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Dietrich Bonhoeffer

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Dietrich Bonhoeffer (* 4. Februar 1906 in Breslau; † 9. April 1945 im KZ Flossenbürg) war ein deutscher evangelisch-lutherischer Theologe, profilierter Vertreter der Bekennenden Kirche und Widerstandskämpfer gegen den Nationalsozialismus.

Skulptur vor der St.-Petri-Kirche in Hamburg

Leben

Kindheit und Jugend (1906–1923)

Bonhoeffer-Denkmal in Wroclaw/Breslau

Dietrich Bonhoeffer wurde am 4. Februar 1906 in Breslau als das sechste von acht Kindern - wenige Minuten vor seiner Zwillingsschwester Sabine - geboren. Sein Vater war Karl Bonhoeffer, einer der führenden Psychiater und Neurologen seiner Zeit. Seine Mutter Paula Bonhoeffer, geborene von Hase, war eine Lehrerin aus einer Familie evangelischer Theologen und Künstler. Bonhoeffer wuchs in einer großbürgerlichen Familie auf, die stets mindestens fünf Hausbedienstete hatte. Die Mutter unterrichtete die Kinder in den ersten Jahren daheim. 1911 zog die Familie nach Berlin um, weil der Vater einen Ruf auf einen für ihn eingerichteten Lehrstuhl an der Universität Berlin erhalten hatte.

1923 bestand Bonhoeffer mit 17 Jahren am Berliner Grunewald-Gymnasium (heutiger Name: Walther-Rathenau-Oberschule Berlin) das Abitur. Auch sein Bruder Klaus Bonhoeffer und sein späterer Schwager Hans von Dohnanyi legten dort ihre Prüfung ab.

Studium und Ausbildung (1923-1930)

Danach nahm Bonhoeffer in Tübingen das Studium der Theologie auf. Der Entschluss dazu hing wohl mit dem Tod seines zweitältesten Bruders Walter im 1. Weltkrieg zusammen, den er bewusst erlebte. Seine Familie wurde von seinem Studienfach überrascht, unterstützte ihn aber in seinem Vorhaben. In Tübingen schloss er sich der Akademischen Verbindung Igel an.

Im Studium wurde Bonhoeffer bereits mit der Theologie Karl Barths konfrontiert, den er neben Adolf von Harnack zu seinen prägendsten Lehrern zählte. 1927 mit 21 Jahren promovierte er in Berlin summa cum laude mit der Dissertation „Communio Sanctorum“.

1928 wurde er Vikar in der deutschen evangelischen Kirchengemeinde von Barcelona, 1929 Assistent an der Berliner Universität, wo er sich 24-jährig mit der Schrift „Akt und Sein“ habilitierte. Es folgte ein Jahr am Union Theological Seminary in New York. Dort lernte er in den Kirchengemeinden Harlems praktische Pastoralarbeit kennen und erlebte die Folgen der Weltwirtschaftskrise, die besonders die Afroamerikaner und Farmer traf. Obwohl er der US-amerikanischen Theologie skeptisch gegenüberstand, beeinflusste ihn das „social gospel“ stark.

Pfarramt und Ökumene (1931-1933)

Nach seiner Rückkehr 1931 lehrte Bonhoeffer als Assistent bei Wilhelm Lütgert an der Berliner Universität. Bonhoeffers erste Vorlesung im Wintersemester 1931/32 befasste sich mit der Geschichte der systematischen Theologie des 20. Jahrhunderts. Sein kirchlicher Dienstauftrag war ein Pilotprojekt für ein Studentenpfarramt an der Technischen Hochschule. Ausserdem übernahm er einen Teil des Konfirmandenunterrichts an der Zionskirche im Bezirk Mitte. Schon im Sommer 1931 hatte er für die Konfirmanden gemeinsam mit Franz Hildebrandt einen neuen Katechismus geschrieben unter dem Titel: Glaubst du, so hast du.

Am 15. November 1931 wird Bonhoeffer in der St. Matthäikirche (am heutigen Kulturforum Berlin) zum Pfarrer ordiniert. Zudem übernimmt er die Aufgabe eines Jugendsekretärs des ökumenischen Weltbunds für die Freundschaftsarbeit der Kirchen (WFK).

Kirchenkampf (1933-1939)

1933

Die Machtergreifung der Nationalsozialisten wurde in Bonhoeffers Familie sehr kritisch wahrgenommen. Sein Vater Karl sagte dazu sofort: „Das bedeutet Krieg.“

Am 1. Februar 1933 hielt Bonhoeffer den Radiovortrag „Wandlungen des Führerbegriffes“. Die Übertragung wurde aufgrund ihrer unmissverständlichen Kritik am nationalsozialistischen „Führerprinzip“ abgebrochen.

Anfang April 1933 (abgeschlossen am 15. April) verfasste Bonhoeffer als Reaktion auf den Erlass des Arierparagraphen den Aufsatz „Die Kirche vor der Judenfrage“, der im Juni veröffentlicht wurde. Bonhoeffer folgt zur Bestimmung des Problems zunächst der lutherischen Tradition:

„Zweifellos ist die reformatorische Kirche nicht dazu angehalten, dem Staat in sein spezifisch politisches Handeln direkt hineinzureden ... Ohne Zweifel ist eines der geschichtlichen Probleme, mit denen unser Staat fertig werden muss, die Judenfrage, und ohne Zweifel ist der Staat berechtigt, hier neue Wege zu gehen.“

Bonhoeffer folgt hier der lutherischen Lehre von den zwei Schwertern: der Staat ist beauftragt, die politische Ordnung durchzusetzen, nicht die Kirche. Er fährt fort:

„Niemals ist in der Kirche Christi der Gedanke verloren gegangen, dass das ‚auserwählte Volk‘, das den Erlöser der Welt ans Kreuz schlug, in langer Leidensgeschichte den Fluch seines Leidens tragen muss.“

Bonhoeffer stellt diese Aussagen in den Zusammenhang mit der gegenwärtigen Situation:

„Der Staat, der die christliche Verkündigung gefährdet, verneint sich selbst. Das bedeutet eine dreifache Möglichkeit kirchlichen Handelns dem Staat gegenüber: erstens ... die an den Staat gerichtete Frage nach dem legitim staatlichen Charakter seines Handelns, d.h. die Verantwortlichmachung des Staates. Zweitens der Dienst an den Opfern des Staatshandelns. Die Kirche ist den Opfern jeder Gesellschaftsordnung in unbedingter Weise verpflichtet, auch wenn sie nicht der christlichen Gemeinde zugehören. »Tut Gutes an jedermann.« In beiden Verhaltungsweisen dient die Kirche dem freien Staat in ihrer freien Weise, und in Zeiten der Rechtswandlung darf die Kirche sich diesen beiden Aufgaben keinesfalls entziehen. Die dritte Möglichkeit besteht darin, nicht nur die Opfer unter dem Rad zu verbinden, sondern dem Rad selbst in die Speichen zu fallen. In der Judenfrage werden für die Kirche heute die beiden ersten Möglichkeiten verpflichtende Forderungen der Stunde. Die Notwendigkeit des unmittelbar politischen Handelns der Kirche hingegen ist jeweils von einem 'evangelischen Konzil' zu entscheiden und kann mithin nie vorher kasuistisch konstruiert werden.“

Bonhoeffers Vortrag spiegelt das Dilemma der Christenheit wieder. Der Streit innerhalb der sich bald gegen die Deutschen Christen formierenden Bekennenden Kirche wird um genau die hier schon so früh angerissene Problematik gehen: Wann ist es der Kirche aufgetragen, dem Staatshandeln zu widerstehen?

Während die meisten evangelischen „Bekennenden Christen“ – darunter die Jungreformatorische Bewegung – im wesentlichen nur die Kirchenmitgliedschaft von Christen jüdischer Herkunft verteidigten, trat Bonhoeffer für das gesamte verfolgte Judentum ein und verlangte von der Kirche, nicht nur den Staat verantwortlich zu machen und den Opfern der staatlichen Gewalt zu helfen, sondern auch „dem Rad selbst in die Speichen zu fallen“, also der Staatsgewalt aktiv zu widerstehen. Wann dieses nötig werde, sei aber nur von einem „evangelischen Konzil“ zu entscheiden. Die Schärfe dieser Möglichkeit bewegt bis heute. So ist angesichts wirtschaftlicher Ungleichheit vereinzelt die Forderung laut geworden, nun dem Rad der Weltwirtschaft in die Speichen zu fallen.

Danach engagierte sich Bonhoeffer im Pfarrernotbund und nutzte seine Auslandskontakte, um die Ökumene rechtzeitig über die innerdeutschen kirchlichen Konflikte zu informieren und von einer Anerkennung der nationalsozialistischen Kirchenpolitik abzubringen.

Am 17. Oktober 1933 zog Bonhoeffer nach England, wo er im südlichen Londoner Vorort Forest Hill Pfarrer zweier deutschsprachiger Kirchengemeinden wurde. Hier lernte er auch den anglikanischen Bischof von Chichester, George Kennedy Allen Bell kennen, der in der Ökumenischen Bewegung hervorragende Arbeit leistete und nun einer seiner engsten Freunde und Partner im Kirchenkampf wurde. Für einige Monate arbeitete auch Franz Hildebrandt, den er seit 1927 kannte, mit ihm in London. Er war wie Bonhoeffers Schwager Gerhard Leibholz, nach 1945 Verfassungsrechtler, jüdischer Abstammung und von der Judenverfolgung betroffen.

1934

1934 bildete sich infolge der Zuspitzung des innerevangelischen Konflikts um den Arierparagraphen die „Bekennende Kirche“. Auf der Gründungssynode in Wuppertal-Barmen am 1. Juni verfasste Karl Barth die Barmer Theologische Erklärung, die einstimmig angenommen wurde. Martin Niemöller wurde zum Vorsitzenden des „Bruderrats“ gewählt. In den folgenden Monaten ging es vor allem um die organisatorischen Konsequenzen des Bekenntnisses: Besonders die lutherischen Landeskirchen von Thüringen, Schleswig-Holstein, Lübeck, Sachsen sowie den Kirchenprovinzen in (Alt-)Preußen waren aufgrund ihrer staatskirchlichen Tradition nicht fähig und willens, ihrer Gleichschaltung entschlossen Widerstand zu leisten. Dort gewannen nach Synodalwahlen Bischöfe und Juristen die Führungsämter, die den Deutschen Christen angehörten.

1935

Am 15. April 1935 kehrte Bonhoeffer nach Deutschland zurück, nachdem er kurzzeitig eine Indienreise zu Mahatma Gandhi erwogen hatte. Er übernahm nun die Ausbildung angehender Pastoren im Predigerseminar Zingsthof, das später nach Finkenwalde (bei Stettin) umzog. Einer seiner ersten Studenten dort war Eberhard Bethge, der spätere Briefpartner und Biograf.

1937

1937 wurde das Predigerseminar vom Staat geschlossen, illegal aber weitergeführt. Seine Erfahrungen im Predigerseminar reflektierte er in seinem Buch Gemeinsames Leben. Nach der Schließung des Predigerseminars führte Bonhoeffer die Vikarsausbildung für die Bekennende Kirche, nun getarnt als „Sammelvikariat“ und gedeckt von mutigen Superintendenten und Pfarrern, in Köslin und Groß Schlönwitz, später im Sigurdshof bis März 1940 weiter, bis auch hier die Gestapo eingriff.

1938

1938 ergaben sich erste Kontakte zu Wilhelm Canaris, Hans Oster, Karl Sack und Ludwig Beck (siehe auch Liste der Beteiligten des Aufstandes vom 20. Juli 1944). In dieser Zeit war Bonhoeffer in der Ökumenischen Bewegung aktiv; sein Bestreben war, die christlichen Kirchen weltweit zum Einsatz gegen die laufenden Kriegsvorbereitungen zu bewegen. Aufgrund dieser Aktivitäten lernte er hohe kirchliche Würdenträger in ganz Europa kennen.

1939

Am 10. März 1939 brach Bonhoeffer zu Gesprächen u. a. mit George Bell nach London auf. Am 2. Juni folgte er einer zweiten Einladung in die USA, schlug aber bereits am 20. Juni die Bitte seines Gastgebers Smith-Leiper aus, einen Lehrstuhl in Harlem zu übernehmen, da er seine Rolle im heraufziehenden Krieg im Widerstand in der Heimat sah.

Auf der Rückreise nach Deutschland machte er in London bei seiner Schwester Sabine und ihrer Familie Station. Hier erfuhr Bonhoeffer von der Ermordung Paul Schneiders. Seinen Nichten Marianne und Christiane gegenüber betont er, dass Schneider der erste Märtyrer der evangelischen Kirche im Dritten Reich sei. Darum sollten sie sich diesen Namen gut merken.

Bonhoeffer kam am 27. Juli wieder nach Berlin und suchte nun Kontakte zur Spionageabwehr.

Widerstand gegen Hitler (1940–1945)

Nachdem die Gestapo am 17. März 1940 das letzte Sammelvikariat auf dem Sigurdshof schloss – die Arbeit in Köslin war schon im Herbst 1939 zu Ende gegangen –, und am 14. Juli eine von Bonhoeffer geleitete Freizeit polizeilich aufgelöst wurde, führte er Gespräche mit Hans Oster und seinem Schwager Hans von Dohnanyi über eine „Unabkömmlichkeitsstellung“ (UK-Stellung) für Abwehraufträge. Seine aus der ökumenischen Bewegung bestehenden Kontakte sollte Bonhoeffer für die Verschwörer nutzen, um mit den Alliierten Verhandlungen einzuleiten. Bonhoeffer war also nicht an der Planung der Attentate selbst beteiligt, sondern diente als Verbindungsmann, offiziell im Auftrag der Abwehr. Am 22. August 1940 erhielt Bonhoeffer „wegen seiner volkszersetzenden Tätigkeit“ Redeverbot „für das gesamte Reichsgebiet“. Ein Verbot schriftstellerischer Tätigkeit folgte im März 1941.

Die nun in Gang kommende systematische Judenverfolgung und andere Grausamkeiten der Regierung bewegten Bonhoeffer zu einer Neubewertung der Situation. In Dietrich Bonhoeffers Elternhaus trafen sich eine Reihe von Gegnern des nationalsozialistischen Regimes, die teilweise hohe Positionen innerhalb der Abwehr oder der Wehrmacht innehatten; diese Personen beabsichtigten, Hitler durch ein Attentat umzubringen. Bonhoeffer schloss sich diesem Widerstandskreis nach langem Bedenken an. Die Frage des Tyrannenmordes (Darf ein Christ gegen das Gebot „Du sollst nicht Morden“ verstoßen?) beschäftigte ihn zutiefst; seine Gedanken zu dieser Fragestellung finden sich im Buch Ethik wieder, an dem er vor allem im September und Oktober 1940 in Klein-Krössin arbeitete. Am 30. Oktober wurde er der Abwehrstelle München zugeordnet, stand also im Dienst des NS-Staates – bei gleichzeitigem Redeverbot und ab März 1941 auch Schreib- und Veröffentlichungsverbot. Ab dem 17. November hielt er sich im Kloster Ettal auf.

1941/42 unternahm er – u. a. mit Helmuth von Moltke für die deutsche Spionageabwehr und zugleich den internen Widerstandskreis – Reisen nach Norwegen, Schweden und in die Schweiz. In Sigtuna und Stockholm traf er am 31. Mai/1. Juni 1942 mit George Bell zusammen und übergab ihm geheime Dokumente über den Kreis der Widerständler und ihre Ziele für die britische Regierung. Damit verbunden war die Bitte um eine öffentliche Erklärung der Alliierten, zwischen Deutschen und Nazis nach Kriegsende zu unterscheiden. Auf diese Weise hoffte der Kreisauer Kreis die Erfolgsaussicht des geplanten Hitlerattentats zu steigern. Der britische Außenminister Anthony Eden ließ Bell jedoch wissen, dass eine Unterstützung des Widerstands oder auch nur eine Antwort nicht im nationalen Interesse Großbritanniens läge.

Am 17. Januar 1943 verlobte Bonhoeffer sich mit Maria von Wedemeyer (* 1924; † 1977). Am 13. März und 21. März wurden aus der Gruppe um Canaris, Oster und Klaus Bonhoeffer Anschläge auf Adolf Hitler verübt, die fehlschlugen.

Am 5. April wurde Dietrich Bonhoeffer auf Grund eines zufälligen Aktenfunds bei seinem Schwager Hans von Dohnanyi wegen „Wehrkraftzersetzung“ verhaftet und im Untersuchungsgefängnis der Wehrmacht in Tegel gefangen gehalten. Im September 1943 wurde Anklage erhoben (die Anklageschrift [DBW 16, 433ff] wurde erst 1991 im Militärhistorischen Archiv Prag wieder aufgefunden). Das gegen Bonhoeffer eingeleitete Strafverfahren vor dem Reichskriegsgericht wurde jedoch zunächst von höheren Beamten, z.B. Karl Sack, die Verbindungen zu Widerstandskreisen hatten, nach Kräften aufgehalten.

Am 20. Juli 1944 unternahm Graf Schenk von Stauffenberg ein weiteres Attentat auf Adolf Hitler. Dieser überlebte knapp. Bei den nachfolgenden intensiven Verhören der Gestapo konnte Bonhoeffer und anderen Mitverschwörern keine Beteiligung daran nachgewiesen werden.

Als Reaktion auf das gescheiterte Attentat und im Wissen darum, dass eine persönliche Lage damit immer aussichtsloser wurde, verfasste er im August den Text Stationen auf dem Wege zur Freiheit. In den vier Versen „Zucht“, „Tat“, „Leiden“ und „Tod“ entfaltet Bonhoeffer eine Perspektive für das christliche Leben. Für ihn ist klar, dass das Geheimnis der Freiheit nur entdeckt werden kann, wenn man sich selbst zu bescheiden vermag. Unerlässlich ist seiner Meinung nach auch die rechte Tat („Nicht im Möglichen schweben, das Wirkliche tapfer ergreifen.“); hier äußert sich sein Widerspruch zu vor allem innerevangelischen Versuchen, die Kirche durch Rückbesinnung – und wie er meint Beschränkung – auf altkirchliche Traditionen wieder zu stärken. Der Satz „Nicht in der Flucht der Gedanken, allein in der Tat ist die Freiheit“, wendet sich u. a. gegen die Alpirsbacher Bewegung und die Berneuchener Bewegung, zu der u.a. die Michaelsbruderschaft gehört, denen er vorwarf, nicht genug zu tun. In diesem Kontext ist auch, wie manche argumentieren, sein Ausspruch „Nur wer für die Juden schreit, darf auch gregorianisch singen“ zu verstehen. Im vorletzten Vers der „Stationen“ bekräftigt er, dass die Leidensbereitschaft unverzichtbar ist. Schließlich entfaltet er den „Tod“ nach christlichem Verständnis als Durchbruch zur Freiheit

Ein interner Streit führte aber am 22. September zum Aktenfund in Zossen. – Zur Aufbewahrung von Akten gab es in Widerstandskreisen zwei Ansichten. Zum einen meinten manche, dass Akten, die die Widerstandstätigkeit belegten, aufbewahrt werden müssten, um den Alliierten nach für sie erfolgreichem Krieg nachzuweisen, dass es in Deutschland schon lange Opposition gegen Hitler gab und auf welche Personen die Sieger sich nun verlassen könnten; so etwa Hans von Dohnanyi (siehe dort). Demgegenüber meinten Bonhoeffer u. a., dass um der Sicherheit der Widerstandskämpfer willen keinerlei Dokumente aufbewahrt werden dürften.

Aus Sorge um seine Familie verzichtete er am 5. Oktober auf eine mögliche Flucht; er befürchtete Sippenhaft. Am 8. Oktober geriet Bonhoeffer in die Hände der Gestapo und kam nun in den Gestapo-Keller Prinz-Albrecht-Straße

Von guten Mächten treu und still umgeben

Vom 19. Dezember 1944 datiert ein Brief, dessen Beigabe, gedacht als "Weihnachtsgruss für Dich (Maria von Wedemeyer) und die Eltern und Geschwister", als Kirchenliedtext berühmt werden sollte (es dürfte rund 50 Vertonungen dieses Textes geben).

„Von guten Mächten treu und still umgeben,
behütet und getröstet wunderbar,
so will ich diese Tage mit euch leben
und mit euch gehen in ein neues Jahr;

noch will das alte unsre Herzen quälen,
noch drückt uns böser Tage schwere Last.
Ach Herr, gib unsern aufgeschreckten Seelen
das Heil, für das Du uns geschaffen hast.

Und reichst Du uns den schweren Kelch, den bittern,
des Leids, gefüllt bis an den höchsten Rand,
so nehmen wir ihn dankbar ohne Zittern
aus Deiner guten und geliebten Hand.

Doch willst Du uns noch einmal Freude schenken
an dieser Welt und ihrer Sonne Glanz,
dann woll′n wir des Vergangenen gedenken,
und dann gehört Dir unser Leben ganz.

Laß warm und hell die Kerzen heute flammen
die Du in unsre Dunkelheit gebracht,
führ, wenn es sein kann, wieder uns zusammen!
Wir wissen es, Dein Licht scheint in der Nacht.

Wenn sich die Stille nun tief um uns breitet,
so laß uns hören jenen vollen Klang
der Welt, die unsichtbar sich um uns weitet,
all Deiner Kinder hohen Lobgesang.

Von guten Mächten wunderbar geborgen
erwarten wir getrost, was kommen mag.
Gott ist bei uns am Abend und am Morgen
und ganz gewiß an jedem neuen Tag.“

Das Gedicht war ein Gruß an seine Mutter zu ihrem 70. Geburtstag und an seine Verlobte, die an diesem Tag bei Dietrich Bonhoeffers Eltern verweilte. (Wann immer diese Worte auf Grußkarten und im gottesdienstlichen Lied heute aufgenommen werden, mag man sich an die Situation erinnern: Die damit Gegrüßten sitzen unterm Weihnachtsbaum, feierten Geburtstag, dachten an die zwei inhaftierten Söhne Klaus und Dietrich, an die zwei inhaftierten Schwiegersöhne Hans von Dohnanyi und Rüdiger Schleicher, an die Tochter Sabine, Dietrichs Zwillingsschwester, die wegen ihres jüdischen Mannes Gerhard Leibholz ins Ausland gegangen war und nun wegen der nationalsozialistischen Diktatur gleichfalls nicht anwesend sein konnte, sowie an den gefallenen Sohn Walter. Und doch fand Dietrich Bonhoeffer in dieser Situation so tröstliche Worte! Wie aber mag es den Angehörigen gegangen sein, als sie die dritte Strophe oder im fünften Vers „Führ, wenn es sein kann, wieder uns zusammen.“ lasen? Gerade angesichts dieser Textstellen erscheint vielen Kirchenmusikern die im Allgemeinen beliebteste Fietz'sche Melodie unpassend zu sein.)

Am 17. Januar 1945 schrieb Bonhoeffer den letzten Brief an seine Eltern. Am 7. Februar wurde er in das KZ Buchenwald verlegt, wo er den britischen Mitgefangenen Payne Best kennen lernt. Bevor Bonhoeffer am 8. April in das KZ Flossenbürg gebracht wurde, trug er Payne besondere Grüße an Bischof Georg Bell auf, falls er seine Heimat erreichen sollte, und sagte zum Abschied: „Das ist das Ende – für mich der Beginn des Lebens. (tell him that this is for me the end, but also the beginning – with him I believe in the principle of our Universal Christian brotherhood which rises above all national hatreds and that our victory is certain – tell him, too, that I have never forgotten his words at our last meeting.“ (DBW 16,468).

Das Todesurteil

Am 5. April 1945 ordnete Adolf Hitler die Hinrichtung aller noch nicht exekutierten „Verschwörer“ des 20. Juli 1944 an und damit auch die Dietrich Bonhoeffers. Ein SS-Gericht, oft fälschlich als Standgericht bezeichnet, verurteilte daraufhin - neben Dietrich Bonhoeffer - Walther-Wilhelm Canaris, Hans Oster, Karl Sack, Theodor Strünck und Ludwig Gehre am 8. April 1945 zum Tode durch den Strang. Der Prozess war ein reiner Scheinprozess, um dem Mord das Mäntelchen des Justizförmigen umzuhängen; die Prozessakten gegen Bonhoeffer, die bei einem Bombenangriff auf Berlin verbrannt waren, lagen nicht vor. Ankläger war Walter Huppenkothen, der zuvor bereits in einem flüchtigen Standgericht den halb besinnungslos auf einer Bahre liegenden Dohnanyi, den Schwager Dietrich Bonhoeffers, zum Tode verurteilen ließ. Richter über Bonhoeffer war Otto Thorbeck, Inhaber der Chefrichterstelle beim SS- und Polizeigericht in München (schon 1941 aus dem regulären Justizdienst ausgeschieden), der als Vorsitzender amtierte. Beisitzer waren der Kommandant des KZ Flossenbürg Max Koegel und eine weitere unbekannte Person. Verteidiger waren nicht anwesend, Zeugen wurden nicht vernommen. Die „Verhandlung“ fand ohne Protokollführer statt; eine „neue“ Akte wurde nicht angelegt. Huppenkothen und Thorbeck wurden übrigens 1956 wegen des Flossenbürgverfahrens vom BGH lediglich wegen Beihilfe zum Mord verurteilt (Text des Urteils unter Links).

Zur Erniedrigung der Angeklagten und Belustigung des SS-Personals mussten sich alle zur Hinrichtung Bestimmten zuvor völlig entkleiden und nackt zum Galgen gehen. Der Lagerarzt beobachtete die Szene und berichtete später, Bonhoeffer habe völlig ruhig und gesammelt gewirkt, sich von allen Mithäftlingen verabschiedet und ein kurzes Gebet gesprochen.

Dietrich Bonhoeffer wurde in der Morgendämmerung des 9. April 1945 erhängt.

Am 15. September 1945 erstattete Adolf Grimme, der zum Widerstand der Roten Kapelle gehört hatte, Anzeige gegen den NS-Richter Manfred Roeder wegen Beteiligung an den Urteilen gegen Dietrich Bonhoeffer, Hans von Dohnanyi und 49 Mitglieder der Roten Kapelle. Das Verfahren wurde jedoch – sehr umstritten – eingestellt.

Das Todesurteil gegen Bonhoeffer und andere Widerstandskämpfer galt bis in die 90er Jahre offiziell als rechtsgültig, so dass seinen Verwandten z.B. keine Entschädigungen als Verfolgten des Naziregimes zugesprochen wurden. Erst durch einen Bundestagsbeschluss wurden NS-Unrechtsurteile für nichtig erklärt und damit auch Bonhoeffer formell für unschuldig erklärt.

Ob er dies gewollt hätte, bleibt allerdings sehr fraglich. Denn er nahm die Konsequenz seines Widerstands, den Tod als Rechtsbrecher im Sinne des Staatsgesetzes, bewusst an. Er sah sich nicht als „unschuldig“, sondern nahm seinen Tod als Folge seines Handelns aus Gottes Hand: „Wer das Schwert nimmt, kann (wird) durch das Schwert umkommen.“ (Mt.26,52). Seine „Ethik“ erklärt ausdrücklich, dass ein Christ im Gehorsam gegen Jesus Christus wagen muss, Sünde auf sich zu nehmen: ja dass er in die Lage kommen kann, um der Liebe und Wahrheit willen alle Gebote zu übertreten, lügen, betrügen, stehlen und sogar morden zu müssen.

Wie wenig das in Bonhoeffers Kirche verstanden wird, zeigt die Tatsache, dass die Berlin-Brandenburgische Landeskirche seinen Namen 1945 in der Kanzelabkündigung zum ersten Jahrestag des 20. Juli 1944 verschwieg. Zudem hieß es in der Empfehlung an die Pfarrer, Christen könnten den Anschlag „niemals gutheißen, in welcher Absicht er auch ausgeführt sein mag. Aber unter denen, die haben leiden müssen, waren Ungezählte, die einen solchen Anschlag niemals gewollt haben.“

Als echter christlicher Märtyrer galt nur Paul Schneider, der im KZ aus der Zelle heraus über den Appellplatz die SS als Mörder angeklagt und ein Bibelwort gerufen hatte, daraufhin an eine völlig überhitzte Heizung gefesselt und von einem SS-Arzt zu Tode gespritzt wurde, der aber – wie man meinte – keinen politischen Widerstand im engeren Sinn des Wortes geübt hatte. Diese Trennung in gute und böse Märtyrer wurde von denselben Amtsträgern vollzogen, die Hitler großenteils begeistert zugejubelt hatten, ihre Kirchenglocken zu seinem Geburtstag läuten ließen und diese dann als Material für die Waffenherstellung ohne Protest abgaben.

So protestierten auch einige Bielefelder Pastoren 1948 gegen Straßenbenennungen nach Bonhoeffer, „weil wir die Namen unserer Amtsbrüder, die um ihres Glaubens willen getötet sind, nicht in eine Reihe mit politischen Märtyrern gestellt wissen wollen.“ Darauf antwortete der Vater Karl Bonhoeffer:

„Mein Sohn hätte an sich gewiß nicht den Wunsch gehabt, daß Straßen nach ihm benannt werden. Andererseits bin ich überzeugt, daß es nicht nach seinem Sinn wäre, sich von den aus politischen Gründen ums Leben Gebrachten, mit denen er jahrelang im Gefängnis und KZ zusammen gelebt hat, zu distanzieren.“

Er verzichtete darauf, Einspruch gegen die Straßenbenennung zu erheben.

Dietrich Bonhoeffer hatte seine Wahl in voller individueller Verantwortung getroffen, weil die Kirche seiner Zeit nicht zu einem rechtzeitigen Widerstand bereit und fähig gewesen war. In seinen Gefängnisbriefen schrieb er ein stellvertretendes Schuldbekenntnis für die Kirche nach Hitler und entwarf die Vision einer zukünftigen Kirchengestalt ohne staatliche Privilegien an der Seite der Armen und Verfolgten.

Während diese Vision in Deutschland und Mitteleuropa weithin unbeachtet blieb, ist sie in den Armuts- und Befreiungsbewegungen der Ökumene außerhalb Europas aufgegriffen und teilweise umgesetzt worden: etwa in Südafrika noch während des Apartheidregimes oder den Basisgemeinden Brasiliens und Mittelamerikas.

Theologie

Bonhoeffers zentrales Thema sind Jesus Christus und die in ihm begründete Kirche: Kirche als Leib Christi, die sich zusammensetzt als die Gemeinde der Christus Nachfolgenden; Kirche als eine von Gott zur Solidarität mit der Welt beauftragte Gemeinschaft. Auch wenn Bonhoeffer individuelle Frömmigkeit und ethisches Handeln des Einzelnen bedenkt, tut er das dennoch vor dem Hintergrund des Eingebettet-Seins des Einzelnen in die christliche Gemeinschaft. Die Religionskritik des 19. Jahrhunderts ist für Bonhoeffer in seinem Nachdenken über Christus als dem Grund der Kirche gegenwärtig: Die Fragen nach der Wahrheit theologischer Sätze und Fragen nach der Übereinstimmung mit dem Leben bestimmen seine Theologie. Bonhoeffer sehnt sich nach der Begegnung der Wahrheit und der Wirklichkeit in Christus. Bonhoeffers Werk sperrt sich von diesen Grundüberlegungen her in eine Einordnung in die klassischen Disziplinen evangelischer Universitätstheologie.

Der Mittelpunkt, um den sich Bonhoeffers Theologie entwickelt, ist Jesus Christus, der einzige Erlöser, in dem das Wunder der Menschwerdung Gottes geschieht. Von diesem Mittelpunkt her ergänzen und bedingen sich theologisches Nachdenken, spirituelle Tiefe und ethisches Verantwortungsbewusstsein. Das Verlassen dieses Mittelpunktes – sei es im Dialog mit Religionen und Weltanschauungen, sei es im täglichen Leben – bedeutet die Aufgabe des Christ-Seins. Doch braucht nicht nur der Radius einen Mittelpunkt, sondern der Mittelpunkt braucht auch einen Radius. Bonhoeffer sieht die Gefahr des Christomonismus und des Fundamentalismus, wenn kein oder nur ein kleiner Radius um den Mittelpunkt zugelassen wird. Deshalb sagt er 1944: „Kirche ist nur Kirche, wenn sie für andere da ist.“ Sie ist da für die Welt, nicht als bloßer Selbstzweck. Christ-Sein besteht im Beten und im Tun des Gerechten unter den Menschen. Das geistliche wie geistige Wahrnehmen der Mitte ist die Grundlage christlicher Existenz.

Das Charakteristikum seiner Theologie, intensive und gleichzeitig extensive Ausrichtung des christlichen Lebens, ermöglicht Bonhoeffer eine sowohl weltliche wie auch kirchliche Theologie. Dieses weite Spektrum lädt zu sehr unterschiedlichen Interpretationen seines Werkes ein und macht Bonhoeffer zum Kronzeugen durchaus unterschiedlicher theologischer Schulen und Denkrichtungen.

Bonhoeffer verweist die Theologie einerseits auf ihren Bezug zur Kirche: Theologie ist für ihn betendes Denken, Denken auf Knien. Andererseits geht er so weit wie kaum ein anderer vor ihm: Er skizziert in den Briefen aus dem Gefängnis ein Programm vom religionslosen Glauben und der weltlichen Rede von Gott. Im Fragment seiner „Ethik“ verwirft Bonhoeffer das jahrhundertelang vorherrschende Denkmodell der „Zwei-Reiche-Lehre“: Hier Kirche, da die Welt; hier Evangelium, da Gesetz. Er konstatiert dagegen: „Je ausschließlicher wir Christus als den Herrn bekennen, desto mehr enthüllt sich die Weite seines Herrschaftsbereiches…Alles wäre verdorben, wollte man Christus nur für die Kirche aufbewahren…Christus ist für die Welt gestorben und nur mitten in der Welt ist Christus. Seit Gott in Christus Fleisch wurde und in die Welt einging, ist es uns verboten, zwei Räume, zwei Wirklichkeiten zu behaupten: Es gibt nur diese eine Welt.“ Der fromme, glaubende Bonhoeffer ist aufgrund dieser Erkenntnis immer auch der weltliche Bonhoeffer. In der Gegenwart ist der Glaubende gefragt. Bonhoeffer hebt in seinem Denken nicht nur das Nebeneinander-Stehen der beiden Räume und Wirklichkeiten auf. Er befreit auch die jetzige Welt von ihrem herabgeminderten Status des Vorläufigen. Das „Vorletzte“ ist „Hülle des Letzten“, die Welt ist Hülle Gottes. Wenn dem so ist, kommt der gläubige Mensch nur durch die Welt zu Gott, nicht an der Welt vorbei. Auch hier bricht Bonhoeffer mit alten theologischen Mustern, die den Wert des Natürlichen und die Eigenständigkeit des Diesseitigen abqualifizieren. So kann Bonhoeffer auch den Kritikern wie Ludwig Feuerbach, Karl Marx oder Sigmund Freud etwas entgegensetzen, die den christlichen Glauben als illusionär und auf ein Jenseits vertröstend kritisierten. Glauben an Gott gibt es, so Bonhoeffer, nur im Diesseits. Gott ist Mitte und Grund der Welt. Der pure „Jenseits-Gott“ ist das Wesenskonstitutive der „Religion“. Eine solche Religion wird von Bonhoeffer abgelehnt; der Mensch kann und muss religionslos, weltlich von Gott reden: Christus kam in die Welt und so lässt sich nur weltlich von Gott reden. Die Welt ist Hülle Gottes, so lässt sich nur verhüllt, eben weltlich von Gott reden.

Da der Christ nun in die Welt gestellt ist, ist er ebenfalls vor die Entscheidung gestellt. Der Christ macht sich durch Tun aber auch durch Unterlassen schuldig. Bonhoeffer nimmt sich nun in besonderer Weise dem Gedanken der Rechtfertigung des Sünders durch Gott an. Und das, was dem Einzelnen zuteil wird, gilt auch für die Gemeinschaft der Glaubenden, der Kirche. Die Möglichkeit, Entscheidungen zu treffen, und die Bereitschaft, dadurch Schuld auf sich zu nehmen, führen nur dann nicht zur Verzweiflung, wenn sich der glaubende Mensch und auch die Gemeinde der „teuren Gnade“ Gottes gewiss sein können. „Teure Gnade“ ist aber nur zu erhalten im strengen Gehorsam gegenüber Christus. Die Rechtfertigung des Sünders geschieht nur in der Nachfolge Jesu Christi. Auch hier ist wieder zu erkennen, dass das Bewegen im Radius um den Mittelpunkt Jesus Christus nur möglich ist in engem Bezug auf diese Mitte hin. Und so wie der einzelne Christ der Rechtfertigung durch Gott bedarf, so bedarf es auch die Kirche als die Gemeinschaft der Glaubenden. Auch sie steht in der Welt um Entscheidungen zu fällen und sich gegebenenfalls schuldig zu machen durch ihr Tun oder ihr Unterlassen. Aber auch sie kann und darf nicht vor den Entscheidungssituationen weglaufen, wenn sie um die teure „Gnade Gottes“ weiß. Die vorfindliche Kirche beschäftigt Bonhoeffer in verschiedenen Veröffentlichungen. Er leidet an ihr und er ist mit ihr solidarisch. In Anlehnung an Hegels Wort „Gott als Gemeinde existierend“ spricht Bonhoeffer von „Christus als Gemeinde existierend“ Gott tritt in seiner Offenbarung aus sich heraus, er ist nicht frei vom Menschen, sondern frei für den Menschen. Kirche ist gleichwohl „Offenbarungsform“ wie auch „ein Stück Welt“ (Dissertation „Sanctorum Communio“) So wie „Christus der Mensch für andere ist“ folgt für Bonhoeffer dann: „Kirche ist immer nur Kirche für andere“. 1931 schreibt Bonhoeffer in seiner Habilitation „Akt und Sein“: „Gott ist da; d.h. nicht in ewiger Nichtgegenständlichkeit, sondern mit aller Vorläufigkeit ausgedrückt, habbar, fassbar in der Kirche.

Wird heute die Aufspaltung zwischen persönlicher Frömmigkeit, gemeindlichem Leben und universitärer Theologie beklagt, so kann der Ansatz Bonhoeffers hilfreich sein, diese Aufspaltung zu überwinden. Bonhoeffer verbindet Lehre und Leben; Denken, Reden und Tun. Theologie verliert dann ihre scheinbare Objektivität der normativen Sätze und gewinnt eine lebendige Subjektivität, die sich dann durchaus kontroverser Diskussion aussetzt. Glauben gewinnt dann aber auch an Glaubwürdigkeit. Das Problem „erfahrungslosen Redens von fremden Erfahrungen“ (Eugen Drewermann), das Mitteilen und Reden über etwas statt des Redens von sich und des Sich-Einbringens kann so überwunden werden. Möglich ist es allerdings nur bei strenger Konzentration auf die Mitte Jesus Christus, die dann zur Auseinandersetzung mit der Peripherie ermutigt und befähigt.

Werke

Ein Großteil der Werke Bonhoeffers wurde nach dem Tod aus Unterlagen zusammengestellt und veröffentlicht. Dies macht die Interpretation etwas schwierig, da bereits ordnende Bearbeitung und Auswahl immer schon eine Tendenz mit sich bringen. Die Quellen sind aber durch die neue Werkausgabe (DBW) hervorragend und umfassend zugänglich.

Literatur

Biographien

  • Renate Bethge: Bonhoeffers Familie und ihre Bedeutung für seine Theologie [1] (dort findet sich eine Übersicht der Kinder und Enkel von Karl und Paula Bonhoeffer)
  • Bethge, Eberhard, Dietrich Bonhoeffer. Theologe - Christ - Zeitgenosse. Eine Biographie; Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft, 82004; ISBN 3-579-02272-5
    (Dies ist die Standardbiographie aus der Feder seines Freundes und des Ehemanns seiner Nichte Renate)
  • Bethge, Eberhard; Bethge, Renate und Gremmels, Christian: Dietrich Bonhoeffer. Bilder aus seinem Leben; Gütersloh: Gütersloher Verlagshaus, 22005; ISBN 3-579-02273-3
  • Bethge, Eberhard: Dietrich Bonhoeffer in Selbstzeugnissen und Bilddokumenten; Reinbek bei Hamburg: Rowohlt, 1980 (11976); ISBN 3-499-50236-4 (153 Seiten umfassendes TB)
  • Bethge, Renate: Dietrich Bonhoeffer: Eine Skizze seines Lebens. Gütersloh: Gütersloher Verlaghaus; 2004; ISBN 3579071009
  • Böllmann, Wolfgang: „Wenn ich dir begegnet wäre...“ Dietrich Bonhoeffer und Jochen Klepper im Gespräch; Leipzig: Evangelische Verlagsanstalt, 2005; ISBN 3-374-02259-6
  • Gremmels, Christian; Pfeifer, Hans: Theologie und Biographie. Zum Beispiel Dietrich Bonhoeffer; München: Chr. Kaiser, 1983; ISBN 3-459-01478-4
  • Kaltenborn, Carl-Jürgen: Dietrich Bonhoeffer; Berlin (Ost): Union Verlag: 41985;
  • Kretschmar, Georg: Dietrich Bonhoeffer; in: Fries, Heinrich; Kretschmar, Georg (Hg.): Klassiker der Theologie 2. Von Richard Simon bis Dietrich Bonhoeffer; München 1983; S. 376-403
    Kurzer und gut geschriebener Überblick zu Leben und Theologie Dietrich Bonhoeffers
  • Landgrebe, Wilhelm: Dietrich Bonhoeffer. Wagnis der Nachfolge; Gießen und Basel: Brunnen Verlag, 61986; ISBN 3-7655-3129-4
  • Leibholz-Bonhoeffer, Sabine: vergangen - erlebt - überwunden. Schicksale der Familie Bonhoeffer; Gütersloh: Gütersloher Verlagshaus, 1983; ISBN 3-579-03961-X
  • Pagel, Arno: Ein Sommer mit Dietrich Bonhoeffer und andere Begegnungen; Lahr: Johannis, 1994; ISBN 3-501-01211-X
  • Schlingensiepen, Ferdinand: Dietrich Bonhoeffer 1906 - 1945. Eine Biographie; München: C.H.Beck, 2005; ISBN 3-406-53425
  • Wind, Renate: Dem Rad in die Speichen fallen; Weinheim: Beltz & Gelberg, 2001; ISBN 3-407-80733-3

Sekundärliteratur

  • Albrecht Altenähr: Dietrich Bonhoeffer, Lehrer des Gebets, Echter-Verlag, Würzburg 1976, ISBN 3-429-00443-8
  • Gerhard Ebeling: Die nicht-religiöse Interpretation biblischer Begriffe; in: Ders.: Wort und Glaube 1; Mohr, Tübingen 1960, S. 90-160
  • Sabine Dramm: V-Mann Gottes und der Abwehr? Dietrich Bonhoeffer und der WiderstandGütersloher Verlagshaus, Gütersloh 2005 ISBN 3-57-907117-3
  • Ernst Feil: Die Theologie Dietrich Bonhoeffers. Hermeneutik, Christologie, Weltverständnis, Kaiser, München 1991, ISBN 3-459-01891-7
  • Christian Feldmann: Wir hätten schreien müssen. Das Leben des Dietrich Bonhoeffer, Herder, Freiburg 1998, ISBN 3-451-05165-6
  • Georg Huntemann: Der andere Bonhoeffer. Die Herausforderung des Modernismus, Brockhaus, Wuppertal 1989, ISBN 3-417-12570-7
  • Rainer Mayer: Christuswirklichkeit. Grundlagen, Entwicklung und Konsequenzen der Theologie Dietrich Bonhoeffers, Calwer Verlag, Stuttgart 1980, ISBN 3-7668-0144-9
  • Gerhard L. Müller: Bonhoeffers Theologie der Sakramente, Knecht, Frankfurt/M. 1979, ISBN 3-7820-0439-6
  • Hanfried Müller: Von der Kirche zur Welt. Ein Beitrag zur Beziehung des Wort Gottes auf die "societas" in Dietrich Bonhoeffers theologische Entwicklung, Reich, Hamburg-Bergstedt: Reich, 1966
  • Tiemo R. Peters: Die Präsenz des Politischen in der Theologie Dietrich Bonhoeffers, Kaiser, München 1976, ISBN 3-459-01056-8
  • John A. Phillips: The Form of Christ in the World. A study of Bonhoeffer's Christology, Collins, London 1967
  • Julius Rieger: Bonhoeffer in England,Lettner-Verlag, Berlin 1966
  • Günter Spendel: Justiz und NS-Verbrechen Die "Standgerichtsverfahren" gegen Admiral Canaris u.a. in der Nachkriegsrechtsprechung, in: Der.: Rechtsbeugung durch Rechtsprechung, De Gruyter, Berlin 1984, ISBN 3-11-009940-3, S. 89-115

Filme

  • Liebe ist stark wie der Tod, Die Welt des Dietrich Bonhoeffer; Regie: Gerold Hofmann, 2006; Dokumentarfilm, 30 Minuten
  • Wer glaubt, der flieht nicht... Dietrich Bonhoeffer, 1906-1945; Regie: Hellmut Sitó Schlingensiepen und christian.bimm.coers, 2005; Dokumentarfilm, 23 Minuten; Informationen unter [2]
  • Bonhoeffer; Regie: Martin Doblmeier, 2003; Dokumentarfilm
  • Bonhoeffer - Die letzte Stufe; Regie: Eric Till, 2000; VHS: ISBN 3-579-07112-2; DVD: ISBN 3-579-07111-4; Original: Bonhoeffer: Agent of Grace; Spielfilm; Informationen unter [3]
  • Dietrich Bonhoeffer - Nachfolge und Kreuz, Widerstand und Galgen; 1982; Dokumentarfilm

Siehe auch: Bonhoeffer