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Physikalisch-Technische Bundesanstalt

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Physikalisch-Technische Bundesanstalt
– PTB –

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Staatliche Ebene Bund
Stellung Bundesoberbehörde
Aufsichtsbehörde Bundesministerium für Wirtschaft und Energie
Gründung 1887
Hauptsitz Braunschweig
Behördenleitung Joachim Ullrich, Präsident[1]
Bedienstete 1800[2]
Netzauftritt ptb.de

Die Physikalisch-Technische Bundesanstalt (PTB) ist das nationale Metrologie-Institut der Bundesrepublik Deutschland mit wissenschaftlich-technischen Dienstleistungsaufgaben, eine Bundesoberbehörde und bundesunmittelbare, nicht rechtsfähige Anstalt des öffentlichen Rechts im Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie.

Aufgaben

Die PTB gehört mit dem NIST in den USA und dem NPL in Großbritannien zu den führenden Instituten der Metrologie. Als das nationale Metrologieinstitut Deutschlands ist die PTB oberste Instanz bei allen Fragen des richtigen Messens. Im Einheiten- und Zeitgesetz (Bundesgesetzblatt Jahrgang 2008, Teil I, Nr. 28, S. 1185 ff., 11.Juli 2008) sind ihr alle Aufgaben zur Darstellung und zur Weitergabe der Einheiten übertragen worden. Alle gesetzlich relevanten Aspekte zu den Einheiten sowie die Zuständigkeiten der PTB sind in diesem Gesetz gebündelt. Zuvor waren alle Einheitenfragen und die Rolle der PTB auf drei Gesetze verteilt: das Einheitengesetz, das Zeitgesetz sowie das Eichgesetz.

Die PTB besteht aus neun technisch-wissenschaftlichen Abteilungen (davon zwei in Berlin), untergliedert in rund 60 Fachbereiche mit über 200 Arbeitsgruppen. Ihre Aufgaben sind die Bestimmung von Fundamental- und Naturkonstanten, Darstellung, Bewahrung und Weitergabe der gesetzlichen Einheiten des SI, Sicherheitstechnik, ergänzt um Dienstleistungen wie den Deutschen Kalibrierdienst (DKD) und Messtechnik für den gesetzlich geregelten Bereich, die Industrie sowie Technologie-Transfer. Als Basis für ihre Aufgaben betreibt die PTB in enger Kooperation mit Universitäten, anderen Forschungseinrichtungen sowie der Industrie Grundlagenforschung und Entwicklung im Bereich der Metrologie. Die PTB beschäftigt rund 1800 Mitarbeiter. Ihr steht ein Gesamtbudget von etwa 183 Mio. Euro zur Verfügung; zusätzlich wurden im Jahr 2012 etwa 15 Mio. Euro als Drittmittel für Forschungsvorhaben eingeworben.[3]

Atomuhr CS2 der PTB

Im Einheiten- und Zeitgesetz wird die Physikalisch-Technische Bundesanstalt auch speziell mit der Verbreitung der gesetzlichen Zeit in Deutschland beauftragt. Um hierfür eine Zeitbasis zu haben, betreibt sie mehrere Atomuhren (derzeit zwei Caesium-Uhren und seit 1999 bzw. 2009 zwei Caesium-Fontänen).[4]

Die Synchronisation von Uhren über Funk erfolgt im Auftrag der PTB über den von Media Broadcast betriebenen Zeitzeichensender DCF77. Mit dem Internet verbundene Rechner können die Zeit unter anderem über die drei öffentlichen NTP-Zeitserver der PTB beziehen.[5]

In Berlin-Adlershof betreibt die PTB den MLS (Metrology Light Source) Elektronenspeicherring für Kalibrierungen im Bereich von Infrarot (THz) bis ins extreme Ultraviolett (EUV).

Der Fachbereich Q.5 „Technische Zusammenarbeit“ führt Vorhaben der deutschen und internationalen Entwicklungszusammenarbeit im Bereich der Qualitätsinfrastruktur durch. Diese Maßnahmen fördern Wettbewerbsfähigkeit, Umwelt- und Verbraucherschutz in Entwicklungs- und Transformationsländern[6]

Die Abteilung Metrologische Informationstechnik der PTB ist auch für die Bauartzulassung von Wahlcomputern nach der Bundeswahlgeräteverordnung und Spielgeräten mit Gewinnmöglichkeit nach der Spielverordnung zuständig.[7]

Waffen, die mit dem kleinen Waffenschein geführt werden dürfen, also Signal-, Reizstoff- und Schreckschusswaffen, bedürfen zu ihrer Zulassung eines Prüfsiegels der PTB. Gelegentlich werden diese Waffen gemeinsam als PTB-Waffen bezeichnet (Beschussgesetz).

Standorte und Struktur

Hauptsitz der PTB ist Braunschweig (Lehndorf-Watenbüttel), weitere Standorte sind Berlin-Charlottenburg und Berlin-Adlershof. In Braunschweig sind die Fachabteilungen 1–6 sowie Q untergebracht, in Berlin-Charlottenburg die Fachabteilungen 7 und 8. Berlin-Adlershof beherbergt die beiden Elektronenspeicherringe BESSY II und Metrology Light Source (MLS); letztere befindet sich dort im Willy-Wien-Laboratorium.

Die PTB wird geleitet vom Präsidium in Braunschweig, das sich aus Präsident, Vizepräsident und einem weiteren Mitglied zusammensetzt. Ein weiteres Führungsgremium ist die Direktorenkonferenz, der neben dem Präsidium die Leiter der Abteilungen angehören. Beraten wird die PTB durch ein Kuratorium mit Vertretern aus Wissenschaft, Wirtschaft und Politik.

Organigramm der PTB

Die Bundesanstalt ist gegliedert in acht wissenschaftliche Fachabteilung. Die Fachabteilungen sind nummeriert:

  1. Mechanik und Akustik (Standort: Braunschweig) mit Fachbereichen für Masse, Festkörpermechanik, Geschwindigkeit, Gase, Flüssigkeiten, Schall, Akustik und Dynamik
  2. Elektrizität (Standort: Braunschweig); mit Fachbereichen für Gleichstrom und Niederfrequenz, Hochfrequenz und Felder, Elektrische Energiemesstechnik, Quantenelektronik, Halbleiterphysik und Magnetismus, elektrische Quantenmetrologie
  3. Chemische Physik und Explosionsschutz (Standort: Braunschweig); mit Fachbereichen für Metrologie in der Chemie, Gasanalytik und Zustandsverhalten, thermophysikalische Größen, physikalische Chemie, Explosionsschutz in der Energietechnik, explosionsgeschützte Sensorik und Messtechnik, Grundlagen des Explosionsschutzes
  4. Optik (Standort: Braunschweig); mit Fachbereichen für Photometrie und angewandte Radiometrie, Bild- und Wellenoptik, Quantenoptik und Längeneinheit, Zeit und Frequenz
  5. Fertigungsmesstechnik (Standort: Braunschweig); mit Fachbereichen für Oberflächenmesstechnik, dimensionelle Nanometrologie, Koordinatenmesstechnik, Interferometrie an Maßverkörperungen, wissenschaftlichen Gerätebau
  6. Ionisierende Strahlung (Standort: Braunschweig); mit Fachbereichen für Radioaktivität, Dosimetrie für Strahlentherapie und Röntgendiagnostik, Strahlenschutzdosimetrie, Ionen- und Neutronenstrahlung, Grundlagen der Dosimetrie, betrieblichen Strahlenschutz
  7. Temperatur und Synchrotronstrahlung (Standort: Berlin-Charlottenburg und Adlershof); mit Fachbereichen für Radiometrie mit Synchrotronstrahlung, Kryophysik und Spektrometrie, Detektorradiometrie und Strahlungsthermometrie, Temperatur, Wärme und Vakuum
  8. Medizinphysik und metrologische Informationstechnik (Standort: Berlin-Charlottenburg); mit Fachbereichen für medizinische Messtechnik, Biosignale, biomedizinische Optik, mathematische Modellierung und Datenanalyse, metrologische Informationstechnik

Dem Präsidium direkt unterstellt sind der präsidiale Stab und die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit sowie die Abteilungen Z (Verwaltung) und Q (Wissenschaftlich-technische Querschnittsaufgaben). Letztere umfasst unter anderem die wissenschaftlichen Bibliotheken, das gesetzliche Messwesen, den Technischen Dienst sowie die Technische Zusammenarbeit.

Geschichte

Zwei wesentliche Faktoren, die zur Gründung der Physikalisch-Technischen Reichsanstalt (PTR) führten, waren die Festlegung international gültiger, einheitlicher Maße in der Meterkonvention von 1875 und die dynamische industrielle Entwicklung in Deutschland im 19. Jahrhundert. Schon im Deutsch-Französischen Krieg war die Stagnation von wissenschaftlicher Mechanik und Instrumentenkunde in Deutschland offenbar geworden. Für die industrielle Fertigung wurde immer präzisere Messtechnik benötigt. Maßgeblichen Einfluss auf die Initiative zur Gründung eines Staatsinstituts für Messtechnik zur Förderung der nationalen Interessen von Wissenschaft, Handel und Militär nahm vor allem die aufstrebende Elektroindustrie unter Führung des Erfinders und Industriellen Werner Siemens. Anders als bei den Längen- und Gewichtseinheiten existierten im elektrischen Messwesen zu dieser Zeit noch keine anerkannten Methoden und Standards. Das Fehlen von zuverlässigen und verifizierbaren Messmethoden für die Darstellung elektrischer (und anderer) Maßeinheiten war ein drängendes wissenschaftliches und auch wirtschaftliches Problem.

1872 schlossen sich einige preußische Naturwissenschaftler zusammen und forderten die Einrichtung eines Staatsinstituts, das dieses Problem lösen sollte. Denn für Industrielaboratorien war diese Aufgabe wissenschaftlich zu ambitioniert und außerdem nicht lukrativ, und auch klassische Lehrinstitute waren der Aufgabe nicht gewachsen. Zu den Unterstützern der nach ihrem Autor Karl Heinrich Schellbach benannten „Schellbach-Denkschrift“ gehörten unter anderem Hermann von Helmholtz und der Mathematiker und Physiker Wilhelm Foerster. [8] Doch Preußen erteilte ihren Forderungen vorerst eine Absage.

Erst einige Jahre später, im Jahr 1887, gelang es Werner Siemens gemeinsam mit Hermann von Helmholtz, den „Gründervätern“ der PTR, ihre Vision wahr werden zu lassen: die Einrichtung eines Forschungsinstituts, das wissenschaftliche, technische und industrielle Interessen optimal verknüpfen sollte. Am 28. März beschloss der Deutsche Reichstag den ersten Jahresetat der PTR – die Gründung der ersten staatlich finanzierten außeruniversitären Großforschungseinrichtung in Deutschland, die freie Grundlagenforschung mit Dienstleistungen für die Industrie verband. Siemens stellte der Reichsanstalt ein privates Gelände in Berlin-Charlottenburg zur Verfügung. Hermann von Helmholtz wurde ihr erster Präsident. In dieser Zeit beschäftigte die PTR 65 Personen, darunter mehr als ein Dutzend Physiker, und verfügte über ein Budget von 263.000 Reichsmark. [9] In ihren ersten Jahrzehnten gelang es der PTR, bedeutende Wissenschaftler als Mitarbeiter und Mitglieder des Kuratoriums für sich zu gewinnen, darunter Wilhelm Wien, Friedrich Kohlrausch, Walther Nernst, Emil Warburg, Walther Bothe, Albert Einstein und Max Planck.

Die PTR und die Geburt der Quantenphysik

Eng mit Max Planck verbunden war auch die erste herausragende wissenschaftliche Leistung der PTR. Um zu entscheiden, ob Elektrizität oder Gas für die Berliner Straßenbeleuchtung wirtschaftlicher wäre, sollte die PTR ein präziseres Lichtstärkenormal entwickeln. Dazu entwickelten Otto Lummer und Wilhelm Wien 1895 den ersten Hohlraumstrahler zur praktischen Erzeugung der Wärmestrahlung Schwarzer Körper. Ihre Messungen des Spektrums der Schwarzkörperstrahlung waren dabei so präzise, dass sie dem Wien'schen Strahlungsgesetz bei langwelliger Strahlung widersprachen. Damit geriet ein Grundpfeiler der damals klassischen Physik ins Wanken. Die Messungen brachten Max Planck dazu, in einem „Akt der Verzweiflung“ – wie er es selbst später ausdrückte – die Wärmestrahlung in getrennte Portionen aufzuteilen – die Geburtsstunde der Quantenphysik.[10]

Neue Struktur und Neue Physik

1914 hob PTR-Präsident Emil Warburg die Unterteilung in eine physikalische und eine technische Abteilung auf und gliederte die PTR in Fachabteilungen für Optik, Elektrizität und Wärme mit rein wissenschaftlichen und technischen Unterabteilungen. Unter Warburgs Nachfolger Walther Nernst wurde darüber hinaus die Reichsanstalt für Maß und Gewicht in die PTR eingegliedert. Eine neu gegründete Abteilung übernahm von dieser umfangreiche Aufgaben für das Eichwesen und die damit verbundenen Messungen von Länge, Gewicht und Volumen. Damit entsprach das Aufgabenprofil im Wesentlichen dem der heutigen PTB: Die PTR sollte durch eigene Forschung und Entwicklung und darauf aufbauende Dienstleistungen für die Einheitlichkeit des Messwesens und dessen stete Weiterentwicklung sorgen. Inhaltlich widmete sich die PTR in dieser Zeit der sogenannten Neuen Physik. Dazu gehörten u.a. die Forschung an der gerade entdeckten Röntgenstrahlung, neue Atommodelle, Einsteins Spezielle Relativitätstheorie, die Quantentheorie (ausgehend von der erwähnten Arbeit am Schwarzen Strahler) und die Erforschung der Eigenschaften des Elektrons. Beteiligt an dieser Forschung waren Wissenschaftler wie Hans Geiger, der das erste Radioaktivitätslabor der PTR aufbaute. Walther Meißner gelang die Verflüssigung von Helium, was ihn zur Entdeckung der Supraleitfähigkeit einer Reihe von Metallen führte. Dabei erkannte er zusammen mit seinem Kollegen Robert Ochsenfeld einige Jahre später, dass Supraleiter die Eigenschaft besitzen, ein von außen angelegtes Magnetfeld aus ihrem Inneren zu verdrängen – der Meißner-Ochsenfeld-Effekt. [11]

Die PTR im Dritten Reich

Mit der Einsetzung von Johannes Stark als Präsident am 1. Mai 1933 erhielt die Ideologie des Nationalsozialismus Einzug an der PTR. Der überzeugte Verfechter einer Deutschen Physik beendete diverse Forschungsprojekte zu Themen der modernen Physik, die er als „jüdisch“ bezeichnete, darunter vor allem Arbeiten zur Quantenphysik und zur Relativitätstheorie. Auch bemühte Stark sich, das Führerprinzip an der PTR durchzusetzen, indem er 1935 das Kuratorium auflöste und dessen Kompetenzen selbst übernahm. Jüdische Mitarbeiter und Kritiker der NSDAP (wie Max von Laue) wurden entlassen. Von Laue beteiligte sich nach dem Zweiten Weltkrieg an der Neugründung der PTB. Albert Einstein, der bereits vor dessen Auflösung aus dem Kuratorium geworfen worden war, brach seinen Kontakt zur PTR/PTB ab.

Unter Stark und ab 1939 unter seinem Nachfolger Abraham Esau widmete sich die PTR stark der Rüstungsforschung. Ein neu gegründetes Labor für Akustik sollte nicht nur allgemeine, sondern vor allem auch militärische Anwendungsgebiete erforschen. Dazu gehörten unter anderem die akustische Ortung von Geschützen, die militärische Nutzung von Ultraschall und die Entwicklung von Verschlüsselungsverfahren. Forscher der PTR entwickelten außerdem akustische Minen und ein Lenksystem für Torpedos, das sich am Schallfeld fahrender Schiff orientierte. [12] Auch über ihre klassischen metrologischen Aufgaben war die PTR eng mit der Rüstungsindustrie des Dritten Reiches verbunden. Da exakte Maße eine Grundvoraussetzung für die Herstellung von Kriegsgerät sind, wuchs der Reichsanstalt eine Schlüsselrolle in der Rüstungsproduktion und Wehrtechnik zu. [13] Das Ausmaß, in dem sich die PTR darüber hinaus am deutschen Kernwaffenprojekt beteiligt hat, ist umstritten. Bekannt ist, dass Abraham Esau vor seiner Zeit als PTR-Präsident bis August 1939 eine Forschergruppe zur Kernspaltung leitete. Später übernahm er die „Fachsparte Kernphysik“ im Reichsforschungsrat, der ab dem Frühjahr 1942 das deutsche Uranprojekt betreute. Kurz darauf unterstellte Hermann Göring die Arbeitsgruppe unter dem ehemaligen PTR-Physiker Kurt Diebner der Abteilung V für Atomphysik an der PTR. Esau erhielt den Titel „Bevollmächtigter des Reichsmarschalls für Kernphysik“, ein Amt, das er jedoch bereits Ende 1943 an Walther Gerlach abtrat. [14]

Um den Bombenangriffen der Alliierten zu entgehen, wurde die PTR 1943 auf Initiative des Präsidenten und thüringischen Staatsrates Abraham Esau[15] an verschiedene Orte in Deutschland verlegt, etwa nach Weida und Ronneburg in Thüringen und Bad Warmbrunn in Niederschlesien. Bei den Angriffen auf Berlin wurden die Gebäude der PTR schwer beschädigt. 1945 war die Reichsanstalt faktisch zerschlagen und über das ganze Land verstreut.

Die Neugründung der PTB in Braunschweig und andere PTR-Nachfolger

Etwa ab 1947 entstanden neben der PTR in Berlin-Charlottenburg für die Sowjetische Besatzungszone in Ost-Berlin sowie in der Bizone und späteren Trizone Nachfolgeeinrichtungen. Mit wohlwollender Unterstützung der britischen Militärregierung wurden Teile der alten Reichsanstalt in Braunschweig angesiedelt. Ideen für diese Neugründung hatte der ehemalige PTR-Berater für Theoretische Physik, Max von Laue, bereits während seiner Internierung in Farm Hall. 1947 konnte er die britischen Behörden überzeugen, die ehemalige Luftfahrtforschungsanstalt in Völkenrode bei Braunschweig für den PTR-Nachfolger zur Verfügung zu stellen. Erster Präsident wurde 1948 Wilhelm Kösters, langjähriger Direktor der Abteilung 1 in Berlin, dem zahlreiche ehemalige PTR-Mitarbeiter aus Berlin, Weida und Heidelberg nach Braunschweig folgten. Die neue Einrichtung erhielt den Namen Physikalisch-Technische Anstalt (PTA) und seit 1. April 1950 Physikalisch-Technische Bundesanstalt; in diese wurde 1953 die West-Berliner PTR als „Institut Berlin“ unter Wahrung des Vier-Mächte-Status Berlins eingegliedert.

In der DDR hatte sich mit Hauptsitz in Berlin das Deutsche Amt für Maß und Gewicht (DAMG) etabliert, das nach mehreren Umbenennungen in den letzten DDR-Jahren die Bezeichnung Amt für Standardisierung, Meßwesen und Warenprüfung (ASMW) trug; der Name deutet schon an, dass es umfangreichere Aufgaben besaß als die PTB der BRD, nämlich noch Aufgaben im Bereich der Normung, der Qualitätssicherung und das Tätigkeitsfeld der Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung (BAM).

Wachstum und Wiedervereinigung

Die junge PTB wuchs rasch in den Jahren nach der Neugründung – sowohl personell als auch in der finanziellen Ausstattung. Das wissenschaftliche Profil auf metrologischem Terrain wurde ebenso ausgebaut wie die Dienstleistungen für die Industrie, insbesondere in Form von Kalibrierungen von Messgeräten. Dies führte in den 1970er Jahren zur Gründung des Deutschen Kalibrierdienstes, der Dienstleistungsaufgaben an akkreditierte privatwirtschaftliche Laboratorien delegierte und der PTB ermöglichte, sich auf anspruchsvolle Messaufgaben zu beschränken.

Von 1967 bis 1995 betrieb die PTB den Forschungs- und Messreaktor Braunschweig, der vor allem als Neutronenquelle zur Grundlagenforschung und nicht zur Erforschung der Kernenergie diente. Mit diesem kontroversen Thema war die PTB von 1977 bis 1989 vor allem über ihre Aufgabe der „Sicherstellung und Endlagerung radioaktiver Abfälle“ befasst[16], bevor diese mit der Gründung des Bundesamts für Strahlenschutz aus der Bundesanstalt ausgegliedert wurde. Mit ionisierender Strahlung im Allgemeinen beschäftigt sich heute die Abteilung 6. Dazu gehört auch eine hochempfindliche Spurenmessstelle für Radionuklide, die seit mittlerweile 50 Jahren radioaktive Stoffe in bodennaher Luft misst. [17]

Nach der „Wende“ kam es 1990 auch zu einer „metrologischen Wiedervereinigung“. Die PTB übernahm Teile des ASMW, darunter allein 400 Mitarbeiter sowie den Standort Berlin-Friedrichshagen als zusätzliche Außenstelle (mittlerweile wieder aufgegeben). Andere Teile des ASMW gingen in der BAM auf. Trotz einer Phase der Personalkürzungen nach dem starken Ausbau infolge der Wiedervereinigung gehört die PTB heute zu den größten nationalen Metrologie-Instituten der Welt. Als solches ist sie für die Darstellung und Weitergabe der physikalischen Einheiten verantwortlich und befördert die weltweite Einheitlichkeit des Messwesens.

Zeitschriften

Bisher erschienene Ausgaben des PTB-Magazins „maßstäbe“
Heftnummer Titel Erscheinungsdatum
1 „Dimensionen der Einheiten“ September 2001
2 „Größen des Sports“ Juni 2002
3 „Zum Licht“ Februar 2003
4 „Im Labyrinth des Zufalls“ Dezember 2003
5 „Kleine Größen“ Dezember 2004
6 „Zeitgeschichten“ September 2005
7 „Die Unveränderlichen“ September 2006
8 „Innenansichten“ Oktober 2007
9 „Die Gradmesser“ November 2008
10 „Menschen im Labor“ Dezember 2009
11 „Kräfte messen“ Mai 2011
12 „Meilensteine“ Juni 2013

Das ungefähr jährlich erscheinende Magazin der PTB maßstäbe kann kostenlos abonniert oder von den Internetseiten der PTB [18] heruntergeladen werden. Es enthält Beiträge, die allgemeinverständlich und lehrreich sein sollen, rund um die Größen der Physik.

Daneben bringt die PTB dreimal im Jahr das wissenschaftliche Nachrichtenblattblatt PTB-news heraus. Auf vier Seiten enthält es Neuigkeiten aus den Arbeitsgebieten, Grundlagen der Metrologie, Angewandte Messtechnik für Industrie, Medizin und Umweltschutz, Messtechnik für die Gesellschaft und Internationale Angelegenheiten. Die PTB-news erscheinen auf Deutsch und Englisch.

Die PTB-Mitteilungen sind das metrologische Fachjournal und amtliches Mitteilungsblatt der PTB. Sie erscheinen viermal im Jahr und enthalten wissenschaftliche Originalbeiträge und Übersichtsartikel zu metrologischen Themen aus den Arbeitsgebieten der PTB. Jede Ausgabe ist einem Themenschwerpunkt gewidmet. Als amtliches Mitteilungsblatt steht die Zeitschrift in einer langen Tradition, die bis zu den Anfängen der Physikalisch-Technischen Reichsanstalt (gegründet 1887) zurückreicht. In der Rubrik "Amtliche Bekanntmachungen" werden unter anderem die aktuellen Geräte-Prüfungen und -zulassungen aus den Gebieten des Eich-, Prüfstellen- und Gesundheitswesens, des Strahlenschutzes und der Sicherheitstechnik veröffentlicht.[19]

In der Reichsanstalt für Maß und Gewicht, Aufnahme veröffentlicht vermutlich 1928
Reichsanstalt für Maß und Gewicht, Februar 1931

Präsidenten

Präsidenten der PTB und der Physikalisch-Technischen Reichsanstalt (Berlin-Charlottenburg):[20]

Mitarbeiter und Ehemalige

Bekannte Mitarbeiter von PTR und PTB waren unter anderem Udo Adelsberger, Walther Bothe, Ernst Engelhard, Abraham Esau, Ernst Gehrcke, Hans Geiger, Eugen Goldstein, Hermann von Helmholtz, Friedrich Georg Houtermans, Hellmut Keiter, Dieter Kind, Friedrich Wilhelm Kohlrausch, Wilhelm Kösters, August Kundt, Max von Laue, Carl von Linde, Leopold Löwenherz, Otto Lummer, Walter Meidinger, Walther Meißner, Franz Mylius, Walther Hermann Nernst, Robert Ochsenfeld, Friedrich Paschen, Adolf Scheibe, Harald Schering, Johannes Stark, Ida Tacke, Richard Vieweg, Richard Wachsmuth, Emil Warburg, Wilhelm Wien.

Institutionen in anderen Ländern

Caesium-Atomuhr „CS 4“ der PTB. 1992 in Betrieb genommen. Seit 2005 Exponat im Braunschweigischen Landesmuseum.

Siehe auch

Literatur

  • Hermann von Helmholtz: Zählen und Messen, erkenntnistheoretisch betrachtet. Originalveröffentlichung in: Philosophische Aufsätze, Eduard Zeller zu seinem fünfzigjährigen Doctorjubiläum gewidmet. Leipzig 1887. Fues' Verlag. S. 17-52. Digitale Ausgabe: Universitätsbibliothek Heidelberg, 2010.
  • Johannes Stark (Hrsg.): Forschung und Prüfung. 50 Jahre Physikalisch-Technische Reichsanstalt. S. Hirzel, Leipzig 1937.
  • H. Moser (Hrsg.): Forschung und Prüfung. 75 Jahre Physikalisch-Technische Bundesanstalt/Reichsanstalt. Vieweg, Braunschweig 1962.
  • Jürgen Bortfeld, W. Hauser, Helmut Rechenberg (Hrsg.): 100 Jahre Physikalisch-Technische Reichsanstalt/Bundesanstalt 1887–1987. (= Forschen - Messen - Prüfen. Band 1) Braunschweig 1987, ISBN 3-876-64140-3.
  • David Cahan: Meister der Messung. Die Physikalisch-Technische Reichsanstalt im Deutschen Kaiserreich. Wirtschaftsverlag NW, Bremerhaven 2011, ISBN 978-3-86918-081-6.
  • Ulrich Kern: Forschung und Präzisionsmessung. Die Physikalisch-Technische Reichsanstalt zwischen 1918 und 1948. Wirtschaftsverlag NW, Bremerhaven 2011, ISBN 978-3-86918-082-3.
  • Dieter Kind: Herausforderung Metrologie. Die Physikalisch-Technische Bundesanstalt und die Entwicklung seit 1945. in: Forschen - Messen - Prüfen. Wirtschaftsverlag, Bremerhaven 2002, ISBN 3-89701-902-7.
  • Rudolph P. Huebener, Heinz Lübbig: A Focus of Discoveries. World Scientific, Singapur 2008, ISBN 978-9-812-79034-7.
  • Rudolf Huebener, Heinz Lübbig: Die Physikalisch-Technische Reichsanstalt. Ihre Bedeutung beim Aufbau der modernen Physik. Vieweg+Teubner, Wiesbaden 2011, ISBN 978-3-834-81390-9.
  • Brigitte Jacob, Wolfgang Schäche, Norbert Szymanski: Bauten für die Wissenschaft - 125 Jahre Physikalisch-Technische Reichsanstalt /Bundesanstalt in Berlin-Charlottenburg 1887–2012. JOVIS Verlag, Berlin 2012, ISBN 978-3-86859-163-7.
  • Imke Frischmuth, Jens Simon (Hrsg.): Metrologisches Lesebuch. Messkunst in der PTB – in der Vergangenheit, in der Gegenwart und für die Zukunft. Wirtschaftsverlag NW, Bremerhaven 2012, ISBN 978-3-86918-301-5.
Commons: Physikalisch-Technische Bundesanstalt – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
  • ptb.de – Offizielle Website der Physikalisch-Technische Bundesanstalt (PTB)
  • Atomzeit Anzeige der Atomzeit der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt
  • maßstäbe – 'maßstäbe', das wissenschaftsjournalistische Magazin der PTB

Einzelnachweise

  1. Pressemitteilung der PTB: Wechsel an der Spitze der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt
  2. http://www.ptb.de/cms/dieptb/die-ptb-kurz-vorgestellt.html
  3. PTB-Jahresbericht 2012, Kapitel Zahlen und Fakten, S. 38f auf ptb.de (PDF; 389 kB)
  4. Chronologie der Atomuhren-Ära in der PTB. Physikalisch-Technische Bundesanstalt, 29. November 2010, abgerufen am 1. April 2011.
  5. ptbtime1.ptb.de, ptbtime2.ptb.de, ptbtime3.ptb.de
  6. Technische Zusammenarbeit der PTB
  7. E-Voting in Deutschland nach dem Wahlmaschinen-Hack (c’t 24/2006)
  8. siehe Artikel über die Physikalisch-Technische Reichsanstalt in Meyers großes Konversationslexikon (1905) bei Zeno.org
  9. siehe Helmut Rechenberg: Helmholtz und die Gründerjahre, in: PTR/PTB: 125 Jahre metrologische Forschung. PTB-Mitteilungen, 2012, Heft 2, S. 9 auf ptb.de (PDF)
  10. Jörg Hollandt: Der Schwarze Körper und die Quantisierung der Welt, in: PTR/PTB: 125 Jahre metrologische Forschung. PTB-Mitteilungen, 2012, Heft 2, S. 12f auf ptb.de (PDF)
  11. PTR und PTB: 125 Jahre genau – Geschichte einer Institution auf ptb.de (PDF)
  12. Ulrich Kern: Forschung und Präzisionsmessung. Die Physikalisch-Technische Reichsanstalt zwischen 1918 und 1948. Bremerhaven 2011, S. 267.
  13. Dieter Hoffmann: Die Physikalisch-Technische Reichsanstalt im Dritten Reich, in: PTR/PTB: 125 Jahre metrologische Forschung. PTB-Mitteilungen, 2012, Heft 2, S. 30f auf ptb.de (PDF)
  14. Ulrich Kern: Forschung und Präzisionsmessung. Die Physikalisch-Technische Reichsanstalt zwischen 1918 und 1948. Bremerhaven 2011, S. 265.
  15. Max von Laue: seine Bedeutung für den Wiederaufbau der deutschen Wissenschaft
  16. PTR und PTB: 125 Jahre genau – Geschichte einer Institution auf ptb.de (PDF)
  17. Pressemitteilung der PTB: 50 Jahre Spurensuche
  18. Publikationen der PTB
  19. Publikationen
  20. Geschichte der PTB und PTR in 125 Jahre metrologische Forschung, PTB Mitteilungen 2/2012, pdf

Koordinaten: 52° 17′ 43″ N, 10° 27′ 49″ O