugendkultur. Deren Anhänger bezeichnen sich selbst als Technoszene.
Musikalische Beschreibung
Mit Techno wird synthetisch produzierte, meist vordergründig rhythmusorientierte Dancemusic bezeichnet. Charakteristisch sind oft der 4/4-Takt, mit einer Betonung jedes Viertels durch eine elektronische Bassdrum und eine (meist offene) Hi-Hat auf den geraden Achteln. Der Harmonielehre folgende Akkorde sind von untergeordneter Bedeutung, stattdessen wird oft mit einzelnen Klängen und deren Zusammenwirken experimentiert. Es sind aber auch völlig andere Takt-oder Rhythmuskombinationen möglich (Breakbeats usw). Eine klare Abgrenzung von anderen elektronischen Musikgenres ist nicht nur unmöglich, sondern wird der ungeheuren Bandbreite dieser Musik in keinster Weise gerecht.
Geschichte
Der Ursprung (von Stockhausen zu Kraftwerk)
Oskar Sala und Karlheinz Stockhausen gelten als die frühen Pioniere der elektronischen Musik. Ihre Ideen und Werke verbanden klassische Komposition mit Technologie. Ende der 60er und Anfang 70er waren sie Inspiration für die zeitgenössische Musik der Formation Kraftwerk aus Düsseldorf. Kraftwerk war stets auf der Suche nach der perfekten (positiven) Symbiose zwischen Mensch und Maschine und legten mit ihrem vierten Album "Autobahn" (1974) den Grundstein für den Musikstil Elektropop. Als besonders einflussreich auf die spätere musikalische Entwicklung gelten ihre Alben "Mensch-Maschine" (1978) und "Computerwelt" (1981), die schon teilweise die für Techno typischen minimalistischen, tanzbaren Elemente aufwiesen.
Andere Wurzeln
- Der italienische Disco-Produzent Giorgio Moroder setzte bereits in den 70er-Jahren Synthesizer für repetitive Tanzrhythmen ein. Sein 1977 für Donna Summer produzierter Track "I Feel Love" gilt als Meilenstein in der elektronischen Tanzmusik.
- 1982 veröffentlichte Afrika Bambaataa den Track "Planet Rock", in dem er die Melodie des Kraftwerk-Songs "Trans-Europe Express" verarbeitete. "Planet Rock" gilt heute als Klassiker des frühen Hip Hop, als Grundstein von Electro bzw. Electro Funk und förderte die Popularität von Kraftwerk in den Vereinigten Staaten.
- Die Gruppen DAF und Front 242 prägten Anfang der 80er Jahre mit ihrem durch brachiale Bass-Sequenzerläufe bestimmten Sound einen Stil, der als EBM bezeichnet und oft als Vorläufer von Techno betrachtet wurde.
- Die Veröffentlichungen der Schweizer Formation Yello brachten Innovationen im Bereich des Samplings und ungewöhnliche Rhythmusstrukturen, die später vor allem europäische Techno-Produzenten beeinflussten.
- Der tanzorientierte Synthesizer-Pop der britischen Band Depeche Mode wird von den Detroiter Techno-"Erfindern" Derrick May, Kevin Saunderson und Juan Atkins regelmäßig als Einfluss genannt.
- Jean-Michel Jarre und Brian Eno leisteten in den 70er- und 80er-Jahren Pionierarbeit im Bereich melodiöser Synthesizer-Musik und war eine wichtige Inspirationsquelle.
- The Art of Noise aus Großbritannien und die Einstürzenden Neubauten experimentierten mit Geräuschen, Rhythmus-Samples und elektronischen Klängen. Viele der Berliner Technopioniere (u.a. DJ Tanith, die Macher vom Tresor usw.) haben ihre Wurzeln im Industrial.
House
In den 80er-Jahren entstand im Warehouse in Chicago der House, als Weiterentwicklung des 70er-Jahre Disco-Sounds. Die typische Single enthielt schon damals eine Version mit ausgedehnter Rhythmus-Passage (meist mit "Club Mix" betitelt). Der Warehouse-DJ Larry Levan erkannte schnell die hypnotische und euphorisierende Wirkung dieser monotonen Zwischenstücke und begann damit, nur noch diese Teile der verschiedenen Schallplatten zu vermischen und den Rest der Songs wegzulassen. Bald schon wurden in Chicago neue Platten mit diesem speziellen Sound produziert.
Früher Techno
Dieser neue Ansatz musikalischen Stils verbreitete sich schnell und war auch Inhalt der nächtlichen Radiosendung Midnight Funk Association in Detroit. Dieses Programm war Hauptinspirationsquelle für die Produzenten Juan Atkins, Derrick May und Kevin Saunderson (oft als die Belleville Three bezeichnet), welche die neuen Ansätze aufgriffen und weiterentwickelten. Zusammen mit Richard Davies veröffentlichte Juan Atkins 1984 unter dem Namen Cybotron die Schallplatte "Techno City". Man erzählt, dass Atkins auf die Frage eines Musikjournalisten, wie man denn diesen Stil nennt, geantwortet habe: "Call it techno."
In Europa wurde der Begriff "Techno" zum ersten mal im Jahre 1982 von Andreas Tomalla (alias Talla 2XLC) verwendet. Der Frankfurter Musikliebhaber arbeitete Anfang der 80er in einem Plattenladen unter dem Frankfurter Hauptbahnhof. Dort sortierte er elektronisch produzierte Schallplatten in eine eigene Kategorie und benannte diese mit "Techno". Der so definierte Sound bezeichnete vor allem elektronisch orientierten New Wave, also Synthiepop (Depeche Mode u.ä.), Elektro (Kraftwerk u.ä.) und Electronic Body Music (Front 242 u.ä.). Housemusik und Electro-Funk zählten hingegen in dieser Definition von "Techno" nicht dazu. Diese Begrifflichkeit hielt sich im allgemeinen deutschen Sprachgebrauch bis in den Beginn der 90iger (siehe Absatz: Tekkno-die frühen Neunziger!)
Acid House
Bevor Techno zur Massenbewegung wurde, sorgte Ende der 80er Acid House für Aufsehen. Acidhouse, zuerst eine besonders harte und minimalistische Variante des Chicago-Housesounds, wurde besonders in England und der Ferieninsel Ibiza gefeiert. Acidhouse erschien in seinen Äusserlichkeiten einem echtem Hippierevivial. Freie Liebe (Sommer of Love)wurde genauso propagiert, wie der ungezügelte Genuss von Rauschmitteln. Schnell wurde bekannt, dass Acid das umgangssprachliche Synonym für die Droge LSD war . Das sorgte vor allem in den europäischen Medien für eine Hysterie. Die Reaktionen waren strenge Polizeikontrollen und unzählige Razzien. Der Trend wurde durch die Medien unglaublich gehypt und sehr schnell im grossen Massstab vermarktet. Der billigste Dance wurde (sogar nachträglich) mit Smileybuttons versehen auf Wühltischen verramscht. Acidhouse und Smileys waren nur noch peinlich...
Tekkno, die frühen Neunziger
Nach dem schnellen Ausverkauf von Acid-House gingen die Parties jedoch weiter. In England wuchsen sie zu riesigen Parties, den Raves. In Belgien fusionierte Electronic Body Music (EBM) mit Disco und House zu Technohouse. Da der Begriff "Techno" in Deutschland jedoch völlig anderes belegt war, änderten die Berliner um das XDP 1989 einfach die Schreibweise und nannten den Sound ihrer Tekknozid-Parties "Tekkno". Diese Schreibweise wurde im gesamtem deutschen Sprachraum vorerst übernommen. Zeitweise wurde durch die Anzahl der "K" die vermeintliche Härte des Sounds auf den Parties beworben.
In den frühen Neunzigern wurde der Sound nicht in Stile oder Kategorien untereilt. Es gab meist einen grossen Dancefloor und die DJs spielten sich innerhalb eines Party durch Hart, Happy, Breakbeats oder Trance... Meist teilten sich 2 DJs eine Nacht.
Bereits Ende 1991 kam mit Mayday erstmals ein neues Partykonzept auf. Um mit möglichst vielen bekannten Produzenten und DJs werben zu können, wurde die Spielzeit des Einzelnen DJs auf weniger als eine Stunde beschnitten. Dieses Konzept hatte solchen Erfolg, dass es fast weltweit übernommen wurde.
Besonders die Loveparade und das Technomagazin Frontpage hatten in Deutschland Anteil an der schnellen Popularisierung von Techno.
In Deutschland entstanden zu Beginn bis Mitte 90er-Jahre regional typische Sounds - meist geprägt durch bestimmte Clubs und Partykonzepte, so z. B. der "Sound of Frankfurt" vor allem durch Harthouse, Eye Q und später auch durch 23 Frankfurt und Frankfurt Beat Productions. In Berlin war der Tresor Club mit seinem eigenen Label und Produzenten wie Jeff Mills, Daniel Bell und Joey Beltram für härtere Sounds wegweisend, im Trance-Bereich war es vor allem MFS und für Rave-Sound Low Spirit (von Westbam). Populärer Acid Techno kam aus Köln (mit dem Produzentenkreis um Wolfgang Voigt und Dr. Walker), Essen mit Important Records und Hamburg (Noom Records).
1994 schafften es erste Trance-Produktionen in die Charts und es wurden vermehrt Pop-Songs veröffentlicht, deren Geschwindigkeit und Rhythmus sich an Techno orientierte (z. B. Dune und Scooter). Selbst in der volkstümlichen Musik wurden immer häufiger harte elektronische Bassschläge auf die Viertel verwendet.
Heute und die Zukunft
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Produktion
Da Techno mit Hilfe von elektronischen Geräten erzeugt wird, ist es nicht nötig, dass der Komponist ein klassisches Instrument (wie z. B. Klavier) beherrscht. Vor allem die Verwendung von Computern und Sequenzern zur Steuerung von Tasteninstrumenten hat Techno den Ruf von "Billigmusik" eingebracht. Vielerorts wurden Ausdrücke wie "Plastikmüll" oder "Elektroschrott" verwendet. Trotzdem gibt es viele Musiker, die sich der Techno-Produktion über künstlerische Aspekte und intellektuelle Betrachtungsweisen genähert haben. Herkömmliche Song-Strukturen wurden über Bord geworfen und durch neue Ideen ersetzt. Eine wichtige Rolle hierbei spielten unter anderem die Plattenlabel R & S, Mille Plateaux und Warp mit Produzenten wie Cristian Vogel, Wolfgang Voigt und Richard D. James.
Bei der Produktion ist der Drumcomputer von essentieller Bedeutung. Geräte mit möglichst elektronisch klingender Perkussion werden üblicherweise bevorzugt. Kultstatus haben der TR-808 und der TR-909 von Roland erreicht, deren Produktion aber bereits vor dem eigentlichen Techno-Hype eingestellt worden war. Daher haben sie einen entsprechend hohen Wiederverkaufswert.
Bei den Synthesizern sind vor allem analoge Geräte beliebt, weil diese nicht so "rein" und "sauber" klingen wie die digitalen Varianten und eine sehr große Bandbreite an Klangvariationen und –modulationen per Drehregler (sogenannte "Knobs") ermöglichen. Beliebte Geräte sind bzw. waren z. B. TB-303 und Juno 106. Um die Modulationsmöglichkeiten mit den Vorzügen der digitalen Geräte zu verbinden, wurden sogenannte "virtuell-analoge" Geräte entwickelt. Bekanntes Beispiel ist der Clavia Nord Lead. Durch die Techno-Bewegung wurden einige Synthesizer-Firmen sogar dazu bewogen, wieder Modularsysteme (wie z. B. den A-100 von Doepfer) in ihr Programm aufzunehmen, die eigentlich nur noch historische Bedeutung gehabt hatten.
Ab Mitte der 90er-Jahre fand eine zunehmende Verlagerung auf den Computer statt. Während er zu Beginn noch als reiner Sequenzer zur Steuerung der anderen Geräte über MIDI verwendet worden war, brachte die zunehmende Leistungsfähigkeit der PCs die Möglichkeiten des Harddisk Recordings. Sampler wurden durch Computer ersetzt. Software-Firmen begannen mit der Entwicklung und dem Verkauf von Programmen, die schon Tausende von fertigen Bestandteilen (Rhythmuspassagen, Melodiesequenzen etc.) beinhalteten, die über eine einfache Bildschirm-Darstellung miteinander kombiniert werden konnten. Dieses Puzzle-Prinzip führte im Internet zu einer hohen Flut an Amateurproduktionen auf bescheidenem Niveau. Der nächste Entwicklungsschritt folgte mit virtuellen Synthesizern, mit denen sich per PC ein echter Hardware-Synthesizer simulieren lässt. Ein bekanntes Beispiel dafür ist die Reaktor-Software.
Bekannte Vertreter
Deutschland | International | ||
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Literatur
- Dan Sicko: Techno Rebels: The Renegades of Electronic Funk, Billboard Books, New York 1999, ISBN 0-8230-8428-0
- Marcel Feige (Mitbegründer des Raveline Magazin, Chefredakteur bei "Deep"): Deep in Techno, Schwarzkopf & Schwarzkopf, Berlin 2000, ISBN 3-89602-328-4
- Sven Schäfer, Jesper Schäfers, Dirk Waltmann (Herausgeber: Raveline Magazin): Techno-Lexikon. Schwarzkopf & Schwarzkopf, Berlin 1998, ISBN 3-89602-142-7
- Ilona Bublitz / Cornelius Ballin: Die Loveparadestry ´89-90 (O-Töne einer Bewegung) Die Loveparadestory
Siehe auch
- Liste von DJs
- Discogs, eine bedeutende Diskografien-Datenbank
- Technokultur
- Techno-Club
- Techno-Kunst