Vorgetäuschter Orgasmus
Das Erreichen des Orgasmus beim Geschlechtsverkehr hat in unserer Zeit der sexuellen Aufklärung eine so hohe Bedeutung gewonnen, dass es bei nicht wenigen Menschen, Frauen wie Männern, zu einem Gefühl der Unzulänglichkeit führt, wenn er ausbleibt. Diese Angst vor einem "Versagen" wird durch die Vermarktung der Sexualität, etwa durch Ratgeber und Hilfsmittel, die sexuelle "Leistungsfähigkeit" und Orgasmen der Superlative versprechen, noch geschürt. Als Reaktion auf diesen Leistungsdruck haben viele Menschen beim Geschlechtsakt schon einmal oder mehrfach einen Orgasmus simuliert, manche regelmäßig oder immer. Das Vortäuschen eines Orgasmus, auch Orgasmuslüge genannt, gehört deshalb in den Bereich der Notlüge.
Nach Untersuchungen von TNS Emnid haben lediglich 20% der Frauen und 41% der Männer noch nie einen Orgasmus vorgetäuscht.
Die Gründe der männlichen Orgasmuslüge sind ähnlich den weiblichen - so werden mitunter eigener Leistungsdruck oder Erwartungshaltungen der Partnerin angegeben. Auch ist zuweilen der Wunsch nach Entspannung größer als der sexuelle Trieb. Durch das Orgasmus-Vortäuschen wird hier der Druck einer vermeintlichen Rechtfertigung gegenüber der Partnerin verhindert. Häufiger als bei Frauen war für Männer die Befürchtung der Motor, der Partnerin nicht ausreichend das Gefühl geben zu können, dass sie begehrenswert ist, wenn der eigene Orgasmus ausbleibt.
Bei Frauen ist das Erkennen eines vorgetäuschten Höhepunkts naturgmäß schwieriger. Es gibt auch Studien die davon ausgehen, dass unter Einberechnung der Dunkelziffer über 90 % aller Frauen einmal oder mehrmals einen Orgasmus vorgetäuscht haben. Die Gründe dafür sind in der Regel das Zufriedenstellen des Sexualpartners (gutes Gefühl vermitteln), einen mühsamen Geschlechtsverkehr abzukürzen und / oder dadurch den Mann zur Ejakulation zu verleiten. Manche Frauen täuschen auch einen Orgasmus vor, um den Partner ejakulieren zu lassen um dadurch selber in den Genuss eines echten Orgasmus zu kommen.
Aus den vorher genannten Gründen können ein gelegentliches Vorspielen des Höhepunkts für ein Paar sogar bereichernd sein. Passiert es aber regelmäßig und die Frau erlebt am Ende gar nie einen echten Orgasmus, wird es zum großen Problem. Zu diesem Zeitpunkt kann sich die Frau fast nicht mehr outen und befindet sich in einem Teufelskreis.
Es ist für Männer unmöglich, einen gespielten Orgasmus zu Erkennen. Es gibt aber Hinweise auf einen echten Orgasmus, welche für die Frau schwierig zu kopieren sind: Es sind dies Muskelzuckungen im Vaginalbereich, harte Brustwarzen und manche Frauen bekommen während des Höhepunkts eine rötliche Farbe im Gesicht. Je besser sich ein Liebespaar kennt, desto schwieriger wird es logischerweise für die Frau, einen vorgetäuschten Orgasmus unentdeckt zu lassen (sofern sie zwischendurch echte Orgasmen mit ihrem Partner erlebt und den Orgasmus nicht schon seit immer vortäuscht).
Neben heterosexuellen Männern täuschen zuweilen auch sogenannte Stricher und Callboys, die sich auf homosexuellen Kontakt spezialisiert haben, ihren Kunden einen Orgasmus vor. Bei weiblichen Prostituierten gehört das mehr oder weniger theatralische Vortäuschen eines Orgasmus zum Standardrepertoire.
Die Tatsache, dass Männer im allgemeinen abstreiten, ihnen könne jemals eine Frau einen Orgasmus vortäuschen, wurde schon in Filmen thematisiert. So wird Billy Crystal von Meg Ryan im Film "Harry und Sally" in einer gerne zitierten Szene im Restaurant ein Orgasmus vorgespielt.