Studentenprotest
Der Studentenprotest ist eine grundsätzlich gewaltlose Form von Protestaktionen, meist in Form von Demonstrationen oder Streiks im weiteren Sinne, welche von Studenten durchgeführt werden. Die Gründe für Studentenproteste können vielfältig sein, häufig soll auf schlechte Studienbedingungen hingewiesen werden.
Meist werden diese Proteste vom Studentenrat/AStA fakultätsübergreifend organisiert, die Unterstützung der Hochschulleitung hingegen ist nur manchmal gegeben. Oft dauern Protestaktionen über Tage oder Wochen hinweg an, um den Forderungen Nachdruck zu verleihen.

Beispiele größerer Protestaktionen
Die Proteste der sog. 68er waren ursprünglich und hauptsächlich wohl Studentenproteste.
1988
- Der sog "UniMut"-Streik ausgehend von der Freien Universität Berlin mit bundesweiter Ausdehnung (v.a. Hessen). Erste größere Serie von Besetzungen von Instituten und Unigebäuden. Die FU Berlin wird für fast ein ganzes Semester von Besetzungsräten verwaltet (bis 25. Februar 1989) und zur B*freiten Uni. Zahlreiche Umbenennungen von Instituten.
- Folgen waren die Einführung von studentisch verwalteten Projekttutorien bis 2002 und die Einführung des eines Reformstudiengangs in der Humanmedizin.
1997
- Die zunächst grössten Studentenproteste in Deutschland nach der 68er-Bewegung gab es beim Studentenstreik 1997. Damals gab es ausgehend von der Justus-Liebig-Universität in Gießen an vielen Universitäten von Kiel bis Konstanz Hochschulstreiks unter dem Motto "Lucky Streik" u. ä.
- Gründe für den Streik waren die geringe finanzielle Ausstattung der Hochschulen, überfüllte Veranstaltungen u. ä.
2003
- 2003 ist in Deutschland insbesondere das Motto Spar Wars oft verwendet worden, allerdings gibt es kein übergreifendes Leitmotiv, da wirksame Aktionen meist mit lokalem oder regionalem Charakter durchgeführt werden. Im Dezember 2003 wurden zeitgleich in Berlin, Leipzig und Frankfurt am Main Demonstrationen veranstaltet, die den Auftakt für eine Welle von Protestaktionen machten. Auch in Weimar, Bonn, München, Dresden, Göttingen und anderen Städten wurden daraufhin Streikaktionen gestartet. In ganz Niedersachsen, Hessen, Hamburg, Bremen und Berlin wurde im Wintersemester 2003/2004 gestreikt. Bei den Protesten ging es um die Verhinderung von deutschlandweit stattfindenden Kürzungen im Bildungs- und Sozialbereich und die Einführung von Studienkonten/gebühren. Nach anfänglichem Bezug auf die reinen Einsparungen und "Reformen" wie BA/MA im Bildungsbreich fand schnell ein Ausweitung auf weitere soziale Proteste statt, wie z.B. die Einführung von Hartz IV. Zumindest in Berlin kann die geplante Einführung von Studienkonten/gebühren zum Wintersemester 2004/2005 verhindert werden. Nach wochenlangen Interventionen von Studierenden auf PDS Versammlungen stimmten 3/4 aller Delegierten des Berliner PDS Parteitags gegen das Studienkontenmodell ihres Wissenschaftssenators, der daraufhin die Einführung für den Rest der Legislatur(bis Oktober 2006) aufgibt. Die Einsparsumme vorn insgesamt 75 Mio. Euro bis 2009 müssen die Berliner Universitäten ohne Abstriche erbringen. Bisher ist dies der einzig bekannte Erfolg von Studierendenprotesten gegen die Einführung von Studiengebühren in Deutschland.
2005
- Im Mai 2005 kommt es wegen der geplanten Studiengebühren zu bundesweiten Protesten (Summer of Resistance) gegen die Kommodifizierung von Bildung. In Freiburg im Breisgau wird das Rektorat von Studenten 13 Tage lang besetzt gehalten. In Hamburg veranstalten Studenten verschiedene Protestaktionen, die Vollversammlung der Studenten der Universität Hamburg spricht sich mit 94% gegen Studiengebühren aus bei über 10.000 abgegebenen Stimmen. Daraufhin lässt der CDU-Senat die Proteste von der Polizei mehrmals gewaltsam auflösen. Auch in Köln, Kiel, Oldenburg, Stuttgart, München, Freiburg und weiteren Städten kommt es zu Aktionen (Dokumentation auf Indymedia). Vom 02.-04.05. streikten die Studierenden der Universität Stuttgart und beendeten den Streik am 04.05. mit einer 8.000 Menschen starken Demonstration. Seitdem geht der Protest neben anderen Aktionen in Form einer Uni-WG in einem zentralen Universitätsgebäude weiter. Am 24. und 25.05. besetzen Studenten die Rektorate der Universitäten in Hamburg, Bremen, Hildesheim, Göttingen, Braunschweig und Lüneburg. Im Juni werden die Aktionen bundesweit fortgesetzt, es kommt in verschiedenen Städten immer wieder zu Kundgebungen. Studierende besetzen parallel zur landesweiten Demonstration gegen Studiengebühren in Essen am 23. 6. die Rektorate an den Campi Duisburg und Essen. Der Protest richtet sich gegen die geplante Einführung von Studiengebühren an der Universität Duisburg-Essen.
- In der Folge werden teils Gebührenpläne verschoben oder neu diskutiert, zahlreiche Universitäten beklagen, dass ihnen die Entscheidung über Studiengebühren von der Politik zugeschoben werde, während die Finanzierungsmodelle noch unklar sein. Studentische Initiativen greifen aber auch in den Wahlkampf von Parteien ein, die für Studiengebühren werben. Bei der Bundestagswahl 2005 ist laut Umfragen Bildung (neben Arbeitslosigkeit) eines der bestimmenden Themen.
2006
- Ende 2005 hat der schleswig-holsteinische Wirtschafts- und Wissenschaftsminister Dietrich Austermann (CDU)) sein Eckpunktepapier für ein neues Hochschulgesetz vorgelegt. In diesem Papier sieht Austermann die Einführung von Studiengebühren zum Sommersemester 2007 vor, eine Präsidialverfassung anstelle der bisherigen Rektoratsverfassung und die Fusion der drei schleswig-holsteinischen Universitäten Lübeck, Flensburg und Kiel zu einer Landesuniversität vor. Für die Studierenden in Schleswig-Holstein bedeutet die Präsidialverfassung ein Verlust des Mitspracherechts, da das Konsistorium, welches zu einem Drittel aus Studierenden besteht und von dem der Rektor gewählt wird, gestrichen wird. In Zukunft soll ein Hochschulrat - bestehend aus führenden Persönlichkeiten der Wirtschaft und Kultur - den Präsidenten wählen.
- Dieses Eckpunktepapier löste an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel eine Protestwelle aus. Nach einer Vollversammlung am 18. Januar 2006 besetzte eine kleine Gruppe von Studierenden das Rektoratshochhaus der Universität und forderte eine klare Stellungnahme des Rektorats zu den von Austermann vorgestellten Plänen. Die Besetzung verlieft friedlich und die Arbeit im Hochhaus wurde nichtblockiert. Die Prorektoren der CAU stellten sich am nächsten Abend den "Unischläfern" und gaben zu verstehen, dass das Rektorat die "Studenten nicht als Kunden, sondern als Teil der Universität" sieht und daher die Einführung von Studiengebühren, die Entdemokratisierung der Hochschule und die Fusion der drei schleswig-holsteinischen Universitäten zu einer Landesuniversität nicht gut heißt. Die "Unischläfer" hatten ihr Ziel erreicht, führten die Besetzung jedoch fort - für insgesamt 11 Tage, um der Studierendenschaft ein Forum zu bieten, indem sie über das Eckpunktepapier aufklären konnten. Der Besetzung folgten weitere Aktionen, welche das Ziel haben die 20.000 Studierenden der CAU zu informieren und auf koordinierte Protestaktionen mit den anderen Hochschulen des Landes vorzubereiten.
- Am 2. Februar 2006 wird in Bielefeld, nach der Verabschiedung von Studiengebühren durch den Hochschulsenat, gegen den Willen der Mehrheit der Studenten, und dem Ignorieren von Rücktrittsforderungen an den Rektor, das Rektorat besetzt. Am 12. Februar hält die Besetzung weiterhin an. Am 16. Februar wird auch das Rektorat der Uni Paderborn von ca. 100 Studierenden besetzt, in einer gemeinsamen Presseerklärung fordern die Besetzer von Bielefeld und Paderborn die Rücknahme des Beschlusses zu Studiengebühren an den jeweiligen Universitäten, sowie eine Demokratisierung der Hochschulen in NRW durch erweiterte Rechte der Mitbestimmung für Studierende. Die jeweiligen Rektoren lehnen alle Forderungen ab, in Paderborn wird mit der Polizei gedroht. Deutschlandweit solidarisieren sich mehrere Asten und Ortsverbände von Parteien, sowie Gewerkschaftsgruppen mit den Besetzungen und den damit verbundenen Forderungen.
Mittel
Mittel des Studentenprotests sind neben Demonstrationen der Streik an Universitäten, manchmal auch die Besetzung von Räumen oder Gebäuden, aber auch Performance im öffentlichen Raum, um auf Studienbedingungen aufmerksam zu machen, und Formen der Kommunikationsguerilla.
Es wurden beispielsweise Fotokalender mit unbekleideten SportstudentInnen produziert (das letzte Hemd), oder gemeinsam geschwommen (Bildung geht baden). Obwohl gerade Aktionen wie der Kalender im Gegensatz zu auch stattfindenen Demonstrationen grösseres Echo in manchen Medien (Spiegel Online) hervorriefen, blieben die eigentlichen Forderungen der Studenten unerfüllt (Studiengebühren). Auch gelang es nicht, der breiten Bevölkerung den Zusammenhang der Umstrukturierungen und Sparmaßnahmen mit anderen, sie betreffenden Maßnahmen (Privatisierung) darzustellen und somit eine Solidarität in anderen Teilen der Bevölkerung zu wecken (wobei auch Studenten selber oft wenig an der Situation anderer Bevölkerungsteile interessiert waren).
Wortwitz
Die Parolen der Studenten 1997 - 2003 lauten unter anderem:
- Spar Wars
- Paaren statt Sparen
- Universitot
- Bildung geht baden
Manche Kritiker beklagen dabei allerdings eine Tendenz zur Verniedlichung und Verspaßlichung (Regression), die keineswegs jeden anspricht und gravierende Sachverhalte auf harmlose Kalauer reduziert.
Im Summer of Resistance 2005 werden die Parolen auch kritischer, z.B.:
- Reiches Kind - Studier! Armes Kind - Hartz IV
- Kapitalismus macht blöd
- Bildung für Alle - sonst gibt es Krawalle!
...oder ironisch:
- Nicht jedem das Gleiche, Bildung nur für Reiche!
- Für soziale Selektion!
- Eure Armut kotzt uns an!
- Wir können alles, außer Hochschulpolitik (in Anspielung auf den Werbespruch des Landes Baden-Württemberg)
- Ohne Bildung / werd' ich Terrorist
Zitat
Wir sind schon zu oft vertröstet, irregeführt und schlussendlich belogen worden. Wir sind immer noch nicht damit einverstanden, dass die Universität ein Unternehmen wird, dass aus dem Bildungssektor ein freier Markt wird, dass die gesamte Welt ausverkauft wird. Das alles passiert aktuell, allein um dem Kapital noch ein paar Profitpunkte mehr zu ermöglichen. Regt sich dagegen Widerstand, der über Plakate, Demos und lautes Brüllen hinausgeht, wird er gnadenlos mit Gewalt beantwortet: Wir solidarisieren uns mit den Hamburger, Oldenburger und Stuttgarter Studierenden, die wegen ihres Protestes förmlich zusammengeknüppelt wurden.
(Stellungnahme der Studenten, die am 25. Mai 2005 Rektorate in 6 Universitätsstädten besetzen. Quelle: Indymedia 25. Mai)
Weblinks
- Hamburg vs. Studiengebühren
- Streikinformations-Site zweier Mitglieder des ReferentenInnenrates des Humboldt-Universität
- Handbuch zur studentischen Protestorganisation
- Offene Uni BerlinS: Ein Ergebnis von Studentenprotesten
- Streikblog Uni Stuttgart
- aktuelles Streikblog der Uni Bielefeld
- Webseite der Kieler "Unischläfer"
siehe auch
Hochschulreform, Studentenbewegung, Studentenunruhen, Akademiker, Bildung, Studiengebühren, Centrum für Hochschulentwicklung