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Ribosomale DNA

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Unter Ribosomaler DNA (rDNA) versteht man die DNA, die für rRNA kodiert. Teilweise versteht man unter "rDNA" auch rekombinante DNA bzw. die Technologie zur Herstellung derselben. Dies ist allerdings inkorrekt und sollte vermieden werden. Der rDNA-Gehalt ist für verschiedene Organismen unterschiedlich, so machen beim Menschen etwa 0,4% des Genoms rDNA-Gene aus, bei Drosophila melanogaster sind es circa 17%. Die rDNA ist im Zellkern auf einen oder mehrere dichte Bereiche konzentriert, die man Nukleolus oder Kernkörperchen nennt. Dort findet auch die rRNA-Synthese und der Zusammenbau der Ribosomen statt.

allgemeine Anordnung

Die Gene für die 16S-, 5S- und 26S-rRNA bei Prokaryoten bzw. die 18S-, 5,8S- und 28S-rRNA bei Eukaryoten liegen gekoppelt vor und werden gemeinsam transkribiert.
Bei Eukaryoten liegen die Transkriptionseinheiten in großer Zahl wiederholt vor (Repeats). Die 5S-rDNA der Eukaryoten liegt ebenfalls als Repeat vor, jedoch abseits der 18S-, 5,8S- 28S-rDNA. Sie wird anders reguliert und transkribiert.
Bei Prokaryoten sind die rDNA-Transkriptionseinheiten im Genom frei verteilt.
Der Vorteil der gemeinsamen Transkription liegt darin, dass die Genprodukte in äquimolaren (gleichen) Zahlen vorliegen. Eukaryoten müssen allerdings den 5S-rDNA-Nachteil ausgleichen, siehe auch im Abschnitt "Regulation des rRNA-Gehalts".

Aufbau und Transkription bei Prokaryoten

Im Gegensatz zur rDNA der Eukaryoten gibt es bei Prokaryoten keine separierte rRNA, wie die 5S-rRNA der Eukaryoten. Vorsicht, es kann leicht zur Verwechslung kommen: die im Cluster gelegene kleine rRNA bei Prokaryoten heißt genauso 5S-rRNA wie die einzeln gelegene 5S-rRNA der Eukaryoten. Die kleine zentral gelegene rRNA der Eukaryoten heißt 5,8S-rRNA.
E. coli enthält im rDNA-Cluster auch Gene für tRNAs. Die E. coli-rDNA-Cluster liegen als Operon vor, jeweils 7mal verteilt im bakteriellen Chromosom. Diese Operons werden als rrnA bis rrnG bezeichnet und kodieren nicht zwingend für die gleichen tRNAs.
Das Primärtranskript bezeichnet man als 30S-prä-rRNA. Die 16S und die 23S-rRNA werden durch die Ribonuclease III herausgeschnitten. Der "Feinschnitt" und die Bearbeitung der 5S-rRNA und der tRNAs erfolgt durch weitere nukleolytische Enzyme. Damit nicht auch die funktionellen rRNA-Bereiche geschnitten werden, werden diese gleich nach der Transkription methyliert.

Aufbau und Transkription bei Eukaryoten

Aufbau der Cluster und deren repetitive Anordnung

das 18S- 5,8S-, 28S-rDNA-Cluster

Die einzelnen ribosomalen Untereinheiten im Repeat werden auf DNA-Ebene durch sogenannte internal transcribed spacer (ITS) getrennt und gemeinsam von einem external transcribed spacer (ETS) angeführt. Da die rRNAs in der Zelle circa 90% der Gesamt-RNA ausmachen, liegen die rRNA-Gene in vielen Wiederholungseinheiten vor. Diese werden durch die non-transcribed spacer (NTS) getrennt.

Beim Menschen sind die 18S-5,8S-28S-Repeats tandemartig zu 30 bis 40 als Cluster angeordnet und diese werden je fünf Mal, jeweils auf den akrozentrischen Chromosomen 13, 14, 15, 21 und 22 wiederholt. Je nach Art kann die Anordnung, Verteilung und die Anzahl der Repeats jedoch stark schwanken, wie etwa 150 Kopien bei Drosophila-Männchen und 250 bei den Weibchen bis 9500 Kopien bei der Ackerbohne (Vicia faba).

elektronenmikroskopische Aufnahme der rDNA während der Transkription. Zu sehen ist die sogenannte Tannenbaumstruktur, deren Spitze das 5'-Ende darstellt. Das 3'-Ende ist nicht pyramidenartig breit, da die rRNA sehr schnell nach der Transkription kondensiert und verpackt wird. Ein "Tannenbaum" entspricht einer Transkriptionseinheit, der Faden zwischen den Tannenbäumen einem non-transcribed spacer.

Die nichtranskribierten Spacer bestehen vor den Clustern aus einer Vervielfachung von Promotoren (insgesamt 2300-5300bp), sodass sie eine hohe Bindekraft für die RNA-Polymerasen besitzen. Nach den Clustern befinden sich jeweils Transkriptionsterminatoren. Die hohe Promotoreffektivität bewirkt, dass die rDNA-Gene gleichzeitig vielfach transkribiert werden, was sich in der sogenannten "Miller-Spreitung" durch "Tannenbaum-Strukturen" zeigt (siehe Bild rechts).

Bei Eukaryoten werden die 18S-, 5,8S und 28S-RNA gemeinsam als sogenannte 45S-prä-rRNA von der RNA-Polymerase I transkribiert. Das Primärtranskript wird als erstes von external transcribed spacer getrennt zum 41S-rRNA-Vorläufer. Dieser dann im ersten ITS in ein 20S-prä-rRNA und 32S-Vorläufer gespalten. Im dritten Schritt, wird von 20S-Vorläufer der kleine ITS-Teil abgetrennt und die reife 18S-rRNA entsteht. Gleichzeitig werden vom 32S-Vorläufer die ITS herausgeschnitten und die 5,8S-rRNA an den komplementären Zentralteil der 28S-rRNA gebunden. Diese Reaktionen werden von den sogenannten small nucleolar ribonucleoprotein particles (snoRNP) durchgeführt.

In Drosophila, aber auch in vielen anderen Organismen kann die 28S-rDNA eine sogenannte intervening sequence (IVS) enthalten. Diese bezeichnet man auch als "Gruppe-I-Introns", die autokatalytisch spleißen. Dabei knüpft ein externes Guanosinmonophosphat an das 3'-OH des Intronanfangs und das nun freigewordene 3'-Ende des ersten Exons an das 5'-Ende des zweiten Exons. Dadurch wird das Intron freigesetzt, abgebaut und die Exons verknüpft. Wann dieses Spleißen während der rRNA-Prozession stattfindet, ist bisher jedoch noch nicht geklärt.

5S-rDNA

Die 5S-rDNA liegt ebenfalls in Tandemwiederholungen vor, beim Menschen auf dem Chromosom 1, nahe dem Telomer. Beim Krallenfrosch (Xenopus laevis) sind sie in Zahlen von etwa 24.000 Kopien an dem Enden der meisten Chromosomen verteilt, bei Drosophila melanogaster im Block auf Chromosom 3. Die DNA-Abschnitte zwischen den 5S-rDNA-Genen heißen ebenfalls non-transcribed spacer und können sowohl zwischen den einzelnen Genkopien als auch zwischen nahe verwandten Arten stark variieren.
Die 5S-rDNA wird im Unterschied zu den anderen rRNA-Genen jedoch von der RNA-Polymerase III transkribiert. Sie besitzt keine Introns und wird auch nicht prozessiert. Der Promotor, der aus der sogenannten C-Box besteht, liegt innerhalb der kodierenden Sequenz. Die Regulation geschieht durch die Transkriptionsfaktoren TFIIIA, TFIIIB und TFIIIC. Bei Xenopus laevis bindet TFIIIA mit Hilfe von 9 Zinkfinger-Motiven reversibel an die DNA, die durch TFIIIC stabilisiert wird. Dieser stabile Komplex wird dann durch TFIIIB ergänzt und danach erst kann die RNA-Polymerase III das Gen transkribieren.

Regulation des rRNA-Gehalts

Bei Eukaryoten ergibt sich das Problem, dass die rDNA-Cluster und die 5S-rRNA durch unterschiedliche RNA-Polymerasen transkribiert werden. Deren unterschiedliche Prozessivität bewirkt jedoch eine unausgegliechene Synthese, obwohl für ein Ribosom alle rRNAs in gleicher Anzahl benötigt werden. Diesem Problem entgehen die Zellen unter anderem dadurch, dass die Kopienzahl der einzelnen rDNA-Gene unterschiedlich ist.
Zudem kann auch die unterschiedliche Struktur der jeweiligen NTS-Regionen zu einer differentiellen Regulation führen. So wird in bestimmten Situationen nur ein Teil der zellulären rDNA transkribiert, was man als nukleoläre Dominanz bezeichnet.

In manchen Situationen muss jedoch der Gesamtgehalt der rDNA-Gene verändert werden. Bei den Riesenchromosomen von Drosophila wird die rDNA zum Beispiel unterrepliziert. Häufiger jedoch ist es nötig mehr Ribosomen zu produzieren, etwa in Oocyten. Die Lösung des "Problems" liegt in einer intrazellulären Amplifikation. Dabei werden rDNA-Gene aus dem Chromosom herausgeschnitten, zirkularisiert und durch rolling circle-Replikation amplifiziert. Diese stark anfärbbaren DNA-Ringe nennt man nach ihrem Entdecker 1901 auch Giardina-bodies. Wie das Herausschneiden und Zirkularisieren molekular vonstatten geht, ist bisher noch nicht geklärt. Es ist jedoch mehrfach beobachtet worden, etwa beim Gelbrandkäfer, beim Heimchen, bei Xenopus und beim Hamster.

rDNA und Evolution

Ribosomen sind komplexe und lebensnotwendige Bestandteile einer jeden Zelle, dementsprechend ist die Konservierung recht hoch. Bei Eukaryoten gibt es es im Gegensatz zu den Prokaryoten mehrere hundert Kopien, sodass eine unabhängige Evolution zu erwarten wäre. Die Cluster werden allerdings durch inäquales Crossing-over homogenisiert und somit wie ein Einzelgen vererbt (Hillis et al. 1991).

Evolution der rDNA

Schaut man sich die Struktur der rDNA an, so sticht inbesondere die Clusterstruktur ins Auge. So ist durchaus eingänglich, dass die 16S-rDNA mit der 18S-rDNA beziehungsweise die 23S-rDNA mit der 28S-rDNA homologisierbar sind. Die 5S-rDNA der Prokaryoten ist jedoch homolog zur 5S-rDNA der Eukaryoten, dementsprechend muss es eine Trennung der 5S aus dem Prokaryoten-Cluster gegeben haben.

Evolutionsforschung mit der rDNA

Die Bedeutung der rDNA ist auch für Evolutionsforscher sehr interessant. So nutzt man z.B. die 16S-rDNA, um Großgruppen von Bakterien zu systematisieren. Aber auch bei der Großsystematik der Eukayoten sind die Sequenzen der reifen rRNAs durchaus ein beliebter Marker. Bei Vergleich der ribosomalen DNAs zwischen Prokaryoten und Eukaryoten finden sich jedoch nur geringe Ähnlichkeiten, betrachtet man jedoch die Faltungen der rRNAs, so finden finden sich trotz unterschiedlicher Basenzusammensetzung große Teile, die morphologisch enorme Ähnlichkeit besitzen.

Die nicht durch Selektion beeinflussten ITS-Sequenzen spielen bei der Phylogenie auf Gattungs- und Artebene eine bedeutende Rolle. Üblicherweise sequenziert man die 5,8S-rDNA gleich mit, da sie größenmäßig kaum ins Gewicht fällt. Um statistisch eine größere Sicherheit zu bekommen, werden die ITS-Sequenzen durch mindestens einen weiteren Marker ergänzt.

Geschichte

Ribosomen der Eukaryoten bestehen aus 4 verschiedenen rRNAs, zu je gleicher Anzahl und diese, so fanden Levinthal et al. 1962 heraus, machen circa 80-90% der RNAs in der Zelle aus. Daraus resultierend muss es im Genom eine Vielzahl an Genen geben, die für rRNAs kodieren.
Im Jahre 1965 zeigten Sol Spiegelman und Ferrucio Ritossa durch die Hybridisierung von rRNA mit Drosophila-Zellkernen mit unterschiedlicher Anzahl an Nukleolusorganisatorregionen, dass rDNA dort kodiert vorliegt.

Carl Woese schlug 1987 vor, die rDNA der kleinen ribosomalen Untereinheit für die Großsystematik zu benutzen. Sein Stammbaum von 1990 konnte zum ersten Mal die Verwandten von Archaea, Pro- und Eukaryoten darstellen.

Literatur

  • Graw: "Genetik"; 4. Auflage, 2006 (ehem. Hennig)
  • Neves N, Delgado M: "Ribosomal DNA heterochromatin in plants"; Cytogenet Genome Res 109:104–111 (2005) Abstract bei PubMed
  • Hillis DM et al.: "Evidence for biased gene conversion in concerted evolution of ribosomal DNA"; Sience 251:308-310 (1991)