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Ischämischer Schlaganfall

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Der Schlaganfall (auch Apoplex, apoplektischer Insult oder Apoplexie) bezeichnet einen neurologischen Notfall, bei dem es aus unterschiedlichen Ursachen zu einem plötzlichen („schlagartigen“) Funktionsverlust von Teilen des Gehirns kommt.

Vorbemerkung

Die Terminologie des Schlaganfalls wird nicht einheitlich benutzt. Gleichbedeutend zum Begriff Schlaganfall sind Apoplex, apoplektischer Insult und auch die angloamerikanischen Termini Stroke und Cerebrovascular accident (CVA) (Hachinski und Norris, 1985; Mohr und Barnett, 1986). Diese Bezeichnungen werden häufig als Oberbegriff für unterschiedliche neurologische und neurochirurgische Krankheitsbilder benutzt, die alle eine ähnliche Symptomatik haben können.

In ca. 80-85 % der Fälle liegt dabei ein von Durchblutungsstörungen unterschiedlicher Genese verursachter primär ischämischer Hirninfarkt vor Vorlage:Lit. Etwa 15 % der Fälle sind Hirnblutungen, meist intrazerebrale Blutungen. Darüber hinaus können noch viele andere Krankheiten eine ähnliche Symptomatik haben (siehe Abschnitt Differentialdiagnose). Diese Krankheitsbilder unterscheiden sich in ihren Ursachen (Ätiologie, Pathogenese), Therapieoptionen und Prognosen. Im Folgenden soll nur der primär ischämische Hirninfarkt besprochen werden.

Definition

Der primär ischämische Hirninfarkt ist Folge einer plötzlichen Minderdurchblutung (Ischämie) des Gehirns. Dies hat zur Folge, dass das Gehirn nicht mehr ausreichend mit Sauerstoff und Glucose versorgt wird. Dadurch sterben die Nervenzellen in den betroffenen Hirnregionen ab d. h. es entsteht ein Infarkt. Dabei kann man zwischen dem eigentlichen Infarktareal, in dem die Zellen bereits abgestorben sind, und der umgebenden Penumbra unterscheiden, in der die Zellen noch leben, aber gefährdet sind. In der Penumbra reicht das herabgesetzte Sauerstoffangebot noch für die Aufrechterhaltung des Grundstoffwechsels der Nervenzellen, aber nicht mehr für den Arbeitsstoffwechsel, d. h. auch diese Zellen sind zunächst ohne Funktion. Die therapeutischen Bemühungen sind darauf ausgerichtet Nervenzellen zu erhalten. Gerettet werden sollen die Zellen im Bereich der Penumbra, sowie weiter entferntere Zellen, die aus verschiedenen Ursachen gefährdet sein können.

Die einzelnen Regionen des Gehirns erfüllen verschiedene Funktionen und werden - wie auch im Rest des Körpers - regelmäßig von bestimmten Blutgefäßen versorgt, so dass eine Durchblutungsstörung in einem bestimmten Blutgefäss normalerweise mit einer bestimmten Symptomatik in Verbindung gebracht werden kann, die durch den Ausfall des vom Blutgefäss abhängigen Gehirnareals zu erklären ist.

Vorkommen und Häufigkeit

Der Schlaganfall ist in Deutschland nach ischämischen Herzerkrankungen und bösartigen Neubildungen mit 15 Prozent aller Todesfälle die dritthäufigste Todesursache. Zudem stellt er die häufigste Ursache für erworbene Behinderungen im Erwachsenenalter dar. Untersuchungen zur Epidemiologie des Schlaganfalls geben folgende Inzidenzzahlen an: um 122/100.000 Einwohner in einer australischen Population Vorlage:Lit, 145/100.000 für Minnesota (USA) 1985-89 Vorlage:Lit und 88/100.000 Einwohner nach dem Ostdeutschen Schlaganfallregister 1972-1988 Vorlage:Lit. In Deutschland beträgt die Inzidenz 182/100000 Vorlage:Lit. Absolut sind dies 150000 neu aufgetretene Schlaganfälle (hinzugerechnet werden müssen rund 15000 Rezidivfälle) pro Jahr.

Symptome

Beim Schlaganfall kommt es typischerweise zu einem plötzlichen Auftreten von mehreren Symptomen. Einige Symptome treten unabhängig von der betroffenen Hirnregion auf:

  • Bewusstseinstrübung Diese kann von einer leichten Benommenheit über Müdigkeit (Somnolenz, Sopor) bis hin zur Bewusstlosigkeit oder zum tiefen Koma reichen. Schlimmstenfalls kann ein Schlaganfall auch innerhalb von Minuten zum Tod durch Atemstillstand führen. Die Bewusstseinsstörung gehört zu den Leitsymptomen.
  • Übelkeit, Erbrechen

Weitere Leitsymptome, die typisch für einen Schlaganfall sind

  • Halbseitenlähmung oder Lähmung aller Extremitäten
  • Pathologische Reflexe der Babinski-Gruppe
  • Beteiligung von Hirnnerven
  • Kopf- oder Blickwendung

Symptome in Abhängigkeit vom betroffenen Gefäß

Blutversorgung des Gehirns

Die folgenden Symptome können bei Infarkten im Großhirn im Bereich der Arteria carotis interna (ACI) (50 % aller Insulte) bzw. Arteria cerebri media (ACM) (25 % der Fälle) auftreten:

  • halbseitige Lähmungen der Extremitäten, die unterschiedlich stark ausgeprägt sein können (Hemiplegie, Hemiparese) Dabei ist bei einem rechtshirnigen Infarkt die linke Körperseite betroffen und umgekehrt.
  • Mit der Halbseitenlähmung kann das Gefühl für Wärme, Kälte, Druck und Lage der betroffenen Körperhälfte verloren gehen (oft vorübergehend). Dies zeigt sich auch in Missempfindungen oder ein Taubheitsgefühl der betroffenen Körperseite (Gefühlsstörung, Sensibilitätsstörung)
  • Neglect = fehlende Wahrnehmung (kann das Sehen, Hören, Fühlen betreffen) der einen Körperhälfte und der Umwelt auf der betroffenen Seite. Bei dieser Störung ist die betroffene Seite für den Patienten nicht vorhanden. Der Patient merkt nicht, dass er gelähmt ist.
  • Das Gesicht kann ebenfalls halbseitig gelähmt sein (z. B. hängender Mundwinkel durch Facialisparese d. h. eine Lähmung des VII. Hirnnerven).
  • Eine plötzliche Sehstörung, bei der auf beiden Augen die eine Hälfte (oder ein Viertel) des Gesichtsfeldes nicht mehr wahrgenommen wird (Hemianopsie bzw. Quadrantenanopsie; Störung der Verarbeitung von Bildinformationen im Gehirn.
  • Wendung der Augen zur betroffenen Hirnseite ("Herdblick")
  • Ist die Gehirnhälfte mit dem Sprachzentrum betroffen, so kommt es zum Verlust der Sprechfähigkeit oder Schwierigkeiten, Gesprochenes zu verstehen (Aphasie)
  • Schluckstörungen (Störungen der Hirnnerven IX und XII)
  • Apraxie, d. h. Unfähigkeit bestimmte Handlungen auszuführen: Knöpfe Zuknöpfen, Telefonieren u. v. a. m.
  • allgemeine Hirnleistungstörungen, wie Konzentration, Gedächtnis, flexibles Reagieren auf Anforderungen der Umwelt...

Der hintere Teil des Großhirns sowie Hirnstamm, Brücke und Kleinhirn werden aus den Arteriae vertebrales versorgt, die sich zur unpaaren Arteria basilaris vereinigen. Aus dieser entspringt beidseits die Arteria cerebri posterior, die bei etwa 10 % der Insulte beteiligt ist. (sog. hinterer Hirnkreislauf) (siehe Blutversorgung des Gehirns)

Bei einem Infarkt im Bereich des hinteren Hirnkreislaufes können auftreten:

  • Plötzlich einsetzender Schwindel mit Nystagmus
  • Gangunsicherheit, Unsicherheit beim Ergreifen von Gegenständen durch überschießende Arm- und Handbewegungen(Ataxie)
  • Zittern Tremor
  • Doppelbilder durch Störungen der Augenbewegung (Hirnnerv III)
  • Blickparesen (Blicklähmung) d. h. der Blick ist nur in bestimmte Richtungen möglich
  • Schmerzen im Hinterkopf
  • Der Lidschlag nimmt ab

Einteilung nach zeitlichem Verlauf der Symptome

Es wurde in der Vergangenheit eine Unterteilung des Schlaganfalls nach dem zeitlichen Verlauf in folgende Stufen vorgenommen:

  • TIA (transitorische ischämische Attacke) (Symptome halten weniger als 24 Stunden an)Eine TIA ist ein Prädiktor für einen großen Schlaganfall (Studien ergaben, dass ca. 40 % der Patienten die eine TIA hatten, innerhalb von 5 Jahren einen großen Schlaganfall erleiden).
  • PRIND (prolongiertes reversibles ischämisches neurologisches Defizit) Wenn die Symptome für mehr als 24 Stunden anhalten, sich aber innerhalb von 8 Tagen komplett zurückbilden.
  • progressiver Infarkt (die neurologischen Symptome nehmen mit der Zeit immer weiter zu) und
  • abgeschlossenem Infarkt (die neurologischen Symptome bleiben bestehen und verändern sich nicht weiter, nach Wochen bis Monaten kann eine Besserung eintreten)

Die Einteilung ist heute noch weit verbreitet, allerdings wird in der Fachliteratur der Begriff PRIND (oder RIND) nicht mehr verwandt, da jede Durchblutungsstörung des Gehirn als Schlaganfall auffassen werden kann. Die Symptomatik unterscheidet sich nur in der zeitlichen Dauer von der eines „großen“ Schlaganfalls. Der Grund für eine Veränderung der Einteilung liegt darin, dass im Gehirn es zum Absterben von Zellen gekommen ist, selbst wenn sich die neurologischen Symptome innerhalb Stunden, Tagen oder Wochen zurückbilden. Das Gehirn ist in der Lage, Schäden am Gehirngewebe und die damit einhergehenden Symptome teilweise auszugleichen, indem andere Gehirnzellen die Funktion der abgestorbenen übernehmen. Diese sogenannte Plastizität ist abhängig von verschiedenen Faktoren wie z. B. dem Alter des Patienten. Außerdem besteht in den meisten Fällen die „Quelle“ des Schlaganfalls weiter, was eine konsequente Behandlung erfordert.


Ursachen

Datei:Gefaessverschluss.png
Verschluss eines Blutgefäßes durch Arteriosklerose

Gängig aber umstritten ist die Differenzierung nach TOAST Vorlage:Lit, Zahlen für Deutschland :

  • kardiale Embolie: Im Herzen bilden sich Blutgerinnsel, die in die hirnversorgenden Gefäße gespült werden und diese verstopfen (Inzidenz: 30,2/100000)
  • Verschluss kleiner Arterien (25,8/100000)
  • Arteriosklerose großer Arterien (15,3/100000)
  • andere Ursache (2,1/1000000)
  • unbestimmte Ursache (39,3/100000)Vorlage:Lit

Risikofaktoren des Hirninfarktes

Die wichtigsten Risikofaktoren für den Schlaganfall sind:

Diagnose und Differentialdiagnose

Die Primärdiagnostik umfasst:

  • die gründliche Erhebung der Krankengeschichte (Anamnese)
  • die körperliche (neurologische) Untersuchung
  • In der Regel folgt die bildgebende Diagnostik: Früher wurde immer erst eine Computertomographie des Schädels (CCT) durchgeführt. So kann schnell zwischen einem ischämischen Schlaganfalles und einer Hirnblutung unterschieden werden. Dies ist wichtig für die Therapieentscheidung. Heute bietet das MRT (mit Kontrastmittel) alle Informationen, die man für die Therapieentscheidung benötigt. Auch Tumoren oder entzündliche Veränderungen des Gehirns (Meningitis, Enzephalitis) oder eine Sinusvenenthrombose könnten damit entdeckt werden. Es ist leistungsfähiger in der Frühdiagnostik, allerdins auch langsamer und teurer. Da außerdem beim hämorrhagischen Insult kein Kontrastmittel eingesetzt werden darf, wird heute meist immer noch ein CT vor dem MRT angefertigt.
  • Eine Dopplersonografie der extra- und intrakraniellen Gefäße dient der Feststellung von strukturellen Veränderungen der hirnversorgenden Gefäße, wie z.B. Atherosklerose oder Dissektionen.
  • Eine Angiografie kann v. a. bei Hirnblutungen zur Darstellung extra- und intrakranieller Gefäße notwendig sein, um Aneurysmen, Angiome oder Arteriovenöse Malformationen darszustellen
  • Eine Liquorpunktion mit Untersuchung des Liquors (Hirnwasser) gibt Aufschluss, wenn eine Meningitis vorliegt. Bei einer Subarachnoidalblutung wäre evtl. Blut im Liquor nachweisbar.
  • Ein EKG dient zur Erkennung von Herzrhythmusstörungen, die für Thromben und damit Embolien ursächlich sein könnten.

Die differentialdiagnostischen Möglichkeiten beim ischämischen Schlaganfall sind vielfältig:


CCT-Untersuchung bei einem Patienten mit einem ischämischen Schlaganfall in der linken Gehirnhälfte (Versorgungsgebiet der Arteria cerebri media).

Therapie

Lysetherapie

Sprechen keine anderen Risikofaktoren wie hohes Alter oder schwerwiegende Vorerkrankungen dagegen, und ist mittels Computertomografie eine Hirnmassenblutung ausgeschlossen worden, kann innerhalb von drei Stunden versucht werden, das Blutgerinnsel (den Thrombus) aufzulösen (Lyse-Therapie), um das minderversorgte Hirngebiet wieder zu durchbluten und die Spätfolgen einzudämmen. Man differenziert zwischen einer systemischen Lysetherapie (Medikament wird im gesamten Kreislauf verteilt) und einer lokal angewendeten Lysetherapie. Die größte Gefahr im Rahmen der Lysetherapie sind sekundäre Blutungen. Grund ist der, dass die Blutgerinnung für Stunden gehemmt wird. Dabei kann es sowohl zu Einblutungen im Gehirn mit weiterer Verschlechterung des neurologischen Status quo, als auch zum Blutverlust über sonstige bestehende Wunden kommen. In einer amerikanischen und in europäischen Studien (z. B. European Cooperative Acute Stroke Study – ECASS) wurden die positiven Effekte einer systemischen Lysetherapie bei Patienten mit einem ischämischen Schlaganfall gezeigt. Ob Patienten von einer Lysetherapie nach sechs Stunden noch profitieren, oder ob die Risiken der Nebenwirkungen überwiegen, ist noch nicht entgültig geklärt. Zur Zeit wird im Normalfall auf eine Lysetherapie nach sechs Stunden in Deutschland verzichtet.

Es sollte auf eine ausreichende Oxygenierung (Sauerstoffsättigung des Blutes) geachtet werden. Obgleich keine gesicherten Daten aus prospektiven Studien vorliegen, wird bei nicht intubationspflichtigen Patienten eine Sauerstoffzufuhr von 2-4 Sauerstoff pro Minute über eine Nasensonde empfohlen. Je nach Schweregrad des Hirninfarkts kann es nötig werden, den Patienten zu intubieren und zu beatmen.

Nach gängiger Lehrmeinung darf der Blutdruck nicht zu weit und zu schnell gesenkt werden, insbesondere nicht bei Patienten mit vorbestehendem Bluthochdruck. Es soll damit versucht werden, durch einen erhöhten Blutdruck die Durchblutung im Bereich der Penumbra aufrecht zu erhalten. Durch unangepasste Senkung des Blutdrucks kann es zu einer Verschlechterung der Symptomatik kommen. Als Richtwert gilt, dass in der Akutphase erst medikamentös eingegriffen werden soll, wenn der Blutdruck 220/120 mmHg überschreitet. Umgekehrt kann es auch nötig werden, den Blutdruck medikamentös auf hochnormale Werte anzuheben. Nach etwa drei Tagen sollten Blutdruckwerte über 180/100 mmHg behandelt werden, bei Patienten mit einem Bluthochdruck Werte über 180/105 mmHg. Allerdings ist die Studienlage nicht ausreichend. Weder der Nutzen des Gebrauch von blutdrucksteigernden noch von blutdrucksenkenden Substanzen ist ausreichend gesichert (Blood pressure 2000). Aktuell wird eine Großstudie (CHHIPS) zu diesem Thema durchgeführt (Potter 2005).

Da Schlaganfallpatienten mit ausgeprägteren Lähmungserscheinungen ein deutlich erhöhtes Risiko für Thrombosen und Lungenembolien haben, muss von Beginn an eine ausreichende Thromboseprophylaxe durchgeführt werden. Dies kann mit Na- oder Ca-Heparin s. c. oder niedermolekularem Heparin s. c. durchgeführt werden. Zusätzlich werden Kompressionsstrümpfe verwendet und die frühe Mobilisation als Thromboseprophylaxe angestrebt.

Es wird eine Normglykämie bzw. ein hochnormaler Blutzuckerwert (also ein Blutzuckerwert kleiner 8,9 mmol/l [160 mg/dl]) angestrebt. Hierbei denkt man v. a. an der Gehirnstoffwechsel, wobei sowohl Hypo- als auch Hyperglykämien negative Auswirkungen auf die Überlebensfähigkeit der Nervenzellen haben.

Anzustreben ist die Normothermie, also eine Körperkerntemperatur von 36,5 °C bis 37,0 °C. Bestehendes Fieber soll gesenkt (physikalisch und medikamentös) und wenn es von einer Infektion herrührt (z. B. im Rahmen einer septisch-embolischen Herdenzephalitis) soll eine Antibiose durchgeführt werden.

Hirnödem

Zur Behandlung des Hirnödems müssen schon im Vorfeld eine ausreichende Sedierung und Analgesie durchgeführt werden. Die Therapie erfolgt nach den Prinzipien Hypervolämie, Hyperosmolarität und Hyperventilation. Hypervolämie und Hyperosmolarität erreicht man mit Substanzen wie Mannitol oder Glycerol; es muss hierbei eine engmaschige Kontrolle v. a. der Elektrolyte und des Hämoglobins erfolgen, da die häufigsten Nebenwirkungen Hämolyse, Hyperhydratation und Elektrolytentgleisungen (aufgrund der Hyperhydratation) sind. Der bei der Hyperventilation auftretende Abfall des arteriellen Kohlenstoffdioxidpartialdrucks (paCO2) führt zu einer Alkalose und einer Vasokonstriktion. Es ist deshalb wichtig darauf zu achten, dass die Hyperventilation nicht zu aggressiv durchgeführt wird, da ansonsten durch die Vasokonstriktion das Infarktgeschehen verstärkt wird. Als Faustregel gilt, dass eine Senkung des paCO2 auf 30 mm Hg zu einer Senkung des intrakraniellen Drucks um ca. 30 % führt. Empfohlen wird aktuell die kurzzeitige Hyperventilation mit paCO2 von 35 mm Hg (untere Normgrenze). Die Hypothermiebehandlung mit einer Abkühlung auf 33 °C Hirntemperatur ist derzeit im Studienstatus und wird nur in wenigen Zentren durchgeführt. Steigt der Hirndruck weiter und ist medikamentös nicht mehr zu beherrschen, so kommt die neurochirurgische Dekompression in Form der Hemikraniektomie in Betracht (z. B. beim raumfordernden, sogenannten malignen Mediainfarkt). Der Einsatz von Steroiden wurde in der letzten Zeit kontrovers diskutiert, die aktuellen Empfehlungen sprechen sich gegen die Gabe von Steroiden bei Hirninfarkten aus.

Prophylaxe

Die Behandlung aller Risikofaktoren (s.o.) gehört zwingend zur Therapie.

Sekundärprophylaxe

Die Sekundärprophylaxe erfolgt medikamentös z. B. mit Clopidogrel, Phenprocoumon oder ASS 100. Hierbei müssen die Risikofaktoren berücksichtigt werden.

Weitere Medikamente

In einer Studie der Universitätsklinik Göttingen konnte der positive Einfluss von Erythropoetin auf das Behandlungsergebnis bei ischämischem Schlaganfall im Mediastromgebiet gezeigt werden. Diesem Effekt liegt am ehesten eine Verlangsamung der Apoptose in der Penumbra durch das Erythropoetin zu Grunde.

Komplikationen

  • Vor allem bei Schluckschwierigkeiten (Dysphagie) kann es im Verlauf zu einer oder wiederholten Aspirationen kommen. Darunter versteht man das Einlaufen von Speichel, Nahrung oder Erbrochenem in die Atemwege.
  • Daraus kann eine Lungenentzündung entstehen.
  • „Post-Stroke-Depression
  • Nach dem Infarkt können Krampfanfälle bzw. eine Epilepsie auftreten
  • Ein primär ischämischer Infarkt kann sekundär einbluten. Dies imponiert klinisch meist als Zweitereignis. Das Vorgehen ist dann wie bei einer intracerebralen Blutung.
  • Das abgestorbene Hirngewebe und die Penumbra können anschwellen. Es entwickelt sich ein sog. raumfordernder Infarkt. Der Hirndruck steigt dabei. Um ein Einklemmen und damit den Tod des Patienten zu verhindern muss evtl. operativ dekomprimiert werden (Dekompressionskraniektomie).

Rehabilitation

  • Im Mittelpunkt der Nachbehandlung des Schlaganfalles steht die Wiedererlangung der Eigenmeisterung. Die Patienten müssen verlorengegangene Fähigkeiten wieder erlernen; teilweise können andere Regionen des Gehirns die Funktionen der ausgefallenen Bereiche übernehmen. Traditionell wird mit Hilfe der Physiotherapie, Ergotherapie, Logopädie und Neuropsychologie versucht, den Patienten zu helfen (u. a. frühestmögliche Pflege und Therapie nach dem Bobath-Konzept), weiterbehandelnde Rehabilitationskonzepte sind die Spiegel- und die Videotherapie.

Prognose

In schweren Fällen kann aus einem Schlaganfall Koma oder der Tod resultieren. Sechs Monate nach einem Schlaganfall (im weiteren Sinne) leben noch 70 % der Patienten. 30 % der Überlebenden werden pflegebedürftig. Die Fälle in denen die Symptome nach kurzer Zeit wieder verschwinden (siehe TIA und PRIND) sollten für den Betroffenen Anlass sein, sich ärztlich über vorbeugende Maßnahmen beraten zu lassen, um ein erneutes evtl. bleibendes Auftreten zu verhindern. Abgestorbene Nervenzellen können zwar nicht mehr nachgebildet werden, aber andere Teile des Gehirns können durch Lernprozesse evtl. noch nach Wochen die verlorene Funktion übernehmen.

Literatur

  • Adams 1993: Adams, H. P.; Bendixen B. H.; Kappelle, L. J.; Biller, J.; Love, B. B.; Gordon, D. L.:TOAST. Trial of Org 10172 in Acute Stroke Treatment. Classification of subtype of acute ischemic stroke. Definitions for use in multicenter clinical trial, Stroke Mar 1993;24;35-41.
  • Blood pressure 2000: The Blood pressure in Acute Stroke Collaboration (BASC). Vasoactive drugs for acute stroke. The Cochrane Database of Systematic Reviews 2000, Issue 4. Art. No.: CD002839. DOI: 10.1002/14651858.CD002839.
  • J. Braun, R. Preuss: Klinikleitfaden Intensivmedizin, 5. Auflage, Urban & Fischer, 2002, ISBN 3-4372-3760-8
  • G. Krämer: Schlaganfall. Was Sie jetzt wissen sollten. Trias, Stuttgart, 1998, ISBN 3-8937-3365-5
  • Kolominsky-Rabas 2004: Kolominsky-Rabas, Peter: Anhaltszahlen zum Schlaganfall aus dem bevölkerungs basierten Erlanger Schlaganfall Register im Rahmen der Gesundheitsberichterstattung des Bundes, 2004, URL: [1]
  • Kolominsky-Rabas 2001: Kolominsky-Rabas, Peter L. ; Weber, Margarete; Gefeller, Olaf; Neundoerfer, Bernhard; Heuschmann, Peter U.: Epidemiology of ischemic stroke subtypes according to TOAST criteria incidence, recurrence, and long-term survival in ischemic stroke subtypes: a population-based study, Stroke 2001;32:2735-2740.
  • G. Krämer: Schlaganfall von A-Z. Medizinische Fachwörter verstehen, Trias, Stuttgart, 1997, ISBN 3-8937-3378-7
  • K. Poeck, W. Hacke: Neurologie, 11. Auflage, Springer-Verlag, Berlin, 2001, ISBN 3-5404-1345-6
  • Potter 2005: Potter J, Robinson T, Ford G, James M, Jenkins D, Mistri A, Bulpitt C, Drummond A, Jagger C, Knight J, Markus H, Beevers G, Dewey M, Lees K, Moore A, Paul S; The CHHIPS Trial Group.

CHHIPS (Controlling Hypertension and Hypotension Immediately Post-Stroke) Pilot Trial: rationale and design. J Hypertens. 2005 Mar;23(3):649-55.

  • J. Steiner: Was nun? Tausend Fragen nach dem Schlaganfall, BoD GmbH, Norderstedt 2001, ISBN 3-8311-0965-6

Siehe auch

Wiktionary: Schlaganfall – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen
Wikibooks: Schlaganfall – Lern- und Lehrmaterialien