Pegida
Patriotische Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes, kurz PEGIDA, ist nach ihrem Selbstverständnis eine Bürgerinitiative, die sich gegen den Islamismus und eine vermeintliche Islamisierung von Deutschland und Europa richtet. Die von Lutz Bachmann initiierte Bewegung organisiert seit Herbst 2014 Demonstrationen in Dresden, um auf eine aus ihrer Sicht verfehlte europäische und deutsche Einwanderungs- und Asylpolitik aufmerksam zu machen. Insbesondere islamischer Fundamentalismus solle den Forderungen nach unterbunden werden. Die Initiative fand Nachahmer in anderen deutschen Städten.
Die Einschätzungen von Politik- und Sozialwissenschaftlern, was und wer PEGIDA ist und wofür die Initiative steht, fallen unterschiedlich aus. Manche Wissenschaftler ordnen Teile der Kundgebungsteilnehmer und Organisatoren, insbesondere der Nachahmer in Nordrhein-Westfalen, dem rechtspopulistischen bis rechtsextremen Spektrum zu, andere Teilnehmer kommen aus dem bürgerlichen sowie dem nationalkonservativen Lager.[1][2][3]
Demonstrationen
Die Initiative zur Demonstration geht u. a. auf Lutz Bachmann zurück, dessen Vorstrafen aufgrund seiner Forderungen in der Öffentlichkeit diskutiert wurden.[4] Bei der ersten Demonstration im Oktober 2014 gingen in Dresden rund 350 Personen gegen „Glaubenskriege auf deutschem Boden“ auf die Straße, bei der vierten Demonstration am 10. November waren es rund 1.700 Personen[5]. Bei der fünften Demonstration am 17. November nahmen 3.200 bis 3.500 Personen teil.[5][6] Am 24. November waren es etwa 5500 Personen,[7] am 1. Dezember ungefähr 7500[8] und am 8. Dezember etwa 10.000 Personen.[9] Mit 15.000 Personen war die Demonstration vom 15. Dezember die bisher größte.[10][11]
Gegendemonstrationen
An Gegendemonstrationen nahmen jeweils zunächst mehrere hundert Personen teil. Die christlichen Kirchen, das Islamische Zentrum, die Jüdische Gemeinde, der Ausländerrat, das Bündnis „Dresden Nazifrei“, die Studierendenschaften und die Technische Universität Dresden riefen zu einer Gegendemonstration unter dem Motto „Dresden für alle“ auf. Auch Sachsens Ministerpräsident Stanislaw Tillich schloss sich dem Aufruf an.[12] An der bisher größten Gegendemonstration am 8. Dezember nahmen 9.000 Personen teil.[13]
Ableger
Nach dem Anwachsen der PEGIDA entstanden in mehreren Städten Initiativen, die sich als Teil der PEGIDA-Bewegung verstehen, so die Bogida in Bonn und die Dügida in Düsseldorf. Die zugehörigen Veranstaltungen erreichten mit wenigen hundert Teilnehmern jedoch nicht die Größe der Proteste in Dresden und wurden von ungleich größeren Gegendemonstrationen begleitet.[14][15]
Forderungen und Positionen
Von den Rednern der Abschlusskundgebungen wurden acht Forderungen zur Einwanderungspolitik vorgetragen, darunter mehr Polizei und „null Toleranz“ gegenüber „radikalreligiösen Gruppierungen“ und „straffällig gewordenen Zuwanderern“.[6] In den Ansprachen wurde neben der aus Sicht der Redner notwendigen Verhinderung einer „Islamisierung des Abendlandes“[6] der Wunsch nach „Bewahrung und […] Schutz unserer deutschen Identität“ geäußert.[16] Gewarnt wurde vor einer „radikal-religiösen Unterwanderung unserer christlich-jüdischen Abendlandkultur“.[16] Auf der Kundgebung am 17. November 2014 sprach sich ein Vertreter des Demonstrationsbündnisses gegen „Asylmissbrauch“, aber für die Aufnahme von Kriegsflüchtlingen aus.[17]
Die PEGIDA veröffentlichte im Dezember 2014 ein Positionspapier mit 19 Punkten.[18] Darin wird u.a. gefordert, eine „Pflicht zur Integration ins Grundgesetz“ aufzunehmen. Kriegsflüchtlinge und Verfolgte sollen dezentral untergebracht werden und nicht in „menschenunwürdigen Heimen“, sie wollen eine bessere Betreuung Asylsuchender durch Sozialarbeiter, sie treten dafür ein, dass Asylanträge schneller bearbeitet werden, damit „die Integration früher beginnen kann“. Außerdem fordert das Positionspapier die „Ausschöpfung und Umsetzung der vorhandenen Gesetze zum Thema Asyl und Abschiebung“ sowie eine „Null-Toleranz-Politik gegenüber straffällig gewordenen Asylbewerbern und Migranten“.[19] „Parallelgesellschaften und Parallelgerichte“ wie Scharia-Gerichte, Scharia-Polizei und Friedensrichter sollen laut PEGIDA nicht zugelassen werden. Man sei für den Widerstand gegen eine „frauenfeindliche, gewaltbetonte politische Ideologie“, aber nicht gegen hier lebende, sich integrierende Muslime. PEGIDA bezieht Position gegen den Personalabbau bei der Polizei und für die Erhaltung einer „christlich-jüdisch geprägten Abendlandkultur“.[20]
Reaktionen
Zivilgesellschaft und Religionsgemeinschaften
Der Vorsitzende des Zentralrats der Muslime in Deutschland, Aiman Mazyek, sagte im Bayerischen Rundfunk, dass “Rechtsextremisten immer wieder eine fremdenfeindliche Fratze Deutschlands" zeichnen, die gar nicht da sei.[21] Die Slogans der Demonstranten zeigten, dass Ausländerfeindlichkeit und antisemitischer Rassismus salonfähig geworden seien[22]
Das Bündnis Dresden Nazifrei warf den Demonstranten „eine rassistische, islamophobe, fremdenfeindliche, völkisch-nationalistische Ideologie“ vor.[5]
In einer gemeinsamen Erklärung haben sich im November 2014 zahlreiche kirchliche und zivilgesellschaftliche Gruppen gegen die Forderungen der Demonstranten gewendet. Sie erklärten, dass die „rechtskonservativen und nationalistischen Parolen der PEGIDA […] [ihrer] Auffassung von einer weltoffenen und auf Akzeptanz der Verschiedenheiten von Menschen beruhenden Gesellschaft“ widersprächen.[23] Die Positionen der PEGIDA seien von „Hass gegen den Islam und d[er] Ablehnung der Aufnahme Asylsuchender“ bestimmt.[24] Zu den Unterzeichnern gehörten unter anderem Vertreter der evangelisch-lutherischen Landeskirche Sachsens, der römisch-katholischen Kirche, die Jüdische Gemeinde zu Dresden, das Islamische Zentrum Dresden, der Ausländerbeirat und mehrere Gewerkschaften.[23] Nach Auffassung der „AG Kirche für Demokratie“ handelt es sich bei PEGIDA um ein „ausländerfeindliches Demonstrationsbündnis“.[25] Den Teilnehmern gemein sei eine „Anti-Haltung zum Islam“, die zwischen Islamkritik und Islamfeindlichkeit schwanke.[16]
Der Interkulturelle Rat in Deutschland und Pro Asyl stufen Pegida als rassistisch ein. Laut Pro Asyl versucht Pegida offensiv, Rassismus in politischen Diskussionen zu verankern. Jürgen Micksch, Vorsitzender des Interkulturellen Rates, sagte die Anführer dieser Demonstrationen seien keine Patrioten, sondern Rassisten, die Menschenrechte infrage stellten und Minderheiten diskriminierten.[26]
Ludwig Schick, Vorsitzender der Kommission Weltkirche der Deutschen Bischofskonferenz und Erzbischof von Bamberg, sagte, Pegida verbreite Rassenhass und schüre irrationale Ängste unter den Menschen. Sie sei ein Sammelbecken von diffusen Aggressionen gegen Menschen anderer Kulturen und Religionen. Christen dürften bei Pegida nicht mitmachen. Die Deutsche Bischofskonferenz lehne die Pegida "ohne Wenn und Aber" ab.[27]Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz und Münchner Kardinal Reinhard Marx will Katholiken nicht verbieten, an Demonstrationen der Anti-Islam-Bewegung «Pegida» teilzunehmen. «Es gibt dazu keine oberhirtlichen Anweisungen», sagte Marx.[28] Er setze auf die Verantwortung jedes Einzelnen, so Marx. Jeder solle überlegen, ob er dabei sein wolle, wo „menschenverachtend gepredigt“ werde.[29]
Der Ratsvorsitzende der EKD, Heinrich Bedford-Strohm stellte klar, dass die Evangelische Kirche bei pauschalen Angriffen auf eine Religion, Flüchtlinge oder Asylbewerber in aller Klarheit Nein sagen werde.[30] Sorge bereite ihm zudem, dass AfD-Funktionäre sich mit den Pegida-Protesten solidarisierten.[31]
Staat und Politik
Der sächsische Innenminister Markus Ulbig (CDU) äußerte Verständnis für die Proteste und lehnte „die üblichen Antifa-Reflexe“ und eine pauschale Verurteilung der Demonstranten ab.[32] Auch der Vorsitzende der CDU-Fraktion im Sächsischen Landtag Frank Kupfer forderte Gesprächsbereitschaft der Politik mit den Initiatoren der Bewegung.[33]
Der CDU-Politiker Heiner Geißler sieht die Angst vor dem Islam als in Teilen „berechtigt“ an.[34]
Bundespräsident Joachim Gauck bezeichnete PEGIDA als „Chaoten und Strömungen, die wenig hilfreich sind“. Sie sollten „nicht so viel Beachtung“ finden.[35] In einem Interview mit der Süddeutschen Zeitung verurteilte Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) die PEGIDA-Demonstrationen als „eine Schande für Deutschland“.[36]
Laut dem Präsidenten des sächsischen Verfassungsschutzes Gordian Meyer-Plath grenzt sich die PEGIDA glaubhaft nach rechts ab. Bisher profitierten die Rechten nicht von den Demonstrationen.[37]
Politische Konsequenzen
Die Stadt Dresden hat im Dezember 2014 als Reaktion auf die Proteste ein Info-Telefon zum Thema Asyl und den Asylbewerberheimen eingerichtet.[38] Dieses wurde Berichten zufolge von Beginn an rege genutzt.[39]
Von Seiten der Bundesregierung wurde Gesprächsbereitschaft signalisiert, aber bislang keine konkreten Konsequenzen angekündigt. Der Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) sowie der Vizekanzler und Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) warben für einen Dialog mit den PEGIDA-Demonstranten, mahnten aber vor „Schmutzkampagnen“ und „Stimmungsmache gegen Minderheiten“.[40]
Meinungsumfragen
Nach einer repräsentativen Emnid-Umfrage hatten im Dezember 2014 jeweils 53 Prozent der Ostdeutschen und 48 Prozent der Westdeutschen Verständnis für die Demonstrationen von PEGIDA. Die Zustimmung betrug bei den Anhängern der AfD 86 Prozent, bei der Union 54 Prozent, der SPD 46 Prozent und bei der Linken und den Grünen jeweils 19 Prozent.[41] 43 Prozent der Deutschen glauben, dass sich hinter den Teilnehmern der PEGIDA-Demonstrationen vor allem „über die Ausbreitung des Islams besorgte Bürger“ befinden. 33 Prozent der Deutschen vermuten, dass die PEGIDA-Demonstrationen mehrheitlich von Rechtsradikalen besucht werden.[42] Nach einer Umfrage von YouGov antworteten auf die Frage: „Haben sie Verständnis für eine Demonstration gegen den Islamischen Staat und die "Islamisierung des Abendlandes" in deutschen Städten?“ 30% mit "ja, voll und ganz", 19% mit "Eher ja", 26% mit "Teils, teils", 10% mit "Eher nein", 13% mit "Nein, gar nicht" und 2% mit "Weiß nicht/keine Angabe".[43]
Weblinks
- PEGIDA Facebook
- Positionspapier der PEGIDA (PDF)
- Spiegel online: Pegida-Faktencheck (12. Dezember 2014)
- Die Zeit: Die wichtigsten Thesen von Pegida (9. Dezember 2014)
- Interviews mit Pegida-Teilnehmern (Quelle NDR)
Einzelnachweise
- ↑ taz: "Um die Demonstrationen öffentlich zu unterstützen, haben sich einige Nationalkonservative der Partei sogar zur „Patriotischen Plattform“ zusammengeschlossen.", vom 15. Dezember 2014
- ↑ Der Freitag: https://www.freitag.de/autoren/simon-ehmen/das-denken-der-anderen Das Denken der Anderen, vom 16. Dezember 2014
- ↑ taz: http://www.taz.de/Die-Menschen-hinter-Pegida/!151037/ Die Menschen hinter Pegida, am 10. Dezember 2014
- ↑ Die Zeit: Pegida. Wer ist hier das Volk?, vom 2. Dezember 2014
- ↑ a b c 5. Pegida-Demonstration: Islamkritiker ziehen wieder durch Dresden, MDR, zuletzt aktualisiert: 18. November 2014, abgerufen am 18. November 2014
- ↑ a b c Anti-Islamisierungs-Demo - Von einer diffusen Angst beseelt, FAZ vom 18. November 2014, abgerufen am 18. November 2014
- ↑ Stefan Locke: Spezialeinheit Abendland; Frankfurter Allgemeine Zeitung, 26. November 2011, S. 4
- ↑ http://www.polizei.sachsen.de/de/MI_2014_33210.htm
- ↑ http://www.polizei.sachsen.de/de/MI_2014_33360.htm
- ↑ Medieninformation der Polizei Sachsen vom 15. Dezember 2014.
- ↑ 15.000 „Pegida“-Anhänger demonstrieren in Dresden. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 15. Dezember 2014, abgerufen am 16 Dezember 2014.
- ↑ die tageszeitung: Pegida-Demonstration in Dresden, vom 9. Dezember 2014
- ↑ Handelsblatt: Massen protestieren in Dresden gegen Nationalismus, vom 8. Dezember 2014
- ↑ „Bogida“-Demo in Bonn Wir simulieren das Volk. In: Frankfurter Allgemeine. Abgerufen Format invalid.
- ↑ Islamfeinde protestieren als Dügida in Düsseldorf. In: Welt.de. Abgerufen Format invalid.
- ↑ a b c Rechter Schulterschluss. In: Blick nach rechts. 7. November 2014, abgerufen am 25. November 2014.
- ↑ "Patrioten" gegen Glaubenskriege: Kampf der Kulturen. 18. November 2014, abgerufen am 19. November 2014.
- ↑ Positionspapier der Pegida (PDF, nicht aufrufbar)
- ↑ http://www.menschen-in-dresden.de/wp-content/uploads/2014/12/pegida-positionspapier.pdf
- ↑ http://www.mdr.de/mdr-info/pegida-positionspapier100.html
- ↑ http://www.br.de/presse/inhalt/pressemitteilungen/bayern2-radiowelt-702.html]
- ↑ [1]
- ↑ a b Presseerklärung zu der PEGIDA-Demonstration der letzten Wochen und zur Aufnahme Asylsuchender in Dresden. Abgerufen am 18. November 2014.
- ↑ Aufruf zum Protest gegen Anti-Islam-Demo in Dresden. In: Neues Deutschland. 17. November 2014, abgerufen am 18. November 2014.
- ↑ Hintergründe zu PEGIDA. Abgerufen am 18. November 2014.
- ↑ [2].
- ↑ [3] Pressemeldung des Erzbischofs von Bamberg/Vorsitzender der Kommission Weltkirche bei der Deutschen Bischofskonferenz, abgerufen am 19. Dezember 2014
- ↑ Radio Vatikan
- ↑ Kirche muss „Nein sagen“ zu „PEGIDA“. www.tagesschau.de, 19. Dezember 2014
- ↑ Tagesschau: [4] Kirche muss "Nein sagen" zu "PEGIDA", abgerufen am 19. Dezember 2014
- ↑ EKD-Ratschef kritisiert AfD wegen Nähe zu „Pegida“. www.welt.de, 15. Dezember 2014
- ↑ Pläne in Sachsen: Sondereinheit soll gegen straffällige Asylbewerber "durchgreifen", Spiegel online. Abgerufen am 24. November 2014.
- ↑ http://www.bild.de/regional/dresden/frank-kupfer/cdu-fraktionschef-verteidigt-asylgegener-von-pegida-38747662.bild.html
- ↑ Geißler nennt Furcht vor Islamismus "berechtigt"
- ↑ FAZ: Gauck: „Pegida“ nicht so viel Beachtung schenken, vom 12. Dezember 2014
- ↑ "Pegida ist eine Schande für Deutschland", Süddeutsche Zeitung vom 14. Dezember 2014
- ↑ Neues aus der Tabuzone In: Die Zeit vom 17. Dezember 2014, abgerufen am 17. Dezember 2014.
- ↑ Dresden schaltet Info-Telefon zum Thema Asyl, Dresden Fernsehen, 15. Dezember 2014
- ↑ Infotelefon Asyl 4 88 11 77 wird bereits rege genutzt, menschen-in-dresden.de, 16. Dezember 2014
- ↑ „Anliegen ernst nehmen“: Politik wirbt für Dialog mit Pegida, Auf: FAZ.net, 17. Dezember 2014
- ↑ Mehrheit der Ostdeutschen zeigt Verständnis. In: N24 vom 14. Dezember 2014, abgerufen am 14. Dezember 2014.
- ↑ http://www.presseportal.de/pm/13399/2903923/n24-emnid-umfrage-zu-pegida-und-asyl-deutsche-vermuten-neonazis-und-besorgte-buerger-hinter-pegida
- ↑ http://www.zeit.de/politik/deutschland/2014-12/islam-pegida-fluechtlinge-deutschland-umfrage