Swissair
Swissair (offizieller Name Swissair Schweizerische Luftverkehr AG, Callsign Swissair) war von 1931 bis zu ihrer Nachlassstundung und Liquidation ab Ende 2001 die nationale Fluggesellschaft der Schweiz. In der Folge der Swissair-Pleite wurde auf der Grundlage der damaligen Tochtergesellschaft Crossair die neue Schweizer Fluggesellschaft SWISS gegründet. Die SWISS nutzt heute einen Teil der Flugzeuge und bedient die Destinationen der ehemaligen Swissair.
Geschichte
Am 26. März 1931 wurde die Swissair durch die Fusion der Fluggesellschaften Balair und Ad Astra Aero gegründet. Im April 1932 kaufte die Swissair zwei Flugzeuge vom Typ Lockheed 9 Orion und setzte diese als erste Fluggesellschaft in Europa ein. Doch bereits 1939 stand der Flugbetrieb still, Grund war der Ausbruch des Zweiten Weltkrieges.
Der Aufstieg
Im Februar 1947 konnte die Swissair den Flugbetrieb wieder aufnehmen. Gleichzeitig erhöhte sie ihr Aktienkapital auf 20 Millionen Schweizer Franken, so dass nun auch Langstreckenflüge nach New York und zu Zielen in Südafrika und Südamerika möglich waren. Die Schweizerische Eidgenossenschaft, die 30,6% am Aktienkapital der Swissair hielt, ermöglichte es der Fluggesellschaft durch einen Kredit von 15 Millionen Schweizer Franken, zwei neue Flugzeuge des Typs Douglas DC-6B zu kaufen.
1958 schloss die Swissair einen Kooperationsvertrag mit der skandinavischen Fluggesellschaft SAS. Die beiden Partner kauften gemeinsam Flugzeuge vom Typ Douglas DC-8 und schafften einige Caravelle-Düsenflugzeuge für die Kurzstrecke an.
Nach vielen Jahren geregelten Flugbetriebs konnte die Swissair 1971 die erste Boeing 747-200 (Jumbo) in ihre Flotte aufnehmen. Schon im nächsten Jahr folgten die ersten Maschinen vom Typ McDonnell Douglas DC-10, die bis in die 1990er hinein das Bild der Langstreckenflotte der Swissair prägten.
Nach wiederum gut einem Jahrzehnt gab es die nächste große Änderung: Dem Beispiel anderer Fluggesellschaften folgend, führte die Swissair 1983 eine Business Class ein, der Abschied vom Flugbetrieb mit nur einer Klasse.
"Fliegende Bank"
Der ab den 1960er Jahren stark wachsende Luftverkehr, der jedoch weitgehend reguliert und national orientiert war, erlaubte es vielen Fluggesellschaften gute Gewinne einzufahren. Insbesondere die Swissair profitierte in diesem Zeitraum von ihrem exzellenten Ruf als Qualitätsairline und der Möglichkeit (aufgrund der Schweizer Neutralität), exotische und daher lukrative Ziele anzusteuern (wie Staaten in Afrika oder Nahen Osten).
Mit dem Beginn der Liberalisierung und Deregulierung des Flugverkehrs zu Beginn der 1980er Jahre in den USA und später in Europa, begann der Kostendruck auf die Airlines zu steigen. Der Swissair erwuchs zudem auch im Heimmarkt Konkurrenz mit der Gründung der Crossair im Jahre 1978. Die Swissair investierte in der Folge ihre hohen Liquiditätsreserven in Zukäufe und verlegte (sehr erfolgreich) nach und nach einen Grossteil ihrer Geschäftsaktivitäten (nochmals verstärkt mit dem Projekt "Move" 1990) auf flugfremde, bzw. flugverwandte Aktivitäten wie die Flughafenabfertigung (später: Swissport), das Catering (später: Gate Gourmet), die Flugzeugwartung (später: SR Technics) oder auch das Duty Free-Geschäft (später: Nuance). Der Vorteil dieser Strategie bestand in der Diversifizierung der Aktivitäten und der Reduzierung des Risikos der Volatilitäten des reinen Luftfahrtgeschäfts; gewichtige Nachteile waren die Verzettelung der Kräfte und eine Vernachlässigung des Kerngeschäfts. Entsprechend erhielt die Swissair Ende der 1980er Jahre den Übernamen "Die fliegende Bank", was zum einen auf den Umstand der vorhandenen hohen Liquidität hinweisen sollte, zum anderen andeutete, dass die Swissair vor allem mit der Anlage ihres Vermögens beschäftigt wäre und sich weniger um den Luftverkehr kümmerte.
Gewichtige Stimmen sind daher der Meinung, dass bereits in den 1980er Jahren, aber sicherlich in den 1990er Jahren das Fluggeschäft durch diese flugverwandten Betriebe (zum Teil versteckt über zu tiefe interne Verrechnungspreise) quersubventioniert wurde.
Der Konzentrationsprozess
Im Hinblick auf die angekündigte, weitgehende Liberalisierung des Flugverkehrs in Europa konzentrierte sich die Swissair wieder verstärkt auf das Fluggeschäft und weitete ihre Partnerschaften 1989 aus: Sie unterzeichnete Kooperationsverträge mit der amerikanischen Delta Airlines und der aus Singapur stammenden Singapore Airlines; die Partnerschaft mit SAS wurde erneuert.
1990 stürzten viele Airlines aufgrund der weltweit schwachen Konjunktur, der Golfkrise, steigenden Treibstoffpreisen und dem einsetzenden Preiskampf zwischen den Fluggesellschaften in die Verlustzone. Die Swissair wies trotz den Zuschüssen der flugverwandten Betriebe für das erste Halbjahr einen Verlust von 99 Mio. Fr. aus. Zum dritten Mal in ihrer Geschichte (nach 1951 und 1961) konnte die Swissair ihren Aktionären keine Dividende auszahlen. Auch 1991 und 1992 mussten Reserven aufgelöst werden, um die Verluste aus dem Fluggeschäft auszugleichen.
Ab dem 1.1. 1991 wurde der Luftverkehr in Europa liberalisiert (Aufhebung staatlicher und internationaler Vorschriften über Tarife und Sitzplatzangebot) und es entbrannte sofort ein aggressiver Preiskampf unter den Airlines aufgrund der bestehenden Überkapazitäten. In der Volksabstimmung 1992 lehnte die Schweiz zudem den Beitritt zum Europäischen Wirtschaftsraum EWR ab. Damit drohten der Swissair Nachteile gegenüber Konkurrenten aus EWR-Ländern, da bei Zwischenhalten in EWR-Gebiet keine Passagiere aufgenommen werden durften, bzw. keine innereuropäischen Strecken angeboten werden durften ("Fünfte Freiheit" nach den Bestimmungen des EWR).
Die Swissair fühlte sich daher zunehmend unter Druck zu handeln, mit ihr jedoch auch andere kleine nationale Flugunternehmen. Im internationalen "Allianzen-Poker" war eine kritische Grösse gefragt, um für die notwendigen amerikanischen Partner interessant zu sein, d.h. genügend Passagiervolumen bereitzustellen. Entsprechend wurde 1993 eine Fusion von Swissair, KLM,der SAS (je 30%) und der Austrian Airlines (10%) als Alcázar (Alone Carriers Zigzag At Random) angestrebt. Dieses Projekt scheiterte jedoch unter anderem an nationalen Widerständen in den verschiedenen Ländern. In der Schweiz wurde bemängelt, dass die Swissair aufgrund ihres hohen Anlagevermögens viel mehr als die anderen wert sei. Dabei wurde jedoch die Tatsache übergangen, dass die Swissair aufgrund der Diskriminierung durch den EWR schlechtere Marktaussichten aufwies und dringend den Status einer EWR-Fluggesellschaft brauchte.
Beteiligungen - "Hunter Strategie"
Aufgrund des Scheiterns des Alcázar Projekts engagierte die Swissair im Januar 1994 das Beratungsunternehmen McKinsey, um andere strategische Optionen zu prüfen. McKinsey konnte bei Swissair schon einen Erfolg verzeichnen, da das 1990 vorgeschlagene Projekt "Move", welches den Ausbau ertragsstarker Nebengeschäfte vorsah, die angespannte finanzielle Situation der Swissair deutlich entlastet hatte. Die strategischen Optionen wurden dabei wie folgt dargelegt:
- Alleingang (aufgrund des kleinen Heimmarkts wäre eine Redimensionierung der Swissair notwendig gewesen)
- Zusammengehen mit einem grossen europäischen Luftfahrtunternehmen (hätte die teilweise Aufgabe der Eigenständigkeit bedingt)
- Aufbau eines eigenen, grösseren Luffahrtsystems (hätte einen hohen finanziellen und personellen Einsatz bedingt - Vorläufer der Hunter Strategie)
Die dritte Option wurde vom Verwaltungsrat präferiert und als gute Gelegenheit wurde der Einstieg bei der belgischen Sabena angesehen, da die Air France den Verkauf ihrer 25%-Beteiligung anstrebte. Am 4. Mai 1995 übernahm die Swissair 49.5 Prozent an der Sabena für 260 Mio. Fr. Trotz der bekannten hohen Schulden von Sabena wurde der Standort Brüssel massiv ausgebaut und Sabena stark vergrössert - dies geschah nicht zuletzt auf Druck von Delta Airlines, welche sich mit Brüssel endlich die kritische Hubgrösse in Europa zu erreichen erhoffte.
1995 und 1996 erfolgten tiefgreifende Umwälzungen auf der Führungsebene. Mit dem Einzug von Ex-McKinsey Chef Lukas Mühlemann in den Verwaltungsrat und darauf der Ernennung von Philippe Bruggisser als neuen Swissair-Chef kam eine neue Garde an die Macht. Bruggisser war als Aufräumer bekannt, der auch sofort ein grosses Sparprogramm durchzog, um das Fluggeschäft der Swissair endlich wieder in die schwarzen Zahlen zu bringen. Eine große Umstellung gab es zudem 1997, als aus der bisherigen Fluggesellschaft Swissair der Konzern SAir Group geschaffen und die bisherige Swissair eine von vielen Tochtergesellschaften wurde.
Mit der neuen Struktur wurde ab 1998 auch die von McKinsey vorgeschlagene Hunter-Strategie umgesetzt: Der Aufbau einer eigenen Allianz unter Swissair-Führung, vorzugsweise mit den europäischen Partnern des amerikanischen Swissair-Partners Delta Airlines und kleine nationale Fluggesellschaften mit starkem Marktanteil im Heimmarkt.
Philippe Bruggisser setzte die Hunter-Strategie konsequent, aber glücklos um. Das Ziel war es, einen Schritt weiterzugehen als bei bisherigen Allianzen und die Fluggesellschaften zusätzlich durch finanzielle Beteiligungen zu binden. Dieser Strategie stand jedoch das grundsätzliche Problem entgegen, dass gesunde, nationale Fluggesellschaften aus Unabhängigkeitsüberlegungen eher an losen Allianzen mit grossen Carriern interessiert waren und daher nur unrentable Fluggesellschaften für finanzielle Beteiligungen zur Verfügung standen. Im März 1998 lancierte die Swissair die Qualiflyer-Allianz, zu der bis Ende 1998 die AUA (und ihre Töchter), Sabena, Air Portugal, Turkish Airlines, AOM, Air Littoral und Crossair stiessen. Die Swissair erworb zudem Beteiligungen an mehreren kränkelnden ausländischen Fluggesellschaften wie der italienischen Volare, der französischen Regionalfluggesellschaft Air Littoral oder der deutschen Ferienfluggesellschaft LTU. Die relativ gesunde Fluggesellschaft AUA wehrte sich jedoch gegen finanzielle Abhängigkeiten und verliess die Allianz 1999 wieder. Die zunächst guten Jahresergebnisse 1997 und 1998, die vor allem dank den flugverwandten Betrieben und den Sanierungsanstrengungen bei Swissair zustande kamen, beflügelten den Verwaltungsrat die Strategie trotz den Anzeichen einer drohenden Wende weiterzuführen.
Am 3. September 1998 kam es zum schlimmsten Unglück der Swissair. Auf dem Weg von New York nach Genf stürzte der Flug SR111, die MD-11 mit der Immatrikulation HB-IWF, vor Halifax (Kanada) ins Meer. Bei dem Absturz starben 229 Menschen. Die überaus professionelle Kommunikationsarbeit der Swissair liess die Tragödie jedoch für die Swissair zu einem Publicity-"Erfolg" werden.
Die Ursache des Absturzes ist bis heute nicht geklärt. Vieles deutet jedoch auf eine Fehlfunktion des Bordunterhaltungssystems hin (Inflight Entertainment System). Es wird ein Kabelbrand aufgrund einer Überlastung der Stromversorgung vermutet.
Die Krise
Als Beginn der Swissair-Krise muss die Aufkündigung der Zusammenarbeit im Rahmen der so genannten Atlantic Excellence Alliance durch Delta Airlines mit Sabena und Swissair gesehen werden, welche am 13. Oktober 1999 erfolgte. Durch den Strategiewechsel von Delta Airlines (kein dichtes Netz von Direktverbindungen nach Europa mehr, sondern die Anbindung über einen einzigen leistungsfähigen Hub) fiel ein Hauptziel der Hunter-Strategie weg - das Ziel, den Delta Airlines ein ebenbürtiger Partner mit hohem Passagiervolumen zu sein. Trotz dem Angebot bei der neu gegründeten Allianz SkyTeam mit Delta Airlines und Air France mitzumachen, liess sich die Swissair-Führung nicht beirren und investierte weiter. In der Folge wurden von 1999 bis 2000 weitere Minderheitsbeteiligungen an der AOM, der South African Airways und der LOT erworben, sowie der Verpflichtung einer 85% Beteiligung an Sabena zugestimmt (wobei der belgische Staat entsprechenden Druck ausübte).
Erst Mitte 2000 zeigte der von McKinsey erarbeitete Bericht „Shield“ die finanzielle Situation auf und legte eine Finanzierungslücke von 3.25 bis 4.45 Mia. Fr. für eine Geschäftstätigkeit im bisherigen Rahmen bis 2003 offen. Trotzdem war das Management der Meinung, dass mit klassischen Restrukturierungsmassnahmen die Geldabflüsse bei den Beteiligungen gestopft werden könnten. So stimmte der Verwaltungsrat (nun unter dem Vorsitz von Eric Honegger) der Sanierung von LTU in der Höhe von rund 500 Mio. Fr. zu und unterstützte kurz darauf das Projekt "Vodka", welches die Übernahme der Alitalia vorsah.
Im Sommer 2000 geriet der CEO Philippe Bruggisser erstmals unter öffentlichen Druck als die "Finanz und Wirtschaft" und die "Sonntagszeitung" am 8.7.2000, bzw. am 9.7.2000 auf die kritischen Stimmen im Verwaltungsrat zur Hunter-Architektur hinwiesen, bzw. die desolate finanzielle Lage der Gruppe veröffentlichten (Tagesverlust von je 1 Mio. Fr. bei Swissair und Sabena, sowie eine dritte Million bei LTU und den französischen Beteiligungen).
Der Verwaltungsrat agierte nun erstmals aktiv und liess mit dem Projekt „Chess“ der Beratungsfirma Roland Berger Ausstiegsszenarien betreffend der Airline-Beteiligungen evaluieren. Man beauftragte das Management eine konsequente Devestitionspolitik vorzubereiten, die offensichtlich nur zögerlich an die Hand genommen wurde. Da die Hunter-Strategie mit dieser Entscheidung Makulatur geworden war, war die Ablösung Bruggissers im Januar 2001 ein eigentlich logischer Schritt. Dennoch schien der Verwaltungsrat zu einem überstürzten Handeln gezwungen worden zu sein, denn er konnte erst verspätet (Ende Januar 2001) Moritz Suter als neuen CEO der SAir Group installieren. Moritz Suter (der Gründer von Crossair) wollte sich auf die Rettung von Swissair, Crossair und Sabena konzentrieren und schlug harte Sanierungsmassnahmen vor. Diese stiessen beim Swissair-Establishment nicht zuletzt deshalb auf Widerstand, als es eine jahrzehntelange interne Fehde zwischen Swissair und Crossair gab. Daher wurde wohl befürchtet, dass Suter bei seinen Massnahmen zusätzlich das Ziel hatte, "seine" Crossair im Konzern zu stärken. Dabei entzündete sich der Streit insbesondere an der Frage, ob die Langstreckenflotte (Swissair) oder die Kurzstreckenflotte (vor allem Crossair) unrentabel und daher zu reduzieren sei. (Diese Frage ist bei einem Hubkonzept kaum neutral beantwortbar, weil die Kurzstreckenflieger immer auch als Zubringer zur Auslastung der Langstreckenflieger dienen.) Die Folge dieser Auseinandersetzungen war, dass Moritz Suter bereits Anfang März 2001 im Streit mit Swissair-Chef Beat Schär das Handtuch warf.
Dem Verwaltungsrat wurde im März 2001 von Beratern zwei Studien präsentiert, welche die finanzielle Schieflage der SAir Group aufzeigten. Darauf kapitulierte der Verwaltungsrat und beschloss geschlossen, aber zeitlich gestaffelt zurückzutreten. Zuletzt sollte Honegger den Verwaltungsrat im Frühling 2001 verlassen.
Der Sturzflug
Als einziger verblieb der nicht vorbelastete Mario Corti, der damalige Finanzchef von Nestlé, welcher dann im März auch Präsident und Konzernchef ad interim der SAir Group wurde. Mario Corti musste im April 2000 auf der Generalversammlung einen Jahresverlust von 2.885 Mia. Fr. vermelden und entliess bald darauf den Finanzchef George Schorderet und ersetzte ihn durch die Amerikanerin Jacqualyn Fouse. Darauf folgte auf Druck der Grossbanken ein Sparprogramm, das allerdings nie konsequent durchgesetzt wurde. Es wurden hingegen Beteiligungen wie die Hotelkette "Swissôtel" für rund 500 Mio. Fr. verkauft, um Kredite der Banken zurückzuzahlen und sich von deren Druck zu lösen. Im Sommer 2001 wurde versucht, sich mit dreistelligen Millionenbeträgen den grössten Kapitalvernichtern AOM und Air Liberté zu entledigen und die Belastungen bei Sabena zu reduzieren. Als Resultat davon wies die SAir Group am 30. Juni 2001 noch 550 Mio. Fr. an flüssigen Mitteln und eine Eigenkapitalquote von 2.55% aus.
Es wurden weitere Verkaufverhandlungen für die flugnahen Betriebe wie Nuance, Swissport und Gate Gourmet geführt, die jedoch nach den Anschlägen vom 11. September nicht fortgesetzt werden konnten, da alle Unternehmen in der Airline-Branche von einem Tag auf den anderen fundamental neu bewertet wurden.
Mario Corti informierte am 17. September 2001 den Vorsteher des eidgenössischen Finanzdepartments (EFD), dass die SAir Group ab Anfang Oktober zahlungsunfähig sein könnte und bat um ein Darlehen in der Höhe von 1 Mia. Fr. Am 22. September 2001 wurde das Projekt „Swiss Air Lines“ (Zusammenlegung der Swissair und Crossair) dem Bundespräsidenten und dem Vorsteher des EFD vorgestellt, welches eine Zusammenlegung von Swissair und Crossair unter der Leitung von Crossair-Chef André Dosé mit stark reduziertem Streckennetz vorsah. Dabei war offensichtlich, dass die Crossair-Leute das Zepter in der Gruppe übernehmen würden, was dem Swissair-Management zwar missfiel, doch Mario Corti hatte kaum eine andere Wahl.
Am 29. September informierte der Verwaltungsrat der SAir Group, dass die flüssigen Mittel unvorhergesehen praktisch ausgegangen waren und deshalb ein geordneter Übergang zum Projekt „Swiss Air Lines“ wegen den damit verbundenen Übergangskosten nicht möglich wäre. Der Bundesrat war nämlich nicht bereit, eine Bundesgarantie dafür zu sprechen - wohl aus der (nicht ganz unbegründeten) Befürchtung heraus, dass damit ein Präjudiz geschaffen würde und der Schweizer Staat für die Gläubigerforderungen gegenüber der SAir Group hätte gerade stehen müssen. Am 29. und 30. September 2001 wurde daher das Projekt „Phoenix“ erarbeitet und verabschiedet, welches die Übernahme der von der SAir Group gehaltenen Crossair-Aktien durch die Grossbanken UBS und Credit Suisse vorsah. Diese neue Gesellschaft hätte danach in einem sogenannten "reversed takeover" die benötigten Flugzeuge, die Marke Swissair und weitere rentable Teile von der SAir Group übernommen. Dadurch konnte relativ billig eine neue Luftfahrtgesellschaft aufgebaut werden, welche von den finanziellen Altasten befreit war. Das Bankenkonsortium erklärte sich dabei unter der Bedingung, dass der Kauferlös nur bis zum 3. Oktober für das Fluggeschäft verwendet werde, bereit, die Aktien der Crossair unverzüglich zum Börsenkurs zu übernehmen und den Kaufpreis der SAir Group zu überweisen.
Das Grounding
Im Herbst 2001 musste die SAir Group ihre gesamte Flotte mangels Liquidität am 2. Oktober um ca. 12:00 Uhr grounden und ein Gesuch um Nachlassstundung beantragen. Dies führte nicht nur in Europa, sondern weltweit zu Konsequenzen. Die einst so stolze Schweizer "Superairline" stand in Zürich am Boden und mit ihr Tausende von "gestrandeten" Passagieren aus der ganzen Welt. Etliche Crews sassen im Ausland fest. Die Rollfelder im Flughafen Zürich waren voll mit stehenden Swissair-Jets. Da die SAir Group der belgischen Sabena zu dieser Zeit etwa 200 Millionen Franken schuldete blockierte die belgische Fluggesellschaft eine Swissair-Maschine in Brüssel. Aufgrund der fehlenden Liquidität der SAir Group stellte die Shell Oil Company die Zulieferung des Treibstoffs für die Flugzeuge um etwa 11:15 Uhr Schweizer Zeit ein. Finanzchefin Fouse ordnete an, eine Million in bar zum Hauptsitz der SAir Group an den Balsberg zu bringen. Dort wurde das Geld entsprechend der Grösse der Flugzeuge unter den Piloten aufgeteilt, so dass Pilot und Maitre de Cabine das Benzin sowie die Reinigungsequippe noch auf dem Rollfeld bar bezahlen konnten, bevor das Flugzeug abgefertigt wurde.
Im Laufe des späten Nachmittags des 2. Oktobers erfolgte die Überschreibung der Crossair Aktien. Der Kaufpreis traf nach Einstellung des Flugbetriebes auf dem Konto der SAir Group ein.
Demonstration der Mitarbeiter und Bevölkerung
Am 3. Oktober 2001 fand in Zürich auf dem Paradeplatz vor dem Hauptgebäude der UBS eine Demonstration von etwas über 10'000 Mitarbeitern und Sympathisanten statt, die gegen das Grounding protestierten. Das besondere an dieser Demonstration war das weite Spektrum des Teilnehmerfelds. Es liefen Manager neben Technikern, Piloten, Flightattendants und Verwaltungsangestellten mit.
Gründe für das Grounding
Aufgrund laufender zivilrechtlicher Verfahren sind Teile der Ursachen des Groundings der SAir Group Gegenstand gerichtlicher Auseinandersetzungen und sind daher rechtlich nicht geklärt. Die folgenden Ursachen werden jedoch allgemein als mitentscheidend anerkannt:
- Die Ursache der mangelden Liquidität ist in einer kompromisslosen und zuwenig den Realitäten angepassten Umsetzung der "Hunter-Strategie" und der mangelndem Überwachung durch den Verwaltungsrat zu suchen.
- Das Management und die beteiligten Beratungsunternehmen haben mit der Wahl der "Hunter-Strategie" bewusst eine risikoreiche Entscheidung getroffen.
- Die Geschäftsleitung hat die Gefahren und Schwierigkeiten bei Übernahmen und Beteiligungen von Airlines unterschätzt.
- Bei der Erkennung der desolaten finanziellen Lage hat das Management zuwenig energisch auf die rasche finanzielle Sanierung gedrängt.
- Der eigentliche Liquiditätsengpass wurde durch die ungenügende und fehlerhafte Kommunikation zwischen Banken und Swissair verursacht, die zur Schliessung des Cashpools durch die Bank UBS führte. Der Sachwalter der Swissair Karl Wüthrich weist jedoch darauf hin, dass nach seinen Informationen die Swissair an diesem Tag trotzdem über genügend Liquidität verfügt habe.
Spekulationen zum Grounding
Regelmässig wird von verschiedensten Seiten kolportiert, dass das Grounding der Swissair von gewissen Gruppen bewusst herbeigeführt, bzw. zumindest als unausweichliches Übel hingenommen wurde. Für keine dieser Theorien konnten jedoch bis heute stichhaltige Beweise hervorgebracht werden. Die bis heute andauerenden Verschwörungstheorien sind nicht zuletzt auf das spannungsgeladene Verhältnis zwischen Swissair und Crossair zurückzuführen, deren Exponenten selbst bis heute in der SWISS primär ihre Eigeninteressen vertreten und einander misstrauen.
Die erste Gruppe, die sich vor allem aus dem Umfeld der ehemaligen Swissair und des Zürcher Flügels nährt, behauptet, dass die "Basler Gruppe" um UBS und Crossair-Gründer Moritz Suter die Swissair grounden liess, um sich den ungeliebten Swissair Mitarbeitern und Kulturen zu entledigen und eine "Basler" Fluggesellschaft zu etablieren. Grundlage dieser Behauptung ist, dass das Projekt "Phoenix" weitestgehend auf der Struktur von Crossair ruhte und daher jedes Weiterleben von Swissair einer unkomplizierten und zügigen Restrukturierung und Aufbaus der neuen Airline (nach Basler Vorstellungen) entgegengestanden hätte. Dieser Behauptung widerspricht jedoch, dass die zu erwartende Unruhe durch ein längeres, ungeplantes Grounding eben dieses Ziel eines ruhigen und unkomplizierten Aufbaus einer neuen Fluggesellschaft torpediert hätte (was auch eingetroffen ist).
Die andere Gruppe, welche dem Basler Umfeld um UBS und Crossair entstammt, vermutet hingegen, dass sich die Swissair bewusst selbst groundete, um die basellastige, neue Fluggesellschaft als Meuchelmörder blosszustellen und dadurch politischen Druck für eine Refinanzierung der Swissair und gegen eine neue "Basler" Fluggesellschaft zu machen. Dieses Gerücht wird dadurch gestützt, dass die UBS in der Öffentlichkeit (siehe Kinofilm Grounding) immer wieder für das Grounding hauptverantwortlich gemacht wird und Moritz Suter bei der neuen Fluggesellschaft (obwohl vorgesehen) nicht mitmachen durfte. Dieser Logik steht entgegen, dass die Swissair dadurch enormen Schaden für ihre eigenen Mitarbeiter verursacht und sich selbst beerdigt hätte (was auch geschehen ist).
Die Übergangsphase
Am 5. Oktober wurde dank Staatshilfe der Flugbetrieb auf den meisten Strecken nach und nach wieder aufgenommen. Dies geschah einerseits zu Sicherung der Erreichbarkeit des Wirtschaftstandortes Schweiz, als auch zur Schaffung einer Grundlage zur Gründung der SWISS.
Anfang März 2002 wurde ein Teil des Flugbetriebes der neu gegründeten SWISS übertragen (Projekt Phoenix). Seither befindet sich die Swissair (bzw. SAir Group) in Nachlassstundung beziehungsweise Liquidation. Der Nachlasswalter Karl Wüthrich hat den Gläubigern seither mehrere Millionen Franken auszahlen konnen. Mittlerweile wurde Klage gegen mehrere ehemalige Führungsmitglieder erhoben.
Die Aufarbeitung
Es wird geschätzt, dass die SAir Group (in Liquidation) mit ihren Tochterfirmen noch einige Jahre weiter existieren wird. Der Sachwalter Karl Wüthrich sowie die Staatsanwaltschaft arbeiten die Daten auf. Bereits wurden mehrere Klagen eröffnet.
Kinofilm zum Swissair-Grounding
Am 19. Januar 2006 brachte die Schweizer Filmproduktionsfirma C-FILMS AG den Kinospielfilm "Grounding - Die letzten Tage der Swissair" in die Kinos, der gemäss Filmproduzent Peter-Christian Fueter die "Wahrheit" zum Grounding der Swissair vom 2. Oktober erzählt. Die Mischung aus Dokumentar- und Spielfilm startete in der Schweiz erfolgreicher als "Titanic" und lockte alleine am ersten Wochenende über 50'000 Zuschauer in die Kinos. Im Film wird die Grossbank UBS als Hauptschuldige für das Grounding dargestellt. Die Bank wehrt sich gegen diese Darstellung.
Trivia
Kurioserweise wird der Name der gescheiterten Fluggesellschaft weiterbestehen: Nach ihr nämlich hat der schweizer Astronom Paul Wild den 1968 von ihm entdeckten Asteroiden (2138) Swissair benannt.
Weblinks
- http://www.liquidator-swissair.ch/
- Private Webseite mit Informationen/Artikel zum Grounding
- Geschichte der Swissair
- Website zum Film mit Informationen zum Kinofilm "Grounding - Die letzten Tage der Swissair"